OGH vom 18.02.2010, 8Ob163/09t
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj I***** T*****, geboren am *****, und der mj I***** T*****, geboren am *****, beide wohnhaft bei ihrer Mutter A***** H*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters E***** T*****, geboren am *****, vertreten durch Mag. Theresia Brunhölzl, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 42 R 210/09g-S-93, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom , GZ 88 P 65/08v-81b, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Text
Begründung:
Die beiden Kinder und auch ihre Eltern sind österreichische Staatsbürger. Mit Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom , GZ 9 C 58/06z-20, wurde die Ehe der Eltern einvernehmlich geschieden. Die Obsorge für beide Kinder steht aufgrund des Beschlusses des Bezirksgerichts Hernals vom (ON S 21 und ON S 32) der Mutter alleine zu. Mit Beschluss des Bezirksgerichts Hernals vom (ON S 46), bestätigt durch den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom (ON S 51), wurde der Antrag des Vaters auf Einräumung eines - nach Ablauf einer Übergangsfrist von zwei Monaten - unbeaufsichtigten Besuchsrechts wegen seiner Gewaltbereitschaft und Uneinsichtigkeit hinsichtlich der Notwendigkeit einer Therapie zur Bekämpfung seines Gewaltpotenzials abgewiesen. Bereits am beantragte der Vater neuerlich die Einräumung eines Besuchsrechts, und zwar in der Form begleiteter Besuchskontakte, vierzehntägig, im Ausmaß von zumindest drei Stunden. Eine Anti-Gewalt-Therapie lehnte er ausdrücklich ab.
Mit einstweiliger Verfügung des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom (ON S 91), also nach der Entscheidung des Erstgerichts, wurde dem Vater der Aufenthalt an näher bezeichneten Orten im Nahbereich der Mutter sowie der Kinder sowie das Zusammentreffen und die Kontaktaufnahme mit diesen untersagt, nachdem er anlässlich eines zufälligen Zusammentreffens am in Anwesenheit der Kinder die Mutter beschimpfte und bedrohte und deren neuen Ehegatten, der sie beschützen wollte, durch Würgen und einen Faustschlag ins Gesicht verletzte.
Bereits am räumte das Erstgericht dem Vater ein Besuchsrecht zu beiden Kindern ein, und zwar in Begleitung des Vereins Wiener Kinderfreunde, vierzehntägig, in der Dauer von jeweils zwei Stunden. Es bestehe der Eindruck, dass die Aggressivität des Vaters gegenüber der Mutter abgeklungen sei und sich seine Haltung ihr gegenüber normalisiert habe.
Das Rekursgericht wies in Abänderung des von der Mutter angefochtenen Beschlusses den Antrag des Vaters ab. Die Einschätzung des Erstgerichts, dass zufolge Zeitablaufs eine gewisse Entspannung eingetreten sei, habe sich als unzutreffend erwiesen. Aus der Begründung des Rekursgerichts ergibt sich eindeutig, dass dieses - trotz offenkundig irrtümlicher Formulierung im Spruch - den Revisionsrekurs als nicht zulässig erachtete.
Rechtliche Beurteilung
Mit dem außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters wird keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG aufgezeigt.
1. Die nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung über die Einräumung oder Einschränkung des Besuchsrechts ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig. Es kann ihr daher keine Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG zuerkannt werden, wenn nicht leitende Grundsätze der Rechtsprechung verletzt werden (RIS-Justiz RS0097114; RS0087024). Dies ist hier nicht der Fall.
2. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist das Neuerungsverbot gemäß § 66 Abs 2 AußStrG im Obsorgeverfahren aus Gründen des Kindeswohls insofern durchbrochen, als aktenkundige Entwicklungen, die die bisherige Tatsachengrundlage wesentlich verändern, zu berücksichtigen sind (RIS-Justiz RS0048056; RS0106313; RS0006893).
Auf die tätliche Auseinandersetzung vom , die zu einer einstweiligen Verfügung nach § 382b EO gegen den Vater führte, hat das Rekursgericht somit zu Recht Bedacht genommen. Mit den unter Hinweis auf die Voraussetzungen für die Überprüfung der Beweiswürdigung durch das Rekursgericht angestellten Überlegungen zur angeblichen Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens kann die Zulässigkeit des außerordentlichen Revisionsrekurses daher nicht begründet werden.
3.1 Nach den getroffenen Feststellungen sowie dem Akteninhalt haben sich die Umstände, die dem Beschluss des Rekursgerichts vom zu Grunde gelegen waren, nicht zum Positiven verändert, weshalb von einer Verbesserung der Verhältnisse nicht ausgegangen werden kann. Der Vater hat sein Aggressionspotenzial und seine Gewaltbereitschaft, die zu körperlichen Übergriffen gegenüber der Mutter und auch gegenüber seiner älteren Tochter geführt haben, nach wie vor nicht im Griff. Es besteht daher weiterhin die konkrete ernste Gefahr, dass jeder Kontakt zu den Kindern zur Eskalation und weiteren Auseinandersetzungen mit der Mutter führt sowie gewaltbegleitete Konfliktfelder für die Kinder aufbrechen, die in ihrem Interesse und zu ihrem Wohl tunlichst zu vermeiden sind (vgl Schwimann ³ § 148 ABGB Rz 27). Der Vater wurde nicht nur gegenüber der Mutter gewalttätig, sondern schrie im Zuge der Streitigkeiten auch mit beiden Kindern; seine ältere Tochter hat er sogar geohrfeigt.
3.2 In besonderen Fällen, etwa bei besonders konfliktgeschädigten Eltern-Kind-Verhältnissen aufgrund der seelisch-psychischen Ausnahmeverfassung oder vorübergehend eingeschränkten Einsichtsfähigkeit der Beteiligten, kann eine Besuchsbegleitung durchaus auch über eine angemessene Übergangszeit hinaus - zB durch wiederholte Anordnung - als eine Art Dauereinrichtung für die laufende Besuchsabwicklung in Betracht kommen (RIS Justiz RS0118258). Der besondere Umstand, dass der Vater während des laufenden Besuchsrechtsverfahrens in Anwesenheit der Kinder neuerlich gewalttätig wurde, lässt aber in verhältnismäßig kurzem zeitlichen Abstand zum tätlichen Übergriff auf die Mutter und deren neuen Ehegatten auch begleitete Besuchskontakte nicht zielführend erscheinen.
Mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung war der außerordentliche Revisionsrekurs zurückzuweisen.