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OGH vom 10.11.2020, 15Os94/20t

OGH vom 10.11.2020, 15Os94/20t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. MichelKwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in der Strafsache gegen A***** M***** und einen weiteren Angeklagten wegen des Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten A***** M***** und K***** M***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom , GZ 84 Hv 10/20k156, nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGHGeo 2019) den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden A***** M***** und K***** M***** jeweils des Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB (A./) und des Verbrechens der kriminellen Organisation nach § 278a StGB (B./), A***** M***** überdies des Verbrechens der Ausbildung für terroristische Zwecke nach § 278e Abs 2 StGB (C./) schuldig erkannt.

Danach haben/hat in L***** und andernorts von 15. Juli bis November 2013 (A***** M*****) bzw von 15. Juli bis August 2013 (K***** M*****)

A./ sich als Mitglieder (§ 278 Abs 3 StGB) an einer terroristischen Vereinigung, nämlich der aus der terroristischen Vereinigung Islamischer Staat im Irak (ISI) hervorgegangenen Vereinigung Jabhat al Nusra Front (Anführer S***** S*****) im Wissen beteiligt, dadurch diese terroristische Vereinigung und deren strafbare Handlungen, nämlich deren Ziel der Errichtung eines islamistischen Gottesstaats auf Grundlage der als islamisches Recht bezeichneten Scharia und deren zur Erreichung dieses Ziels als erforderlich angesehenen terroristischen Straftaten nach § 278c Abs 1 StGB, zu fördern, indem

1./ A***** M***** und K***** M***** mit zwei PKW von W***** nach Istanbul reisten, sich dort ihren Kontaktpersonen anschlossen und mit diesen und der Unterstützung von Schleppern mit ihren PKW über die grüne Grenze nach Syrien in das von der genannten terroristischen Vereinigung kontrollierte Gebiet fuhren sowie in Syrien mit Kalaschnikow-Gewehren ausgestattet für die Lager der terroristischen Vereinigung Wachdienste hielten, Sporttrainings absolvierten und für die Mitglieder der terroristischen Vereinigung wuschen, kochten und an ihren sonstigen Aktivitäten teilnahmen,

2./ A***** M***** zudem den von ihm in L***** erworbenen und zur unter A./1./ dargestellten Ausreise nach Syrien verwendeten PKW der Marke Audi Q7 der terroristischen Vereinigung als Vermögenswert bereitstellte und sich „in diversen Posen“ für Propaganda-Zwecke fotografieren ließ (Internetplattform „o*****.ru“);

B./ sich als Mitglieder (§ 278 Abs 3 StGB) an der auf längere Zeit angelegten unternehmensähnlichen Verbindung einer größeren Zahl von Personen, nämlich der unter A./ genannten Vereinigung, die, wenn auch nicht ausschließlich, auf die wiederkehrende und geplante Begehung schwerwiegender strafbarer Handlungen, die das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit oder das Vermögen bedrohen, oder schwerwiegender strafbarer Handlungen im Bereich der sexuellen Ausbeutung von Menschen, der Schlepperei oder des unerlaubten Verkehrs mit Kampfmitteln, Kernmaterial und radioaktiven Stoffen, gefährlichen Abfällen, Falschgeld oder Suchtmitteln ausgerichtet ist, dadurch eine Bereicherung im großen Umfang anstrebt und die andere zu korrumpieren oder einzuschüchtern oder sich auf besondere Weise gegen Strafverfolgungsmaßnahmen abzuschirmen versucht, im Wissen beteiligt, dass sie diese Vereinigung und deren strafbare Handlungen fördern, und zwar A***** M***** durch die zu Punkt A./1./ und A./2./ und K***** M***** durch die zu Punkt A./1./ dargestellten Taten;

C./ A***** M***** sich im Gebrauch von Sprengstoff, Schuss- oder sonstigen Waffen unterweisen lassen, um eine terroristische Straftat nach § 278c Abs 1 Z 1 bis 9 oder 10 StGB unter Einsatz der erworbenen Fähigkeiten zu begehen, indem er sich im Umgang mit Kalaschnikow-Gewehren einschulen ließ und an einer Taktikschulung teilnahm.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richten sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit b StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten A***** M***** sowie jene des Angeklagten K***** M*****, der die Nichtigkeitsgründe nach § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO geltend macht.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des A***** M*****:

Dass der Angeklagte allenfalls bereits im August 2013 nicht mehr bereit gewesen sei, die verfahrensgegenständliche Vereinigung zu unterstützen, und versucht habe, zurück nach Österreich zu flüchten, jedoch zwangsweise zur Fortsetzung seiner Ausbildung gezwungen worden sei, betrifft angesichts seines bereits seit Mitte Juli 2013 gesetzten Verhaltens (US 6 ff) und der sich bereits daraus ergebenden Vollendung der betreffenden strafbaren Handlungen (RIS-Justiz RS0129800, RS0132439) keine entscheidende Tatsache. Dem – gegen sämtliche den Beschwerdeführer betreffenden Schuldsprüche gerichteten – Einwand der Unvollständigkeit zuwider (Z 5 zweiter Fall) waren die Tatrichter demzufolge nicht gehalten, sich mit den als übergangen kritisierten Passagen der Verantwortung des Genannten gesondert auseinanderzusetzen (RIS-Justiz RS0106268).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit b) behauptet unter Bezugnahme auf die von der Staatsanwaltschaft Leoben am (zu AZ 4 St 202/13z; ON 48 S 2, ON 1 S 31) angeordnete Fortführung des zunächst eingestellten Ermittlungsverfahrens eine nicht gerechtfertigte „Durchbrechung der Sperrwirkung“. Sie legt aber nicht methodengerecht dar (RIS-Justiz RS0116565), weshalb die Fortführung gemäß § 193 Abs 2 Z 2 StPO im Anlassfall bloß deshalb rechtlich verfehlt gewesen sein sollte, weil sich die (als neues Beweismittel herangezogenen) belastenden Angaben des Zeugen Sa***** betreffend die Teilnahme der Angeklagten an einem Massaker im weiteren Verfahren als objektiv wahrheitswidrig erwiesen (US 12; vgl zur angesprochenen Relevanzprüfung der neuen Tatsachen oder Beweismittel bezogen auf den Zeitpunkt der Fortführung des Verfahrens Nordmeyer, WK-StPO § 193 Rz 36 ff).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des K***** M*****:

Der aus Z 5 erster Fall erhobenen Kritik zuwider betrifft der Umstand, wie lange der genannte Angeklagte in Syrien war, bis er sich entschied, doch nicht als Kämpfer für die Jabhat al Nusra Front in den Krieg ziehen zu wollen, angesichts der bereits seit Mitte Juli 2013 vorsätzlich gesetzten Taten (US 6 ff) keine entscheidende Tatsache (RIS-Justiz RS0106268, RS0129800, RS0132439).

Weshalb die festgestellten Tathandlungen zu „unbestimmt“ sein sollten, macht die auf Z 5 gestützte Beschwerde nicht klar (RIS-Justiz RS0099563).

Da die Tatrichter den von der ursprünglich geständigen Verantwortung abweichenden Angaben der Angeklagten die Glaubwürdigkeit absprachen (US 12), waren sie nicht gehalten, diese darüber hinaus in jedem Detail zu erörtern (vgl RIS-Justiz RS0098642).

Die auf A./1./ des Schuldspruchs bezogene Rechtsrüge (Z 9 lit a) behauptet, jemand, der nach kürzester Zeit aus Syrien wieder abreise, unterstütze die Mitglieder der terroristischen Vereinigung weder physisch noch psychisch. Der Einwand lässt die gebotene Ableitung aus dem Gesetz vermissen, weshalb der Dauer des Aufenthalts im Licht der übrigen Feststellungen, wonach auch der Angeklagte K***** M***** entsprechend seiner in Österreich gegebenen Zusage nach Syrien reiste, sich dort der Jabhat al Nusra Front anschloss, weiters zusagte, sich als Kämpfer zu beteiligen, für diese Wachdienste versah und sich um die kulinarische Versorgung sowie um die Wäsche ihrer Mitglieder kümmerte (US 6 f), eine subsumtionsrelevante Bedeutung zukommen sollte (vgl erneut RIS-Justiz RS0129800, RS0116565). Im Übrigen orientiert sich die Behauptung des Beschwerdeführers, er habe „unmittelbar“ nach seiner Ankunft erkannt, doch nicht in den Kampf ziehen zu wollen, und sei „unmittelbar“ danach nach Österreich zurückgekehrt, nicht am im Urteil festgestellten Sachverhalt (RIS-Justiz RS0099810).

Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten A***** M***** und K***** M***** waren daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Die Entscheidung über die Berufungen kommt demnach dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2020:0150OS00094.20T.1110.000

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