OGH vom 17.12.2018, 9ObA130/18k

OGH vom 17.12.2018, 9ObA130/18k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Stefula sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Harald Stelzer und KR Karl Frint als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ing. J***** F*****, vertreten durch Dr. Charlotte Böhm, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei S***** Gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Kurt Berger und Dr. Mathias Ettel, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses, in eventu Kündigungsanfechtung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Ra 82/18i-20, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die Äußerung des Geschäftsführers der Beklagten gegenüber dem Betriebsrat, dass man den Kläger aus wirtschaftlichen Gründen und weil die Vertretung nicht funktioniert habe, kündigen wolle und dass es ihm „lieber wäre“, der Betriebsrat würde der Kündigung zustimmen begründet nicht schon per se eine „Kollusion“. Dazu wäre erforderlich, dass der Dienstgeber und der Betriebsrat in Bezug auf die Abgabe der Zustimmung sittenwidrig zusammenwirken, um in Schädigungsabsicht dem Dienstnehmer eine Anfechtungsmöglichkeit abzuschneiden (8 ObA 58/07y; ebenso Wolligger in Neumayr/Reissner, ZellKomm3§ 105 ArbVG Rz 57/1; Trost in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG § 105 Rz 154; Gahleitner in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht5§ 105 Rz 57). Hiervon kann aber nach dem festgestellten Sachverhalt nicht ausgegangen werden.

2. Mangels Vorliegens einer Kollusion stellt sich die Rechtsfrage, ob derentwegen unter Umständen bereits die Kündigung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber unwirksam ist (so Jabornegg, DRdA 2014, 320 f [Entscheidungsbesprechung von 9 ObA 38/13y]; Schima, Sperrrecht, Vertrauens- und Rechtsschutz im betrieblichen Vorverfahren und Ermessenskontrolle bei Betriebsratsentscheidungen – Zugleich eine Besprechung von , JBl 2014, 80 [94 f]), oder ob lediglich die Zustimmung des Betriebsrats rechtsunwirksam wäre (so 8 ObA 58/07y) nicht.

3. Aus Überlegungen der außerordentlichen Revision, das betriebsverfassungsrechtliche Vorverfahren sei fehlerhaft, wenn für den Dienstgeber aufgrund des Vorgehens der Betriebsratsvorsitzenden erkennbar sei, dass keine kollegiale Beschlussfassung im Sinn der Bestimmungen der § 67 f ArbVG erfolgt sei, ist nach der Lage des Falls nicht zu gewinnen, weil eine Verletzung der einwöchigen Frist des § 105 Abs 1 ArbVG im vorliegenden Fall der Beklagten nicht zur Last fällt.

4. Ob im Hinblick auf den Inhalt der prozessualen Erklärungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht oder ein Antrag als gestellt anzusehen ist und wie ein Vorbringen oder ein Antrag auszulegen ist, sind Fragen des Einzelfalls, denen im Allgemeinen keine erhebliche Bedeutung zukommt (vgl RISJustiz RS0042828). Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung, dass die Klage zwar eine Kündigungsanfechtung wegen eines verpönten Motivs (§ 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG), aber keine Kündigungsanfechtung wegen Sozialwidrigkeit (§ 105 Abs 3 Z 2 ArbVG) enthalte, ist nicht zu beanstanden, erklärte doch der Kläger im Zuge des Verfahrens selbst, die Kündigung nicht wegen Sozialwidrigkeit angefochten zu haben, sondern im Falle, dass die Kündigung rechtswirksam erfolgt wäre, das Anfechtungsbegehren auf ein verpöntes Motiv zu stützen (AS 28). Nach Ablauf der Anfechtungsfrist ist ein Nachschieben von Anfechtungsgründen unzulässig und eine Klagsänderung durch Geltendmachung eines neuen Anfechtungsgrundes ausgeschlossen (RISJustiz RS0106300 [T3]; Trost in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG § 105 Rz 185).

Die außerordentliche Revision des Klägers ist mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2018:009OBA00130.18K.1217.000

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