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OGH vom 17.09.1991, 10ObS211/91

OGH vom 17.09.1991, 10ObS211/91

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst und Dr.Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Dietmar Strimitzer (Arbeitgeber) und Univ.Prof.Dr.Walter Schrammel (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Mario B*****, ohne Beschäftigung, ***** vertreten durch Dr.Edwin Morent, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert Stifter-Straße 65, vertreten durch Dr.Vera Kremslehner, Dr.Josef Milchram und Dr.Anton Ehm, Rechtsanwälte in Wien, wegen Versehrtenrente, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 32 Rs 237/90-32, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 13 Cgs 1232/88-26, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid der beklagten Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt vom wurde der Unfall, den der Kläger am in Diensten der Bundeskammer ***** als Vertragsangestellter erlitten hat, gemäß § 175 Abs 2 Z 1 ASVG als Arbeitsunfall anerkannt. Gemäß §§ 195, 203 bis 207 iVm § 252 ASVG wurde dem Kläger für die Zeit vom 4.1. bis eine Versehrtenrente von 20 v.H. der Vollrente, monatlich also S 2.674,20 zuerkannt. Weiters wurde ausgesprochen, daß ab keine Rente gebührt, weil die Erwerbsfähigkeit durch die Folgen des Unfalls nicht mehr in einem rentenfähigen Ausmaß gemindert sei. Es handle sich um die vorübergehende Verschlimmerung eines chronischen anlagebedingten Leidens.

Das Erstgericht wies das dagegen erhobene Klagebegehren auf Gewährung einer Versehrtenrente im gesetzlichen Ausmaß über den hinaus ab. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Der am geborene und als Angestellter bei der Bundeskammer ***** beschäftigte Kläger erlitt am auf dem Weg zur Arbeit bei einer Bremsung der Straßenbahn einen Sprung im Bereich des rechten Oberschenkelhalses und eine Prellung der rechten Hüfte. Bereits im Zeitpunkt der Untersuchung durch den chirurgischen Sachverständigen am war der Zustand der Prellung der rechten Hüfte wieder voll abgeheilt und der Vorzustand wieder hergestellt. Durch den Unfall ist eine Verschlechterung des beim Kläger bestehenden Grundleidens, nämich Encephalitis disseminata nicht eingetreten. Aus unfallchirurgischer Sicht besteht seit dem keine unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit mehr. Der Kläger leidet (nicht unfallbedingt) seit 1976 an multipler Sklerose. Dabei handelt es sich um eine schicksalhafte organische Erkrankung des Zentralnervensystems, die in Schüben und Remissionen verläuft, wobei die Remissionen entweder vollständig sein können oder aber immer wieder ein zunehmender Defekt übrig bleibt. Der Kläger wurde unter dieser Diagnose erstmals 1976 im neurologischen Krankenhaus Theresienschlössel behandelt, in weiterer Folge im August 1985, im November 1986, im März 1987 und nach dem Unfall im Dezember 1987. Es ist bekannt, daß interkurrente Erkrankungen Schübe auslösen können, soweit diese Erkrankungen geeignet sind, die Resistenz des Patienten herabzusetzen. Dies ist etwa bei fieberhaften Infekten, langdauernder Durchkältung und Durchnässung, langdauernden Anstrenungen, Schwangerschaft usw möglich. Es ist somit nicht mit Sicherheit auszuschließen, daß es durch den Unfall des Klägers zur Auslösung eines Schubes gekommen ist. Keinesfalls kann aber darin eine richtungsweisende Verschlechterung der Erkrankung angenommen werden, weil der Verlauf eines solchen Schubes unabhängig davon ist, ob es sich um einen spontanen Schub oder einen durch eine Erkrankung ausgelösten handelt. Auch aus neurologischer Sicht besteht somit keine unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers.

In rechtlicher Hinsicht faßte das Erstgericht zusammen, daß die Unfallfolgen über den hinaus keinerlei Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers bewirkt hätten, sodaß gemäß § 203 Abs 1 ASVG Anspruch auf Versehrtenrente nicht bestehe.

Das Berufungsgericht gab der vom Kläger erhobenen Berufung nicht Folge. Nach den Feststellungen sei es dem Kläger nicht gelungen, im Rahmen der ihn für anspruchsbegründende Umstände treffenden Beweislast ein hohes Maß an Wahrscheinlichkeit der Unfallskausalität zu beweisen. Auf Grund der vom Berufungsgericht gänzlich übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens und einer durch den Akteninhalt gedeckten überzeugenden Beweiswürdigung sei eine unrichtige rechtliche Beurteilung zu verneinen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung dahin, daß ihm die begehrte Versehrtenrente zuerkannt werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragte, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Nach Ansicht des Revisionswerbers sei die Schlußfolgerung des Berufungsgerichtes, daß die Kausalität nicht erwiesen sei, zwar logisch nachvollziehbar, entferne sich jedoch krass von den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit und sei daher zu negieren. Es hieße die Erfordernisse der den Kläger treffenden Beweislast zu überziehen, wenn er "jeden Zweifel auszuräumen hätte". Vielmehr genüge es, eine mögliche und wahrscheinliche Ursache aufzuzeigen, worauf es Sache der beklagten Partei sei, im konkreten Fall die Anwendbarkeit auszuschließen. Wenn selbst banale Erkrankungen und seelische Aufregungen zur Auslösung eines Schubes bei multipler Sklerose führen könnten, wenn der Kläger des weiteren am einen schweren Arbeitsunfall erlitten habe, der als solcher einen Schub auslösen könnte und wenn letztlich im zeitlichen Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall ein Schub ausgelöst worden sei, so sei die Kausalität zwischen dem Unfall und dem Krankheitsschub naheliegend. Die davon abweichende Begründung des Berufungsgerichtes sei logisch nicht nachvollziehbar und verstoße gegen die Denkgesetze: Wenn der Schub durch den Unfall ausgelöst werden konnte und eine entgegenstehende Auslösung nicht feststehe, müsse im Zweifel zugunsten des Klägers die Kausalität bejaht werden.

Diesen Ausführungen ist nicht zu folgen.

Der Kläger hat nach den auch in Sozialrechtssachen, die keine Rechtsstreitigkeiten nach § 65 Abs 1 Z 2 und 5 ASGG sind (§ 87 Abs 4 ASGG), geltenden allgemeinen Grundsätzen der Beweislastverteilung zu beweisen, daß durch den als Arbeitsunfall anerkannten Verkehrsunfall vom über den hinaus eine Minderung der Erwerbsfähigkeit eingetreten ist. An diesen Kausalitätsbeweis dürfen allerdings keine allzu strengen Anforderungen gestellt werden, weshalb - ähnlich wie für die Haftungsbegründung in Schadenersatzfällen - der Beweis eines (sehr) hohen Wahrscheinlichkeitsgrades genügt.

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen ist es nun durchaus möglich, weil nicht mit Sicherheit auszuschließen, aber auch nicht mit ausreichender Sicherheit festzustellen, daß der genannte Arbeitsunfall den Krankheitsschub und damit eine Verschlimmerung des anlagebedingten Grundleidens ausgelöst hat. Ausgehend von diesem festgestellten Sachverhalt haben die Vorinstanzen zutreffend einen Anspruch des Klägers nach § 203 ASVG auf die begehrte Versehrtenrente verneint, weil sie den Kausalitätsbeweis als nicht erbracht angesehen, sondern vielmehr ausgeführt haben, daß durch den Arbeitsunfall eine Verschlimmerung der anlagebedingten Erkrankung nicht angenommen werden kann. Ob dieser Beweis von den Vorinstanzen zu Recht als nicht erbracht angesehen wurde, betrifft eine Frage der Beweiswürdigung und ist im Revisionsverfahren nicht überprüfbar.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch an den gänzlich unterlegenen Kläger nach Billigkeit sind nach der Aktenlage nicht ersichtlich und wurden auch nicht geltend gemacht.