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OGH vom 27.01.2009, 8Ob165/08k

OGH vom 27.01.2009, 8Ob165/08k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Spenling, Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Glawischnig und den Hofrat Mag. Ziegelbauer in der Rechtssache der klagenden Partei Univ.-Prof. Dr. Michael E*****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der I*****, vertreten durch Lattenmayer, Luks und Enzinger Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Johann Erwin G***** und 2.) Michael Albert G*****, beide vertreten durch Dr. Viktor Igáli-Igálffy, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Feststellungsinteresse 50.642,12 EUR sA), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 3 R 97/08v-20, mit dem infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom , GZ 46 Cg 90/07s-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden ersatzlos behoben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme von dem Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die beklagten Parteien sind schuldig, der klagenden Partei die mit 1.831,90 EUR (darin enthalten 305,32 EUR an USt) bestimmten Kosten des Rekurses und die mit 2.199,80 EUR (darin enthalten 366,33 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekurses binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Über das Vermögen der Gemeinschuldnerin wurde mit Beschluss vom das Konkursverfahren eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt. Bereits im Jahr 2006 hatten die Beklagten unter anderem gegen die nunmehrige Gemeinschuldnerin eine Klage auf 30.000 EUR sA eingebracht und ein Versäumungsurteil über 30.000 EUR samt 9,47 % Zinsen seit sowie die mit 4.053,53 EUR bestimmten Verfahrenskosten erwirkt. Die Kosten des daraufhin eingeleiteten Exekutionsverfahrens wurden mit 949,42 EUR, 4,56 EUR und 224,18 EUR bestimmt. Im Konkursverfahren der Gemeinschuldnerin haben die Beklagten eine Forderung von 159.121,05 EUR im Wesentlichen aus der auch dem Versäumungsurteil zugrunde liegenden behaupteten Kreditgewährung angemeldet.

Der klagende Masseverwalter hat diese Forderung in der Prüfungstagsatzung am zusammengefasst mit der Begründung bestritten, dass die Forderung verjährt sei. In dieser Tagsatzung bestimmte das Konkursgericht die Frist für die Einbringung der Klage gemäß § 110 KO mit zwei Monaten laut Protokoll wie folgt:

„B.

Die Frist für die Geltendmachung gemäß § 110 KO wird mit zwei Monaten festgesetzt."

Ein Rechtsmittelverzicht des Masseverwalters wurde nicht protokolliert.

Der klagende Masseverwalter s begehrt mit der am als ERV-Eingabe eingebrachten Prüfungsklage gemäß § 110 KO die Feststellung, dass im Konkursverfahren die angemeldeten Forderungen, soweit sie sich auf das rechtskräftige Versäumungsurteil stützen, nicht zustehen.

Die beklagten Parteien beantragten die Abweisung des Klagebegehrens und wendeten unter anderem „vorsichtsweise" auch die mangelnde Rechtzeitigkeit der Klagsführung ein.

Der klagende Masseverwalter führte dazu aus, dass die Frist zur Einbringung der Klage erst mit Ablauf der 14-tägigen Rekursfrist zu laufen begonnen habe.

Das Erstgericht schränkte das Verfahren auf die Frage der Beurteilung der Klagsfrist ein und wies (mit „Urteil") das Klagebegehren zurück; es begründete dies im Wesentlichen damit, dass gemäß § 131 Abs 4 KO vollstreckbare Forderungen nur dann als bestritten gelten, wenn der Bestreitende innerhalb der gesetzten Bestreitungsfrist seinen Widerspruch mit Klage geltend gemacht habe. Da diese nicht eingehalten worden sei, sei die Klage schon wegen Fristversäumnis zurück- bzw mangels rechtlichen Interesses abzuweisen. Der Beschluss über die Festsetzung der Klagsfrist sei am in der Tagsatzung in Anwesenheit des Masseverwalters ergangen, weshalb die erst am eingebrachte Klage verspätet sei.

Das Rekursgericht gab dem gegen diese als Beschluss zu wertende Entscheidung erhobenen Rekurs des Klägers nicht Folge. Es führte rechtlich zusammengefasst aus, dass die in § 110 Abs 4 KO erwähnten Säumnisfolgen nicht auf vollstreckbare Forderungen anzuwenden seien, sondern vielmehr § 131 Abs 4 KO analog anzuwenden sei. Da danach vollstreckbare Forderungen nur dann als bestritten gelten, wenn rechtzeitig die Prüfungsklage erhoben werde, seien diese bei Versäumung der Klagsfrist als festgestellt anzusehen und verspätete Prüfungsklagen als präkludiert zurückzuweisen. Die vom Konkursgericht gesetzte Frist beginne mit der Wirksamkeit des diese festsetzenden Beschlusses. Entsprechend § 171 KO seien die Bestimmungen über die Fristberechnung nach § 125 ZPO und § 426 ZPO hinsichtlich der in der Verhandlung verkündeten Beschlüsse anzuwenden. § 426 Abs 1 ZPO sehe vor, dass in der Verhandlung verkündete Beschlüsse den anwesenden Parteien in schriftlicher Ausfertigung unter anderem dann zuzustellen seien, wenn den Parteien ein Rechtsmittel gegen den Beschluss zustehe. Verzichte die Partei auf die Zustellung des Beschlusses, so verleihe die Verkündung diesem Wirksamkeit. Der Beschluss über die Festsetzung einer Frist zur Einbringung der Prüfungsklage könne nun zwar grundsätzlich bei unrichtiger Fristbemessung oder Verlängerung mit Rekurs bekämpft werden. Dass hier das Konkursgericht die Frist unrichtig bemessen hätte und dem Masseverwalter dementsprechend ein Rekurs gegen den in der Prüfungstagsatzung verkündeten Beschluss zugestanden wäre, behaupte der Rekurswerber aber nicht. Deshalb sei der Beschluss bereits mit der Verkündung wirksam geworden und die Frist bereits am geendet. Die erst am eingebrachte Prüfungsklage sei vom Erstgericht zutreffend als verspätet zurückgewiesen worden.

Den ordentlichen Revisionsrekurs erachtete das Rekursgericht als zulässig, weil zur Frage der Rechtswirkungen der Versäumung der Klagefrist gemäß § 110 Abs 4 KO im Falle der Bestreitung einer vollstreckbaren Forderung eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluss erhobene Revisionsrekurs des klagenden Masseverwalters ist zulässig und auch berechtigt. Die Rechtsansicht des Rekursgerichts hinsichtlich des Beginns des Fristenlaufs bedarf nämlich einer Klar- und Richtigstellung.

Die beklagten Parteien beantragen primär, den Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Für die Frage der Fristberechnung ist von der gemäß § 171 KO anzuwendenden Bestimmung des § 124 ZPO auszugehen. Danach beginnt der Lauf einer richterlichen Frist, „sofern nicht bei Festsetzung derselben etwas anderes bestimmt wurde", mit der Zustellung des die Frist anordnenden Beschlusses an die Partei; nur wenn es einer Zustellung des Beschlusses nicht bedarf, beginnt die Frist mit der Verkündung des Beschlusses.

Der Oberste Gerichtshof hat in seiner Entscheidung 1 Ob 113/07k (EvBl 2007/172 = ZIK 2007/336 ua) ausdrücklich festgehalten, dass § 124 ZPO auch im Konkursverfahren anzuwenden ist und jedenfalls für Gläubiger, die bei der Verkündung des Beschlusses in einer Tagsatzung nicht anwesend waren, die vom Gericht bestimmte Klagefrist gemäß §§ 124 iVm 426 Abs 2 ZPO erst mit der Zustellung der schriftlichen Ausfertigung beginnt (in diesem Sinne auch G. Kodek in Bartsch/Pollak/Buchegger IV4 § 110 Rz 56). Geht man aber von der grundsätzlichen Anwendbarkeit des § 124 ZPO aus, so bedeutet dies, dass der Beginn richterlicher Fristen auch bei Verkündung des Fristerteilungsbeschlusses mangels anderer Festlegung im Beschluss erst mit der Zustellung desselben Beschlusses beginnt, es sei denn, es wäre der Beschluss überhaupt nicht zuzustellen (vgl dazu auch Gitschthaler in Rechberger ZPO3 §§ 124-126 Rz 1; Buchegger in Fasching/Konecny2 II/2 § 124 Rz 3 ff). Von einer nach § 124 ZPO ausdrücklich vorgesehenen Möglichkeit einer abweichenden Anordnung, etwa in dem Sinne, dass die Frist bereits mit der Tagsatzung beginnt, hat das Konkursgericht jedoch hier (wie sich aus dem gemäß § 215 Abs 1 ZPO iVm § 171 KO vollen Beweis liefernden Protokoll ergibt) nicht Gebrauch gemacht. Damit kommt aber die Zweifelsregelung zum Tragen, dass auch für die bei der Verkündung anwesenden Parteien der Fristenlauf erst mit der Zustellung des die Frist anordnenden Beschlusses beginnt, es sei denn, es bedürfte - ausnahmsweise - einer solchen Zustellung nicht.

Nach § 426 Abs 1 zweiter Satz ZPO iVm § 171 KO sind verkündete Beschlüsse den anwesenden Parteien in schriftlicher Ausfertigung unter anderem dann zuzustellen, wenn der Partei ein Rechtsmittel gegen den Beschluss „zusteht". Dies ist auch hier anzuwenden. Dabei kann es aber nicht darauf ankommen, ob ein solches Rechtsmittel auch erfolgreich wäre - was im Übrigen wohl auch oft erst aufgrund der Ausfertigung des Beschlusses beurteilt werden kann -, sondern nur darauf, ob es grundsätzlich gegen diesen Beschluss zulässig ist.

Nach übereinstimmender Lehre und Rechtsprechung kann auch gegen die Fristbestimmung nach § 110 Abs 4 KO grundsätzlich Rekurs erhoben werden (vgl Konecny in Konecny/Schubert, Kommentar zu den Insolvenzgesetzen § 110 Rz 27, ebenso G. Kodek aaO § 110 Rz 51, jeweils mwN). Daher wäre auch hier mangels Verzichts eine Zustellung an den Masseverwalter erforderlich gewesen. Da diese nicht erfolgte, mangelt es aber auch an den Voraussetzungen für den Beginn des Laufs der Frist nach § 124 ZPO allein mit dessen Verkündung in der Tagsatzung vom , sodass sich die Zurückweisung der Klage als verspätet schon deshalb als unberechtigt erweist.

Den Vorinstanzen ist daher die Fortführung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gewählten Zurückweisungsgrund aufzutragen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50 und 41 ZPO. Die beklagten Parteien haben die Kosten des von ihnen ausgelösten Zwischenstreits zu tragen.