OGH vom 24.04.2020, 8Ob17/20p
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Insolvenzeröffnungssache der Schuldnerin A***** KG in Liquidation, vertreten durch die Liquidatoren 1. Verlassenschaft nach Mag. H***** (Verlassenschaftsverfahren AZ 20 A 198/15d des BG Weiz), vertreten durch den Verlassenschaftskurator Dr. Horst Pechar, Rechtsanwalt in Weiz, dieser vertreten durch Imre & Schaffer Rechtsanwälte OG in Gleisdorf, 2. M*****, vertreten durch Mag. Dr. Robert Hirschmann, Rechtsanwalt in Wien, 3. T*****, 4. B*****, wegen Eröffnung des Insolvenzverfahrens, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Erstliquidatorin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom , GZ 3 R 4/20p-17, mit dem der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom , GZ 26 S 111/19x-2, abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO iVm § 252 IO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die ***** (nunmehr Österreichische Gesundheitskasse) beantragte am wegen eines Beitragsrückstands von 26.450,19 EUR die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin. Dabei handelt es sich um eine seit einem vorangegangenen Insolvenzverfahren nach § 131 Z 3 UGB aufgelöste und nach Abschluss eines Sanierungsplans im Frühjahr 2019 von ihren Gesellschaftern
– den nunmehrigen Liquidatoren – nicht fortgesetzte KG. Zu deren Gunsten hatte der ehemalige Masseverwalter einen aus dem beendeten Insolvenzverfahren verbliebenen Überschuss von 542.100 EUR gemäß § 1425 ABGB beim Bezirksgericht Weiz gerichtlich hinterlegt.
Anders als das Erstgericht wies über Rechtsmittel des Zweitliquidators das Rekursgericht den Eröffnungsantrag ab.
Rechtliche Beurteilung
Mit ihrem dagegen gerichteten außerordentlichen Revisionsrekurs zeigt die Erstliquidatorin (ehemals Komplementärin der KG) keine erhebliche Rechtsfrage auf:
1.1 Beschlüsse des Gerichts, womit das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgewiesen wird, können gemäß § 71c Abs 1 IO „von allen Personen, deren Rechte dadurch berührt werden, sowie von den bevorrechteten Gläubigerschutzverbänden angefochten werden“.
1.2 Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs wird organschaftlichen Vertretern einer juristischen Person im § 69 Abs 3 und 4 IO eine selbständige verfahrensrechtliche Stellung zugebilligt, sodass sie im Insolvenzeröffnungsverfahren zur Anfechtung auch im eigenen Namen legitimiert sind (RIS-Justiz RS0114476), unabhängig davon, ob das Organ den zugrunde liegenden Antrag gestellt hat (Schneider in Konecny, Insolvenzgesetze § 71c IO Rz 13 mwN). Dies gilt auch bei bloßer Gesamtvertretungsbefugnis (vgl RS0065174 = 1 Ob 526/89).
1.3 Obwohl mehrere Liquidatoren im Sinn des § 146 Abs 1 UGB, sofern nicht Einzelvertretungsbefugnis bestimmt ist, nach § 150 Abs 1 iVm § 161 Abs 2 UGB (nur) kollektiv vertretungsbefugt sind (vgl 6 Ob 78/17i), ist daher im vorliegenden Fall die Rechtsmittellegitimation der Erstliquidatorin zu bejahen.
2.1 Nach Rechtsprechung und Lehre liegt Zahlungsunfähigkeit iSd § 66 IO vor, wenn der Schuldner mangels bereiter Zahlungsmittel nicht in der Lage ist, seine fälligen Schulden zu bezahlen und er sich die erforderlichen Zahlungsmittel voraussichtlich auch nicht alsbald verschaffen kann (RS0064528; RS0065106 ua). Es kommt auf die Gesamtsituation im Einzelfall an (RS0052198 [T3]).
2.2 Der Oberste Gerichtshof billigt die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Liquidationsmasse hier nicht zahlungsunfähig, sondern höchstens zahlungsunwillig ist, weil den zu ihren Gunsten beim Bezirksgericht Weiz hinterlegten Beträgen von 542.100 EUR und 15.546,28 EUR, über die die Liquidatoren jederzeit und frei verfügen könnten, lediglich eine Forderung von 26.450,15 EUR gegenübersteht.
2.3 Entgegen der Meinung der Revisionsrekurswerberin liegt auch im Hinblick auf eine allfällige Uneinigkeit der gesamtvertretungsbefugten Liquidatoren keine „rechtliche Unmöglichkeit zum Zahlen“ vor. Bereits das Rekursgericht hat darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin die Möglichkeit hat, den Anspruch auf Ausfolgung des Gerichtserlags gemäß § 294 EO in Exekution zu ziehen. Die Pfändung und Überweisung des Ausfolgungsanspruchs ersetzt die Zustimmung des Erlagsgegners und zugleich Verpflichteten (RS0006638 [T6]; 7 Ob 237/98y).
2.4 Die (nicht im Einklang mit dem Akteninhalt stehende) Behauptung der Erstliquidatorin, als Erlagsgegner im Erlagsverfahren vor dem Bezirksgericht Weiz seien tatsächlich nicht die KG, sondern die einzelnen Liquidatoren zu betrachten, vermengt Rechtsperson und vertretungsbefugtes Organ. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass vor Beendigung der Liquidation die Gesellschaft wahre Gläubigerin der Hyperocha ist.
3. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 528 Abs 1 ZPO war der außerordentliche Revisionsrekurs zurückzuweisen.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2020:0080OB00017.20P.0424.000 |
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