VfGH vom 08.06.1999, B2966/97
Sammlungsnummer
15495
Leitsatz
Verletzung im Recht auf ein faires Verfahren und im Eigentumsrecht infolge bloßer Verlesung einer Zeugenaussage in der mündlichen Verhandlung eines Disziplinarverfahrens über einen Rechtsanwalt; Eingriff in das Fragerecht des Beschuldigten mangels Vorliegen eines besonderen Grundes für ein Abstandnehmen von der persönlichen Einvernahme der Zeugin; Verstoß gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit des Verfahrens
Spruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf ein faires Verfahren und auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.
Der Bescheid wird daher aufgehoben.
Die Rechtsanwaltskammer für Tirol ist schuldig, dem Beschwerdeführer die mit S 20.500,-- bestimmten Kosten binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwalt in Innsbruck. Mit Erkenntnis des Disziplinarrates der Tiroler Rechtsanwaltskammer (im folgenden: Disziplinarrat) vom wurde er für schuldig erkannt, die Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes dadurch begangen zu haben, daß er - in Kenntnis des aufrechten Bestandes des Veräußerungsverbotes zugunsten der R N und zu Lasten der A R betreffend die Miteigentumsanteile der A R an einer näher bezeichneten Liegenschaft in Reith in Tirol - am einen Kaufvertrag über diese Miteigentumsanteile zwischen Dr. C P als Käufer und A R als Verkäuferin errichtete, obwohl der Auftrag zur Verbücherung des Veräußerungsverbotes zugunsten R N noch bestanden hat. Über den Beschwerdeführer wurde hiefür gemäß § 16 Abs 1 Z 2 Disziplinarstatut 1990, BGBl. 1990/474 (im folgenden: DSt 1990) die Disziplinarstrafe der Geldbuße in der Höhe von
S 100.000,-- verhängt. Von weiteren Vorwürfen wurde der Beschuldigte hingegen freigesprochen.
2. Der Disziplinarrat ging dabei von folgendem Sachverhalt aus:
Mit Schenkungs- und Wohnungseigentumsvertrag vom vereinbarten R N sowie ihre Stiefkinder A R und A N an einer Liegenschaft in Reith in Tirol Wohnungseigentum zu begründen. Die Vertragsteile schenkten sich zu diesem Zweck ideelle Liegenschaftsanteile mit damit verbundenem Wohnungseigentum. Der Beschwerdeführer wurde mit der Errichtung des Vertrages beauftragt.
In Punkt XIII dieses Vertrages räumten sich die Vertragsparteien wechselseitig auf ihren jeweiligen Miteigentumsanteilen das Veräußerungsverbot zugunsten der beiden jeweiligen anderen Vertragsteile ein. Man wollte damit verhindern, daß familienfremde Personen Miteigentümer des Hauses werden. Unter Punkt XI des Vertrages hielten die Parteien fest, daß A R den Vertragserrichter und nunmehrigen Beschwerdeführer beauftragt und bevollmächtigt, ua. die zur Genehmigung und grundbücherlichen Durchführung dieses Vertrages notwendigen Gesuche und Eingaben im Namen der A R einzubringen sowie Grundbuchsanträge aller Art zu stellen. Trotz Aufnahme einer entsprechenden Aufsandungserklärung für eine bücherliche Einverleibung des vereinbarten Veräußerungsverbotes in den Punkt XIV des Vertrages kam es in der Folge nicht zu der Verbücherung.
Der Grund bestand zunächst darin, daß im fraglichen Zeitraum unmittelbar nach Vertragserrichtung eine derartige Einverleibung aufgrund der damaligen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu § 364c ABGB rechtlich nicht möglich war. Die Vertragspartei R N hatte jedoch zu keiner Zeit auf das Veräußerungsverbot noch auf dessen Verbücherung verzichtet: Sie forderte den Beschwerdeführer - nachdem sich die Rechtsprechungspraxis des Obersten Gerichtshofes diesbezüglich geändert hatte - mehrmals auf, das Veräußerungsverbot zu verbüchern. Erst über Weisung der Tiroler Rechtsanwaltskammer, die von R N über das Verhalten des Beschwerdeführers laufend in Kenntnis gesetzt wurde, stellte der Beschwerdeführer im Namen aller Vertragsparteien den Antrag, aufgrund des Schenkungs- und Wohnungseigentumsvertrages vom die Einverleibung des Veräußerungsverbotes ob den Anteilen der A R zugunsten der R N zu bewilligen. Wegen eines Formfehlers des Beschwerdeführers - der Verweis auf eine erteilte Bevollmächtigung in einer nicht vorgelegten Vertragsurkunde ohne nähere Ausführungen über den Inhalt der Vollmacht wurde nicht als ausreichend angesehen - wurde der Antrag auf Einverleibung jedoch vom zuständigen Rekursgericht rechtskräftig zurückgewiesen. Nach Erhalt der Rekursentscheidung lehnte es der Beschwerdeführer - trotz weiterer Aufforderungen durch R N - ab, weiter für sie tätig zu werden. Er stellte sich auf den Standpunkt, daß die Vertragsparteien mittlerweile auf die Verbücherung des Veräußerungsverbotes verzichtet hätten. Auch eine abermalige Weisung der zuständigen Rechtsanwaltskammer konnte den Beschwerdeführer nicht dazu bewegen, erneut Schritte zur Verbücherung des Veräußerungsverbotes vorzunehmen. Im Herbst 1993 verkaufte A R ihre ideellen Miteigentumsanteile an der Liegenschaft in Reith in Tirol samt damit verbundenem Wohnungseigentum an Dr. C P. Der Beschwerdeführer wurde von der Verkäuferin mit der Abfassung des Kaufvertrages beauftragt. Der Vertrag, der in Kenntnis des aufrechten, obligatorisch wirkenden Veräußerungsverbotes vom Beschwerdeführer aufgesetzt wurde, wurde am unterfertigt. Unmittelbar darauf löste der Beschwerdeführer die Vollmacht und setzte keine Schritte zur Verbücherung dieses Kaufvertrages. In der Folge konnte R N auch durch Einbringung einer Klage beim Landesgericht Innsbruck (18 Cg 17/94 p) nicht die grundbücherliche Durchführung des Kaufvertrages vom verhindern. Dr. C P wurde grundbücherlicher Eigentümer der vormals im Eigentum der A R stehenden ideellen Miteigentumsanteile samt damit verbundenem Wohnungseigentum.
3. Der Berufung des Beschwerdeführers hinsichtlich des ihn verurteilenden Teiles des Erkenntnisses des Disziplinarrates gab die Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (im folgenden: OBDK) mit Erkenntnis vom keine Folge, wobei sie ihrem Erkenntnis die Tatsachenfeststellungen des Disziplinarrates zugrundelegte.
4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, auf ein faires Verfahren und darauf, nur für eine Handlung oder Unterlassung verurteilt zu werden, die zur Zeit ihrer Begehung strafbar war, geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt wird.
Der Beschwerdeführer bringt im wesentlichen vor:
Das Verfahren hätte für nichtig erklärt werden müssen, weil ein ausgeschlossenes bzw. befangenes Mitglied des Disziplinarrates im Verfahren vor der ersten Instanz - mit Ausnahme der letzten Verhandlung am - mitgewirkt und dieses Mitglied ihre Ausgeschlossenheit bzw. Befangenheit nicht geltend gemacht habe. Er habe mit Schriftsatz vom den Antrag auf Ablehnung dieses Mitgliedes gestellt und darin ausführlich die Gründe dargelegt, warum dieses Mitglied als ausgeschlossen bzw. befangen anzusehen sei.
Dazu komme, daß ihm - entgegen der Bestimmung des § 33 DSt 1990 - nicht die Liste der zur mündlichen Verhandlung am einberufenen Mitglieder des Senates des Disziplinarrates, einschließlich allfällig einberufener Ersatzmitglieder mitgeteilt worden sei, sodaß er sein Ablehnungsrecht nicht mehr rechtzeitig geltend machen konnte.
Er habe zudem am im Hinblick auf die Bestimmungen der §§12 ff. DSt 1990 den Präsidenten des Disziplinarrates schriftlich um Mitteilung ersucht, ob gegen die Mitglieder des Disziplinarrates ein gerichtliches Strafverfahren (gerichtliche Vorerhebungen) oder ein Disziplinarverfahren anhängig gewesen wäre. Aus dem Umstand, daß er vom Präsidenten des Disziplinarrates (bis zur Einbringung der Berufung gegen das erstinstanzliche Erkenntnis) keine Rückantwort auf dieses Schreiben erhalten habe, sei anzunehmen, daß zumindest ein Mitglied des Disziplinarrates im Hinblick auf die Bestimmungen der §§12 ff. DSt 1990 nicht über die Voraussetzungen für die Ausübung der Disziplinargerichtsbarkeit verfügte - ein Umstand, der geeignet sei, das gesamte Verfahren ebenfalls mit Nichtigkeit zu belasten. Die unterbliebene Äußerung des Präsidenten des Disziplinarrates lege außerdem den Verdacht nahe, daß zumindest ein Mitglied des Disziplinarrates nicht ordnungsgemäß gewählt wurde.
Der Umstand, daß die vom Beschwerdeführer beantragte Zeugin A R im gesamten Disziplinarverfahren nicht einvernommen wurde, begründe eine weitere Mangelhaftigkeit des Verfahrens. Die Einvernahme dieser Zeugin hätte die Behörden im Disziplinarverfahren zum Ergebnis führen müssen, daß die Vertragsparteien des Vertrages vom ausdrücklich auf das seinerzeit vereinbarte Veräußerungsverbot gänzlich verzichtet hätten, was zu einem Freispruch im Disziplinarverfahren führen hätte müssen. Die Nichteinvernahme dieser Zeugin stelle eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses sowie eine Verletzung des ihm verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger dar, weil im gegenständlichen erst- und zweitinstanzlichen Verfahren andere Kriterien angewandt wurden als vor anderen Behörden; Kriterien, "die ihn als Disziplinarbeschuldigten schlechter stellen, als jeden anderen Staatsbürger, der sich vor einem Gericht oder einer anderen Kollegialbehörde zu verantworten hat".
Es liege ihm überdies eine eidesstättige Erklärung des Ehemannes der Zeugin A R vom vor, worin dieser darlege, daß er bei Zusammenkünften der Parteien des Vertrages vom immer zugegen war und bestätigen könne, daß auf das seinerzeit vereinbarte Veräußerungsverbot gänzlich verzichtet wurde. Es sei dem Beschwerdeführer daher unverständlich, wie lediglich den Angaben der R N gefolgt werden könne, wenn sowohl A R, ihr Ehemann, dem aufgrund seiner Eigenschaft als Polizeiorgan erhöhte Glaubwürdigkeit zukomme, und er erklären, daß auf das Veräußerungsverbot von "allen Beteiligten und Vertragsparteien" einvernehmlich verzichtet wurde. Aus diesen Umständen sei es jedenfalls "abenteuerlich", wenn dem Beschwerdeführer ein vorsätzliches Handeln unterstellt werde.
Überdies wäre das von der belangten Behörde angenommene Disziplinarvergehen - selbst bei dessen Vorliegen - bereits verjährt.
Aus dem angefochtenen Erkenntnis der OBDK ergebe sich in der gesamten Begründung der angefochtenen Entscheidung lediglich ein Hinweis auf ein angebliches Fehlverhalten, es liege aber kein entsprechend konkretisierter Vorwurf der Verletzung von Berufspflichten bzw. von Ehre und Ansehen des Standes vor und sei auch keine Bestimmung angegeben, gegen welche der Beschwerdeführer verstoßen habe. Da es am entsprechend konkretisierten Vorwurf fehle, liege mit Rücksicht auf die Bedeutung des Art 7 EMRK ein willkürliches Verhalten der Behörde vor.
Es liege zusammenfassend sowohl hinsichtlich des erst- als auch des zweitinstanzlich durchgeführten Verfahrens "Nichtigkeit und Mangelhaftigkeit des Verfahrens vor, sowie ein Verstoß nach Art 6 und 7 EMRK und ein Verstoß gegen das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter".
5. Die OBDK als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, auf die Erstattung einer Gegenschrift jedoch verzichtet.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Die Beschwerde ist - soweit sie die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf ein faires Verfahren behauptet - begründet:
2. Der Verfassungsgerichtshof bleibt bei seiner Rechtsprechung, wonach die Verfahrensgarantien nach Art 6 EMRK auch im Bereich des Disziplinarrechtes Anwendung zu finden haben, wenn die angedrohten Strafen in der Schwere des Übels annähernd Freiheitsstrafen gleichkommen, wenn nach der Natur der entsprechenden Sanktion kein Zweifel besteht, daß "jener Charakter einer Bestrafung beibehalten" wird, "durch den sich strafrechtliche Sanktionen gewöhnlich auszeichnen" (vgl. VfSlg. 11506/1987). Wenn - wie im vorliegenden Fall - die Disziplinarbehörden befugt sind, das Verbot der Ausübung der Rechtsanwaltschaft bis zur Dauer eines Jahres (§16 Abs 1 Z 3 DSt 1990) und die Streichung von der Liste und damit ein dauerndes Berufsverbot auszusprechen (§16 Abs 1 Z 4 leg.cit.), hegt der Verfassungsgerichtshof keinen Zweifel, daß das Verfahren vor den Disziplinarbehörden an den Garantien des Art 6 Abs 1 und Abs 3 litd EMRK zu messen ist (vgl. für das Disziplinarverfahren der Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter bereits VfSlg. 11512/1987).
3. Wie aus dem Verwaltungsakt ersichtlich, beantragte der Beschwerdeführer in der mündlichen Disziplinarverhandlung vor dem Disziplinarrat vom die Einvernahme der Zeugin A R zum Beweis dafür, daß alle Vertragsparteien auf das Veräußerungsverbot verzichtet haben. Der Beschwerdeführer erklärte sich mit einer bloßen Verlesung der Aussage der A R aus einer Niederschrift über eine mündliche Verhandlung in dem zu 18 Cg 17/94 p vor dem Landesgericht Innsbruck protokollierten (zivilgerichtlichen) Verfahren nicht einverstanden. In diesem Verfahren gestand A R (als damalige Beklagte) ein, daß ihr gegenüber R N (als damalige Klägerin) auf das Veräußerungsverbot zu ihren Gunsten nicht verzichtet habe und daß sie sich nicht daran erinnern könne, daß die Vertragsteile wechselseitig auf das Veräußerungsverbot verzichtet hätten.
A R wurde zwar für die Verhandlung am vor dem Disziplinarrat geladen, doch konnte ihr die Ladung nicht zugestellt werden, weil sie mittlerweile an eine andere Adresse verzogen war, sodaß ihre, im zu 18 Cg 17/94 p vor dem Landesgericht Innsbruck protokollierten Zivilverfahren getätigte Aussage in der Verhandlung vom (nur) verlesen wurde. Nach Verlesung dieser Aussage hielt der Beschwerdeführer seinen Antrag aufrecht, A R einzuvernehmen, doch wurde dieser Antrag vom Disziplinarrat wegen Spruchreife abgewiesen. In der mündlichen Verhandlung vor der OBDK am wurde die Zeugin ebenfalls nicht einvernommen.
4. Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, daß es zwar grundsätzlich nicht in jedem Fall mit Art 6 Abs 1 oder Abs 3 litd EMRK unvereinbar ist, wenn in einer mündlichen Verhandlung aus einem anderen Verfahren gewonnene Aussagen verlesen werden, auf die die Entscheidung in der Folge Bezug nimmt. In der Verwertung dieser Aussagen müssen jedoch die Verteidigungsrechte beachtet werden. In der Regel verlangen diese Rechte, daß der Angeklagte eine angemessene und geeignete Gelegenheit erhält, die Glaubwürdigkeit eines gegen ihn aussagenden Zeugen grundsätzlich in Frage zu stellen; sei es in dem Zeitpunkt, in dem der Zeuge die Aussage ablegt, sei es zu einem späteren Zeitpunkt des Verfahrens (so die ständige Rechtsprechung des EGMR, vgl. etwa EGMR , Saidi gegen Frankreich, ÖJZ 1994, 322 ff.).
Nach der Rechtsprechung des EGMR ist ein Eingriff in dieses Fragerecht infolge einer bloßen Verlesung der Zeugenaussage nur dann als im Einklang mit Art 6 EMRK stehend zu betrachten, wenn es dafür einen besonderen Grund gibt, der die persönliche Einvernahme der Zeugin als nicht gerechtfertigt erscheinen läßt. Dieser Grund kann etwa darin liegen, daß es rechtlich oder faktisch unmöglich ist, die Zeugin in der Verhandlung zu befragen. Im Fall Asch gegen Österreich lag dieser Grund im geltend gemachten Entschlagungsrecht der Zeugin. Der EGMR argumentierte, das (gesetzlich eingeräumte) Recht, sich der Aussage zu entschlagen, dürfe nicht dazu führen, die Verfolgung zu verhindern (EGMR , Asch gegen Österreich, ÖJZ 1991, 517 ff.). Im Fall Artner gegen Österreich konnte die Behörde den Aufenthaltsort der Zeugin für die Ladung zur Einvernahme in der Hauptverhandlung nicht ausfindig machen. Laut dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt wies das das Verfahren führende Gericht die Polizei zweimal an, die Zeugin auszuforschen. In der Folge vertagte das Gericht daher die Hauptverhandlung, um den Ermittlungen der Polizei hinreichend Zeit zu geben. Da der Behörde in ihrem Bemühen kein Vorwurf gemacht werden konnte, daß die betroffene Person nicht ausgeforscht werden konnte, kam der EGMR (vorläufig) zum Ergebnis, "das nationale Gericht durfte ... die ... Aussagen heranziehen" (EGMR , Artner gegen Österreich, ÖJZ 1992, 846 ff.).
Doch selbst dann, wenn ein derartiger Grund das persönliche Erscheinen unmöglich macht, erachtete der EGMR das Vorliegen weiterer Umstände als erforderlich, um je nach Lage des Falles eine Verletzung der Verteidigungsrechte im Einzelfall auszuschließen bzw. das Verfahren insgesamt als fair zu beurteilen (Schaden, Das Fragerecht des Angeklagten, in FS Rill (1995) 213 ff. (227, 234); vgl. dazu auch EGMR , Unterpertinger gegen Österreich, ÖJZ 1988, 22 - hier nahm der EGMR eine Verletzung des Art 6 EMRK an). So befand der EGMR Art 6 EMRK im Fall Asch (zusätzlich) deshalb nicht verletzt, weil die Verurteilung nicht ausschließlich auf die frühere Aussage der Zeugin gestützt wurde. Im Fall Artner beanstandete der EGMR die Verwertung der verlesenen Aussage durch das nationale Gericht (zusätzlich) deshalb nicht, weil zudem die frühere Aussage der Zeugin durch weitere Beweise, wie von ihr vorgelegte Beweisurkunden, aber auch durch das Vorstrafenregister des Beschwerdeführers und die vom Beschwerdeführer nicht mit Berufung angefochtene Verurteilung in einem gleichartigen Fall, bestätigt wurde.
Der Verfassungsgerichtshof verkennt zwar nicht, daß der Disziplinarrat die Zeugin zur Verhandlung geladen hatte und die Einvernahme der Zeugin in der mündlichen Verhandlung vom deswegen scheiterte, weil der Behörde die richtige Abgabestelle der Zeugin nicht bekannt war. Die Behörde erachtete die Anberaumung einer weiteren Verhandlung zur Einvernahme der Zeugin für die Wahrheitsfindung wegen Spruchreife nicht mehr als notwendig. Aus diesem Grund unternahm - im Gegensatz zu dem, dem Fall Artner zugrundeliegenden Sachverhalt - die zuständige Behörde nicht alles, um den Aufenthaltsort der Zeugin ausfindig zu machen: Die bloße Befragung des A N in der mündlichen Verhandlung vom , der ebenfalls keine Angaben über die Abgabestelle seiner Schwester und Zeugin A R machen konnte, kann iS. der zitierten Judikatur des EGMR, nicht als ausreichend angesehen werden. Es liegt daher kein hinreichender Grund vor, von einer persönlichen Zeugeneinvernahme Abstand zu nehmen. Daran kann auch der von der OBDK ins Treffen geführte Umstand nichts ändern, daß sich die Behörden in ihrer Beweiswürdigung nicht nur auf die verlesene Aussage der A R stützen konnten.
Der Verfassungsgerichtshof kann daher nicht finden, daß das Verfahren insgesamt dem Art 6 Abs 3 litd EMRK entsprach, wenn der Disziplinarrat die im Zivilverfahren gemachte Aussage der A R in der mündlichen Verhandlung verlas, und dem Beschwerdeführer trotz dessen Antragstellung die Möglichkeit nahm, die Aussage der A R wirksam in Frage zu stellen.
5. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Verhängung einer Geldbuße über den Beschwerdeführer in der Höhe von S 100.000,-- bestätigt. Der Bescheid greift in das Eigentumsrecht des Beschwerdeführers ein. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides verletzt dieser Eingriff das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nur dann, wenn die Behörde das Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet hat, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (vgl. VfSlg. 10370/1985, 11470/1987).
Ein derartiger Fall liegt hier vor. Das Beweisverfahren nach § 36 DSt 1990 setzt - wie bereits oben dargestellt - grundsätzlich eine kontradiktorische Beweisaufnahme, verbunden mit dem Recht des Beschuldigten, an Zeugen und Sachverständige Fragen zu stellen, voraus (vgl. Feil/Wennig, Anwaltsrecht (1998) Rz 4 zu § 36 DSt). Dies insbesondere dann, wenn dargelegt wird, daß die persönliche Vernehmung der Zeugin geeignet sei, die Beweiskraft ihrer in einem anderen Verfahren getätigten Aussage und der übrigen von der Behörde herangezogenen Beweismittel zur entscheidenden Frage des Verzichts auf das Veräußerungs- und Belastungsverbot zu erschüttern. Die Behörde hat daher, weil sie ohne zureichenden Grund keine weiteren Bemühungen zur Ausforschung der Zeugin gesetzt und die Zeugin nicht mehr persönlich einvernommen hat, gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit des Verfahrens verstoßen und - damit einhergehend - die Verteidigungsrechte des Beschwerdeführers grob verletzt; sie hat sohin die in § 36 DSt 1990 normierten Verfahrensvorschriften im konkreten Fall denkunmöglich angewendet.
6. Da diese unter dem Aspekt des Rechts auf ein faires Verfahren und des Rechts auf Unversehrtheit des Eigentums in die Verfassungssphäre reichende Mangelhaftigkeit des Verfahrens von der OBDK nicht aufgegriffen wurde, war der angefochtene Bescheid aufzuheben. Bei diesem Ergebnis war es entbehrlich, auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen.
7. Dies konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VerfGG 1953. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 3.000,-- enthalten.