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VfGH vom 11.06.2001, b308/00

VfGH vom 11.06.2001, b308/00

Sammlungsnummer

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Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Zurückweisung eines Asylantrags aufgrund der Annahme der Zuständigkeit eines anderen EU-Staates zur Prüfung des Antrags iSd Dubliner Übereinkommens; verfassungswidrige Gesetzesauslegung im Hinblick auf die in E v , G117/00 ua, geäußerte Rechtsansicht des Verfassungsgerichtshofes hinsichtlich der Verpflichtung der Asylbehörden zu einer Sachentscheidung in bestimmten Fällen; verfassungswidrige Auslegung des § 5 AsylG 1997 auch im Hinblick auf die Annahme des Ausschlusses des Non-Refoulement-Gebotes

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid in dem durch das BVG BGBl. 390/1973 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundeskanzler) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit 27.000 S bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer, ein algerischer Staatsangehöriger, reiste am illegal über Italien und Deutschland, wo er jeweils Asyl beantragt hatte, ein und stellte am auch in Österreich einen Asylantrag.

Mit Bescheid vom wies das Bundesasylamt den Asylantrag gemäß § 5 Abs 1 AsylG 1997 als unzulässig zurück, da für dessen Prüfung gemäß Art 8 des Übereinkommens über die Bestimmungen des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft gestellten Asylantrags, BGBl. III 165/1997, (im folgenden: Dubliner Übereinkommen) Italien zuständig sei (das sich auch zur Prüfung des Asylantrags bereit erklärt habe) und verband damit die Ausweisung des Beschwerdeführers aus dem Bundesgebiet.

2. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er ua. vorbrachte, daß sein in Italien gestellter Asylantrag nicht angenommen worden sei, er von einer Kettenabschiebung bedroht sei und § 5 Abs 3 AsylG gegen den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Schutz des Art 3 EMRK verstoße.

Der Unabhängige Bundesasylsenat wies diese Berufung mit Bescheid vom ab und führte nach einer Zusammenfassung des bisherigen Verfahrensganges und der rechtlichen Erwägungen im wesentlichen aus, daß die völkervertraglich ausbedungene Zuständigkeit eines anderen Staates als negative Prozeßvoraussetzung hinsichtlich des Asylverfahrens in Österreich konstruiert sei, der österreichische Gesetzgeber jedenfalls davon ausgehe, daß Staaten, die aufgrund eines Staatsvertrages zur Durchführung eines Asylverfahrens zuständig sind, immer auch sichere Drittstaaten seien und Italien verpflichtet sei, den Asylwerber aufzunehmen und die Prüfung des Asylantrages bis zum Ende durchzuführen.

II. Gegen diesen Berufungsbescheid richtet sich die auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in welcher im besonderen die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht, keiner Folter oder unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden (Art3 EMRK), sowie eine Rechtsverletzung durch Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes geltend gemacht und angeregt wird, ein Gesetzesprüfungsverfahren bezüglich § 5 AsylG 1997 einzuleiten.

Die belangte Behörde legt die Verwaltungsakten vor, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.

III. Die Beschwerde, deren meritorischer Erledigung Verfahrenshindernisse nicht entgegenstehen, erweist sich als gerechtfertigt.

1. Die Beschwerde entspricht in allen entscheidungswesentlichen Belangen der Beschwerdesache B1541/00, weshalb sich der Verfassungsgerichtshof darauf beschränken kann, auf die Entscheidungsgründe seines in dieser Beschwerdesache am heutigen Tage gefällten Erkenntnisses hinzuweisen; aus diesem ergibt sich sinngemäß auch für den vorliegenden Beschwerdefall, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in dem durch das BVG BGBl. 390/1973 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt wurde und der Bescheid daher aufzuheben ist.

2. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 88 VerfGG; vom jeweils zugesprochenen Kostenbetrag entfallen 4.500 S auf die Umsatzsteuer.

IV. Diese Entscheidung wurde gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung getroffen.