VfGH vom 23.09.1982, B299/77
Sammlungsnummer
9478
Leitsatz
UStG 1972; keine Bedenken gegen §§6 Abs 1 und 7 Abs 1 in der Stammfassung; keine denkunmögliche und keine gleichheitswidrige Anwendung
Spruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die Beschwerdeführer betrieben im hier maßgeblichen Zeitraum in der Rechtsform einer Gesellschaft nach bürgerlichem Recht ein Sportartikelgeschäft; der Gewinn wurde gemäß § 4 Abs 1 EStG durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt. In den Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 1973 und 1974 machten sie gestützt auf § 6 Z 1 UStG 1972 die Steuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen geltend. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol vom wurde die Umsatzsteuer für die Jahre 1973 und 1974 festgesetzt, den im Jahre 1973 und in den Monaten Jänner bis Juli 1974 erfolgten Ausfuhrlieferungen die Steuerbefreiung jedoch mit der Begründung versagt, daß die Voraussetzungen der Steuerbefreiung nicht iS des § 18 Abs 8 UStG 1972 buchmäßig nachgewiesen worden seien.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unverletzlichkeit des Eigentums, die Anwendung gesetzwidriger Verordnungen und die "gesetzwidrige Auslegung des § 7 Abs 1 Z 3 UStG 1972" behauptet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den VwGH begehrt wird.
Die belangte Behörde hat in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Die Zustellung des angefochtenen Bescheides erfolgte laut Rückschein der Finanzlandesdirektion am . Die Beschwerde wurde, wie sich aus dem von den Beschwerdeführern dem VfGH in Ablichtung vorgelegten Postaufgabeschein ergibt, am und somit innerhalb der sechswöchigen Frist, die § 82 Abs 1 VerfGG gewährt, zur Post gegeben.
Die Beschwerde ist daher rechtzeitig erhoben worden. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, ist die Beschwerde zulässig.
2. a) Mit dem angefochtenen Bescheid wurde den Beschwerdeführern Umsatzsteuer vorgeschrieben; dabei wurde die beantragte Steuerbefreiung versagt. Der angefochtene Bescheid greift in das Eigentumsrecht ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des VfGH (zB VfSlg. 8776/1980) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.
Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 8823/1980) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.
b) Der bekämpfte Bescheid stützt sich materiell-rechtlich insbesondere auf §§6 Abs 1 und 7 Abs 1 UStG 1972 (in der hier maßgeblichen Stammfassung BGBl. 223/1972).
Gemäß § 6 Z 1 UStG 1972 sind von den unter § 1 Abs 1 Z 1 und 2 leg. cit. fallenden Umsätzen die Ausfuhrlieferungen (§7) steuerfrei.
Nach § 7 UStG 1972 liegt eine steuerfreie Ausfuhrlieferung nur vor, wenn
1. der Unternehmer das Umsatzgeschäft, das seiner Lieferung zugrunde liegt, mit einem ausländischen Abnehmer abgeschlossen hat (§7 Abs 1 Z 1 leg. cit.),
2. der Gegenstand in Erfüllung dieses Umsatzgeschäftes in das Ausland befördert oder versendet worden ist (§7 Abs 1 Z 2 leg. cit.),
3. diese beiden Voraussetzungen buchmäßig nachgewiesen sind (§7 Abs 1 Z 3 leg. cit.) und wenn
4. die Versendung oder Beförderung in das Ausland entsprechend nachgewiesen wurde, wofür das Gesetz genaue Vorschriften enthält (§7 Abs 2 bis 5 leg. cit.).
Hinsichtlich des buchmäßigen Nachweises des Zutreffens der beiden erstgenannten Voraussetzungen verweist § 7 Abs 1 Z 3 UStG 1972 auf § 18 Abs 8 leg cit., welcher lautet:
"Hängt die Besteuerung von einem buchmäßigen Nachweis ab, so sind die diesem Nachweis dienenden Bücher oder Aufzeichnungen im Inland zu führen und mit den dazugehörigen Unterlagen im Inland aufzubewahren; die nachzuweisenden Voraussetzungen müssen daraus leicht nachprüfbar zu ersehen sein."
Indem der angefochtene Bescheid beantragte Umsatzsteuerbefreiungen unter Hinweis auf mangelhafte buchmäßige Nachweisungen verweigert, stützt er sich auf die wiedergegebenen gesetzlichen Bestimmungen. Er ist daher nicht ohne jede gesetzliche Grundlage ergangen.
c) Gegen die gesetzlichen Grundlagen des angefochtenen Bescheides sind verfassungsrechtliche Bedenken weder vorgebracht worden, noch sind solche im Verfahren vor dem VfGH entstanden.
In der Beschwerde wird jedoch die Gesetzwidrigkeit des Durchführungserlasses des Bundesministers für Finanzen zum Umsatzsteuergesetz 1972 vom , Z 261.100-10a/72, AÖFV 283/1972, behauptet. Dadurch, daß der Erlaß hinsichtlich der Anwendung der Bestimmungen über den buchmäßigen Nachweis unter Z 116 Abs 2 auf die sinngemäße Anwendung bereits außer Kraft getretener Erlässe verweise, denen jegliche gesetzliche Grundlage fehle, sei der Erlaß selbst gesetzwidrig.
Der VfGH hat bereits im Erk. VfSlg. 8858/1980 ausgesprochen, daß dem genannten Durchführungserlaß kein normativer Inhalt zukomme und er somit auch keine Rechtsgrundlage des im damaligen Verfahren angefochtenen Bescheides bildete. Auch unter dem Blickwinkel des vorliegenden Beschwerdefalles sieht sich der Gerichtshof nicht veranlaßt, von dieser Rechtsansicht abzugehen.
d) aa) Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides würde dieser das verfassungsgesetzlich gewährleistete Gleichheitsrecht nur dann verletzen, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung der Bescheide Willkür geübt hätte; das verfassungsgesetzlich gewährleistete Eigentumsrecht wäre verletzt, wenn die Behörde das Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.
bb) Der angefochtene Bescheid geht davon aus, daß es dem Unternehmer grundsätzlich freigestellt sei, in welcher Form er den in § 7 Abs 1 Z 3 UStG 1972 verlangten buchmäßigen Nachweis erbringe; er brauche also nicht besondere Bücher zu führen. Zwingend vorgeschrieben sei allerdings, daß die nachzuweisenden Voraussetzungen leicht nachprüfbar aus der Buchhaltung ersichtlich sein müssen. Es müsse also an Hand der Buchführung ohne weiteres möglich sein, die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit zu überprüfen, was nur dann gewährleistet sei, wenn die Aufzeichnungen fortlaufend und lückenlos zusammenhängen und die Belege für die Eintragungen geordnet aufbewahrt werden. Der Umstand, daß die Exporterlöse ziffernmäßig im Rechenwerk enthalten seien, könne allein die geforderte leichte Nachprüfbarkeit nicht erfüllen, wenn es außerbücherlicher Rechenoperationen, Aufrechnungen bzw. Zusammenstellungen bedürfe, um eine Übereinstimmung der Angaben auf den Ausfuhrbescheinigungen mit den in den Tageslosungen enthaltenen Beträgen über erfolgte Ausfuhrlieferungen herstellen zu können, zumal der Nachweis für jeden einzelnen Umsatz aus der Buchhaltung zu ersehen sein müsse.
Die von den Beschwerdeführern erbrachten buchmäßigen Nachweise vermögen nach Ansicht der belangten Behörde keinen ausreichenden Buchnachweis iS des Umsatzsteuergesetzes - auch nicht in abgeschwächter Form - zu gewährleisten. Weiters wird im Bescheid ausgeführt, es wäre den Beschwerdeführern, die ihre Bücher in der herkömmlichen Form (Durchschreibebuchhaltung) führten auch ohne weiteres möglich gewesen, den entsprechenden Nachweis durch die Führung eines Exporterlösekontos bzw. durch sonstige buchhalterische Aufzeichnungen zu erbringen. Daß sie dazu und zwar unter Aufrechterhaltung der Verkaufstätigkeit in der Lage gewesen wären, beweise der Umstand, daß sie seit Mitte 1974 die Exportlieferungen gesondert aufzeichnen.
cc) Der Sache nach wirft die Beschwerde der belangten Behörde eine denkunmögliche und gleichheitswidrige Anwendung der Bestimmung des § 7 Abs 1 Z 3 UStG 1972 vor, indem sie bei den Beschwerdeführern das Vorliegen des buchmäßigen Nachweises der Voraussetzungen für eine steuerfreie Ausfuhrlieferung verneint habe. Die Beschwerdeführer hätten einen buchmäßigen Nachweis dadurch erbracht, daß sie die Ausfuhrbescheinigungen und die Kassabelege zu den Geschäftsbüchern genommen hätten und die Geschäftsvorfälle selbst bzw. die Vergütung der Umsatzsteuer im Kassabuch und auf dem Gegenkonto gebucht hätten. Hingegen werde die Steuerfreiheit von Ausfuhrlieferungen bei denjenigen Steuerpflichtigen anerkannt, die den buchmäßigen Nachweis nicht in der von den Beschwerdeführern erbrachten Form, sondern dadurch erbringen, daß sie zusätzlich ein Verzeichnis der Ausfuhrlieferungen führen. Diese Differenzierung sei weder sachlich gerechtfertigt noch durch das Gesetz gedeckt.
dd) Die Behauptungen der Beschwerdeführer treffen nicht zu. Die belangte Behörde hat das Gesetz weder denkunmöglich noch in einer dem Gleichheitsgrundsatz widersprechenden Weise angewendet:
Die Rechtsauffassung, § 7 Abs 1 Z 3 in Verbindung mit § 18 Abs 8 UStG 1972 normiere eine besondere umsatzsteuerrechtliche Aufzeichnungspflicht für Ausfuhrlieferungen, ist nicht schlechthin ausgeschlossen. Wenn die Behörde daher Ausfuhrlieferungen der Beschwerdeführer mit der Begründung die Steuerbefreiung versagt hat, daß auf Grund einer fehlenden fortlaufenden und lückenlosen Aufzeichnung, etwa in Form eines Exporterlöskontos, die von § 18 Abs 8 UStG 1972 geforderte leichte Nachprüfbarkeit dieser Lieferungen nicht gegeben und somit der buchmäßige Nachweis nicht erbracht sei, hat sie das Gesetz nicht denkunmöglich angewendet. Dieser Auslegung allenfalls anhaftende Fehler wären jedenfalls nicht derart schwerwiegend, daß die darauf gegründete Entscheidung einer gesetzlosen gleichgehalten werden könnte. Die Beschwerdeführer sind daher nicht im Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Eigentums verletzt worden.
Der Gerichtshof hat auch keine Bedenken, daß das Gesetz, wenn es tatsächlich jenen Inhalt hätte, den ihm die Behörde unterstellt hat - eine Frage, die vom VwGH zu entscheiden sein wird -, den Gleichheitsgrundsatz verletzen würde. Da im Verfahren auch keine Anhaltspunkte dafür hervorgekommen sind, daß die belangte Behörde die Beschwerdeführer aus unsachlichen Gründen benachteiligt oder in anderer Weise willkürlich gehandelt hätte, sind die Beschwerdeführer auch im Gleichheitsrecht nicht verletzt worden.
e) Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die Beschwerdeführer in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurden.
Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß sie in ihren Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurden.
3. Die Beschwerde war daher abzuweisen.