OGH vom 16.11.2016, 15Os99/16x
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Beran als Schriftführer in der Strafsache gegen Nik B***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom , GZ 4 Hv 10/16d 175, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Nik B***** des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 15, 146, 147 (richtig nur:) Abs 2 StGB (A.), des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (B.1.) und des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 15 StGB, § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (B.2.) schuldig erkannt.
Danach hat er
A. mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, verdeckte Ermittler des Bundeskriminalamts durch Täuschung über Tatsachen, indem er einen „italienischen Tonziegel“ einem „Kokainziegel“ täuschend ähnlich verpackte, um damit gegenüber den verdeckten Ermittlern die Übergabe eines Kilogramms Kokain vorzugeben, zu einer Handlung, nämlich zur Übergabe nachstehender Bargeldbeträge zu verleiten versucht, die diese in einem insgesamt 5.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigen sollte, und zwar
1. am in S***** zur Übergabe von 55.000 Euro;
2. am in G***** zur Übergabe von 57.000 Euro;
B. am in S*****, F***** und anderen Orten des Bundesgebiets vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 25 fache der Grenzmenge des § 28b SMG übersteigenden Menge
1. eingeführt, indem er 1.100 Gramm Kokain mit einem Reinheitsgehalt von 62,7 % (538,6 Gramm Cocain Base in Reinsubstanz) im Pkw Ford Fusion mit dem amtlichen Kennzeichen ***** von Slowenien nach Österreich brachte;
2. anderen zu überlassen versucht, indem er die zu 1. genannte Menge an Kokain an einen verdeckten Ermittler des Bundeskriminalamts übergab.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf Z 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.
Die Rechtsrüge behauptet unter Bezugnahme auf die am in Kraft getretene Bestimmung des § 133 Abs 5 StPO das Vorliegen des Verfolgungshindernisses verbotener Tatprovokation. Sie scheitert schon daran, dass diese Vorschrift mangels Geltung zum Zeitpunkt der Urteilsfällung erster Instanz am auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden ist (vgl 12 Os 5/16a; 15 Os 74/16w, 15 Os 81/16z; Jerabek , WK StPO § 516 Rz 1; Ratz , WK StPO § 288 Rz 35).
Im Übrigen wäre das Vorbringen der Nichtigkeitsbeschwerde auch inhaltlich nicht im Recht.
Unzulässige Tatprovokation unterscheidet sich von einer legitimen verdeckten Ermittlung dadurch, dass sich die beteiligten Beamten nicht auf eine im Wesentlichen passive Ermittlung strafbarer Aktivitäten beschränken, sondern einen solchen Einfluss auf die Person ausüben, dass diese zur Begehung einer Tat verleitet wird, die sie sonst nicht begangen hätte. Beurteilungskriterien hiefür sind, ob objektive Verdachtsmomente dafür bestanden haben, dass die Person an kriminellen Aktivitäten beteiligt oder der Begehung einer Straftat zugeneigt war, und ob auf sie Druck ausgeübt wurde, die Tat zu begehen. Eine im Wesentlichen passive Haltung geben die Behörden etwa dann auf, wenn die Person wiederholt kontaktiert wird, das Angebot trotz anfänglicher Weigerung wiederholt wird, die Person beharrlich aufgefordert, überredet oder unter psychischen Druck gesetzt wird (RIS Justiz RS0130354).
Nach der – maßgeblichen (RIS Justiz RS0099810) – Gesamtheit der Urteilsannahmen kam der erste Kontakt zwischen dem Angeklagten und den verdeckten Ermittlern über den Zeugen Bo***** zustande. Der Angeklagte ging aber nur zum Schein auf die Anfrage über die Lieferung eines Kilogramms Kokain ein und fasste vielmehr – zur Lösung seiner finanziellen Probleme – den Entschluss, eine ganz andere Straftat zu begehen, nämlich den vermeintlichen Geschäftspartnern statt des vereinbarten Suchtgifts einen „italienischen Tonziegel“ zu verkaufen (US 3 f). Nach diesem ersten missglückten Betrugsversuch (A.1.) nahm der Angeklagte von sich aus wieder Kontakt zum verdeckten Ermittler auf, um neuerlich betrügerisch ein Geschäft anzubahnen (US 5 f; A.2.).
Auch bei der schließlich erfolgten Einfuhr und versuchten Überlassung von 1.100 Gramm Kokain am (B.) ging die Initiative vom Angeklagten aus, der mehrfach versuchte, den verdeckten Ermittler telefonisch zu kontaktieren (US 6), was ihm am auch gelang. Dabei ersuchte er nochmals um ein Treffen in Österreich zur Besprechung der Übergabemodalitäten (US 7). Die Kontaktanbahnungen nach dem ersten Treffen im Jänner 2015 gingen somit vom Angeklagten aus, der in der Kommunikation auch aktiv und interessiert vorging (US 12 f). Von einer unzulässigen Tatprovokation kann daher – unabhängig davon, ob der Angeklagte „zuvor mit Suchtgift zu tun hatte“ (US 3) – nach den Urteilsannahmen nicht ausgegangen werden.
Mit dem WhatsApp Verkehr zwischen dem Angeklagten und einem der verdeckten Ermittler haben sich die Tatrichter ausdrücklich auseinandergesetzt (US 13; der Sache nach Z 5 zweiter Fall), jedoch daraus nicht die von der Beschwerde gewünschten Schlüsse gezogen.
Schließlich wird nicht klar, weshalb aus dem Umstand, dass die Tatrichter „ein gewisses Einwirken des VB Christian auf den Angeklagten“ bei der Strafzumessung als mildernd werteten, „eindeutig“ hervorgehen soll, dass die Initiative zu den Taten unzulässigerweise vom verdeckten Ermittler ausging.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO) woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung ergibt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2016:0150OS00099.16X.1116.000