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OGH vom 11.12.2018, 14Os124/18v

OGH vom 11.12.2018, 14Os124/18v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart des Kontr. Bodinger als Schriftführer in der Strafsache gegen Javier P***** wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom , GZ 39 Hv 53/18m-24, weiters über die Beschwerden des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen den unter einem gefassten Beschluss nach § 494a Abs 1 StPO, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Javier P***** „der Vergehen“ des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs 1 erste Fallgruppe StGB (I./), der Vergehen der schweren Körperverletzung nach § 83 Abs 1, 84 Abs 2 StGB (II./), des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB (III./), sowie je eines Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (IV./1./) und der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (IV./2./) schuldig erkannt.

Danach hat er in L*****

I./ am die Polizeibeamten Daniel W*****, Werner R*****, Stefan Re*****, Klaudia S*****, Daniel J***** und Regina H***** mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich seiner Festnahme und Fixierung am Boden, gehindert, indem er zunächst heftige Tritte und Schläge gegen W*****, R***** und Re***** setzte, im Zuge wiederholter Ansätze zur Flucht Re***** zwei Faustschläge auf den Kopf, S***** einen äußerst wuchtigen Faustschlag ins Gesicht sowie J***** und H***** Schläge und Tritte versetzte;

II./ durch die zu I./ genannten Tathandlungen Beamte während oder wegen der Vollziehung ihrer Aufgaben oder der Erfüllung ihrer Pflichten vorsätzlich am Körper verletzt, und zwar

1./ W***** in Form einer Zerrung des rechten Ring- und Mittelfingers sowie heftiger Kopfschmerzen;

2./ Re***** in Form einer Schädelprellung sowie von Abschürfungen im Gesicht und am rechten Unterarm;

3./ J***** in Form einer Prellung im Bereich des linken Knies;

4./ H***** in Form von Prellungen im Bereich des rechten Ellenbogens und Handgelenks;

5./ R***** in Form einer Prellung mit Abschürfung des linken Ellenhakens;

III./ durch das Versetzen eines äußerst wuchtigen Faustschlags in das Gesicht S*****s dieser eine schwere Körperverletzung, nämlich einen Schädelbasisbruch, einen Bruch des Jochbeins sowie einen Bruch der Augen- und Kieferhöhle, absichtlich zugefügt;

IV./ am

1./ eine fremde Sache, nämlich einen Tisch des Lokals „B*****“, beschädigt (US 10), indem er diesen zu Boden schleuderte;

2./ Alexander M***** zumindest mit der Zufügung einer Körperverletzung gefährlich bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er äußerte „Ich hole meinen Bruder, dann bum bum bum und alle tot!“, wobei er die Äußerung dadurch untermauerte, dass er „die Finger einer Hand zu einer Pistole formte“.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 5a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung des in der Hauptverhandlung gestellten Antrags auf Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens „und Durchführung entsprechender Testung, zur Frage, ob der Angeklagte immun gegen Pfefferspray ist bzw ob eine Wirkungslosigkeit des Pfeffersprays bei ihm medizinisch indiziert ist“ (ON 23 S 51 f), Verteidigungsrechte schon deshalb nicht verletzt, weil er auf eine unzulässige Erkundungsbeweisführung gerichtet war (RIS-Justiz RS0118123). Soweit der Antrag zum Beweis dafür gestellt wurde, dass „der Angeklagte nicht gegen Pfefferspray immun ist, sein Sehvermögen bei mehreren Treffern mit Pfefferspray im Gesicht und in den Augen erheblich beeinträchtigt war, ein zielgerichtetes Vorgehen in diesem Zustand nicht mehr möglich war und eine absichtliche schwere Körperverletzung daher denkunmöglich“ ist, wird nicht nachvollziehbar dargetan, warum eine allfällige Beeinträchtigung des Sehvermögens durch Pfefferspray einem Verletzungsvorsatz in Form der Absichtlichkeit (§ 5 Abs 2 StGB) entgegenstehen sollte (RIS-Justiz RS0107445, RS0116987).

Warum die zu III./ angestellte Erwägung des Schöffengerichts, wonach es keine Rolle spiele, ob die Zielsicherheit des Angeklagten durch den vorausgegangenen Einsatz von Pfefferspray beeinträchtigt war (US 18), der übrigen Begründung für die Feststellungen zur subjektiven Tatseite widersprechen sollte, macht die Mängelrüge (Z 5 dritter Fall) nicht deutlich (RIS-Justiz RS0099709, Ratz, WK-StPO § 281 Rz 438 f).

Mit dem pauschalen Hinweis auf die Angaben der als Zeugen vernommenen Polizisten weckt die Tatsachenrüge (Z 5a) keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen (RIS-Justiz RS0118780). Das übrige Vorbringen nimmt nur auf die Urteilsbegründung, nicht aber auf konkretes, in der Hauptverhandlung vorgekommenes Beweismaterial Bezug, womit in unzulässiger Form Beweiswürdigungskritik geübt wird (RIS-Justiz RS0119424).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Bleibt mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO anzumerken, dass dem Erstgericht zu I./ ein Subsumtionsfehler (Z 10) unterlaufen ist, weil das Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs 1 StPO bei uno actu erfolgter Hinderung mehrerer amtshandelnder Beamter, die ein gemeinsames Ziel (hier die Amtshandlung der Festnahme und Fixierung des Angeklagten am Boden, vgl US 7 f, 10) verfolgen, nur ein Mal verwirklicht wird (Danek/Mann in WK2 StGB § 269 Rz 6).

Da sich der Subsumtionsfehler weder auf die Strafrahmenbildung noch bei der Strafbemessung (US 22 f) auswirkte, sah sich der Oberste Gerichtshof mangels konkreten Nachteils des Angeklagten nicht zu amtswegigem Vorgehen veranlasst (vgl Ratz, WK-StPO § 290 Rz 22 ff). Das Oberlandesgericht ist bei der Entscheidung über die Berufungen angesichts dieser Klarstellung nicht an die fehlerhafte Subsumtion gebunden (RIS-Justiz RS0118870; Ratz, WK-StPO § 290 Rz 27/1).

Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2018:0140OS00124.18V.1211.000

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