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OGH vom 22.01.2020, 9ObA112/19i

OGH vom 22.01.2020, 9ObA112/19i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Mag. Korn als weitere Richter (Senat nach § 11a Abs 3 ASGG) in der Arbeitsrechtssache der klagenden und gefährdeten Partei MMag. M*****, vertreten durch Dr. Robert Palka, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei T***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Kristina Silberbauer, Rechtsanwältin in Wien, wegen Zulassung zur Arbeitsleistung, hier wegen einstweiliger Verfügung, über den Revisionsrekurs der klagenden und gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 9 Ra 71/19f-12, mit dem dem Rekurs der klagenden und gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 9 Cga 30/19s-8, teilweise Folge gegeben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Parteien haben die Kosten des Revisionsrekursverfahrens jeweils selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die klagende und gefährdete Partei (in der Folge: Kläger) ist seit 1996 bei der Beklagten (und Gegnerin der gefährdeten Partei; in der Folge: Beklagte) als Orchestermusiker angestellt. Seit 1997 gehört der Kläger dem Angestelltenbetriebsrat Orchester an.

Am wurde der Kläger von der Beklagten fristlos entlassen und von der Arbeitsleistung suspendiert. Die Beklagte brachte weiters eine Klage auf nachträgliche Genehmigung dieser Entlassung, in eventu auf Zustimmung zur Kündigung ein. Diese Klage wurde (noch nicht rechtskräftig) abgewiesen.

Der Kläger begehrt, die Beklagte zur Aufhebung der Dienstfreistellung zu verpflichten und es ihm ab sofort wieder zu ermöglichen, im Unternehmen der Beklagten uneingeschränkt, insbesondere ohne Einschränkung der Zutrittsberechtigung zu arbeiten. Hilfsweise begehrt er, die Beklagte zu verpflichten, es ihm ab sofort wieder zu ermöglichen, an den Orchesterproben teilzunehmen.

Zugleich beantragt er die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, wobei der Haupt- und der Eventualsicherungsantrag mit den beiden Klagebegehren ident sind.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsantrags und des Klagebegehrens.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zur Gänze ab.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers dagegen teilweise Folge. Es bestätigte die Abweisung des Hauptsicherungsantrags. Es führte aus, ein Recht des Klägers auf Beschäftigung lasse sich grundsätzlich aus § 18 Abs 1 TAG ableiten. Danach bestehe jedoch nur Anspruch auf „genügend angemessene Beschäftigungen“ während einer Spielzeit. Der Hauptsicherungsantrag sei schon deshalb unberechtigt, weil kein Anspruch auf vollständige Beschäftigung bestehe. Hinsichtlich des Eventualantrags hob es den erstinstanzlichen Beschluss wegen fehlender Feststellungen auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.

Das Rekursgericht ließ sowohl den ordentlichen Revisionsrekurs als auch den Rekurs zu, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zum Recht auf Beschäftigung eines Orchestermusikers gemäß § 18 TAG bestehe.

Ausdrücklich ausschließlich gegen die Abweisung des Hauptsicherungsantrags richtet sich der Revisionsrekurs des Klägers, mit dem Antrag, die Entscheidung dahingehend abzuändern, dass die einstweilige Verfügung in diesem Umfang erlassen wird; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts ist der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig.

Selbst wenn das Rechtsmittelgericht zu Recht ausgesprochen hat, der Revisionsrekurs sei zulässig, im Rechtsmittel aber nur solche Gründe geltend gemacht werden, deren Erledigung nicht von der Lösung erheblicher Rechtsfragen abhängt, ist der Revisionsrekurs zurückzuweisen (RS0102059). Die Zurückweisung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

1. Der Kläger argumentiert, dass aufgrund des klagsabweisenden Ersturteils im Verfahren der Beklagten auf Zustimmung zur Entlassung des Klägers das Arbeitsverhältnis mit allen Rechten und Pflichten aufrecht sei, weshalb er einen Anspruch darauf habe, dass seine Suspendierung aufgehoben und er wieder wie zuvor beschäftigt werde.

Dabei übersieht er, dass das Rekursgericht ohnehin davon ausgegangen ist, dass das Arbeitsverhältnis mit allen Rechten und Pflichten weiter besteht, nach Auffassung des Rekursgerichts sogar schon während des erstgerichtlichen Verfahrens über die Zustimmung zur Entlassung. Hier steht aber eine andere Frage im Vordergrund.

Ausgehend von der ständigen Rechtsprechung, die ein allgemeines Recht jedes Dienstnehmers auf „Beschäftigung“, also das tatsächliche Leisten der übernommenen Dienste, nicht anerkennt, hat das Rekursgericht darauf verwiesen, dass allein der Umstand, dass das Arbeitsverhältnis aufrecht ist, als Grundlage für die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche nicht ausreicht.

2. Ein solches Recht auf Beschäftigung wird für bestimmte Berufe, bei denen das Brachliegen der spezifischen Fähigkeiten zwangsläufig zu einem Qualitätsverlust und zur Minderung des ärztlich-handwerklichen Niveaus führt, aus der Natur des abgeschlossenen Dienstvertrags abgeleitet (RS0106178) bzw – wie im Fall des Klägers – aus einer entsprechenden gesetzlichen Regelung.

Nach § 18 TAG ist der/die Theaterunternehmer/in verpflichtet, das Mitglied angemessen zu beschäftigen. Bei Beurteilung der Angemessenheit der Beschäftigung ist auf den Inhalt des Vertrags, die Eigenschaften und Fähigkeiten des Mitglieds und die Art der Führung des Betriebs Bedacht zu nehmen.

3. Der Revisionsrekurs geht davon aus, dass diese angemessene Beschäftigung im Sinn von „voller Beschäftigung“ bzw „Beschäftigung wie bisher“ zu verstehen sei und daher der Sicherungsantrag in diesem Umfang nicht hätte abgewiesen werden dürfen.

Selbst unter Zugrundelegung der Richtigkeit dieser Rechtsauffassung wäre für den Kläger jedoch nichts zu gewinnen.

Nach § 381 Z 2 EO können zur Sicherung anderer Ansprüche als Geldforderungen einstweilige Verfügungen getroffen werden, wenn diese zur Verhütung drohender Gewalt oder zur Abwendung eines drohenden unwiederbringlichen Schadens nötig erscheinen. Die Behauptungs- und Bescheinigungslast für das Vorliegen sowohl des durch die einstweilige Verfügung zu sichernden Anspruchs als auch der Umstände, die die Voraussetzung eines unwiederbringlichen Schadens begründen, liegt bei der gefährdeten Partei (RS0005311). Soll mit der einstweiligen Verfügung der angestrebte Prozesserfolg vorweg genommen werden, sind die Voraussetzungen des § 381 Z 2 EO streng auszulegen (RS0005300).

Selbst unter Zugrundelegung des Bestehens eines Anspruchs auf Beschäftigung setzt die Erlassung einer einstweiligen Verfügung daher auch die Bescheinigung eines unwiederbringlichen Schadens voraus.

Dazu hat der Kläger jedoch nur vorgebracht, dass ihm durch das Nichterarbeiten von Stücken im Orchesterverband ein Qualitätsverlust in Bezug auf seine musikalische Tätigkeit droht. Dass zur Abwendung dieser Gefahr über die Teilnahme an Orchesterproben hinaus eine weitere „Vollbeschäftigung“, was auch immer darunter zu verstehen ist, erforderlich ist, lässt sich weder dem Vorbringen erster Instanz noch dem Rechtsmittel entnehmen.

4. Soweit im Revisionsrekurs auch Ausführungen zum aufhebenden Teil der Entscheidung und dem Auftrag des Rekursgerichts an die erste Instanz zu weiteren Erhebungen enthalten sind, ist darauf schon deshalb nicht einzugehen, weil dieser Teil der rekursgerichtlichen Entscheidung ausdrücklich nicht bekämpft wurde.

5. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 528 Abs 1 ZPO (iVm § 78, 402 Abs 4 EO) ist der Revisionsrekurs zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht.

6. Die Parteien haben ihre jeweiligen Kosten selbst zu tragen. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsrekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses nicht hingewiesen.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2020:009OBA00112.19I.0122.000

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