VfGH vom 23.01.1997, B3036/95
Sammlungsnummer
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Leitsatz
Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch die Versagung der Parteistellung für den geschiedenen Vater im Verfahren zur Namensänderung seiner ehelichen minderjährigen Tochter; Rechtsanspruch des Beschwerdeführers auf Äußerung im Namensänderungsverfahren seiner Tochter aufgrund der zivilrechtlichen Regelungen des Kindschaftsrechts
Spruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zu Handen seines bevollmächtigten Vertreters die mit S 15.360,- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der minderjährige Sohn des Beschwerdeführers - er entstammt der mittlerweile geschiedenen Ehe des Beschwerdeführers mit der Kindesmutter - beantragte am , vertreten durch seine Mutter als gesetzliche Vertreterin, bei der Bezirkshauptmannschaft Amstetten die Änderung seines Familiennamens.
Nach ihrer Wiederverheiratung hat die Mutter den Namen ihres nunmehrigen Ehemannes als gemeinsamen Familiennamen angenommen. Durch die beantragte Namensänderung sollte auch der Name des Kindes auf diesen Namen geändert werden.
Die Bezirkshauptmannschaft Amstetten stimmte der Namensänderung in weiterer Folge zu. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer bzw. seinem Rechtsvertreter am zugestellt.
Die vom Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid eingebrachte Berufung wurde vom Landeshauptmann von Niederösterreich mit Bescheid vom mit der Begründung zurückgewiesen, daß mit dem seit in Kraft befindlichen Namensrechtsänderungsgesetz - NamRÄG, BGBl. 25/1995, unter anderem das Namensänderungsgesetz - NÄG, BGBl. 195/1988, dahingehend geändert wurde, daß gemäß § 8 NÄG die Stellung einer Partei in einem Verfahren auf Änderung des Familiennamens oder Vornamens nur mehr dem Antragsteller und einer Person, die im Sinn des § 3 Abs 1 Z 3 NÄG in ihren berechtigten Interessen berührt ist, zukomme. (§3 Abs 1 Z 3 NÄG betrifft jene Personen, die den beantragten Familiennamen rechtmäßig führen und denen ein berechtigtes Interesse am Ausschluß des Antragstellers von der Führung des gleichen Familiennamens zukommt.)
Die belangte Behörde führt weiters aus:
"§10 Abs 2a NÄG bestimmt, daß Verfahren, die vor dem eingeleitet worden sind, nur auf Antrag des Antragstellers und der Person, auf die sich die Wirkung der Namensänderung erstreckt, nach den bisher geltenden Vorschriften fortzuführen sind.
Ein Antrag auf Fortführung des Verfahrens nach den vor dem geltenden gesetzlichen Bestimmungen liegt nicht vor, weshalb im gegenständlichen Verfahren geltendes Recht anzuwenden ist. Dieser Umstand wurde dem rechtsfreundlichen Vertreter des Herrn S... mit Schreiben vom nachweislich mitgeteilt; eine Stellungnahme hiezu wurde nicht abgegeben.
Wegen der weitgehenden Einschränkung der Parteienstellung im Namensänderungsverfahren durch § 8 NÄG in der nunmehr geltenden Fassung steht fest, daß der Vater keine Parteistellung hat, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war."
2. Mit der gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich gerichteten Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wird die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt, hilfsweise wird die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt.
Der Beschwerdeführer begründet seine Beschwerde im wesentlichen damit, daß zum einen das Wort "jedenfalls" im § 8 NÄG idF BGBl. 25/1995 die Möglichkeit offen lasse, auch weiteren Personen Parteistellung zuzuerkennen, woraus die mangelnde Determinierung der Bestimmung resultiere. Zum anderen sieht sich der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt, weil das Recht der obsorgeberechtigten Mutter auf gesetzliche Vertretung des Kindes bei Einbringung des Antrages auf Namensänderung verfahrensbeherrschend und stärker als eine selbständige Parteistellung der Mutter sei. Desweiteren erblickt der Beschwerdeführer eine Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art 8 EMRK darin, daß ihm aufgrund der mangelnden Parteistellung die Möglichkeit genommen sei, die Namensänderung, durch die der Minderjährige seinen Namen verliere und den Namen des nunmehrigen Ehemannes der Mutter erhalte, zu verhindern.
3. Der Landeshauptmann von Niederösterreich als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift zu der in der Beschwerde aufgeworfenen Problematik jedoch abgesehen.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (zB VfSlg. 9696/1983), indem sie etwa zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 10374/1985).
2. Es ist im vorliegenden Fall somit zu klären, ob die Meinung der belangten Behörde zutrifft, daß dem Beschwerdeführer aufgrund des durch die Novelle BGBl. 25/1995 geänderten § 8 Namensänderungsgesetz 1988, BGBl. 195, die Stellung einer Partei im Verfahren auf Änderung des Familiennamens seines minderjährigen ehelichen Sohnes nicht mehr zukomme.
3.1. § 8 Namensänderungsgesetz 1988, BGBl. 195 (im folgenden: NÄG aF) lautete:
"Parteien
§8. (1) Die Stellung einer Partei kommt in einem Verfahren auf Änderung des Familiennamens oder Vornamens jedenfalls zu
1. dem Antragsteller;
2. dem Ehegatten des Antragstellers, wenn dieser den gleichen Familiennamen führt;
3. dem Kind, das das 14. Lebensjahr vollendet hat, wenn sich die Wirkung einer Änderung des Familiennamens gemäß § 5 auf dieses erstreckt oder erstrecken würde, falls nicht ein Antrag gemäß § 5 Abs 3 gestellt worden wäre;
4. der Person, die im Sinn des § 3 Z 3 in ihren berechtigten Interessen berührt ist;
5. den Eltern eines minderjährigen Kindes, soweit sie nicht als dessen gesetzlicher Vertreter den Antrag eingebracht haben.
(2) Kinder zwischen dem vollendeten 10. und 14. Lebensjahr, für die ein Antrag auf Änderung ihres Familiennamens oder Vornamens eingebracht wurde oder auf die sich die Wirkung einer Änderung des Familiennamens gemäß § 5 erstreckt oder erstrecken würde, falls nicht ein Antrag gemäß § 5 Abs 3 eingebracht worden wäre, sind anzuhören.
(3) Sind Parteien gemäß Abs 1 Z 4 der Behörde namentlich nicht bekannt, ist eine mündliche Verhandlung anzuberaumen und im Sinn des § 41 AVG 1950 bekanntzumachen."
3.2. Die für den vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Namensänderungsgesetzes 1988 idF des Namensrechtsänderungsgesetzes - NamRÄG, BGBl. 25/1995, (im folgenden: NÄG) lauten:
"Antrag auf Namensänderung
§1. (1) Eine Änderung des Familiennamens oder Vornamens ist auf Antrag zu bewilligen, wenn ein Grund im Sinn des § 2 vorliegt, § 3 der Bewilligung nicht entgegensteht und die Namensänderung betrifft
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1. | einen österreichischen Staatsbürger; | |||||||||
2. | ... | |||||||||
3. | ... |
(2) Insoweit der Antragsteller in seiner Geschäftsfähigkeit beschränkt ist, hat der gesetzliche Vertreter den Antrag einzubringen. Die Einbringung bedarf der persönlichen Zustimmung des Antragstellers, wenn dieser das 14. Lebensjahr vollendet hat.
Voraussetzungen der Bewilligung
§2. (1) Ein Grund für die Änderung des Familiennamens liegt vor, wenn
1. - 8. ...
9. der minderjährige Antragsteller den Familiennamen der Person erhalten soll, der die Obsorge für ihn zukommt oder in deren Pflege er sich befindet und das Pflegeverhältnis nicht nur für kurze Zeit beabsichtigt ist;
10. - 11. ...
(2) ...
Versagung der Bewilligung
§3. (1) Die Änderung des Familiennamens oder Vornamens darf nicht bewilligt werden, wenn
1. - 2. ...
3. der beantragte Familienname von einer anderen Person rechtmäßig geführt wird, der ein berechtigtes Interesse am Ausschluß des Antragstellers von der Führung des gleichen Familiennamens zukommt; dies gilt nicht in den Fällen des § 2 Abs 1 Z 5 und 7 bis 9;
4. - 8. ...
(2) ...
§ 4 - § 7 ...
Parteien
§ 8. (1) Die Stellung einer Partei kommt in einem Verfahren
auf Änderung des Familiennamens oder Vornamens jedenfalls zu
1. dem Antragsteller;
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2. | der Person, die im Sinn des § 3 Abs 1 Z 3 in ihren berechtigten Interessen berührt ist. |
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(2). Lassen sich Parteien nach Abs 1 Z 2 nicht nach § 5 ermitteln, ist eine mündliche Verhandlung anzuberaumen und im Sinn des § 41 AVG bekanntzumachen." |
3.3. Die für den vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des ABGB lauten wie folgt:
"Rechtsverhältnisse zwischen Eltern und ehelichen Kindern
§ 139. ...
...
§154. (1) ...
(2) Vertretungshandlungen und Einwilligungen eines Elternteils, die die Änderung des Vornamens oder des Familiennamens, ... betreffen, bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit der Zustimmung des anderen Elternteils. ..."
(3) ...
Mindestrechte der Eltern
§178. (1) Soweit einem Elternteil die Obsorge nicht zukommt, hat er, außer dem Recht auf persönlichen Verkehr, das Recht, von außergewöhnlichen Umständen, die die Person des Kindes betreffen, und von beabsichtigten Maßnahmen zu den im § 154 Abs 2 und 3 genannten Angelegenheiten von demjenigen, dem die Obsorge zukommt, rechtzeitig verständigt zu werden und sich zu diesen, wie auch zu anderen wichtigen Maßnahmen, in angemessener Frist zu äußern; dem Vater eines unehelichen Kindes, dem die Obsorge nie zugekommen ist, steht dieses Recht nur bezüglich wichtiger Maßnahmen der Pflege und Erziehung zu. Diese Äußerung ist zu berücksichtigen, wenn der darin ausgedrückte Wunsch dem Wohl des Kindes besser entspricht.
(2) ..."
4. Parteistellung im Namensänderungsverfahren hat sohin explizit gemäß § 8 Abs 1 Z 1 NÄG der Antragsteller auf Namensänderung. (§8 Abs 1 Z 2 NÄG findet hier keine Anwendung, weil § 3 Abs 1 Z 3 NÄG die Parteistellung für den hier vorliegenden Fall der Antragstellung gemäß § 2 Abs 1 Z 9 NÄG ausdrücklich ausschließt.)
Nach dem Wortlaut des § 8 Abs 1 NÄG und insbesondere am Wort "jedenfalls" zeigt sich, daß die Aufzählung der Parteien im § 8 Abs 1 NÄG durch den Gesetzgeber nicht erschöpfend erfolgt ist (so bereits die Erläuternden Bemerkungen zu § 8 NÄG aF RV 467,
17. GP, 11). Da den Eltern eines minderjährigen Kindes im Gegensatz zum NÄG aF nunmehr Parteistellung nicht mehr explizit zukommt, ist daher unter Anwendung des § 8 AVG zu prüfen, ob dem Beschwerdeführer im Namensänderungsverfahren seines minderjährigen Sohnes "vermöge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses" Parteistellung zukommt. § 8 AVG enthält selbst keine Bestimmung darüber, wann ein Rechtsanspruch oder ein rechtliches Interesse besteht. Es ist daher bei der Beurteilung dieser Frage nicht nur von den Bestimmungen des NÄG, sondern von der Rechtsordnung insgesamt einschließlich des Privatrechtes auszugehen, soweit diese Rechtsvorschriften in einer Beziehung zur konkreten Angelegenheit stehen.
So judizierte der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zum NÄG aF, daß dem Elternteil, dem die Obsorge für das Kind nicht zukommt, aus § 178 Abs 1 iVm § 154 Abs 2 ABGB ein Rechtsanspruch auf Äußerung im Namensänderungsverfahren erfließt; er hat die Parteistellung, die diesem Elternteil nach dem NÄG aF bereits explizit aus dem Gesetz erwuchs, in dem durch § 178 Abs 1 ABGB eingeschränkten Umfang verstanden (s. zB und , 93/01/0876).
Da § 178 Abs 1 iVm § 154 Abs 2 ABGB durch das Namensrechtsänderungsgesetz, BGBl. 25/1995, keine Änderung erfahren hat, steht dem Beschwerdeführer, dem aufgrund dieser Bestimmung sohin ein Rechtsanspruch auf Äußerung im Namensänderungsverfahren seines minderjährigen Sohnes erwächst, gemäß § 8 Abs 1 NÄG iVm § 8 AVG Parteistellung im Rahmen des § 178 Abs 1 ABGB zu. Bei diesem Ergebnis braucht auf den Vorwurf, daß der Entfall der Parteistellung Art 8 EMRK widerspreche, nicht eingegangen zu werden.
5. Da die belangte Behörde sohin dem Beschwerdeführer zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert hat, wurde dieser im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt. Der Bescheid war daher aufzuheben.
III. Die Kostenentscheidung
gründet sich auf § 88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 2.500,- enthalten.
IV. Diese Entscheidung konnte
gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.