OGH vom 13.06.2005, 10ObS210/03k

OGH vom 13.06.2005, 10ObS210/03k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Schramm sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Karlheinz Kux (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Peter Schönhofer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Waltraut T*****, Deutschland, vertreten durch Rechtsanwälte Kaan, Cronenberg & Partner in Graz, gegen die beklagte Partei Bundespensionsamt, 1031 Wien, Barichgasse 38, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen Pflegegeld, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 12 Rs 67/03i-7, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluss des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 36 Cgs 37/02b-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Beide Parteien haben die Kosten ihrer Rechtsmittelschriften selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Mutter der Klägerin bezog bis einschließlich Juli 1995 von der beklagten Partei Pflegegeld der Stufe 1. Da sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt Mitte 1995 nach Deutschland verlegte, stellte die beklagte Partei die Zahlung des Pflegegelds ab ein.

Im Auftrag des Versorgungsamtes Hamburg erstellte der versorgungsärztliche Dienst am eine gutachterliche Stellungnahme über die Behinderung der Mutter der Klägerin und beurteilte den Grad ihrer Behinderung nach dem Schwerbehindertengesetz mit 80 %. Mit Schreiben vom teilte die Mutter der Klägerin der beklagten Partei mit, sich nicht damit abfinden zu können, wegen ihres dauernden Aufenthaltes außerhalb Österreichs keinen Anspruch auf Pflegegeld mehr zu haben. Um ihre Rechte auf eine eventuelle Nachzahlung zu wahren, ersuchte sie um eine bescheidmäßige Erledigung ihres Pflegegeldbegehrens. In demselben Schreiben, das am bei der beklagten Partei einlangte, teilte die Mutter der Klägerin außerdem mit, ihr Zustand habe sich seit 1998 weiter verschlechtert. Sie wies darauf hin, dass in Deutschland mit Wirkung vom der Grad ihrer Behinderung mit 80 % verbunden mit einer außergewöhnlichen Gehbehinderung und der Notwendigkeit einer dauernden Begleitung festgestellt worden sei.

Die beklagte Partei stellte daraufhin mit Bescheid vom fest, dass der Mutter der Klägerin aufgrund ihres Aufenthaltes in Deutschland seit Mitte des Jahres 1995 ein Pflegegeld vom an nicht mehr gebühre.

Gegen diesen Bescheid erhob die rechtsanwaltlich vertretene Mutter der Klägerin zu 33 Cgs 91/00k des Landesgerichtes Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht Klage auf Zahlung des Pflegegelds im gesetzlichen Ausmaß über den hinaus. Sie brachte vor, ihr Wohnsitzwechsel von Wien nach Hamburg sei notwendig gewesen, weil es ihr eine unheilbare Nervenlähmung in den unteren Beinen unmöglich mache, ohne fremde Hilfe frei zu gehen. Sie sei daher auf die Pflege durch ihre Tochter angewiesen. § 3 Abs 1 BPGG, wonach der Anspruch einer Person auf Pflegegeld an deren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich geknüpft werde, verstoße gegen Gemeinschaftsrecht. Dieses Verfahren wurde zunächst bis zum Vorliegen der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften in der Rechtssache Jauch unterbrochen und in der Folge über Antrag der Mutter der Klägerin fortgesetzt. In der Verhandlungstagsatzung am , in der für die beklagte Partei niemand einschritt, "präzisierte" die Mutter der Klägerin ihr Leistungsbegehren dahin, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, Pflegegeld der Stufe 1 über den hinaus in gesetzlicher Höhe weiter zu leisten und die bis zur Rechtskraft fälligen Beträge binnen 14 Tagen zu zahlen. Mit dem unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen Urteil vom erkannte das Landesgericht Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht die beklagte Partei schuldig, der Mutter der Klägerin das Pflegegeld der Stufe über den hinaus im gesetzlichen Ausmaß (2.563 S monatlich) weiter zu gewähren und die bis zur Rechtskraft fällig gewordenen Beträge binnen 14 Tagen nach Rechtskraft zu bezahlen. Begründend führte es aus, da es gegen Gemeinschaftsrecht verstoße, den Anspruch auf Pflegegeld nach dem BPGG davon abhängig zu machen, dass der Pflegebedürftige seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich habe, sei diese Regelung in § 3 Abs 1 BPGG infolge des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts unbeachtlich. Es stehe daher über den das Pflegegeld zu, dessen Höhe mit Stufe 1 bis zum Schluss der Verhandlung erster Instanz nicht strittig gewesen sei.

Die Mutter der Klägerin hatte bereits mit Antrag vom , der am bei der beklagten Partei einlangte, Zahlung eines erhöhten Pflegegelds (zumindest der Stufe 3) ab begehrt. Sie brachte darin vor, seit der Zuerkennung des Pflegegelds der Stufe 1 im Jahr 1994 habe sich ihr Gesundheitszustand dramatisch verschlechtert. Seit Juli 1999 sei sie wegen einer Polyneuropathie auf die Benutzung eines Rollstuhls angewiesen. Sie leide an cerebralen Durchblutungsstörungen mit Schwindelattacken und auf Grund eines Parkinsonsyndroms an Ruhetremor der Hände. Von amtsärztlicher Seite sei der Grad ihrer Behinderung mit 80 % beziffert worden. Da die beklagte Partei sich mit dem Bescheid vom geweigert habe, ihr überhaupt Pflegegeld zuzuerkennen, sei es ihr nicht möglich gewesen, bereits 1999 eine Erhöhung des Pflegegelds zu beantragen. Mit Note vom übersandte die beklagte Partei diesen Antrag dem Landesgericht Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht „zwecks Berücksichtigung beim dg. Verfahren". Das Landesgericht Feldkirch stellte diesen bei ihm nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingelangten Antrag der beklagten Partei „mangels Zuständigkeit" zurück. Die Mutter der Klägerin verstarb am . Mit Schreiben vom gab die Klägerin der beklagten Partei bekannt, sie habe ihre Mutter in den letzten Jahren allein unentgeltlich gepflegt. Sie stellte den Antrag, ihr die beantragten, nicht ausbezahlten fälligen Geldleistungen auszubezahlen, und verwies im Übrigen auf die Eingabe vom . Auf Grund des Fortsetzungsantrags der Klägerin vom stellte die beklagte Partei mit Bescheid vom fest, dass für die am verstorbene Mutter der Klägerin auf Grund des am bei der beklagten Partei eingebrachten Antrags für den Zeitraum vom bis Pflegegeld der Stufe 3 von monatlich 5.690 S anstelle der vorherigen Stufe 1 gebührt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Klage der fortsetzungsberechtigten Klägerin mit dem Begehren auf Zahlung des Pflegegelds der Stufe 3 für den Zeitraum vom bis . Bereits mit dem Schreiben vom habe die Mutter der Klägerin eine Erhöhung des Pflegegelds beantragt, in dem ausgeführt worden sei, dass sich ihr Gesundheitszustand seit 1998 weiter verschlechtert habe und ihr daher von den Behörden in Hamburg mit Wirkung vom eine 80 %ige Behinderung wegen außergewöhnlicher Gehbehinderung und der Notwendigkeit ständiger Begleitung attestiert worden sei. Dieser Antrag, der nur als ein Antrag auf Erhöhung eines bereits zu zahlenden Pflegegelds verstanden werden könne, sei im Sinne des Erhöhungsantrags von der beklagten Partei nicht erledigt worden. Sollte das Gutachten der deutschen Behörden, wonach mit Wirkung vom eine 80 %ige Behinderung der Mutter der Klägerin attestiert worden sei, nicht dazu geeignet sein, eine Erhöhung des Pflegegelds mit Wirksamkeit ab oder allenfalls mit zu bewirken, so sei jedenfalls der Antrag vom als Geltendmachung der wesentlichen Veränderung im Sinn des § 9 Abs 5 Z 2 BPGG anzusehen. Im April 2001 habe sie abermals den Antrag gestellt, ihr Pflegegeld zumindest der Stufe 3 zu leisten. Dieser Antrag habe im Verfahren vor dem Landesgericht Feldkirch nicht mehr berücksichtigt werden können, sodass von der beklagten Partei der nunmehr angefochtene Bescheid in dieser Sache erlassen worden sei. In der Bekanntgabe vom an die beklagte Partei sei diese bereits auf die Eingabe vom verwiesen worden. Eine Reaktion darauf sei jedoch nicht erfolgt.

Die beklagte Partei beantragte, die Klage zurückzuweisen. Mit dem bekämpften Bescheid sei über den am eingelangten Erhöhungsantrag nur in Ansehung des Pflegegeldanspruchs ab abgesprochen worden, weil die Neubemessung des Pflegegelds wegen einer Veränderung im Ausmaß des Pflegebedarfs erst mit dem Beginn des Monats wirksam werde, der auf die Geltendmachung der wesentlichen Veränderung folge. Das vorliegende Klagebegehren richte sich aber auf die Zahlung von Pflegegeld für den davor liegenden Zeitraum bis , der nicht Gegenstand des Bescheides gewesen sei. Die Verfahrensvoraussetzung des § 67 ASGG fehle daher.

Das Erstgericht wies die Klage zurück. Der Bescheid, der mit der Klage bekämpft werde, spreche nicht über den Zeitraum ab, auf den sich das Klagebegehren beziehe. Es fehle daher die Verfahrensvoraussetzung gemäß § 67 Abs 1 Z 1 ASGG. Dem Bescheid liege einerseits der Antrag der Klägerin vom , andererseits die Bekanntgabe vom , in der auf die Eingabe vom verwiesen werde, zu Grunde. Da die beklagte Partei über den Zeitraum vom (bzw ) bis nicht bescheidmäßig über den Pflegegeldanspruch abgesprochen habe, könne die auf diesen Zeitraum gerichtete Klage in eine Säumnisklage umgedeutet werden. Eine Säumnis der beklagten Partei liege allerdings nicht vor. Mit dem Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht vom sei nämlich rechtskräftig erkannt worden, dass der pflegegeldbeziehenden Mutter der Klägerin Pflegegeld der Stufe 1 über den hinaus zustehe. Bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz in diesem Verfahren am sei damit rechtskräftig nicht nur über den Pflegegeldanspruch dem Grunde nach, sondern auch über dessen Höhe abgesprochen worden. Bis zur Beendigung dieses Verfahrens seien sowohl der Antrag der Klägerin vom als auch der (möglicherweise) als Antrag auf Erhöhung des Pflegegelds zu wertende Hinweis auf die weitere Verschlechterung des Zustands seit 1998 im Antrag vom bereits gestellt gewesen. Die Rechtskraft des Urteils des Landesgerichtes Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht stehe daher einer Entscheidung über die Höhe des Anspruchs auf Gewährung von Pflegegeld bis entgegen.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Von der grundsätzlichen Zulässigkeit der gegenständlichen Leistungsklage ausgehend, so führte das Rekursgericht aus, verkenne die Klägerin, dass der unter Bezugnahme auf die gutachterliche Stellungnahme des versorgungsärztlichen Dienstes Hamburg eingebrachte und am bei der beklagten Partei eingelangte Erhöhungsantrag bereits Gegenstand des abweislichen Bescheides der beklagten Partei vom gewesen sei. Sowohl die Zuerkennung des Pflegegelds dem Grunde nach infolge dessen Exportfähigkeit in das EU-Ausland als auch die Gewährung einer der geltend gemachten Verschlechterung des Zustands entsprechenden höheren Leistung sei demnach Gegenstand des Verfahrens vor dem Landesgericht Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht gewesen. In diesem habe es die Mutter der Klägerin allerdings in der Verhandlungstagsatzung am unterlassen, ihren (höheren) Pflegegeldanspruch weiter zu verfolgen und sie habe ihr bis dahin umfassendes Leistungsbegehren - entgegen der im vorangegangenen Verwaltungsverfahren beantragten Erhöhung - ausdrücklich auf Zahlung eines Pflegegelds der Stufe 1 eingeschränkt. Deswegen habe das Landesgericht Feldkirch auch keine höhere als die zum Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung beantragte Leistung zusprechen können. Mit dem Urteil vom sei damit über den Pflegegeldanspruch der Klägerin für den gesamten Klagszeitraum endgültig entschieden worden. Vorbehaltlich einer wesentlichen Änderung der für den Zuspruch der Leistung maßgebenden Verhältnisse könne über Antrag des Versicherten jederzeit ein höheres Pflegegeld gewährt werden. Ein diesbezüglicher Verschlimmerungsantrag werde immer nur mit dem auf die Antragstellung folgenden Monatsersten wirksam. Dies sei im vorliegenden Fall der gewesen. Das rechtskräftige Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht stehe daher der neuerlichen gerichtlichen Geltendmachung des Pflegegeldanspruchs bis entgegen. Im vorliegenden Fall könne kein Zweifel an der Identität des Streitgegenstandes bestehen, zumal der in der neuen Klage geltend gemachte Anspruch sowohl hinsichtlich des Begehrens (Pflegegeld) als auch des rechtserzeugenden Sachverhalts (Verschlimmerungsantrag auf der Grundlage der Feststellung des Grads der Behinderung durch das Versorgungsamt Hamburg) mit jenem des Vorprozesses völlig übereinstimme. Dass die beklagte Partei ungeachtet des Schlusses der Verhandlung am Pflegegeld der Stufe 3 bereits ab zugesprochen habe, erkläre sich nur auf Grund der sukzessiven Kompetenz des Gerichtes in Sozialrechtssachen. Durch die gesetzeskonform mit dem auf die Antragstellung folgenden Monatsersten wirksame bescheidmäßige Erledigung könne sich die Klägerin nicht beschwert erachten. Damit sei jedenfalls die Rechtskraftwirkung für den Zeitraum bis nicht aufgehoben worden. Ausnahmen von der Rechtskraftwirkung bestünden nur für Fälle, in denen nach dem Zeitpunkt der Entscheidung eine neuerliche Änderung des Sachverhalts eingetreten sei. Hätten sich hingegen die objektiven Grundlagen der Entscheidung - wie im vorliegenden Fall - nicht geändert, so stehe die Rechtskraft der Vorentscheidung einer neuerlichen Entscheidung über denselben Anspruch entgegen. Insbesondere könne eine ursprünglich unrichtige Entscheidung nicht auf diesem Weg korrigiert werden. Der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil das Rekursgericht der höchstgerichtlichen Rechtsprechung gefolgt sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerin.

Die beklagte Partei beantragt in der freigestellten Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist zulässig, weil im vorliegenden Fall die Frage der Rechtskraftwirkung unter den Besonderheiten des in Sozialrechtssachen geltenden Grundsatzes der sukzessiven Kompetenz zu beurteilen ist. Er ist aber nicht berechtigt.

Die Rechtsmittelwerberin macht zusammengefasst geltend, der von Amts wegen erlassene Bescheid der beklagten Partei vom spreche über den wegen einer Verschlechterung des Gesundheitszustands der Pflegegeldbezieherin gestellten Erhöhungsantrag vom nicht ab, erwähne er doch diesen Antrag nicht einmal in der Begründung. Daher sei der Erhöhungsantrag auch nicht Gegenstand des Verfahrens vor dem Landesgericht Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht gewesen. Der Klage gegen den Bescheid der beklagten Partei vom stehe daher die Rechtskraft des Urteils des Landesgerichtes Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht vom nicht entgegen. Letztendlich habe die beklagte Partei nach Nichtberücksichtigung des Erhöhungsantrags vom im gerichtlichen Verfahren in der Sache selbst entschieden und nicht für den gesamten beantragten Zeitraum Pflegegeld der Stufe 3 zugesprochen. Ein Bescheid über die Gewährung einer Rente ab einem Zeitpunkt enthalte auch eine negative Entscheidung hinsichtlich des vor diesem Zeitpunkt liegenden Zeitraums. Diese negative Entscheidung - im vorliegenden Fall für den Zeitraum vom bis - bilde eine taugliche Grundlage für eine Bescheidklage.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Ausführungen ist Folgendes entgegenzuhalten:

Nach den unstrittigen Feststellungen ist davon auszugehen, dass die Mutter der Klägerin mit Schreiben vom von der beklagten Partei die Weitergewährung des bis zu ihrer Wohnsitzverlegung nach Deutschland im Sommer 1995 bezogenen Pflegegeldes der Stufe 1 sowie unter Hinweis auf eine im Jahr 1998 eingetretene Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes gleichzeitig auch eine Erhöhung des Pflegegeldes begehrte. Die beklagte Partei stellte daraufhin mit Bescheid vom fest, dass der Mutter der Klägerin aufgrund ihres Aufenthaltes in Deutschland seit Mitte des Jahres 1995 ein Pflegegeld vom an nicht mehr gebühre. Durch diesen Bescheid wurde entgegen der Ansicht der Rechtsmittelwerberin inhaltlich sowohl der Antrag vom auf Weitergewährung des Pflegegeldes ab als auch der gleichzeitig gestellte Antrag auf Erhöhung des Pflegegeldes ab 1998 abgelehnt. Durch die von der Mutter der Klägerin gegen diesen Bescheid im Vorprozess beim Landesgericht Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht rechtzeitig erhobene und auf die Gewährung des Pflegegeldes in der Höhe des gesetzlichen Ausmaßes über den hinaus gerichtete Klage trat der Bescheid der beklagten Partei vom zur Gänze außer Kraft und es ging die volle Verfahrens- und Entscheidungskompetenz auf das Arbeits- und Sozialgericht über (SSV-NF 13/50). Entsprechend dem Grundsatz der sukzessiven Kompetenz hat das Gericht nicht die Verwaltungsentscheidung zu überprüfen, sondern ein eigenes Verfahren durchzuführen und aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen vollkommen neu zu entscheiden, wobei sich das Verfahren auf den gesamten Zeitraum bis zum Schluss der Verhandlung erster Instanz zu erstrecken und bis zu diesem Zeitpunkt eingetretene Sachverhalts- und Rechtsänderungen zu berücksichtigen hat (RIS-Justiz RS0053868, RS0106394 mwN). In diesem Sinne sieht § 86 ASGG vor, dass in Rechtsstreitigkeiten unter anderem auch auf Gewährung eines Pflegegeldes eine Änderung der Klage hinsichtlich des Gesundheitszustandes und des Ausmaßes der vom Versicherten eingeklagten Versicherungsleistung ohne Zustimmung des Beklagten bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zulässig ist. Behauptet daher der Versicherte während des Verfahrens eine Änderung (Verschlechterung) seines Gesundheitszustandes, dann ist das Gericht erster Instanz verpflichtet, das Beweisverfahren in der behaupteten Richtung zu ergänzen. Eine Unterlassung wäre ein Verfahrensmangel. Entscheidend ist daher der Gesundheitszustand des Versicherten im Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung in erster Instanz. Eine Änderung der Klage ist auch hinsichtlich des Ausmaßes der vom Versicherten eingeklagten Versicherungsleistung und zwar unabhängig davon, ob die Klagsfrist noch offen ist, zulässig. Schließlich hindert in den Fällen einer zulässigen Klagsänderung (§ 86 ASGG) das Fehlen einer Sachentscheidung des Versicherungsträgers über den mit der Klagsänderung geltend gemachten Sachverhalt und das diesbezügliche Begehren dessen Berücksichtigung nicht. Der Versicherte kann daher im gerichtlichen Verfahren geltend machen, dass ihm zufolge der Verschlimmerung seines Leidens nunmehr eine höhere als die ursprünglich beantragte Leistung zusteht und erspart sich damit den Umweg über einen beim Sozialversicherungsträger zu stellenden Erhöhungsantrag (Kuderna, ASGG² Anm 1 ff zu § 86;Fink, Die sukzessive Zuständigkeit im Verfahren in Sozialrechtssachen 451 ff mwN).

Im vorliegenden Fall trat somit, wie bereits dargestellt, durch die Einbringung der Klage im Vorprozess der angefochtene Bescheid der beklagten Partei vom außer Kraft; es war vom Gericht ein völlig neues Verfahren durchzuführen und gemäß § 406 ZPO die Entscheidung aufgrund der Sachlage bis zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz () zu treffen. Nachdem die rechtsanwaltlich vertretene Mutter der Klägerin ihr Klagebegehren in der Tagsatzung vom ausdrücklich dahin „präzisiert" hatte, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, Pflegegeld der Stufe 1 über den hinaus in gesetzlicher Höhe weiter zu leisten, verpflichtete das Landesgericht Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht im Vorprozess mit rechtskräftigem Urteil vom die beklagte Partei zur Zahlung von Pflegegeld im Sinne dieses „präzisierten" Klagebegehrens und verwies darauf, dass die Höhe des von der Klägerin begehrten Pflegegeldes mit Stufe 1 bis zum Schluss der Verhandlung erster Instanz nicht strittig gewesen sei.

Mit dem Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht wurde daher nicht nur, wie dies offenbar die Rechtsmittelwerberin meint, über das Begehren ihrer Mutter auf Weitergewährung des Pflegegeldes in der zuletzt bezogenen Höhe ab , sondern auch über die Höhe des ihrer Mutter aktuell gebührenden Pflegegeldes abgesprochen, da die Entscheidung, wie bereits ausgeführt, aufgrund der Sachlage bis zum Schluss der Verhandlung erster Instanz zu treffen war und daher auch eine allenfalls im Jahr 1998 eingetretene Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Mutter der Klägerin im Urteil bereits zu berücksichtigen gewesen wäre. Die im Vorprozess rechtsanwaltlich vertreten gewesene Mutter der Klägerin hat es allerdings, wie bereits das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, in der mündlichen Streitverhandlung am unterlassen, einen aufgrund einer solchen Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes möglicherweise höheren gesetzlichen Pflegegeldanspruch weiter zu verfolgen und hat ihr ursprünglich auf Weitergewährung des Pflegegeldes „in der Höhe des gesetzlichen Ausmaßes" gerichtetes Klagebegehren - entgegen der im vorangegangenen Verwaltungsverfahren beantragten Erhöhung - ausdrücklich auf die Zahlung eines Pflegegeldes der Stufe 1 eingeschränkt. Deshalb konnte das Landesgericht Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht der Mutter der Klägerin im Vorprozess auch keine höhere als die von ihr zuletzt begehrte Leistung zusprechen (§ 405 ZPO). Mit dem Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom wurde damit auch über den hier für den Zeitraum vom bis noch strittigen Anspruch auf Pflegegeld bereits rechtskräftig entschieden. Es ist daher nach zutreffender Rechtsansicht des Rekursgerichts im gegenständlichen Verfahren die Rechtskraftwirkung dieses im Vorprozess ergangenen Urteils zu berücksichtigen.

Die Rechtskraftwirkung besteht darin, dass die Rechtsbeziehungen zwischen den Streitteilen hinsichtlich des strittigen Rechtsschutzanspruches unbestreitbar, dauernd bindend und daher unwiderlegbar und unabänderbar festgestellt werden. Diese Wirkung kann nur auf dem in der Rechtsordnung vorgesehenen Weg beseitigt werden (RIS-Justiz RS0041272). Für den Eintritt der Rechtskraftwirkung sind die Identität der Parteien, die Identität des rechtserzeugenden Sachverhaltes und die Identität des Anspruches erforderlich. Zwar gilt nach der herrschenden zweigliedrigen Streitgegenstandstheorie, dass derselbe Streitgegenstand nur dann vorliegt, wenn sowohl der Entscheidungsantrag (Sachantrag) als auch die zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachen ident sind (RIS-Justiz RS0039347 ua). Streitanhängigkeit und Rechtskraft sind dort ausgeschlossen, wo die Identität der rechtserzeugenden Tatsachen nur eine teilweise ist, also beim weiteren Anspruch zusätzliche rechtserzeugende Tatsachen behauptet werden. Das trifft allerdings nur auf Tatsachen zu, die im maßgebenden Entscheidungszeitpunkt noch nicht vorhanden und keiner verfahrensmäßigen Erledigung zugänglich waren. Die Präklusionswirkung der Rechtskraft schließt also nicht nur die neuerliche Entscheidung des gleichen Begehrens aufgrund der gleichen Sachlage aus, sie schließt auch die Geltendmachung des gleichen Begehrens aufgrund von Tatsachen und Erwägungen aus, die bereits vor Schluss der mündlichen Verhandlung des Vorprozesses vorhanden und der verfahrensmäßigen Erledigung zugänglich waren, aber infolge Verletzung einer prozessualen Diligenzpflicht der Parteien, also der ihnen auferlegten Behauptungs- und Beweispflicht, nicht zum Gegenstand des Vorprozesses wurden. Demnach sind, wenn bereits einmal über ein konkretes Rechtsschutzbegehren entschieden wurde, beide Parteien dieses Verfahrens vom Vorbringen neuer anspruchsbegründender bzw anspruchsvernichtender Tatsachen in einem zweiten Verfahren zum selben Begehren präkludiert, wenn diese Tatsachen schon den im Vorverfahren geltend gemachten Anspruch hätten stützen oder abwehren können (6 Ob 157/04p, 5 Ob 240/00f; SZ 68/12 ua).

Die Klägerin bringt in ihrer neuen Klage keine Tatsachen vor, die im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt im Vorverfahren noch nicht vorhanden waren und daher einer verfahrensmäßigen Erledigung nicht zugänglich gewesen wären. Die von ihr unter Hinweis auf die von den Behörden in Hamburg mit Wirkung vom festgestellte 80 %ige Behinderung wegen außergewöhnlicher Gehbehinderung und der Notwendigkeit ständiger Begleitung nunmehr geltend gemachte Verschlechterung des Gesundheitszustandes ihrer Mutter im Jahr 1998 wurde bereits im Schreiben vom vorgebracht und hätte daher bereits im Vorverfahren geltend gemacht werden können. Der neuerlichen Geltendmachung dieses Umstandes steht daher nach zutreffender Rechtsansicht des Rekursgerichts das Prozesshindernis der entschiedenen Sache entgegen. Daran vermag auch der Hinweis der Rechtsmittelwerberin, ihr neuerlicher Erhöhungsantrag vom sei von der beklagten Partei an das Landesgericht Feldkirch zur Berücksichtigung in dem dort anhängigen Vorprozess weitergeleitet worden, wobei diese Berücksichtigung jedoch im Hinblick auf den mittlerweile erfolgten Schluss der Verhandlung erster Instanz tatsächlich nicht mehr erfolgt sei, nichts zu ändern, da die Mutter der Klägerin ein diesbezügliches Vorbringen auch im Vorprozess erstatten hätte können.

Im Bereich der sukzessiven Kompetenz darf die Korrektur einer rechtskräftigen Vorentscheidung nur eine Behörde jenes Vollziehungsbereiches vornehmen, in dem die betroffene Entscheidung ergangen ist. Es darf daher weder der Sozialversicherungsträger in die Rechtskraft einer Gerichtsentscheidung eingreifen noch darf das Arbeits- und Sozialgericht rechtskräftige Bescheide des Sozialversicherungsträgers korrigieren. Kommt es hingegen zu einer neuerlichen Entscheidung wegen nachträglich eingetretener wesentlicher Änderungen des Sachverhalts (oder der Rechtslage), so liegt ein anderer Verfahrensgegenstand vor, der von der Rechtskraft der Vorentscheidung nicht umfasst ist. Die neuerliche Entscheidung greift daher nicht (konstitutiv) in den Bestand oder die Rechtskraft der Vorentscheidung ein, sondern hat nur (vor Fällung der meritorischen Entscheidung) zu beurteilen, ob diese sich noch innerhalb der (sachlichen) Grenzen der Rechtskraft oder bereits außerhalb dieser bewegt. Für die Neufestsetzung, Entziehung usw bereits zuerkannter Leistungen ist - entsprechend den allgemeinen Grundsätzen der sukzessiven Kompetenz - primär stets der Sozialversicherungsträger berufen, mag auch die Vorentscheidung von einem Gericht stammen (Fink aaO, Die sukzessive Zuständigkeit im Verfahren in Sozialrechtssachen 554 f). In diesem Zusammenhang besteht insbesondere in jenen Fällen, in denen der Sozialversicherungsträger die Grenzen der Rechtskraft einer Vorentscheidung missachtet hat, das Bedürfnis des Versicherten, sich gegen (Sach-)Bescheide des Sozialversicherungsträgers zur Wehr zu setzen. Würde man hier die gegen den neuen Bescheid gerichtete Klage wegen res judicata zurückweisen, so könnte der (gegen die Rechtskraft der Vorentscheidung verstoßende) neue Bescheid vom Versicherten nicht bekämpft werden. Dieser Interessenlage trägt § 71 Abs 5 ASGG Rechnung: Wenn der Sozialversicherungsträger eine Leistung, über die bereits durch rechtskräftiges Urteil entschieden worden ist, wegen einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse neu feststellt und der Versicherte diesen Bescheid mit Klage bekämpft, ist im neuen Gerichtsverfahren die Rechtskraft einer denselben Anspruch betreffenden früher gefällten gerichtlichen Entscheidung nicht zu berücksichtigen (Fink aaO 557 f).

Aus diesen Ausführungen ergibt sich, dass auch aus der soeben zitierten Bestimmung des § 71 Abs 5 ASGG kein günstigeres Prozessergebnis für die Klägerin ableitbar ist, da sich diese Bestimmung auf nachträglich eingetretene wesentliche Änderungen des Sachverhalts (oder der Rechtslage) bezieht und sie daher keine Durchbrechung der materiellen Rechtskraft in Bezug auf jene Sachlage ermöglicht, wie sie im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung in erster Instanz im Vorprozess am vorlag (vgl SSV-NF 7/113). Einer neuerlichen Geltendmachung des Anspruchs auf (höheres) Pflegegeld für den Zeitraum vom bis steht daher die Rechtskraftwirkung des Urteiles im Vorprozess, welche auf den Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz zu beziehen ist, entgegen (SSV-NF 3/145).

Selbst wenn man daher im Sinne des Prozessstandpunktes der Rechtsmittelwerberin von der Zulässigkeit des Rechtsweges für die gegenständliche Klage ausginge, wäre im Ergebnis für sie nichts gewonnen, da auch in diesem Fall die Zurückweisung der Klage aufgrund der Rechtskraftwirkung des im Vorprozess ergangenen Urteils vom wegen rechtskräftig entschiedener Sache zu Recht erfolgt wäre.

Dem Revisionsrekurs war somit ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der Klägerin auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Die beklagte Partei hat als Versicherungsträger im Sinn des § 77 Abs 1 Z 1 ASGG die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung ohne Rücksicht auf den Ausgang des Verfahrens selbst zu tragen.