OGH vom 25.01.2019, 8Ob162/18h
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E*****, vertreten durch Dr. Schartner Rechtsanwalt GmbH in Altenmarkt, gegen die beklagte Partei G*****, vertreten durch Mag. Andreas Wimmer, Rechtsanwalt in Hallein, wegen Feststellung und Unterlassung, aus Anlass der außerordentlichen Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom , GZ 22 R 286/18i-33, mit dem das Urteil des Bezirksgericht St. Johann im Pongau vom , GZ 2 C 36/17f-29, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Akten werden an das Berufungsgericht zurückgestellt.
Text
Begründung:
Der Kläger ist Eigentümer einer Liegenschaft, welche die dem Beklagten gehörige Liegenschaft mit dem darauf befindlichen Gebäude „Liftstüberl“ zur Gänze umschließt.
Der Kläger begehrte mit der mit insgesamt 15.000 EUR bewerteten Klage
1. die Feststellung, dass der Beklagte als Eigentümer der Liegenschaft EZ 169, *****, darin vorgetragenes Grundstück 470/8, und seine Rechtsnachfolger im Eigentum dieses Grundstücks gegenüber dem Kläger als Eigentümer der Liegenschaft EZ 37, *****, Grundstücke 470/7 und 470/1, und seinen Rechtsnachfolgern im Eigentum dieser Grundstücke nicht berechtigt sind,
a) am Grundstück 470/7 Lagerungen, Ablagerungen sowie Zwischenlagerungen vorzunehmen,
b) das Grundstück 470/7 als Hubschrauber-landeplatz zu verwenden und Be und Entladungen vorzunehmen oder zuzusagen und
c) das Grundstück 470/7 und das Grundstück 470/1 zu befahren und zu begehen, dies mit Ausnahme der im Rahmen des Gehrechts vereinbarten Wegführung, welche im (der Klage) beiliegenden SAGIS-Plan blau eingezeichnet ist, und der Dienstbarkeit der Skiabfahrt;
2. den Beklagten zu verpflichten, ab sofort jede zu 1. genannte Anmaßungs-, Erweiterungs- und Störungshandlung sowie jede ähnliche derartige Handlung zu unterlassen.
Zu 1. und 2. erhob der Kläger jeweils zwei Eventualbegehren. Er bewerte die drei Feststellungshauptbegehren mit je 2.500 EUR und die drei korrespondierenden Unterlassungshauptbegehren mit gesamt 7.500 EUR und brachte im Wesentlichen vor, dass der Beklagte die beiden Grundstücke 470/7 und 470/1 als Parkflächen verwende. Darüber hinaus hätten seit Oktober 2013 laufend Ablagerungen von Materialien stattgefunden. 2014/2015 habe der Beklagte mit einem Helikopter mehrmals Gegenstände zum „Liftstüberl“ anliefern lassen und dabei ins Eigentum des Klägers eingegriffen, indem der Helikopter nicht nur über den Grundstücken 470/7 und 470/1 im Luftraum – nahe des Bodens – geschwebt, sondern zwecks Ladetätigkeit auch gelandet sei. Seit dem Jahr 2013 bis zur Klagseinbringung habe der Beklagte zudem das Grundstück 470/7 befahren, um das „Liftstüberl“ zu versorgen sowie Müll und (mit einem Schlitten) Fenster abzutransportieren, obwohl ihm kein Fahrtrecht zustehe. Zwar habe der Beklagte ein Gehrecht über die Grundstücke 451/1, 470/1 und 470/7 zum Grundstück 470/8. Der Beklagte halte sich aber nicht daran und nütze stets verschiedene andere Routen über die Grundstücke des Klägers, um zum „Liftstüberl“ zu gelangen. Die Wiederholungsgefahr sei für sämtliche Rechtseingriffe des Beklagten gegeben.
Das Erstgericht gab allen Hauptbegehren zu 1.a) bis c) und 2. statt.
Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichts. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt und die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof ist (derzeit) nicht zur Entscheidung über die ausschließlich gegen die Klagsstattgebung zu 1.c) und, sofern sich die Unterlassung auf 1.c) bezieht, 2. erhobene außerordentliche Revision des Beklagten berufen.
1. Das Berufungsgericht hat nur eine Bewertung des Entscheidungsgegenstands insgesamt vorgenommen, ohne die mit Klagehäufung geltend gemachten Ansprüche einzeln zu bewerten. Eine solche Vorgangsweise wäre nur dann zutreffend, wenn die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang iSd § 55 Abs 1 Z 1 JN stünden (RISJustiz RS0042258).
Das ist jedoch nicht der Fall:
Ein tatsächlicher Zusammenhang liegt vor, wenn allen Ansprüchen derselbe Klagegrund zugrunde liegt und keiner der Ansprüche die Behauptung eines ergänzenden Sachverhalts erfordert. Ein rechtlicher Zusammenhang ist zu bejahen, wenn die Ansprüche aus demselben Vertrag bzw einem einheitlichen Rechtsgeschäft oder aus derselben Rechtsnorm abgeleitet werden (RISJustiz RS0037899 [T3]). Ein innerer tatsächlicher oder rechtlicher Zusammenhang besteht demgegenüber nicht, wenn jeder der mehreren Ansprüche ein ganz verschiedenes rechtliches und tatsächliches Schicksal haben kann (RISJustiz RS0037899).
Nach der Rechtsprechung stehen mehrere Ansprüche aus einer Eigentumsfreiheitsklage nach § 523 ABGB, die sich auf verschiedene Eingriffshandlungen des Beklagten stützen, nicht in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang iSd § 55 Abs 1 Z 1 JN (RISJustiz RS0110012). Hingegen stehen die in Bezug auf alle Beeinträchtigungen erhobenen Begehren auf Feststellung des Nichtbestehens einer Servitut und auf Unterlassung ihrer Anmaßung in einem rechtlichen Zusammenhang (6 Ob 80/98b; Gitschthaler in Fasching/Konecny3§ 55 JN Rz 21/5).
2. Hier machte der Kläger, sich auf jeweils unterschiedliche Eingriffe stützend, drei Feststellungs- und drei korrespondierende Unterlassungshauptbegehren geltend. Im Revisionsverfahren ist nur noch die im Begehen und Befahren der Grundstücke des Klägers liegende – sowohl von den Ablagerungen als auch den Hubschrauberanlieferungen unabhängige – Störungshandlung des Beklagten (allenfalls) zu prüfen. Mangels eines tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhangs iSd § 55 Abs 1 JN liegen die Voraussetzungen für eine Zusammenrechnung nicht vor, sodass die Revisionszulässigkeit für jeden einzelnen Entscheidungsgegenstand gemäß § 55 Abs 4 JN gesondert zu beurteilen ist (RISJustiz RS0042741 [T18]; 5 Ob 30/17y).
3. Das Berufungsgericht, das bisher in seinem Bewertungsausspruch nach § 500 Abs 2 Z 1 ZPO nur eine pauschale Bewertung vorgenommen hat, wird daher eine Bewertung jedes einzelnen Entscheidungsgegenstands vorzunehmen haben, wobei jeweils von einer Einheit der aus den drei unterschiedlichen Eingriffen resultierenden Feststellungs- und Unterlassungsbegehren auszugehen sein wird.
4. Sollte sich dabei ergeben, dass hinsichtlich des noch revisionsgegenständlichen Anspruchs kein Wert des Entscheidungsgegenstands von über 5.000 EUR vorliegt, wäre die Revision des Beklagten jedenfalls unzulässig. Sollte sich aber ergeben, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands bei getrennter Betrachtung zwar 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigt, käme eine Zuständigkeit des Obersten Gerichtshofs zur Entscheidung nur dann in Betracht, wenn das Gericht zweiter Instanz gemäß § 508 Abs 3 ZPO ausspricht, dass ein ordentliches Rechtsmittel doch zulässig sei. Ob der Schriftsatz des Beklagten diesfalls den Erfordernissen des § 508 Abs 1 ZPO entspricht oder einer Verbesserung bedarf, obliegt der Beurteilung der Vorinstanzen.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2019:0080OB00162.18H.0125.000 |
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