OGH vom 19.05.1993, 8Ob17/92
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.E.Huber, Dr.Jelinek, Dr.Rohrer und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Konkurssache der Gemeinschuldnerin Franz Z***** GmbH, ***** vertreten durch den Geschäftsführer Franz Z*****, dieser vertreten durch Dr.Georg Kahlig, Rechtsanwalt in Wien, Masseverwaler Dr.Herta Schmid, Rechtsanwältin in Wien, infolge Revisionsrekurses der Gemeinschuldnerin gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom , GZ 6 R 137/92-56, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom , GZ 5 S 133/91-47, teilweise abgeändert und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
In ihrem Bericht an das Rekursgericht vom verwies die Masseverwalterin darauf, daß während des bisherigen Betriebes des gemeinschuldnerischen Unternehmens ("V*****-Bar") keine kostendeckenden Umsätze erzielt werden konnten, und stellte den Antrag, das gemeinschuldnerische Unternehmen "zu schließen bzw. zur Abwendung eine angemessene Kaution aufzutragen."
In ihrer Stellungnahme zu diesem Antrag behauptete die Gemeinschuldnerin, sie habe im Zeitpunkt der Konkurseröffnung lediglich drei Hilfsarbeiter beschäftigt, sodaß das Unternehmen gemäß § 341 Abs 1 EO nicht der Exekution unterworfen sei und folglich nicht zur Konkursmasse gehöre, welcher Umstand vom Konkursgericht festgestellt werden möge.
Nach Durchführung von Erhebungen sprach das Konkursgericht mit Beschluß vom aus, es werde im Sinne des Antrages der Gemeinschuldnerin festgestellt, daß "das gemeinschuldnerische Unternehmen mit dem Gegenstande Gast- und Schankgewerbe am Standort ***** W*****, ***** nicht zur Konkursmasse gehört" (Abs 1 ); den Antrag der Masseverwalterin auf Schließung des Unternehmens wies es ab (Abs 2). Hiezu stellte es fest, daß die Gemeinschuldnerin eine Gastgewerbekonzession besitzt, bei Konkurseröffnung eine gewerberechtliche Geschäftsführerin hatte und drei Hilfskräfte ständig und eine Aushilfskraft fallweise beschäftigte. Daraus, daß für dieses konzessionierte Gewerbe gemäß § 193 Abs 1 Z 1 GewO ein besonderer Befähigungsnachweis erforderlich ist, folgerte es rechtlich, daß es sich hier um eine Unternehmen handle, bei dem gemäß § 341 Abs 1 zweiter Satz EO die Exekution durch Zwangsverwaltung oder Verpachtung nicht stattfinde und meinte, daß diese Exekutionsbeschränkung Konkursfreiheit bewirke.
Das vom zwei Konkursgläubigern angerufene Rekursgericht gab deren Rekursen Folge, änderte Absatz 1 des konkursgerichtlichen Beschlusses in eine Abweisung des Antrages der Gemeinschuldnerin ab, hob den Absatz 2 des vorgenannten Beschlusses auf und verwies die Rechtssache insoweit zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Konkursgericht zurück. Es sprach aus, daß der Rekurs gegen seine Entscheidungen zulässig sei und begründete diese wie folgt:
Ein Gewerbeunternehmen, das den Einschränkungen des § 341 Abs 1 Satz 2 EO entspreche, könne als solches insgesamt nicht in Exekution gezogen werden. Diese fehlende Exekutionunterworfenheit lasse den vom Konkursgericht gezogenen Schluß zu, daß im Hinblick auf die Regelung des § 1 Abs 1 KO auch die Konkursunterworfenheit dieser Unternehmung nicht bestehe. Zu bedenken sei aber, daß zwar einerseits ein Unternehmen in seiner Gesamtheit nur mit den Beschränkungen des § 341 EO in Exekution gezogen werden könne, dieses Unternehmen aber andererseits eine Gesamtsache sei, deren wirtschaftliche Bestandteile ungeachtet ihres Charakters als Unternehmenszubehör grundsätzlich - siehe die Ausnahme nach § 252 EO - selbständig in Exekution gezogen werden könnten. Hieraus folge aber, daß mit der Ausscheidung der gewerblichen Unternehmung aus der Konkursmasse nichts für den Gemeinschuldner gewonnen wäre, weil dessen ungeachtet alle Bestandteile des Unternehmens (mit Ausnahme der Konzession, welcher Umstand aber im Hinblick auf das Fortbetriebsrecht des Masseverwalters nach § 41 Abs 1 Z 4 GewO für das Konkursverfahren ohne Bedeutung sei) ebenso in die Konkursmasse fielen wie alle Erlöse, die das auf Rechnung des Masseverwalters geführte Unternehmen erziele. Im übrigen sehe die Konkursordnung in der Fassung des IRÄG auch besondere Bestimmungen vor, um eine sofortige Zerschlagung von Unternehmungen zu verhindern (§ 78 Abs 1, §§ 114, 115 KO). Demgemäß sei der Feststellungsantrag der Gemeinschuldnerin nicht gerechtfertigt. Im Hinblick auf die dargestellte Doppelnatur eines solchen Unternehmens, derzufolge seine Bestandteile in die Konkursmasse fielen und vom Masseverwalter als Unternehmen im Konkurs fortgeführt werden könnten (§ 78 Abs 1 KO), bestehe hinsichtlich dieses fortgeführten Unternehmens die Zuständigkeit des Konkursgerichtes dafür, über dessen Schließung zu entscheiden (§ 114, 115 KO). Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Schließung, insbesondere nach § 115 Abs 2 KO, sei daher vom Erstgericht im zu ergänzenden Verfahren zu prüfen.
Gegen die rekursgerichtliche Entscheidung erhebt die Gemeinschuldnerin Revisionsrekurs mit dem Antrag auf Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses.
Die Rechtsmittelwerberin führt aus, die vom Rekursgericht vertretene Rechtsansicht über eine Doppelnatur des Unternehmens laufe der Legaldefinition des § 1 Abs 1 KO zuwider. Hinsichtlich der als Bestandteile oder Zugehör zu qualifizierenden Fahrnisse des Unternehmens sei auf die Exekutionsbeschränkung des § 251 Z 6 EO zu verweisen. Diese Norm sowie die Bestimmung des § 341 EO dienten der Sicherung des Existenzminimums für den Kleinunternehmer, der auf seinen Erwerb aus der unternehmerischen Tätigkeit angewiesen sei. Zwar könne diese Argumentation in Ansehung einer Kapitalgesellschaft als Kleinunternehmen nicht zwingend logisch erscheinen, aus dem Gesetzeswortlaut ergebe sich aber kein Ausschluß der Kapitalgesellschaften von den Exekutionsbeschränkungen. Auch bestehe zwischen Konkursverfahren und Einzelexekution wesensmäßig und von der Zielrichtung her kein Unterschied, der eine derartige divergierende Anwendung ein und derselben Bestimmungen im Rahmen der Einzelexekution einerseits und des Konkursverfahrens andererseits rechtfertige.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist im Sinne des § 171 KO,§ 528 Abs 1 ZPO zulässig, er ist aber nicht gerechtfertigt.
Bei ihrem Versuch, ihr gewerbliches Unternehmen unter Berufung auf § 1 Abs 1 KO und § 341 Abs 1 Satz 2 EO aus der Konkursverfangenheit zu lösen, verkennt die gemeinschuldnerische GmbH sowohl den Grundgedanken der in § 341 Abs 1 Satz 2 EO festgelegten Exekutionsbeschränkung als auch das Wesen des Konkurses einer Kapitalgesellschaft. Wie der Oberste Gerichtshof bereits im Plenarbeschluß vom , JB 40 neu = SZ 13/270, mit Bezug auf die Materialien zum Gesetz herauszuarbeiten versucht hat, kann der Sinn dieser Gesetzesbestimmung nur darin liegen, jene gewerblichen Unternehmen von der Exekutionsführung auf ihre Erträgnisse zu befreien, bei denen die Person des Unternehmers von solcher Wichtigkeit ist, daß ihr Ersatz durch einen Zwangsverwalter oder Zwangspächter das Unternehmen zerstören würde. Mit anderen Worten: es soll nicht die Exekution auf die Erträgnisse eines Unternehmens, die sich als Frucht unersetzbarer Leistungen des Unternehmensinhabers darstellen, zur Vernichtung des Unternehmens selbst führen. Die Exekutionsordnung wendet sich damit in Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit der Mittel zum angestrebten Erfolg lediglich gegen die Art der Exekutionsmittel, nämlich gegen die Zwangsverwaltung und Zwangsverpachtung solcher Unternehmen. Im Konkurs des Unternehmensträgers greift diese Exekutionsbeschränkung nicht, denn die Konkursordnung weist dem Masseverwalter die Verfügung über das gesamte Massevermögen und damit auch über ein dazu gehöriges Unternehmen und seine Erträgnisse unter Ausschluß des Gemeinschuldners zu, und ordnet an, wie er mit dem Unternehmen zu verfahren hat. Sofern nicht schon das Konkursgericht im Rahmen seiner Sicherungspflicht (§ 78 Abs 1 KO) Maßnahmen bezüglich der Unternehmensfortführung oder -schließung getroffen hat, muß der Masseverwalter unverzüglich prüfen, ob das Unternehmen des Gemeinschuldners fortgeführt oder wiedereröffnet werden kann (§ 81 Abs 1 KO); er kann es auch selbst fortführen (ebd Satz 2) und zur Beurteilung der Erfolgsaussichten einer Unternehmensfortführung mit Zustimmung des Gerichtes Dritte heranziehen (Abs 4 leg cit).
Schließen oder wiedereröffnen kann er gemäß § 114 Abs 3 KO ein Unternehmen nur nach Bewilligung durch das Konkursgericht. Kann ein Unternehmen nicht fortgeführt werden, so hat gemäß Abs 4 leg cit der Gläubigerausschuß auf Vorschlag des Masseverwalters und mit Genehmigung des Gerichtes die für die Beteiligten günstigste Art des Verwertung des zur Konkursmasse gehörigen Vermögens zu bestimmen; hiebei ist nach der Anordnung des Gesetzes stets zu prüfen, ob anstatt der "Abwicklung des Vermögens" eine andere Art der Verwertung, insbesondere die "Gesamtveräußerung des Unternehmens" des Gemeinschuldners, vorteilhafter ist. Das Konkursgericht darf gemäß § 115 Abs 1 KO die Schließung eines Unternehmens nur anordnen oder bewilligen, wenn auf Grund der Erhebungen feststeht, daß anders eine Erhöhung des Ausfalles, den die Konkursgläubiger erleiden, nicht vermeidbar ist. Die Veräußerung des Unternehmens des Gemeinschuldners bedarf nach § 117 KO jedenfalls der Genehmigung des Gläubigerausschusses und des Konkursgerichtes, ebenso die Veräußerung des gesamten Warenlagers oder von Teillieferungen. Die Bestimmung des § 119 Abs 1 KO ordnet grundsätzlich an, daß "die zur Konkursmasse gehörenden Sachen, sofern nicht eine andere Verwertungsart beschlossen wird, auf Antrag des Masseverwalters gerichtlich zu veräußern sind." Diese Veräußerung hat nach Abs 2 leg cit im wesentlichen gemäß den Bestimmungen der EO zu erfolgen. Nach § 114 Abs 1 KO kann mit Zustimmung des Gläubigerausschusses auch eine freiwillige Veräußerung beweglicher Sachen, die nicht durch die Fortführung des Unternehmens veranlaßt ist, stattfinden.
Aus diesem Regelungskomplex ergibt sich völlig unzweideutig, daß die Konkursordnung eigenständige Normen für die Verwaltung und Verwertung des Massebestandteils Unternehmen aufweist, die alle damit nicht in Einklang stehenden Regelungen der Exekutionsordnung unanwendbar werden lassen. Dies hat die Rechtsprechung schon in Beziehung auf die Exekutionsbeschränkung des § 251 Z 6 EO erkannt (SZ 17/75). Der Konkurs "zieht das Unternehmen als Ganzes in die Masse" (SZ 29/82;
Holzhammer, Österr.Insolvenzrecht2 10; Jelinek, Konkursfreiheit und Gläubigerrechte in FS Kralik 251), sowohl in der Substanz als auch in den Erträgnissen des Unternehmens und mit seinen Verwertungschancen;
Konkursfreiheit ist für Unternehmen schlechthin undenkbar.
Ist der Unternehmensträger, wie hier, eine GmbH, so ist ihr gesamtes Gesellschaftsvermögen konkursverfangen und alle Vorschriften der Exekutionsordnung, die auf die natürliche Person des Schuldners zugeschnitten sind, wie etwa die schon oben genannte Exekutionsbeschränkung des § 251 Z 6 EO (betreffend Gegenstände, die "zur persönlichen Fortsetzung der Erwerbstätigkeit erforderlich sind"; SZ 46/3, SZ 7/59; Heller-Berger-Stix, Kommentar zur EO4 1666), haben demnach keine Anwendungsmöglichkeit, denn es ist, wie schon Karsten Schmidt (Gutachten Bd I f.d. 54.Deutschen Juristentag 1982, D 46) überzeugend darlegte, ein verfahrensfreies Gesellschaftsvermögen im Konkurs nicht denkbar (mwN in FN 210); das gesamte Gesellschaftsvermögen bildet die Konkursmasse. Mit dem Unternehmen fällt grundsätzlich und uneingeschränkt alles in die Konkursmasse, was dem Geschäftsbetrieb dient.
Aus diesen Erwägungen war dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.