OGH vom 30.05.2012, 8ObA27/12x
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kuras und Dr. Brenn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Wiesinger und Mag. Wolfgang Kozak als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei M***** K*****, vertreten durch Dr. Gerhard Hiebler Dr. Gerd Grebenjak, Rechtsanwälte in Leoben, gegen die beklagte Partei H***** GesmbH, *****, vertreten durch Dr. Anton Cuber, Rechtsanwalt in Graz, wegen 6.264,60 EUR brutto sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 94/11i 16, mit dem das Urteil des Landesgerichts Leoben als Arbeits und Sozialgericht vom , GZ 22 Cga 129/10w 12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 556,99 EUR (darin enthalten 92,83 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war vom bis als Verzahner bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis gelangte der Kollektivvertrag für Arbeiter der eisen und metallerzeugenden und verarbeitenden Industrie zur Anwendung. Das Arbeitsverhältnis des Klägers wurde am durch einvernehmliche Auflösung beendet. Gleichzeitig erhielt der Kläger eine Wiedereinstellungszusage zum , die zum verlängert wurde. Schon vor dem begab sich der Kläger zur Beklagten, um seine Arbeitskleidung reinigen zu lassen. Trotz einer über Vermittlung des Arbeitsmarktservices angenommenen Stelle als Leiharbeiter bei einem anderen Unternehmen beabsichtigte der Kläger, das Dienstverhältnis bei der Beklagten fortzusetzen. Dementsprechend begab er sich am zur Beklagten und erklärte, jederzeit mit der Arbeit beginnen zu wollen. Ihm wurde jedoch mitgeteilt, dass es zur Zeit keine Arbeit für ihn gebe. Erst am wurde dem Kläger mitgeteilt, dass er wieder zu arbeiten beginnen könne.
Der Kläger begehrte Kündigungsentschädigung sowie Sonderzahlungen und Urlaubsersatzleistung aus dem Titel der Kündigungsentschädigung für die Zeit vom bis . Die Beklagte habe ihre Wiedereinstellungszusage nicht eingehalten. Dabei handle es sich um eine einseitig verbindliche Zusage des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu einem vereinbarten Zeitpunkt wiederaufzunehmen. Der Arbeitgeber sei bei sonstigem Schadenersatzrisiko an diese Zusage gebunden. Nach den Bestimmungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes sei er bei sonstigem Verlust des Anspruchs auf Arbeitslosengeld verpflichtet gewesen, die ihm vom Arbeitsmarktservice vermittelte Beschäftigung anzunehmen.
Die Beklagte entgegnete, dass sie die Wiedereinstellungszusage aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung nicht hätte einhalten können. Sie treffe daher kein Verschulden. Davon abgesehen hätte der Kläger am die Arbeit wieder antreten können. Am habe er auf die Wiedereinstellung verzichtet, weil er nicht bereits um 6:00 Uhr, und damit nicht rechtzeitig zum Dienst erschienen sei.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Der Kläger mache nicht auflösungsabhängige Ansprüche iSd § 9 Abs 5 AlVG, sondern vielmehr Kündigungsentschädigung mit der Begründung geltend, dass die Beklagte ihre Wiedereinstellungszusage nicht eingehalten habe. Da der Kläger gegenüber der Beklagten am zu verstehen gegeben habe, dass er seine Arbeit bei dieser fortsetzen wolle, hätte die Beklagte das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der Kündigungsfrist auflösen müssen. Die geltend gemachten Ansprüche seien daher berechtigt. Gemäß Art IV Z 4 des anzuwendenden Kollektivvertrags könne der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nur unter Einhaltung einer Frist von zwei Monaten zum Letzten eines Kalendermonats durch Kündigung lösen.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Da nicht Ansprüche aus dem früheren Arbeitsverhältnis den Gegenstand des Verfahrens bildeten, komme der Bestimmung des § 9 Abs 5 AlVG keine Bedeutung zu. Es könne auch keine Rede davon sein, dass der Kläger von der Wiedereinstellungszusage keinen Gebrauch gemacht habe. Vielmehr habe er seinen Willen, das Beschäftigungsverhältnis zur Beklagten wiederaufzunehmen, bereits vor dem angekündigt. Zudem sei er auch am bei der Beklagten erschienen, wobei er klargestellt habe, wieder arbeiten zu wollen. Die Nichteinhaltung der Wiedereinstellungszusage durch die Beklagte entspreche einem Rücktritt vom Arbeitsvertrag durch den Arbeitgeber. Da die Bestimmungen der §§ 30 und 31 AngG nicht analogiefähig seien, gelange die allgemeine Regel des § 918 ABGB zur Anwendung. Die Beklagte sei aus in ihrer Sphäre gelegenen Gründen ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen, weshalb dem Kläger die begehrte Kündigungsentschädigung zustehe. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Frage, ob der Anspruch auf Kündigungsentschädigung zustehe, wenn eine Wiedereinstellungszusage vom Arbeitgeber nicht eingehalten werde, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie die Abweisung des Klagebegehrens anstrebt.
Mit seiner Revisionsbeantwortung beantragt der Kläger, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, sonst der Revision aber keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil zur Rechtsnatur einer Wiedereinstellungszusage nach erfolgter Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Klarstellung durch den Obersten Gerichtshof geboten erscheint. Die Revision ist aber nicht berechtigt.
1. Beide Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass nach dem Parteiwillen das alte Arbeitsverhältnis durch einvernehmliche Auflösung beendet wurde und eine echte Unterbrechung vorlag. Einvernehmen besteht auch darüber, dass die Beklagte eine einseitige Wiedereinstellungszusage abgegeben hat.
2. Aufgrund der echten Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Verein mit einer Wiedereinstellungszusage ist der Anwendungsbereich der Ansprüche nach § 9 Abs 5 AlVG eröffnet. Diese Bestimmung ist auch auf jene Fälle anzuwenden, in denen der Arbeitgeber die zugesagte Wiedereinstellung ablehnt (8 ObS 20/06h; vgl auch 8 ObA 22/08f). Nach dieser Anspruchsgrundlage stehen dem Arbeitnehmer (nur) die beendigungsabhängigen Ansprüche aus dem alten Arbeitsverhältnis zu (9 ObA 216/97y; 8 ObA 22/08f).
Um solche beendigungsabhängigen Ansprüche geht es im Anlassfall nicht. Vielmehr leitet der Kläger seinen Schadenersatzanspruch unmittelbar aus der Nichteinhaltung der Wiedereinstellungszusage durch die Beklagte ab und berechnet seine Ansprüche aus dem Titel der Kündigungsentschädigung für die Zeit vom bis .
3. Richtig ist, dass durch eine bloß einseitige Wiedereinstellungszusage des Arbeitgebers eine Bindung des Arbeitnehmers in der Regel nicht eintritt. Es bleibt vielmehr grundsätzlich der privatautonomen Entscheidung des Arbeitnehmers vorbehalten, nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber dessen Anbot auf Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses anzunehmen oder nicht (9 ObA 62/11z).
Entgegen der Ansicht der Beklagten bedeutet dies aber keineswegs, dass die einseitige Zusage auch für den Arbeitgeber unverbindlich ist. Vielmehr ist es für eine einseitige Verpflichtungserklärung - in Form eines einseitigen Rechtsgeschäfts oder eines einseitig verbindlichen Vertrags - gerade charakteristisch, dass nur eine Seite, nämlich der Erklärende, gebunden ist.
4.1 Rebhahn (in ZellKomm² §§ 861 864a ABGB Rz 23) führt zu den Einstellungszusagen aus, dass es sich dabei in der Regel nicht nur um einen Vorvertrag, sondern schon um den Hauptvertrag oder doch um ein verbindliches Angebot dazu mit unter Umständen langer Bindungsfrist handle. Bei Wiedereinstellungszusagen im Speziellen handle es sich wohl um einen Hauptvertrag mit Optionsvorbehalt, also um einen aufschiebend bedingten Arbeitsvertrag. Der Arbeitnehmer sei nur bei einer vertraglichen Abrede der (Wieder )Einstellung auch zur Arbeit verpflichtet. Rebhahn verweist in diesem Zusammenhang auf die Entscheidungen 8 ObS 6/05y und 9 ObA 93/00t.
In der Entscheidung 8 ObS 6/05y wurde dazu die Glosse von Jöst zu 9 ObA 93/00t (ZAS 2001/10, 82) referiert, wonach es sich bei einer Wiedereinstellungszusage, von der der Arbeitnehmer Gebrauch machen könne oder nicht, um einen Hauptvertrag mit Optionsvorbehalt, anders ausgedrückt um einen aufschiebend bedingten Arbeitsvertrag, handle. Sehe man in einer Wiedereinstellungszusage einen solchen aufschiebend bedingten Arbeitsvertrag, so könne § 3 Abs 1 AVRAG unmittelbar angewendet werden. Dass es dem Arbeitnehmer vorbehalten sei, den Arbeitsvertrag durch einseitige Gestaltung in Geltung zu setzen, schade nicht. Entscheidend könne nur sein, dass der Arbeitgeber zur Einstellung des Arbeitnehmers verpflichtet sei. In dieser Entscheidung wurde die Ansicht von Jöst als „durchaus überlegenswert“ bezeichnet. Die Frage der Rechtsnatur der Wiedereinstellungszusage blieb allerdings offen.
In der Entscheidung 9 ObA 62/11z wurde zur dargestellten Ansicht von Jöst ausgeführt, dass diese nur die Frage der Bindung des Arbeitgebers, beispielsweise im Fall eines Betriebsübergangs, betreffe. Für eine Bindung des Arbeitnehmers durch eine einseitige Erklärung des Arbeitgebers sei hier kein Anwendungsbereich. Der Arbeitnehmer sei nur bei einer vertraglichen Abrede der (Wieder )Einstellung auch zur Arbeit verpflichtet. Solange der Arbeitnehmer die aufgrund der Wiedereinstellungszusage eingeräumte Option nicht angenommen habe, sei er auch nicht verpflichtet. Zudem wurde in dieser Entscheidung die Wiedereinstellungszusage als Anbot des Arbeitgebers auf Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses qualifiziert.
In der Entscheidung 9 ObA 216/97y wurde im Hinblick auf eine Wiedereinstellungszusage ebenfalls auf eine Option Bezug genommen. Mache ein Arbeitnehmer von der ihm durch eine Wiedereinstellungszusage eingeräumten Option auf den Abschluss eines neuen Dienstvertrags nicht Gebrauch, so gehe er aufgrund der Bestimmung des § 9 Abs 7 (jetzt Abs 5) AlVG wohl seiner aus der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entspringenden Ansprüche nicht verlustig, doch sollten nur jene Ansprüche gewahrt bleiben, die zur Zeit der Beendigung des alten Dienstverhältnisses bereits bestanden hätten.
Nach der Entscheidung 9 ObA 2122/96s ist eine Wiedereinstellungszusage die einseitige Verpflichtung des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer, so dieser dies wünscht, zum angegebenen Zeitpunkt wieder zu beschäftigen.
4.2 Zur Rechtsnatur der Wiedereinstellungszusage folgt aus den referierten Entscheidungen, dass dem Arbeitnehmer das Recht zukommt, nach erfolgter Beendigung des alten Arbeitsverhältnisses zu einem zukünftigen Zeitpunkt ein neues Arbeitsverhältnis zu begründen. Dementsprechend wird die Wiedereinstellungszusage als Anbot des Arbeitgebers auf Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses qualifiziert. Zudem wird das Recht des Arbeitnehmers ausdrücklich als Option bezeichnet.
Diese Bezeichnung erfolgt zu Recht. Bei einer Option handelt es sich um ein Rechtsgeschäft, durch das eine Partei das (einseitige Gestaltungs )Recht erhält, ein inhaltlich vorausbestimmtes Schuldverhältnis in Geltung zu setzen. Anders als der Vorvertrag gibt sie nicht bloß ein Recht auf Abschluss eines Hauptvertrags. Vielmehr begründet ihre Ausübung schon unmittelbar die vertraglichen Pflichten. Die Stellung des Optionsberechtigten entspricht hinsichtlich des Hauptvertrags jener eines Offertempfängers . Auch ein solcher hat ein rechtsbegründendes Gestaltungsrecht, weil es von seinem einseitigen Willensentschluss abhängt, ob der (Haupt )Vertrag zustande kommt oder nicht (RIS Justiz RS0115633; RS0017078).
4.3 Entgegen der Ansicht von Jöst kann aus der Verpflichtung des Arbeitgebers zur Einstellung noch nicht das bereits erfolgte Zustandekommen eines Vertrags abgeleitet werden. Soweit Jöst auf das einseitige Gestaltungsrecht des Arbeitnehmers hinweist, nimmt er selbst auf ein Optionsrecht Bezug. Entscheidend ist, dass die Wiedereinstellungszusage mit einer echten Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses im Zusammenhang steht. Nach dem Parteiwillen wurde das alte Arbeitsverhältnis ohne Aufrechterhaltung eines vertraglichen Bandes, anders also als etwa bei einer Karenzierung, beendet. Dieser Umstand spricht deutlich gegen die Annahme eines bereits zustande gekommenen Arbeitsvertrags, selbst wenn dieser nur als aufschiebend bedingt betrachtet werden sollte.
4.4 Der erkennende Senat gelangt somit zum Ergebnis, dass eine Wiedereinstellungszusage aus Anlass einer echten Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses die Option des Arbeitnehmers zur Begründung eines neuen Arbeitsvertrags, und zwar grundsätzlich zu den vorherigen Bedingungen, entstehen lässt.
5.1 Ein Optionsrecht begründet die Bindung des Optionsgebers. Ansprüche gegen diesen sind je nach dem denkbar, ob die Option vom Berechtigten ausgeübt wurde oder nicht. Im letzteren Fall kommt es auf die Umstände an, die zur Nichtausübung geführt haben (vgl 6 Ob 538/85: unrichtige Informationen durch den Optionsgeber).
5.2 Im Anlassfall hat der Kläger am Wiedereinstellungstag seinen Willen bekundet, bei der Beklagten wieder arbeiten zu wollen. Damit hat er seine Option ausgeübt. Der Antritt der Arbeit wurde ihm aber verweigert; gleichzeitig wurde ihm die Zusendung des Arbeitszeugnisses per Post zugesichert. Damit wurde das durch Ausübung des dem Kläger eingeräumten Optionsrechts wiederbegründete Arbeitsverhältnis durch den Arbeitgeber mit sofortiger Wirkung aufgelöst.
Die Frage nach einem Rücktritt vom Vertrag vor Arbeitsantritt mangels Analogiefähigkeit der §§ 30 und 31 AngG (RIS Justiz RS0028193) nach § 918 ABGB stellt sich damit nicht.
6.1 Zusammenfassend ergibt sich: Eine Wiedereinstellungszusage des Arbeitgebers nach echter Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses führt zu einer Option des Arbeitnehmers zur Begründung eines neuen Dienstverhältnisses (grundsätzlich) zu den vorherigen Bedingungen. Macht der Arbeitnehmer von seinem Optionsrecht Gebrauch, so wird das Arbeitsverhältnis wieder begründet.
6.2 Im Ergebnis besteht der geltend gemachte Anspruch auf Kündigungsentschädigung iSd § 1162b ABGB somit zu Recht. Die Entscheidungen der Vorinstanzen stehen damit im Einklang. Der Revision war daher der Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO iVm § 2 ASGG.