OGH vom 18.08.1995, 8ObA278/95

OGH vom 18.08.1995, 8ObA278/95

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Adamovic sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Herbert Vesely und Dr.Anton Wladar als Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Harald S*****, Kraftfahrer, ***** vertreten durch Dr.Gottfried Eypeltauer ua Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei K***** GmbH, Abschleppdienst, ***** vertreten durch Dr.Alfred Thewanger ua Rechtsanwälte in Linz, wegen S 159.001,28 brutto sA (Revisionsstreitwert S 70.335,43 brutto sA), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 13 Ra 4/95-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Endurteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 11 Cga 36/94t-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.871,04 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 811,84 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom bis zu seiner Entlassung am bei der beklagten Partei, einem Autoabschleppdienst, als Kraftfahrer beschäftigt. Auf dieses Dienstverhältnis war der Kollektivvertrag für das Güterbeförderungsgewerbe (Arbeiter) anzuwenden.

Der Kläger begehrte in seiner Klage zunächst einen Betrag von S 176.486,13 brutto sA mit dem Vorbringen, er sei unberechtigt entlassen worden und ihm gebührten Überstundenzuschläge (und demzufolge eine erhöhte Urlaubsabfindung und Kündigungsentschädigung), weil durch die gegen den Kollektivvertrag verstoßende Pauschalierung von Arbeitszeiten und Zeiten der Arbeitsbereitschaft seine tatsächliche Arbeitszeit hinsichtlich der Überstundenleistungen nicht berücksichtigt werde.

Die beklagte Partei anerkannte die nicht aus der geltend gemachten Überstundenleistung sich ergebenden entlassungsabhängigen Ansprüche des Klägers, worüber ein Teilanerkenntnisurteil (ON 6, AS 52) über einen Teilbetrag von S 17.484,85 brutto samt 4 % Zinsen seit erging. Im übrigen beantragte die beklagte Partei die Abweisung des (restlichen) Klagebegehrens mit dem Vorbringen, die Diensteinteilung des Klägers habe jeweils drei Tage Dienst und drei arbeitsfreie Tage umfaßt. Der Dienst habe neben einer sechsstündigen Ruhezeit Arbeitszeit und Arbeitsbereitschaft umfaßt, die mit einem vereinbarten Bruttomonatslohn von S 20.000,-- abgegolten seien. Tatsächliche Überstunden habe der Kläger nicht geleistet.

Mit Endurteil (ON 7) wies das Erstgericht das weitere Klagebegehren von S 159.001,28 sA, das sich auf die behauptete Überstundenleistung des Klägers gründet, ab, wobei es von folgenden Feststellungen ausging:

Hauptaufgabe des Klägers war es, im Auftrag der beklagten Partei Abschleppungen durchzuführen. Der Kläger hatte seine Arbeitsleistung in einem dreitägigen Turnus an Freizeit und Arbeit bzw Bereitschaft zu erbringen. Grundlage dieser Arbeitseinteilung war die Vereinbarung der beklagten Partei mit der Bundespolizeidirektion Linz, wonach die Firma K***** abwechselnd mit einer weiteren Firma drei Tage lang, beginnend ab 00.00 Uhr Abschleppungen von verkehrswidrig geparkten Fahrzeugen im Auftrag der BPD durchführt.

Der Bereitschaftsdienst des Klägers begann daher um 00.00 Uhr und endete mit 24.00 Uhr des dritten Tages.

Die beklagte Partei vereinbart generell mit ihren Abschleppfahrern einen Pauschallohn für Bereitschaft und tatsächlichen Einsatz im Rahmen dieses dreitägigen Turnusdienstes. Darüber hinaus bezahlt die beklagte Partei dann, wenn eine bestimmte Anzahl von Abschleppungen pro Monat erreicht wird, an die Fahrer eine Prämie.

Weiters wird für Abschleppungen außerhalb dieses dreitägigen Turnusses ein zusätzliches Entgelt geleistet.

Der Kläger erfuhr über das Arbeitsamt R***** vom Arbeitsplatz bei der beklagten Partei. Die dortige Arbeitszeitbeschreibung war für ihn unklar.

Beim Einstellungsgespräch teilte Siegfried K*****, der Ehegatte der Geschäftsführerin der beklagten Partei, dem Kläger mit, daß er einen dreitägigen Turnusdienst habe und es drei Tage und Nächte durchgehe.

Auf die Frage des Klägers nach dem Entgelt teilte ihm die Geschäftsführerin der beklagten Partei, Renate K*****, mit, daß er S 20.000,-- brutto erhalte, innerhalb dieser Drei-Tage-Turnusse gebe es keine Überstunden. Nur wenn er zusätzliche Tage arbeite, dann würde dies zusätzlich bezahlt. Damit war der Kläger einverstanden.

Der Drei-Tage-Turnus entspricht einer durchschnittlichen wöchentlichen Bereitschaftszeit von 83 Stunden. Der Kollektivvertragslohn nach dem anzuwendenden Kollektivvertrag für das Güterbeförderungsgewerbe beträgt für den Kläger als Kraftfahrer eines Abschleppwagens bis 3,5 t Gesamtgewicht S 67,20, ab S 69,60.

Der Kläger hatte sich während des Drei-Tage-Turnusses im erweiterten Stadtzentrum von Linz aufzuhalten, in der Nacht durfte er entweder in der Tankstelle der beklagten Partei in Leonding, oder bei seiner Mutter in Linz, übernachten. In der Zeit von 00.00 bis 5.30 Uhr ist es nur ausnahmsweise zu Abschleppaufträgen an den Kläger gekommen.

Der Kläger führte Abschleppungen im nachfolgenden Zeitausmaß durch:

November 1993 80 Stunden

Dezember 1993 82 Stunden

Jänner 1994 47 Stunden

Februar 1994 (bis 9.2.), anschließend Kranken-

stand 20 Stunden.

Dies ergibt für einen Zeitraum von insgesamt

14 Wochen 229 Stunden an Arbeitszeit für

Abschleppungen, woraus sich ein Wochenschnitt von 16 Arbeitsstunden für Abschleppungen ergibt.

Daneben hatte der Kläger noch folgende Aufgaben zu erledigen:

Der Kläger hatte immer wieder bestimmte Punkte in Linz wie Behindertenparkplätze und Parkplätze von Wohnungsgesellschaften zu kontrollieren. Der Kläger kam fallweise zu spät zu Abschleppungen, weil die Lenker ihr Fahrzeug bereits selbst aus der Abschleppzone entfernt hatten (Leerfahrt). Der Kläger hatte weiters fallweise zu kassieren, fallweise im Firmengelände bei der Tankstelle in Leonding Autos umzustellen und den Aufenthaltsraum in der Tankstelle zusammenzuräumen. Für diese Tätigkeiten hatte er zusätzlich zu den Abschleppfahrten täglich im Durchschnitt rund vier Stunden pro Arbeitstag an Arbeitszeit aufzuwenden.

Dies ergibt bei durchschnittlich 3,5 Arbeitstagen in der Woche 14 wöchentliche Arbeitsstunden für diese Tätigkeiten, woraus sich eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit des Klägers von 30 Arbeitsstunden ergibt.

Der Kläger hat lediglich am und am mehr als neun Stunden Abschlepptätigkeiten pro Tag durchgeführt, und zwar am 10,5 Stunden und am 11,5 Stunden, teilweise auch nach 20.00 Uhr.

Nicht festgestellt werden kann, ob der Kläger an diesen beiden Tagen darüber hinaus sonstige Arbeitstätigkeiten verrichtet hat. Nicht festgestellt werden kann auch, daß der Kläger an sonstigen Arbeitstagen mehr als neun Stunden pro Tag gearbeitet hat. Er hat jedenfalls nie die Wochenarbeitszeit von 40 Arbeitsstunden überschritten.

Geht man von einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden und einem Kollektivvertragslohn von S 69,60 aus, so ergibt sich eine Entlohnung der verbleibenden 43 Stunden Bereitschaftsdienst von S 7.945,28 monatlich oder S 42,67 pro Stunde.

Berechnet man die Abgeltung des Bereitschaftsdienstes auf der Basis einer tatsächlich geleisteten durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden, so verbleibt für die restlichen 53 Stunden Bereitschaftsdienst eine Abgeltung von S 10.958,96 pro Monat oder S 46,-- pro Stunde.

Diese Beträge ändern sich nur unwesentlich, wenn man Überstundenzuschläge (zu 50 oder 100 %) für 1,5 Überstunden für den und 2,5 Überstunden für den einbezieht.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, es sei nur mehr die Pauschalierungsvereinbarung und deren behauptete Sittenwidrigkeit zu prüfen. Arbeitsbereitschaft sei bei Fehlen einer Sondervereinbarung im Gegensatz zur Rufbereitschaft grundsätzlich wie Arbeitszeit zu entlohnen. Es könne jedoch ein geringeres Entgelt als der Arbeitslohn vereinbart werden. Die vorliegende Pauschalvereinbarung decke, wie eine Durchrechnung ergebe, den über eine wöchentliche Normalarbeitszeit von 40 Stunden hinausgehenden Bereitschaftsdienstrahmen von 43 Stunden mit rund 60 % des kollektivvertraglichen Stundenlohnes ab. Tatsächlich habe die Arbeitszeit des Klägers auch nur 75 % der wöchentlichen Normalarbeitszeit entsprochen. Die Vereinbarung einer Pauschalentlohnung von S 20.000,-- für den Drei-Tage-Turnus sei daher rechtlich zulässig und das Begehren, dem Kläger Überstundenleistungen zu entgelten, unberechtigt.

Das Berufungsgericht gab der nur hinsichtlich der Abweisung eines Teilbetrages von S 70.335,43,-- sA erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge. Es erklärte die Revision nach § 46 Abs 1 ASGG für zulässig, weil zur Zulässigkeit der Vereinbarung einer geringeren Entlohnung für Zeiten der Arbeitsbereitschaft in Verbindung mit dem anzuwendenden Kollektivvertrag für das Güterbeförderungsgewerbe eine höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Art XV Z 2 zweiter Absatz des Kollektivvertrages erkläre (seit ) die Entlohnung in Form eines Nettopauschales "ebenso" als unstatthaft und wende sich somit ganz offenkundig gegen die für den Dienstnehmer nicht oder nur schwer nachvollziehbare Vermengung der Wochen- und Stundenlöhne und nicht nach der Arbeitszeit bemessener Entgeltbestandteile. Die seit geltende Fassung des Kollektivvertrages enthalte eine derartige Regelung nicht mehr, sondern sehe vor, daß der Lenker nicht nach Maßgabe der zurückgelegten Strecke oder der Menge der beförderten Güter enlohnt werden dürfe, auch nicht in Form von Prämien oder Zuschlägen für diese Fahrtstrecken oder Gütermengen, es sei denn, daß diese Entgelte nicht geeignet seien, die Sicherheit im Straßenverkehr zu beeinträchtigen. Dem Dienstnehmer sei mit dem Lohn eine Aufstellung über Bruttoverdienst, Normal- und Überstunden, Grundlohn, Überstundenzuschläge, Zulagen und die einzelnen Abzüge auszuhändigen (Art XV Z 5 letzter Absatz des KV). Im vorliegenden Fall sei eine Pauschalentlohnung in Form eines Bruttobetrages und nicht eines mit anderen Entgeltteilen vermengten Nettobetrages für eine bestimmte Arbeitszeit vereinbart worden. Eine solche Pauschalentlohnung, der daher der offenkundige Zweck der kollektivvertraglichen Regelung, nämlich die Entlohnung nach der Arbeitszeit transparent zu halten, nicht entgegenstehe, könne wirksam vereinbart werden. Dies gelte sowohl für Vereinbarungen, die für die gesamte Arbeitszeit ein einheitliches Entgelt festsetzten, als auch für Vereinbarungen, die nur etwa eine Überstundenvergütung pauschalierten. Sei für das Arbeitsverhältnis ein Mindestentgelt festgesetzt, so dürfe die Pauschalentlohnung jedoch nicht geringer sein, als die gebührende kollektivvertragliche Entlohnung (Grillberger, Arbeitszeitgesetz, 82 f).

Unter Arbeitszeit werde der zeitliche Umfang der Leistungspflicht des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis verstanden. Für diese Zeit bestehe grundsätzlich der volle Entgeltanspruch, wenn der Arbeitnehmer leistungsbereit sei. Ob der Arbeitgeber eine bestimmte Arbeit zuweise bzw auf welche Art und Weise der Arbeitnehmer die Arbeiten zu erledigen habe, liege innerhalb der gesetzlichen und vertraglichen Schranken im Weisungsrecht des Arbeitgebers. Prinzipiell sei der Entgeltanspruch des Arbeitnehmers davon unabhängig (§ 1155 ABGB). Als Arbeitszeit sei daher nicht nur die Zeit der tatsächlichen Arbeitsleistung, sondern auch jene Zeit zu werten, während der sich der Arbeitnehmer zur Verfügung des Arbeitgebers halten müsse (Cerny, Arbeitszeitrecht, 30). Es gebe damit aber verschiedene Grade der Intensität, mit welcher ein Arbeitnehmer dem Arbeitgeber zur Verfügung stehen könne. Die verschiedenen Formen der Arbeitsleistung zwischen der eigentlichen, vertraglich bedungenen Arbeitsleistung und der Arbeitsruhe seien zu unterscheiden. Dabei müsse die arbeitszeitliche (arbeitnehmerschutzrechtliche) und die lohnrechtliche Seite getrennt werden (Arb 9166; Arb 10.660). Nach ständiger Rechtsprechung könne für Zeiten einer bloßen Arbeitsbereitschaft oder des Zuwartens ein geringeres Entgelt als für die vereinbarte Arbeitsleistung bedungen werden (Arb 9166, 10.660; Arb 10.059 = ZAS 1984/13; RdW 1995, 67 = infas 1995 A 20; RdW 1990, 24 = ARD 4119/14/89). Die Bestimmung des § 10 AZG regle lediglich die Höhe des Überstundenzuschlages, nicht aber die Frage, ob und in welcher Höhe eine Arbeitsleistung an sich zu vergüten sei (Arb 10.059; 9166; RDW 1990, 24). Eine solche Differenzierung werde durch den Kollektivvertrag nicht ausgeschlossen, sie sei sachlich berechtigt und nach den Feststellungen von der Parteienvereinbarung umfaßt gewesen. Die übrigen Kollektivvertragsbestimmungen zu Überstundenentlohnungen sowie zur Entlohnung der auf der Rollenden Landstraße und einem Fährschiff verbrachten Zeit hinderten nicht eine Pauschalierung. Der vorgesehene Arbeitseinsatz (dreitägiger Turnusdienst, während dessen konkreten Abschleppaufträgen und anderen Aufgaben nachzukommen war, sich der Kläger aber andererseits sonst im erweiterten Stadtzentrum von Linz aufzuhalten hatte) zeige die offenkundige Bedachtnahme der Streitteile darauf, daß neben der eigentlich vertraglich bedungenen Arbeitsleistung auch Zeiten des Zuwartens bis zum Abruf für die nächste Arbeitsleistung, die eine geringere Entlohnung rechtfertigten, als selbstverständlich vorausgesetzt seien. Der Hinweis, innerhalb des Drei-Tage-Turnusses gebe es keine Überstunden, mache vom Umfang her eine von vornherein vorgesehene zeitliche Eingrenzung bezüglich der Arbeitsleistung deutlich. Im Wochendurchschnitt habe der Kläger auch tatsächlich bloß 30 eigentliche Arbeitsstunden zu leisten gehabt.

Bei Arbeitsbereitschaft habe sich der Arbeitnehmer am Betriebsort oder an einem anderen, vom Arbeitgeber bezeichneten und vom Wohnort des Arbeitnehmers verschiedenen Ort aufzuhalten. Auch wenn er während dieser Zeit keine Arbeit verrichte, müsse er sich jederzeit für die Aufnahme der Arbeitsleistung im engeren Sinn bereithalten. Demgegenüber müsse der Arbeitnehmer beim Bereitschaftdienst in Form der Rufbereitschaft nicht an der Arbeitstätte selbst oder in deren unmittelbarer Nähe anwesend sein, sondern könne seinen jeweiligen Aufenthaltsort selbst wählen. Er müsse den Arbeitgeber davon unterrichten, wo er erreichbar sei (ZAS 1983/6 mwN; Grillberger AZG 31). Arbeitsbereitschaft sei dann zu bejahen, wenn sich der Arbeitnehmer in betrieblichen Räumen aufhalte und auf Weisung oder nach eigener Entscheidung eine Tätigkeit aufnehmen müsse. Schon die Anwesenheitspflicht im Betrieb führe nämlich zu einer weitergehenden Einschränkung des Arbeitnehmers als die Rufbereitschaft, bei der er sich ja im privaten Bereich aufhalten könne. Trotz Aufenthaltes im Betrieb werde ausnahmsweise dann nicht Arbeitsbereitschaft, sondern (nur) Rufbereitschaft vorliegen, wenn die Arbeitsaufnahme nur selten nötig sei und die fragliche Zeit außerdem ähnlich gestaltet sei wie Rufbereitschaft (Grillberger aaO 31 f; Andexlinger ZAS 1993, 106 mwN).

Danach könne bereits beurteilt werden, daß der Kläger mit Ausnahme der Zeit von 00.00 Uhr bis 5.30 Uhr, in welcher lediglich Rufbereitschaft anzunehmen sei, arbeitsbereit zu sein hatte. Er habe sich im erweiterten Stadtzentrum von Linz aufzuhalten gehabt, war verpflichtet den an ihn ergehenden Abschleppaufträgen nachzukommen und darüberhinaus auch andere Aufgaben zu erledigen (Kontrolle von Parkplätzen, Umstellen von Autos). Auch ohne daß ausdrücklich festgestellt sei, daß er für einen sofortigen Einsatz ein Handgerät mit sich zu führen hatte, ergebe sich daraus deutlich, daß er jeweils kurzfristig zur Verfügung zu stehen hatte und das schnelle Erreichen des Einsatzortes gefordert war. Dies zeige, daß der Kläger über die Verwendung seiner Zeit im wesentlichen nicht selbst bestimmen konnte, sondern durch die Häufigkeit des Abrufens zum Arbeitseinsatz und die örtliche Bindung in viel größerem Maße als bei Rufbereitschaft eingeschränkt gewesen sei. Anders sei dies lediglich in der Zeit von 00.00 Uhr bis 5.30 Uhr, in der es nur ganz ausnahmsweise zu Abschleppaufträgen gekommen sei. Trotz der verlangten Übernachtung entweder in der Tankstelle der beklagten Partei oder in einer bestimmten Wohnung, sei dem Kläger in dieser Zeit eine ausreichende, der Ruhezeit nahekommende Erholungsmöglichkeit gegeben gewesen.

Von diesen Grundsätzen ausgehend ergebe sich, daß der Kläger nicht unterkollektivvertraglich entlohnt gewesen sei. Auszugehen sei von 30 Normallohnstunden pro Woche, 10 Stunden Arbeitsbereitschaft (50 % des Normalstundenlohnes) ohne Überstundenzuschlag als Differenz zur wöchentlichen Normalarbeitszeit von 40 Stunden, 14 Wochenstunden Arbeitsbereitschaft mit einem Überstundenzuschlag von 100 % (Zeit von 12.00 Uhr bis 24.00 Uhr von 50 % des Normalstundenlohnes x 2), 10 Stunden Arbeitsbereitschaft mit einem Überstundenzuschlag von 50 % als nach Abzug von 19 Rufbereitschaftsstunden pro Woche verbleibender Differenzbetrag vom (ohne Ruhepausen berechneten) Bereitschaftsdienstrahmen von 83 Stunden pro Woche. Ausgehend vom Stundenlohn von S 67,20 (Hälftebetrag S 33,60) ergebe sich daraus ein Bruttolohnanspruch von rund S 16.440,40 ohne Zeiten der Rufbereitschaft, die mit der verbleibenden Differenz von rund S 3.500 zum vereinbarten bezahlten Pauschalbetrag ausreichend abgegolten seien. Dieselbe Berechnung ausgehend von einem Stundenlohn von S 69,60 ergebe einen Bruttolohnanspruch von S 17.000,-- und einen ausreichenden Differenzanspruch von rund S 3.000,-- für Rufbereitschaft, sodaß der Kläger über die schon mit Teilanerkenntnisurteil zuerkannten Beträge hinaus keine weiteren Ansprüche mehr stellen könne.

Gegen das berufungsgerichtliche Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es abzuändern und ihm einen Betrag von S 70.335,43 brutto sA zuzusprechen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Er bringt vor:

Die Pauschalentlohnung von Arbeitszeit und Zeiten der Arbeitsbereitschaft verstoße gegen den Kollektivvertrag, insbesondere gegen das Erfordernis der Erkennbarkeit ("Transparenz") der einzelnen Entgeltanteile. Überdies seien nach dem Kollektivvertrag Zeiten der Arbeitsbereitschaft ebenso wie Arbeitszeiten im engeren Sinne zu entlohnen.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision gegen das nach dem gefällte berufungsgerichtliche Urteil ist gemäß § 46 Abs 1 ASGG zulässig. Der Auslegung einer Kollektivvertragsbestimmung, die ihrer Art nach einen größeren Kreis von Arbeitnehmern und Arbeitgebern erfaßt, kommt regelmäßig eine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung im Sinne des § 46 Abs 1 ASGG zu (vgl 9 Ob A 79/95).

Der Kollektivvertrag für das Güterbeförderungsgewerbe Österreichs (Arbeiter) lautete in der 1993 maßgeblichen Fassung (auszugsweise) wie folgt:

Art XV - Bestimmungen über die Entlohnung

Z 2 Abs 2 Entlohnungsformen nach zurückgelegten Fahrtstrecken oder nach der Menge der beförderten Güter in Form von Prämien oder Zuschlägen sind nur dann statthaft, wenn die Entlohnung nach den geleisteten Arbeitsstunden (Stundenlöhne und Überstundenzuschläge) ordnungsgemäß abgerechnet wird und die gebührenden Zulagen bzw Reisekostenentschädigungen gesondert verrechnet werden. Die Entlohnung in Form eines Nettopauschales ist ebenso unstatthaft.

Z 4 Die auf der Rollenden Landstraße oder einem Fährschiff verbrachte Zeit wird mit 50 % des vereinbarten Stundenlohnes vergütet.

Z 5 Abs 4 Dem Dienstnehmer ist mit dem Lohn eine Aufstellung über Bruttoverdienst, Normal- und Überstunden, Grundlohn, Überstundenzuschläge, Zulagen und die einzelnen Abzüge auszuhändigen.

Die Bestimmung des Art XV Z 2 Abs 2 wurde in der Fassung Juni 1994 nach der dem § 15c AZG (BGBl 446/1994) zugrundeliegenden Richtlinie der Verordnung (EWG) des Rates über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr (Nr 3820/85) vom neu gefaßt. Die übrigen zuvor zitierten Bestimmungen blieben unverändert.

Art XV Z 2 Abs 2 des Kollektivvertrages in der noch anzuwendenden alten Fassung verbietet lediglich die eine Überprüfbarkeit der Richtigkeit der Abrechnung erschwerende Vermengung von Zeit- und Leistungsentgelten, wenn nicht der Anteil des Zeitlohnes (geleistete Arbeitsstunden, Stundenlohn und Überstundenzuschlag) ordnungsgemäß, das heißt gesondert, abgerechnet (und ausgewiesen) werden. Verdeutlichend wird hinzugefügt, daß ein Nettopauschale "ebenso" unstatthaft sei. Diese Regelung, die in der Neufassung im Hinblick auf § 15c AZG angepaßt wurde, verbietet nicht eine Pauschalentlohnung für Normalarbeitszeiten und Zeiten der Arbeitsbereitschaft, denn beide Entgelttypen sind jeweils zeitbezogen und gefährden dabei nicht die leichte Erkennbarkeit und Überprüfung der Entlohnung durch den Arbeitnehmer (zum Sinn einer Pauschalierung siehe 9 Ob A 98/95 mwN). Die Zulässigkeit der geringeren Entlohnung für Zeiten der Arbeitsbereitschaft wird durch Art XV Z 4 des Kollektivvertrages (für die auf der Rollenden Landstraße oder einem Fährschiff verbrachte Zeit) bestätigt, wobei kein Hinweis dem Kollektivvertrag entnommen werden kann, daß nur in diesen taxativ angeführten Fällen Zeiten der Arbeitsbereitschaft geringer entlohnt werden dürfen als Zeiten der Vollarbeit. Der hier angeführte Hundertsatz für die Entlohnung für die auf der Rollenden Landstraße und auf Fährschiffen verbrachten Zeit von 50 % wird nach den Feststellungen für die Arbeitsbereitschaft des Klägers nicht unterschritten (61,3 % bzw 66 %).

Aus einer im Sinne des Art XV des Kollektivvertrages unzulässigen Pauschalierung ließe sich im übrigen nur ein Anspruch auf eine ordnungsgemäße, das heißt detaillierte, die einzelnen Entgeltarten nicht vermengende Abrechnung (nach dem Vorbild eines Rechnungslegungsanspruches) ableiten, nicht aber ein Anspruch auf höheres Entgelt für Zeiten der Arbeitsbereitschaft.

Die Bestimmungen der Art V und VI des Kollektivvertrages über Normalarbeitszeit, Ruhepausen und Mehrarbeitsleistung und Überstundenentlohnung verbieten eine Pauschalierung von Zeiten der Arbeitsbereitschaft nicht.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.