VfGH vom 12.03.1982, B299/79
Sammlungsnummer
9363
Leitsatz
EStG 1972; Einbringung von Sparbüchern in das Betriebsvermögen nach Ablauf des Wirtschaftsjahres; denkmögliche Nichtanerkennung als Einlage während des Wirtschaftsjahres
Spruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Beschwerdeführer betreibt im Standort St. ein Elektrounternehmen. Der Gewinn der im Handelsregister eingetragenen Einzelfirma wird gemäß § 5 EStG 1972 ermittelt, wobei das Wirtschaftsjahr abweichend vom Kalenderjahr jeweils am 30. Juni endet. Bei der Erstellung des Jahresabschlusses für das Wirtschaftsjahr 1975/76 zum verbuchte der Beschwerdeführer vier Sparbücher mit einem Guthabenstand in Höhe von insgesamt S 609.367,12 einschließlich der anteiligen Zinsen vom bis zum in Höhe von S 14.648,80 als Einlage in das Betriebsvermögen dieses Unternehmens, wobei als Zeitpunkt der Einlage der gewählt wurde.
Bei der Veranlagung zur Einkommen- und Gewerbesteuer für das Jahr 1976 wurde dieser Buchung die steuerliche Anerkennung versagt. Die Verbuchung der Einlage sei nachträglich erfolgt, da die Entnahmen des Wirtschaftsjahres 1975/76 höher gewesen seien als der maßgebliche Gewinn des Wirtschaftsjahres 1974/75 und der Beschwerdeführer ansonsten verpflichtet gewesen wäre, die gemäß § 11 EStG 1972 gebildeten Rücklagen der Vorjahre im Betrage der Mehrentnahmen gewinnerhöhend aufzulösen. Da für die Verbuchung von Entnahmen und Einlagen jeweils der tatsächliche Zeitpunkt der Entnahme bzw. Einlage maßgebend sei, habe die tatsächlich mehrere Monate nach dem Abschlußzeitpunkt vorgenommene Verlagerung der Sparbücher vom sonstigen Vermögen zum Betriebsvermögen nicht anerkannt werden können. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid der Finanzlandesdirektion für OÖ als unbegründet abgewiesen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentumes gerügt und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt wird.
Die belangte Behörde hat in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II. Der VfGH hat über die Beschwerde erwogen:
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (vgl. etwa VfSlg. 8776/1980) wird das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums durch einen in das Eigentum eingreifenden Bescheid einer Verwaltungsbehörde - zB durch die Vorschreibung einer Abgabe - nur dann verletzt, wenn dieser sich entweder auf eine verfassungswidrige Rechtsgrundlage stützt, wenn er gesetzlos ergangen ist oder die Rechtsvorschrift denkunmöglich angewendet wurde, ein Fall, der nur dann vorliegt, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hat, daß dieser einer Gesetzlosigkeit gleichkommt.
2. a) Der angefochtene Bescheid stützt sich in materiellrechtlicher Hinsicht auf Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes 1972 und des Gewerbesteuergesetzes 1953, in formeller Hinsicht auf Bestimmungen der BAO. Er ist somit nicht ohne jede gesetzliche Grundlage ergangen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die angewendeten Rechtsgrundlagen sind weder vorgebracht worden, noch beim VfGH unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles entstanden.
b) Die belangte Behörde hat die Rechtsvorschriften aber auch nicht denkunmöglich angewendet.
Sie ist von dem unbestrittenen Sachverhalt ausgegangen, daß der den Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich nach § 5 EStG 1972 ermittelnde Beschwerdeführer die in Rede stehenden, bis dahin unbestrittenermaßen in seinem Privatvermögen befindlichen Sparbücher erst im Zuge der Buchungsvorgänge anläßlich der Erstellung des Jahresabschlusses für das Wirtschaftsjahr 1975/1976 und somit lange nach dem maßgeblichen Bilanzstichtag als Einlage in das Betriebsvermögen des Beschwerdeführers behandelt hat. Hiebei sei der Zeitpunkt der Einlage mit völlig willkürlich gewählt worden; die Buchung der Einlage selbst sei mit datiert worden.
Weiters ging die belangte Behörde davon aus, daß als Zeitpunkt der Einbringung der Sparbücher in das Betriebsvermögen derjenige anzusehen sei, in welchem sie betrieblichen Zwecken gewidmet wurden. Wenn bei der Erstellung der Bilanz eine Einlage zum Bilanzstichtag gebucht werde, werde das bisher dem Privatvermögen zuzurechnende Wirtschaftsgut erst im Buchungszeitpunkt eingebracht, nicht jedoch in demjenigen Zeitpunkt, für den gebucht werde. Da somit nach Ablauf des Wirtschaftsjahres eine Einlage nicht rückwirkend eingebucht werden könne, könne die Einbuchung der Sparbücher somit nicht als Einlage während des Wirtschaftsjahres 1975/1976 anerkannt werden.
Diese Auslegung ist keinesfalls denkunmöglich. Sie basiert auf der Auffassung, daß ein Steuerpflichtiger, der Wirtschaftsgüter, die weder zum notwendigen Betriebsvermögen noch zum Privatvermögen gehören, als gewillkürtes Betriebsvermögen dem Betrieb als Einlage zuführen will, entsprechend tätig werden muß und seinen Willensentschluß betreffend die Einlagehandlung als unternehmerische Entscheidung über die Zuordnung eines Wirtschaftsgutes zum Betriebsvermögen nach außenhin klar in Erscheinung treten lassen muß. Wenn die belangte Behörde angenommen hat, daß dieser Willensentschluß mangels eines eindeutigen anderen in der Außenwelt in Erscheinung tretenden Aktes in der Regel in der Buchführung zum Ausdruck kommt und der Zeitpunkt der Verbuchung als buchmäßige Verdeutlichung des Willens eines Steuerpflichtigen anzusehen sei, hat sie das Gesetz somit keineswegs denkunmöglich angewendet. Die Auffassung der belangten Behörde wird auch im Schrifttum, zB Hermann - Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 18. Auflage, Köln-Marienburg, Anm. 41 f zu § 4 und Anm. 44 zu § 4, vertreten.
Der Beschwerdeführer kann aber auch mit dem Hinweis auf § 21 BAO, wonach für die Beurteilung abgabenrechtlicher Fragen in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgeblich sei, für seinen Standpunkt nichts gewinnen. Es ist jedenfalls nicht denkunmöglich, anzunehmen, daß eine Einlage in das Betriebsvermögen während eines bestimmten Zeitraumes, etwa während eines Wirtschaftsjahres, einen irgendwie dokumentierbaren Betriebsvorgang in eben diesem Zeitraum voraussetzt. Daß aber die in Rede stehenden vier Sparbücher im fraglichen Wirtschaftsjahr 1975/1976 Gegenstand eines dokumentierbaren Betriebsvorganges waren, wurde vom Beschwerdeführer selbst nicht behauptet.
Das Verfahren hat somit keinen Hinweis darauf gegeben, daß die belangte Behörde in Verfolgung ihrer Rechtsansicht Rechtsvorschriften denkunmöglich angewendet hätte.
c) Der Beschwerdeführer ist demnach in dem von ihm geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht nicht verletzt worden.
3. Daß die Behörde willkürlich gehandelt - und dadurch das Gleichheitsrecht verletzt - hätte, oder andere verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte verletzt worden wären, ist weder behauptet worden noch hervorgekommen. Ob die Entscheidung der Behörde auch der einfachgesetzlichen Rechtslage entspricht, hat nicht der VfGH zu prüfen.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.