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OGH vom 09.12.1999, 8ObA275/98v

OGH vom 09.12.1999, 8ObA275/98v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Adamovic sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Friedrich Stefan und Dr. Anton Wladar als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Zivanka M*****, Lehrerin, ***** vertreten durch Dr. Elisabeth Rech, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei Land Wien, Wien 8., Rathaus, vertreten durch Dr. Wolfgang Heufler, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (S 260.000,--) und S 115.481,33 sA (Revisionsinteresse S 260.000,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Zwischenurteil (richtig: Teilurteil) des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Ra 148/98p-24, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 4 Cga 83/97x-18, teilweise abgeändert und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Das angefochtene, als Zwischenurteil bezeichnete Berufungsurteil wird mit der Maßgabe bestätigt, dass es als Teilurteil bezeichnet wird.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin, eine jugoslawische Staatsbürgerin, wurde am als Vertragslehrerin für den muttersprachlichen Zusatzunterricht für Kinder von Gastarbeitern aus dem (ehemaligen) Jugoslawien von der beklagten Partei zunächst mit Sondervertrag bis beschäftigt, und zwar eingestuft in das Entlohnungsschema I L Entlohnungsgruppe I 2 a 1 in der Entlohnungsstufe 6. Wegen der schwankenden Zahl der für das jeweilige Schuljahr zum muttersprachlichen Zusatzunterricht angemeldeten Schüler erhielt sie von der beklagten Partei jeweils auf ein Jahr befristete Sonderverträge. Zufolge eines Erlasses des Bundesministeriums für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten vom wurde die Klägerin (niedriger) in I 2 b 1 eingestuft.

Die Klägerin begehrte die Feststellung, es bestehe ein unbefristetes Dienstverhältnis, das nach dem Entlohnungsschema I L in der Entlohnungsgruppe I 2 a 1 zu entlohnen sei mit dem Vorbringen, es seien mit ihr wiederholt unzulässige Kettenverträge abgeschlossen worden. Weiters machte sie eine Entgeltdifferenz zufolge der niedrigeren Einstufung und diverser Zulagen geltend.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens; der Abschluss von befristeten Sonderverträgen sei wegen des schwankenden Bedarfs an Lehrern für muttersprachlichen Zusatzunterricht und deswegen zulässig, weil die Klägerin an einer Sonderschule unterrichte, ohne die dafür erforderliche Ausbildung zu besitzen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Dabei ging es unter anderem von folgenden Feststellungen aus:

Mit Wirkung vom wurde die Klägerin als jugoslawische Staatsbürgerin als Vertragslehrerin für den muttersprachlichen Zusatzunterricht jugoslawischer Gastarbeiterkinder auf bestimmte Zeit bis mit Sondervertrag gemäß § 36 VBG in Verwendung genommen. Ihre Standschule war zunächst eine Hauptschule in Wien 20. Sie war vollbeschäftigt und erhielt ein Sonderentgelt in der Höhe des jeweiligen Monatsentgelts eines Vertragslehrers des Entlohnungsschemas I L, Entlohnungsgruppe I 2 a 1 in der Entlohnungsstufe 6. Diese Einstufung erfolgte ausgehend von der Annahme, die Klägerin habe eine Lehramtsprüfung in ihrem Mutterland abgelegt. Jährlich werden dem Stadtschulrat die Zahl der Dienstposten bekanntgegeben, die für den muttersprachlichen Zusatzunterricht zur Verfügung stehen. Der Stadtschulrat muß dann bei diesen Lehrern um Nachsicht vom Erfordernis der österreichischen Staatsbürgerschaft ansuchen. In den Jahren 1996 und 1997 waren etwa 30.000 Kinder nichtdeutscher Muttersprache zu unterrichten, wobei auf einen Dienstposten 220 Schüler entfallen. Es ist nicht möglich vorauszusagen, wieviele Schüler tatsächlich mit muttersprachlichem Zusatzunterricht unterrichtet werden, da Kinder mit nicht deutscher Muttersprache nicht automatisch, sondern nur über Anmeldung durch die Eltern zu diesem Zusatzunterricht zugelassen werden. Erst im September eines jeden Jahres wird genau bekannt, welcher Bedarf tatsächlich besteht. Anfang September 1993 gab es 36.000 fremdsprachliche Schüler, diese Zahl ist von Jahr zu Jahr zurückgegangen. Am gab es 33.500 und Anfang September 1997 31.000 fremdsprachliche Schüler. Diese ständig variierenden Schülerzahlen waren auch der Grund dafür, daß Lehrer des muttersprachlichen Zusatzunterrichtes Sonderverträge erhielten. Bis zum Erlaß des Bundesministeriums für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten vom war die Klägerin gemäß dem jeweiligen jährlichen Sondervertrag in I 2 a 1 eingestuft. Mit dem genannten Erlaß wurde klargestellt, daß die Einstufung von der Qualifikation abhängt. Bei Befähigung zum Unterricht an Volksschulen im Heimatland und Verwendung an einer Volksschule in Österreich ist die Einstufung I 2a 1; bei Lehrbefugnis an einer Volksschule im Heimatland fehlt die Eignung in Österreich an einer Hauptschule zu unterrichten, dann erfolgt bei Verwendung an einer Hauptschule die Einstufung in I 2b 1. Die muttersprachlichen Lehrer wurden mehrmals davon informiert, daß es einerseits das Erfordernis der Nostrifikation gibt und anderseits auch die Möglichkeit über einen viersemestrigen Kurs an der Pädagogischen Akademie die Pflichtschulausbildung nachholen zu können. Über das Pädagogische Institut wurde bereits seit 1993 die Information über dieses Studium gegeben, mit dem Schuljahr 1994/95 wurden die ersten diesbezüglichen Studien angeboten. Die Klägerin hat diese Angebote aber nicht in Anspruch genommen.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, die Aneinanderreihung mehrerer befristeter Arbeitsverhältnisse sei nur dann zulässig, wenn wirtschaftliche oder soziale Gründe dies rechtfertigten. Im vorliegenden Fall sei die Beschäftigung von Lehrkräften im muttersprachlichen Zusatzunterricht in erster Linie davon abhängig, wieviel Schüler sich jedes Schuljahr für diesen Unterricht anmeldeten. Es sei daher keine Willkür des Dienstgeber, nur jeweils mit einem Jahr befristete Sonderverträge abzuschließen, da die Beschäftigung dieser Gruppe von Lehrern ausschließlich von Umständen abhinge, auf die der Dienstgeber keinen Einfluß habe. Es sei daher der Abschluß sogenannter Kettenverträge zulässig. Die Klägerin sei ab dem Schuljahr 1996/97 in einer Mischverwendung gestanden und habe zu keinem Zeitpunkt mehr als 50 % an Volksschulen gearbeitet, sie sei daher vorerst in die Entlohnungsgruppe I 2 a 1 eingestuft gewesen. Ab dem Erlaß vom sei diese Einstufung aber an die tatsächlich vorliegende Ausbildung geknüpft, sodaß mit der Einstufung in I 2 b 1 keine Rückstufung zu erblicken sei, sondern lediglich die Herbeiführung jenes Zustandes, der eigentlich von Beginn an hätte bestehen sollen. Es sei auch der Klägerin eine Zusatzausbildung angeboten worden, wodurch sie eine solche Zurückreihung hätte vermeiden können.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin teilweise Folge; es bestätigte den das Feststellungsbegehren abweisenden Teil als Zwischenurteil, im übrigen hob es (hinsichtlich des Leistungsbegehrens) das Urteil auf und verwies die Arbeitsrechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurück. Weiters sprach es aus, daß die Revision und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig seien.

Das Berufungsgericht billigte - abgesehen von einem mißverständlichen Satz - die Feststellungen des Erstgerichtes. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, daß die Aneinanderreihung mehrerer befristeter Dienstverträge im Falle der Klägerin sachlich gerechtfertigt sei. Nicht zulässig sei die Überwälzung eines typischen Unternehmerrisikos auf den Arbeitnehmer durch die Aneinanderreihung befristeter Arbeitsverträge. Es sei daher zum Schutze der Arbeitnehmer bei der Rechtfertigung von Kettenarbeitsverträgen ein strenger Maßstab anzulegen. Diese Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt angewandt zeigten aber, daß eine sachliche Rechtfertigung für den Abschluß befristeter Sonderverträge vorliege, denn die schwankende Zahl von Gastarbeitern habe Auswirkungen auf die Zahl fremdsprachlicher Kinder an österreichischen Schulen. Daher sei auch die Ausnahmsregelung des § 4 Abs 4 VBG nicht anwendbar, da hievon Ausnahmen zulässig seien. Keinesfalls könne der beklagten Partei eine willkürliche Vorgangsweise vorgeworfen werden, stehe doch fest, daß sämtliche fremsprachliche Lehrer in vergleichbarer Lage gleich behandelt würden. Mit keinem der muttersprachlichen Zusatzlehrer sei ein unbefristeter Dienstvertrag abgeschlossen worden. Wenn es zulässig sei, jeweils gesonderte befristete Verträge abzuschließen, so müsse es auch zulässig sein, beim jeweiligen Vertragsabschluß die Einstufung von der erforderlichen Qualifikation abhängig zu machen. Es liege daher bei der Klägerin keine Rückstufung vor, sondern es seien beim Abschluß eines neuen Vertrages neue Qualifikationsrichtlinien angewendet worden. Eine Benachteiligung der Klägerin liege nicht vor, da sie durch Nostrifikation oder Nachschulung die Möglichkeit gehabt hätte, die erforderliche Qualifikation zu erlangen.

Da aber nach den Feststellungen des Erstgerichtes völlig unklar sei, aus welchen Teilen sich das Leistungsbegehren zusammensetze, sei der diesbezügliche Teil des Urteils erster Instanz aufzuheben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

Die Revision sei zulässig, es fehle - soweit überblickbar - eine höchstgerichtliche Rechtsprechung zu der hier zu beurteilenden Berufsgruppe.

Nur gegen das Zwischenurteil (richtig Teilurteil) richtet sich die Revision der Klägerin aus den Gründen der Mangelhaftigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne der Stattgebung des Feststellungsbegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Im Vordergrund steht die Frage der Zulässigkeit von wiederholt aneinandergereihten befristeten Sonderverträgen im Sinne des § 36

VBG.

Der wiederholte Abschluss von befristeten Arbeitsverträgen wird in der Rechtsprechung (und Lehre; zuletzt etwa Melzer-Azodanloo, Aneinanderreihung von Arbeitsverhältnissen, ASoK 1998, 297 mwN) als unzulässig angesehen, solche Kettenarbeitsverträge verstoßen wegen der damit verbundenen Umgehung arbeitsrechtlicher Schutzbestimmungen ohne sachliche Rechtfertigung gegen die guten Sitten.

Im Sonderfall der Klägerin ist aber der wiederholte Abschluss von befristeten Sonderverträgen sachlich gerechtfertigt. Die Klägerin erfüllt zum einen nicht die Anstellungsvoraussetzungen für ihre Verwendung an einer österreichischen Sonderschule bzw Hauptschule. Es steht außer Streit, dass sie ihre in Jugoslawien erworbenen Zeugnisse nur übersetzen, nicht aber nostrifizieren ließ. Die Klägerin hat weiters die Möglichkeit, an der pädagogischen Akademie die entsprechenden Prüfungen nachträglich abzulegen, nicht genützt, sodass sie mangels Erfüllung der Einstufungsvoraussetzungen gemäß § 40 Abs 2 VBG (iVm § 202 BDG und Z 24.1 und 24.7 der Anlage 1 [Ernennungserfordernisse und Definitivstellungs- erfordernisse]), gemäß Art 10 der 32. VBG-Nov BGBl 1982/350 durch einen befristeten Sondervertrag oder wiederholt befristete Sonderverträge beschäftigt werden konnte (siehe 9 ObA 252/91 und 9 ObA 137/95).

Zum anderen erfüllt die Klägerin nicht die Voraussetzung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 3 Abs 1 Z 1 lit b VBG, sodass iVm dem Ausländerbeschäftigungsgesetz befristete Ausnahmsbewilligungen gemäß § 3 Abs 2 Z 1 VBG erforderlich waren. Die Arbeitserlaubnis (vgl § 14a Abs 4 AuslBG) darf nur befristet erteilt werden und gestattet insoweit ebenfalls den wiederholten Abschluss befristeter Arbeitsverträge (SZ 59/56 = DRdA 1987/12, 218 Maßl = JBl 1986, 672), sodass auch der wiederholte Abschluss befristeter Sonderverträge nicht zu beanstanden ist.

Ein Verstoß gegen Art 1 erstes ZP zur MRK ist nicht ersichtlich, da nicht in eine bestehende Rechtsposition der Klägerin eingegriffen wurde; der behauptete Verstoß gegen Art 14 MRK liegt nicht vor, weil eine Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit und nach der Erfüllung gewisser Berufsqualifikationen sachlich gerechtfertigt ist (siehe SZ 59/56).

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.