OGH vom 22.11.2011, 8ObA29/11i

OGH vom 22.11.2011, 8ObA29/11i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden, den Hofrat Hon. Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler und Mag. Johann Schneller als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Wahlwerbende Gruppe T***** K*****, vertreten durch Dr. Robert Palka, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Arbeiterbetriebsrat im Betrieb der V***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Clemens Gärner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Anfechtung einer Betriebsratswahl, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Ra 137/10s 32, mit dem das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Arbeits und Sozialgericht vom , GZ 8 Cga 79/09x 28, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Wahlen zum Betriebsrat unterliegen nach § 51 Abs 1 ArbVG und § 4 Abs 1 BRWO dem Grundsatz des geheimen Wahlrechts. Der Wahlvorgang ist so zu gestalten, dass das Votum des einzelnen Wählers keinen anderen Personen bekannt wird. Die Vorschriften über die Wahlzellen dienen der Durchsetzung dieses Grundsatzes ( Löschnigg in Strasser/Jabornegg/Resch ArbVG § 51 Rz 6; Kallab in ZellKomm § 51 ArbVG Rz 6). Nach § 24 Abs 1 BRWO hat der Wahlvorstand dafür zu sorgen, dass eine Wahlzelle zur Verfügung steht, die es erlaubt, unbeobachtet den Stimmzettel auszufüllen und zu kuvertieren. Es muss sich dabei im Sinne des Gesetzesverweises auf § 57 Abs 3 NRWO nicht um eine fest konstruierte Wahlzelle handeln, zumindest aber um eine geeignete Absonderungsvorrichtung im Wahllokal, die einen gleichwertigen Sichtschutz bietet.

2. Bei der hier angefochtenen Betriebsratswahl waren an den Standorten der sogenannten „fliegenden Wahlkommissionen“ unstrittig keine Wahlzellen im Einsatz.

Dem Revisionswerber ist zuzugestehen, dass er sein vom Berufungsgericht als unzulässige Neuerung gewertetes Vorbringen, die Wahlberechtigten hätten trotzdem die Möglichkeit gehabt, sich an eine ungestörte Stelle zurückzuziehen und dort die Stimme geheim abzugeben, tatsächlich bereits in erster Instanz erstattet hatte. Er zeigt damit aber keinen iSd § 502 Abs 1 ZPO für das rechtliche Ergebnis wesentlichen Mangel der angefochtenen Entscheidung auf, weil auch eine Berücksichtigung dieses Vorbringens zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung führen hätte können. Trotz Fehlens einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer konkreten Fallgestaltung liegt nämlich keine erhebliche Rechtsfrage vor, wenn das Gesetz selbst (hier: § 161 Abs 1 Z 1 und Z 2 ArbVG iVm § 24 BRWO) eine klare, das heißt eindeutige Regelung trifft (RIS Justiz RS0042656).

Die Einrichtung von Wahlzellen oder diesen entsprechenden sonstigen Sichtschutzmaßnahmen gehört nach § 24 Abs 1 BRWO zu den Aufgaben des Wahlvorstands ( Löschnigg aaO, § 56 ArbVG Rz 16), der den Wählern konkrete, für den Zweck geeignete Vorrichtungen oder Räume zur Verfügung zu stellen hat. Es genügt demnach keineswegs, den Wählern die spontane Suche nach einem unbeobachteten Ort für die Stimmabgabe selbst zu überlassen, zumal durch ein solches Ansinnen ein mit den Grundsätzen der freien und geheimen Wahl unvereinbarer mittelbarer Druck ausgeübt würde. Das Argument des Revisionswerbers, es sei alternativ ja möglich gewesen, anstatt bei der „fliegenden Wahlkommission“ im Hauptwahllokal die Stimme abzugeben, ist insofern nicht zielführend, als im Anfechtungsverfahren keine theoretischen Abläufe, sondern die Umstände der tatsächlich durchgeführten Wahl zu beurteilen sind.

3. Das rechtliche Ergebnis der Vorinstanzen ist daher nach den festgestellten Umständen des vorliegenden Einzelfalls jedenfalls nicht als unvertretbar zu beurteilen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Entscheidung nicht (§§ 2 ASGG, 510 Abs 3 ZPO).