TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VfGH vom 11.06.1982, B304/81

VfGH vom 11.06.1982, B304/81

Sammlungsnummer

9389

Leitsatz

Gesetz zum Schutze des Hausrechts; Hausdurchsuchung in Anwendung des § 2 Abs 2; keine Verletzung nach Art 9 StGG

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. In der an den Verfassungsgerichshof gerichteten, auf Art 144 Abs 1 B-VG gestützten Beschwerde bringt die Beschwerdeführerin H. K. - kurz zusammengefaßt - vor, es hätten Beamte des Landesgendarmeriekommandos für OÖ am abends in der von ihr als Hauptmieterin und ihren Ehemann A. K. bewohnten Wohnung in 4060 Leonding, R-straße Nr. 213, eine gesetzwidrige Hausdurchsuchung vorgenommen. Sie begehrt die kostenpflichtige Feststellung, durch die angefochtene Amtshandlung in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten nach Art 9 StGG und Art 8 MRK verletzt worden zu sein.

1.2. Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland OÖ erstattete - unter Vorlage der Verwaltungsakten - eine Gegenschrift und beantragte darin die Abweisung der Beschwerde.

2. Über die Beschwerde wurde erwogen:

2.1. Auf Grund der vorgelegten Verwaltungsakten stellte der VfGH folgenden Sachverhalt als erwiesen fest:

Beim Landesgericht Linz ist zum AZ 17 Vr 766/81 gegen A. K. ein Strafverfahren wegen des Verdachtes des Verbrechens wider die Volksgesundheit nach § 12 SuchtgiftG anhängig. Mit Beschluß dieses Gerichtes vom , AZ 17 Vr 766/81, wurde gemäß § 149a Abs 1 Z 2 StPO eine bereits am gerichtlich bewilligte Überwachung des Telefonverkehrs des Verdächtigen, und zwar des Telefonanschlusses in der von A. K. und seiner Ehefrau H. K. gemeinsam bewohnten Wohnung in 4060 Leonding, R-straße Nr. 213, für die Dauer von vier Wochen verlängert. Auf Grund des Überwachungsergebnisses wurde A. K. am abends - um 20 Uhr 50 - im Leondinger Ortsgebiet von Beamten des Landesgendarmeriekommandos für OÖ angehalten, festgenommen und durchsucht. Dabei wurde bei ihm Suchtgift vorgefunden. Im Anschluß daran nahmen Organe er gennten Gendarmeriedienststelle in der Wohnung 4060 Leonding, R-straße Nr. 213, in der sich damals die Ehefrau des Festgenommenen aufhielt, ohne Gerichtsauftrag eine Hausdurchsuchung nach Beweismaterial (Suchtgift) vor.

2.2.1. Gemäß Art 144 Abs 1 Satz 2 B-VG idF der Nov. BGBl. 302/1975 erkennt der VfGH über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gegen eine bestimmte Person. Darunter fallen Verwaltungsakte, die bis zum Inkrafttreten der B-VG-Nov. 1975, BGBl. 302, nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH als sogenannte faktische Amtshandlungen (mit individuell-normativem Inhalt) bekämpfbar waren, wie dies für Hausdurchsuchungen zutrifft, die Sicherheitsorgane aus eigener Macht vornehmen (zB VfSlg. 8680/1979, 7943/1976).

2.2.2. Die Beschwerdeführerin ist als Hauptmieterin und Mitbenützerin (Inhaberin) der durchsuchten Wohnung zur Beschwerdeführerung legitimiert (VfSlg. 1906/1950, 5182/1965).

2.2.3. Da ein Instanzenzug nicht in Betracht kommt und auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist die Beschwerde zulässig.

2.2.4. Die von Beamten des Landesgendarmeriekommandos im Dienst der Strafrechtspflege ohne unmittelbar erteilten gerichtlichen Auftrag vorgenommene bekämpfte Amtshandlung in Leonding ist nach der Rechtsprechung des VfGH der Sicherheitsdirektion für das Bundesland OÖ zuzurechnen (vgl. VfSlg. 4692/1964), wobei der - verfehlten - Bezeichnung der belangten Behörde in der Beschwerdeschrift ("Landesgendarmeriekommando für Oberösterreich") keine rechtliche Bedeutung zukommt (zB VfSlg. 7943/1976).

2.3.1. § 1 des gemäß Art 149 Abs 1 B-VG im Verfassungsrang stehenden Gesetzes zum Schutz des Hausrechts (HausrechtsG), RGBl. 88/1862, bestimmt, daß eine Hausdurchsuchung, das ist die Durchsuchung der Wohnung oder sonstiger zum Hauswesen gehörigen Räumlichkeiten, in der Regel nur kraft eines richterlichen Befehls unternommen werden darf.

Es steht fest, daß hier ein richterlicher Befehl zur Vornahme der Hausdurchsuchung nicht vorlag; die Hausdurchsuchung wurde vielmehr von den Beamten des Landesgendarmeriekommandos aus eigener Machtvollkommenheit vorgenommen.

2.3.2. § 2 Abs 2 HausrechtsG und § 141 Abs 2 StPO lassen jedoch eine Hausdurchsuchung durch Sicherheitsorgane aus eigener Macht dann zu, wenn gegen jemanden ein Vorführungs- oder Verhaftbefehl erlassen, oder wenn jemand auf der Tat betreten, durch öffentliche Nacheile oder öffentlichen Ruf einer strafbaren Handlung verdächtig bezeichnet oder im Besitz von Gegenständen betreten wird, welche auf die Beteiligung an einer solchen hinweisen (s. VfSlg. 6488/1971, 6528/1971).

Ein derartiger Fall ist gegeben: Davon ausgehend, daß A. K. im Besitz von Suchtgift betreten wurde, durften die einschreitenden Gendarmerieorgane unter den obwaltenden Verhältnissen mit gutem Grund (vgl. VfSlg. 8298/1978) annehmen, daß diese Gegenstände auf die Beteiligung (des Angehaltenen) an einem Delikt nach § 12 SuchtgiftG hinweisen. Damit entsprach aber die unverzüglich durchgeführte Hausdurchsuchung in der Wohnung des Betretenen sämtlichen Voraussetzungen des letzten Anwendungsfalls des § 2 Abs 2 HausrechtsG, und zwar unbeschadet der Tatsache, daß die in Rede stehende Räumlichkeit nicht nur vom Verdächtigen selbst, sondern auch von seiner - nicht in Tatverdacht stehenden - Ehefrau bewohnt wurde.

2.3.3. Aus diesen Erwägungen folgt, daß die Beschwerdeführerin im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Hausrecht nach Art 9 StGG nicht verletzt wurde.

2.4. Demgemäß kommt aber auch der von der Beschwerdeführerin überdies behauptete Verstoß gegen Art 8 MRK nicht in Betracht, weil die bekämpfte Amtshandlung - in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise (s. auch 2.6.) - gesetzlich gedeckt war (s. ).

2.5. Die Verletzung eines sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes wurde nicht behauptet und kam auch im Verfahren vor dem VfGH nicht hervor.

2.6. Ebensowenig entstanden - aus der Sicht dieses Beschwerdefalls - verfassungsrechtliche Bedenken gegen die der bekämpften Amtshandlung zugrundeliegenden Rechtsvorschriften. Die Beschwerdeführerin wurde mithin auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt.

2.7. Die Beschwerde war darum als unbegründet abzuweisen.