OGH 02.06.1993, 9ObA126/93
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf. Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Steinbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Edith Söllner und Winfried Kmenta als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache des Klägers Johann S*****, Angestellter, T***** vertreten durch Dr.Robert Eichmann ua Rechtsanwälte in Linz, wider die Beklagte S*****fahrzeuge Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Alfred Strommer ua Rechtsanwälte in Wien, wegen S 1,075.218,90 brutto (Revisionsinteresse S 978.777,90 brutto), infolge Revision der Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 12 Ra 90/92-40, womit infolge Berufung des Klägers das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 24 Cga 119/90-28, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit S 84.879 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin enthalten S 14.146,50 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Kläger ist weiters schuldig, der Beklagten die mit S 44.365,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 3.394,20 Umsatzsteuer und S 24.000 Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war vom bis bei der Beklagten als Verkäufer beschäftigt. Das Dienstverhältnis endete durch Entlassung. Zwischen dem Kläger und seinem unmittelbaren Vorgesetzten, dem Filialleiter der Niederlassung H***** Ing.Heinz M*****, gab es immer wieder Differenzen. Der Kläger war einer der besten Verkäufer, in bezug auf Mitarbeiter und Vorgesetzte jedoch ein eher schwieriger Mensch. Am kam es zwischen Ing.M***** und dem Kläger in Anwesenheit eines Kunden zu einer sehr emotionsgeladenen und lauten Diskussion. Anlaß hiefür waren Auffassungsunterschiede über die Verrechnung gewisser, dem Kunden zugesagter Extraleistungen. Dabei ergriff der Kläger die Partei des Kunden. Der Kunde verließ dann den Raum. Ing.M***** kündigte dann an, daß die Sache ein Nachspiel haben werde. Die Kompetenz für die Personalentscheidungen hinsichtlich der Verkäufer lag bei der Geschäftsführung in der Zentrale. Am Abend dieses Tages kam es zu einem Gespräch zwischen Ing.M***** und dem Geschäftsführer der Beklagten. Sie entschieden, daß der Kläger entlassen wird.
Zwischen dem Kläger und der Geschäftsleitung hatte es auch Differenzen über die Provisionsregelungen gegeben. Bei Gesprächen über die geplante Neuregelung der Provisionsberechnung äußerte der Kläger, der - wie auch andere Mitarbeiter - befürchtete, daß es dadurch zu einer Einkommensverschlechterung kommen würde, zu Ing.M***** "er werde schon zu seinem Geld kommen und es werde halt dann bei jedem Geschäft einen Provisionszettel geben". Es kam nämlich ab und zu vor, daß an Mitarbeiter von Kunden für den Abschluß von Geschäften sogenannte "Fremdprovisionen" ausgezahlt wurden. Dabei hatte der Vertreter zunächst einen Provisionsanforderungszettel auszufüllen und vom Provisionsempfänger unteschreiben zu lassen. Mit diesem Aufforderungszettel wurde dem Verkäufer nach Abschluß des Geschäftes der zugesagte Betrag aus der Kassa gegen Bestätigung ausgehändigt. Beim Empfang mußte der Mitarbeiter der Kundschaft, dem Provision zugesagt worden war, den Betrag auf einem weiteren Zettel bestätigen.
Im Jänner 1990 hatte der Kläger der A***** Gesellschaft mbH einen LKW verkauft. Dort war man zunächst auf ein anderes Fahrzeug eingestellt gewesen. Der Kläger konnte jedoch die maßgeblichen Leute zum Ankauf eines S***** LKW bewegen. Der Kläger verabschiedete sich damals von Johann P*****, dem technischen Leiter dieses Unternehmens und meinte, er werde sich einmal erkenntlich zeigen. Eine Geldprovision hat Johann P***** weder gefordert noch wurde sie ihm vom Kläger zugesagt. Trotzdem füllte der Kläger einen Provisionsanforderungszettel, lautend auf Josef P*****, über S 10.000 aus und gab den zunächst nicht unterfertigten Zettel im Büro ab. Ing.M***** gab daraufhin dem Kläger den Provisionszettel mit der Aufforderung zurück, ihn vom Kunden unterschreiben zu lassen. Daraufhin unterschrieb der Kläger den Zettel mit dem Namen "Josef P*****" selbst und gab ihn bei der Beklagten ab. Diese Tatsache war der Beklagten unbekannt. Ing.M***** wurde von einer Mitarbeiterin der Beklagten Anfang April 1990 darauf aufmerksam gemacht, daß die Unterschrift auf dem Formular bedenklich sei; sie sei dem Schriftbild des vom Kläger ausgefüllten Teiles des Formulars ähnlich. Ing.M***** unternahm jedoch zunächst nichts, hatte aber vor, am die Firma A***** aufzusuchen, um die Sache mit der Unterschrift zu klären, kam aber nicht dazu. Nach der Entlassung des Klägers am hielt er die Klärung der Angelegenheit nicht mehr für erforderlich. Erst als sich nach der Auslieferung des LKWs im Mai 1990 längere Zeit niemand wegen der Provision von S 10.000 meldete, wurde bei der Firma A***** angerufen, Josef P***** verlangt und gefragt, ob hinsichtlich des Auftrages alles in Ordnung sei oder noch etwas fehle. Josef P***** antwortete, daß alles in Ordnung sei. Daraufhin fuhr Ing.M***** am zur Firma A***** und vergewisserte sich auf Anraten des Anwalts über die Umstände der Unterschriftsleistung.
Der Kläger begehrt von der Beklagten S 1,075.218,90 brutto sA an Kündigungsentschädigung, aliquoten Sonderzahlungen, Abfertigung und Urlaubsentschädigung. Er sei unberechtigt entlassen worden.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Entlassung sei zu Recht erfolgt, weil der Kläger am einen Angestellten der Beklagten vor Kunden beschimpft und gemaßregelt habe. Erst nach der Entlassung sei hervorgekommen, daß der Kläger sogenannte Fremdprovisionen nicht ordnungsgemäß verwendet habe.
Das Erstgericht sprach dem Kläger S 96.441 brutto sA - insoweit rechtskräftig - zu und wies das Mehrbegehren von S 978.777,90 brutto ab. Die Auseinandersetzung zwischen Ing.M***** und dem Kläger am begründe keinen Entlassungsgrund, weil der Wortlaut der Äußerungen des Klägers nicht festgestellt werden konnte. Die unrichtigen Angaben und die Fälschung der Unterschrift auf einem Provisionsanforderungszettel, der zur Auszahlung eines Betrages von S 10.000 führen sollte, rechtfertigten aber im Zusammenhang mit der seinerzeitigen Äußerung des Klägers "er werde schon zu seinem Geld kommen, allenfalls über Fremdprovisionszettel" die Entlassung. Dieser Entlassungsgrund sei nicht verspätet geltend gemacht worden, weil er der Beklagten erst am bekannt geworden sei.
Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, daß es dem Klagebeghren zur Gänze stattgab. Angesichts der Tatsache, daß es dem Dienstgeber erkennbar darauf ankam, daß die Provisionsforderung vom Empfänger unterzeichnet werde, sei die Vorlage des gefälschten Belegs durch den Kläger ein so schwerwiegender Verstoß gegen die Dienstgeberinteressen, daß der Vertrauensverlust die Weiterbeschäftigung des Klägers unzumutbar mache. Der Entlassungsgrund sei aber nicht rechtzeitig geltend gemacht worden. Die Beklagte habe die Klärung des Sachverhaltes ungebührlich verzögert, weil Ing.M***** bereits Anfang April 1990 von der Bedenklichkeit der Unterschrift Kenntnis hatte, jedoch bis "" keinerlei Schritte unternahm.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Ersturteil wieder herzustellen.
Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Die Vorinstanzen haben die Frage, ob die Fälschung des Provisionsanforderungsbeleges (Beilage 10) durch den Kläger einen Entlassungsgrund bildet, zutreffend bejaht.
Ob die Beklagte bereits im Herbst 1989 Überlegungen angestellt hat, das Dienstverhältnis mit dem Kläger zu beenden, ist auf einen später verwirklichten Entlassungsgrund ohne Einfluß. Mit der Behauptung, daß er aus zeitlichen und persönlichen Gründen die von Ing.M***** verlangte Unterschrift des Johann P***** nicht beibringen konnte, bekämpft der Kläger in der Revisionsbeantwortung in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung durch das Berufungsgericht, das ihm in dieser Frage die Glaubwürdigkeit abgesprochen hat (AS 241). Eine Beibringung dieser Unterschrift kam überhaupt nicht in Betracht, weil mit Johann P***** keine Geldprovisionsvereinbarung getroffen worden war. Es handelte sich daher um eine bewußte Fälschung, die nur den Zweck haben konnte, daß der Kläger die "Fremdprovision" für sich behalten wollte, wozu es infolge seiner Entlassung nicht mehr gekommen ist. Darauf deutet auch seine Äußerung hin, "er werde schon zu seinem Geld kommen und es werde halt dann bei jedem Geschäft einen Provisionszettel geben". Wenn die Tatsacheninstanzen aus der vorsätzlichen Pflichtverletzung durch den Kläger diesen (naheliegenden) Schluß nicht gezogen haben (und daher Untreue nicht erwiesen ist), so begründete die Vereitelung des Wunsches des Dienstgebers, daß die Provisionsanforderung bei "Fremdprovisionen" vom Empfänger zu unterzeichnen ist, im Zusammenhang mit der Entdeckung, daß mit Johann P***** gar keine Provisionsvereinbarung bestanden hatte, immerhin die objektiv gerechtfertigte Befürchtung, daß die Interessen und Belange der Beklagten durch den Kläger gefährdet sind (Martinek-M.Schwarz-W.Schwarz7, AngG 609 f mwH). Der Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit ist daher jedenfalls verwirklicht.
Der Ansicht des Berufungsgerichtes, daß dieser Entlassungsgrund nicht rechtzeitig geltend gemacht wurde, ist allerdings nicht zu folgen.
Der Dienstgeber kann sich im Prozeß auch auf Entlassungsgründe berufen, die er erst nach dem Ausspruch der Entlassung erfahren hat. Der Entlassungsgrund muß nur im Zeitpunkt der Entlassungserklärung gegeben und das Entlassungsrecht zu diesem Zeitpunkt nicht untergegangen gewesen sein (Arb 9492; 10.535 [bezüglich Austritt]; DRdA 1989/3). Der Dienstgeber darf daher insofern weitere Entlassungsgründe "nachschieben". Der Grundsatz der Unverzüglichkeit gilt nur für den Ausspruch der Entlassung, nicht aber für die Geltendmachung der hiefür maßgebenden Gründe (Kuderna, Entlassungsrecht 16; Arb 10.535; 4 Ob 87/85, 4 Ob 122/85). Daher kommt es nicht darauf an, wann der Dienstgeber den Entlassungsgrund verifiziert hat, wenn er nur im Zeitpunkt der Entlassungserklärung vorlag.
Vom Entlassungsrecht ist unverzüglich Gebrauch zu machen, sobald dem Dienstgeber die für das Vorliegen eines Entlassungsgrundes wesentlichen Einzelheiten zur Kenntnis gelangt sind, widrigenfalls das Entlassungsrecht erlischt (DRdA 1984/10; Arb 10.445; 10.785). Verzicht und Verwirkung müssen demnach zum Zeitpunkt der Entlassungserklärung vorliegen. Der Grundsatz der Unverzüglichkeit beruht auf dem Gedanken, daß ein Arbeitgeber, der eine ihm bekanntgewordene Verfehlung seines Arbeitnehmers nicht sofort mit Entlassung beantwortet, dessen Weiterbeschäftigung nicht als unzumutbar ansieht und auf die Ausübung des Entlassungsrechtes im konkreten Fall verzichtet (Arb 10.445 ua). Der Grundsatz der Unverzüglichkeit darf aber nicht überspannt werden (ecolex 1991,194 ua). Bei einem zweifelhaften Sachverhalt ist der Dienstgeber verpflichtet, die zur Feststellung des Sachverhaltes erforderlichen und zumutbaren Erhebungen ohne Verzögerung durchzuführen (Kuderna aaO 16; 9 Ob 48/89). Die Verpflichtung zur Nachforschung nach einem Entlassungsgrund besteht aber nur dann, wenn dem Dienstgeber konkrete Umstände zur Kenntnis gelangt sind, die die Annahme rechtfertigen, daß das Verhalten des Dienstnehmers eine Entlassung rechtfertigt (9 Ob A 48/89). Bloße Verdachtsmomente reichen zur Begründung der Nachforschungsverpflichtung nicht aus (9 Ob A 271/92).
Ing. M*****, der für Personalentscheidungen hinsichtlich der Verkäufer nicht zuständig war, wurde Anfang April 1990 durch seine Sekretärin aufmerksam gemacht, daß die Unterschrift auf dem Provisionsanforderungszettel (Beilage 10) wegen der Ähnlichkeit des Schriftbildes der Unterschrift des Johann P***** mit dem vom Kläger ausgefüllten Teil des Formulars bedenklich sei.
Ein konkreter Tatverdacht, dem die Beklagte zur Wahrung ihres Entlassungsrechtes hätte nachgehen müssen, ist aber mit dieser Ähnlichkeit des Schriftbildes nicht erweckt worden, zumal eine Auszahlung der "Fremdprovision" an den Kläger damals gar nicht aktuell war, sollte doch die Fälligkeit der "Provision" üblicherweise erst mit der Auslieferung des LKWs im Mai 1990 eintreten. Ing.M***** hatte dennoch die Absicht, den Sachverhalt am zu klären. Daß es dazu nicht mehr kam, weil Ing.M***** zuerst Terminprobleme hatte und dann infolge der aus anderen Gründen ausgesprochenen Entlassung die Klärung des Sachverhaltes auf sich beruhen ließ, führte nicht zum Verlust des Entlassungsrechtes durch die Beklagte, da sich der Verdacht gegen den Kläger erst Monate später verdichtete, als im Unternehmen auffiel, daß sich niemand mehr wegen der Provision von S 10.000 meldete. Daraufhin hat aber die Beklagte ohnehin weitere Erhebungen geführt, die schließlich die Unterschriftsfälschung durch den Kläger ergaben. Wenn der Kläger demgegenüber in der Revisionsbeantwortung ausführt, daß Ing.M***** noch am bei der Firma A***** war, entfernt er sich von den Feststellungen der Vorinstanzen. Damit ist aber die Geltendmachung dieses Entlassungsgrundes in der Streitverhandlung am als rechtzeitig anzusehen. Es war dann nur erforderlich, daß der Beweis für das Vorliegen dieses Entlassungsgrundes im Zeitpunkt der Entlassungserklärung gelang. Dies ist der Fall.
Der Revision der Beklagten ist daher Folge zu geben und das Ersturteil wieder herzustellen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf. Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Steinbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Edith Söllner und Winfried Kmenta als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache des Klägers Johann S*****, Angestellter, T***** vertreten durch Dr.Robert Eichmann ua Rechtsanwälte in Linz, wider die Beklagte S*****fahrzeuge Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Alfred Strommer ua Rechtsanwälte in Wien, wegen S 1,075.218,90 brutto (Revisionsinteresse S 978.777,90 brutto), infolge Revision der Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 12 Ra 90/92-40, womit infolge Berufung des Klägers das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 24 Cga 119/90-28, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit S 84.879 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin enthalten S 14.146,50 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Kläger ist weiters schuldig, der Beklagten die mit S 44.365,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 3.394,20 Umsatzsteuer und S 24.000 Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war vom bis bei der Beklagten als Verkäufer beschäftigt. Das Dienstverhältnis endete durch Entlassung. Zwischen dem Kläger und seinem unmittelbaren Vorgesetzten, dem Filialleiter der Niederlassung H***** Ing.Heinz M*****, gab es immer wieder Differenzen. Der Kläger war einer der besten Verkäufer, in bezug auf Mitarbeiter und Vorgesetzte jedoch ein eher schwieriger Mensch. Am kam es zwischen Ing.M***** und dem Kläger in Anwesenheit eines Kunden zu einer sehr emotionsgeladenen und lauten Diskussion. Anlaß hiefür waren Auffassungsunterschiede über die Verrechnung gewisser, dem Kunden zugesagter Extraleistungen. Dabei ergriff der Kläger die Partei des Kunden. Der Kunde verließ dann den Raum. Ing.M***** kündigte dann an, daß die Sache ein Nachspiel haben werde. Die Kompetenz für die Personalentscheidungen hinsichtlich der Verkäufer lag bei der Geschäftsführung in der Zentrale. Am Abend dieses Tages kam es zu einem Gespräch zwischen Ing.M***** und dem Geschäftsführer der Beklagten. Sie entschieden, daß der Kläger entlassen wird.
Zwischen dem Kläger und der Geschäftsleitung hatte es auch Differenzen über die Provisionsregelungen gegeben. Bei Gesprächen über die geplante Neuregelung der Provisionsberechnung äußerte der Kläger, der - wie auch andere Mitarbeiter - befürchtete, daß es dadurch zu einer Einkommensverschlechterung kommen würde, zu Ing.M***** "er werde schon zu seinem Geld kommen und es werde halt dann bei jedem Geschäft einen Provisionszettel geben". Es kam nämlich ab und zu vor, daß an Mitarbeiter von Kunden für den Abschluß von Geschäften sogenannte "Fremdprovisionen" ausgezahlt wurden. Dabei hatte der Vertreter zunächst einen Provisionsanforderungszettel auszufüllen und vom Provisionsempfänger unteschreiben zu lassen. Mit diesem Aufforderungszettel wurde dem Verkäufer nach Abschluß des Geschäftes der zugesagte Betrag aus der Kassa gegen Bestätigung ausgehändigt. Beim Empfang mußte der Mitarbeiter der Kundschaft, dem Provision zugesagt worden war, den Betrag auf einem weiteren Zettel bestätigen.
Im Jänner 1990 hatte der Kläger der A***** Gesellschaft mbH einen LKW verkauft. Dort war man zunächst auf ein anderes Fahrzeug eingestellt gewesen. Der Kläger konnte jedoch die maßgeblichen Leute zum Ankauf eines S***** LKW bewegen. Der Kläger verabschiedete sich damals von Johann P*****, dem technischen Leiter dieses Unternehmens und meinte, er werde sich einmal erkenntlich zeigen. Eine Geldprovision hat Johann P***** weder gefordert noch wurde sie ihm vom Kläger zugesagt. Trotzdem füllte der Kläger einen Provisionsanforderungszettel, lautend auf Josef P*****, über S 10.000 aus und gab den zunächst nicht unterfertigten Zettel im Büro ab. Ing.M***** gab daraufhin dem Kläger den Provisionszettel mit der Aufforderung zurück, ihn vom Kunden unterschreiben zu lassen. Daraufhin unterschrieb der Kläger den Zettel mit dem Namen "Josef P*****" selbst und gab ihn bei der Beklagten ab. Diese Tatsache war der Beklagten unbekannt. Ing.M***** wurde von einer Mitarbeiterin der Beklagten Anfang April 1990 darauf aufmerksam gemacht, daß die Unterschrift auf dem Formular bedenklich sei; sie sei dem Schriftbild des vom Kläger ausgefüllten Teiles des Formulars ähnlich. Ing.M***** unternahm jedoch zunächst nichts, hatte aber vor, am die Firma A***** aufzusuchen, um die Sache mit der Unterschrift zu klären, kam aber nicht dazu. Nach der Entlassung des Klägers am hielt er die Klärung der Angelegenheit nicht mehr für erforderlich. Erst als sich nach der Auslieferung des LKWs im Mai 1990 längere Zeit niemand wegen der Provision von S 10.000 meldete, wurde bei der Firma A***** angerufen, Josef P***** verlangt und gefragt, ob hinsichtlich des Auftrages alles in Ordnung sei oder noch etwas fehle. Josef P***** antwortete, daß alles in Ordnung sei. Daraufhin fuhr Ing.M***** am zur Firma A***** und vergewisserte sich auf Anraten des Anwalts über die Umstände der Unterschriftsleistung.
Der Kläger begehrt von der Beklagten S 1,075.218,90 brutto sA an Kündigungsentschädigung, aliquoten Sonderzahlungen, Abfertigung und Urlaubsentschädigung. Er sei unberechtigt entlassen worden.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Entlassung sei zu Recht erfolgt, weil der Kläger am einen Angestellten der Beklagten vor Kunden beschimpft und gemaßregelt habe. Erst nach der Entlassung sei hervorgekommen, daß der Kläger sogenannte Fremdprovisionen nicht ordnungsgemäß verwendet habe.
Das Erstgericht sprach dem Kläger S 96.441 brutto sA - insoweit rechtskräftig - zu und wies das Mehrbegehren von S 978.777,90 brutto ab. Die Auseinandersetzung zwischen Ing.M***** und dem Kläger am begründe keinen Entlassungsgrund, weil der Wortlaut der Äußerungen des Klägers nicht festgestellt werden konnte. Die unrichtigen Angaben und die Fälschung der Unterschrift auf einem Provisionsanforderungszettel, der zur Auszahlung eines Betrages von S 10.000 führen sollte, rechtfertigten aber im Zusammenhang mit der seinerzeitigen Äußerung des Klägers "er werde schon zu seinem Geld kommen, allenfalls über Fremdprovisionszettel" die Entlassung. Dieser Entlassungsgrund sei nicht verspätet geltend gemacht worden, weil er der Beklagten erst am bekannt geworden sei.
Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, daß es dem Klagebeghren zur Gänze stattgab. Angesichts der Tatsache, daß es dem Dienstgeber erkennbar darauf ankam, daß die Provisionsforderung vom Empfänger unterzeichnet werde, sei die Vorlage des gefälschten Belegs durch den Kläger ein so schwerwiegender Verstoß gegen die Dienstgeberinteressen, daß der Vertrauensverlust die Weiterbeschäftigung des Klägers unzumutbar mache. Der Entlassungsgrund sei aber nicht rechtzeitig geltend gemacht worden. Die Beklagte habe die Klärung des Sachverhaltes ungebührlich verzögert, weil Ing.M***** bereits Anfang April 1990 von der Bedenklichkeit der Unterschrift Kenntnis hatte, jedoch bis "" keinerlei Schritte unternahm.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Ersturteil wieder herzustellen.
Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Die Vorinstanzen haben die Frage, ob die Fälschung des Provisionsanforderungsbeleges (Beilage 10) durch den Kläger einen Entlassungsgrund bildet, zutreffend bejaht.
Ob die Beklagte bereits im Herbst 1989 Überlegungen angestellt hat, das Dienstverhältnis mit dem Kläger zu beenden, ist auf einen später verwirklichten Entlassungsgrund ohne Einfluß. Mit der Behauptung, daß er aus zeitlichen und persönlichen Gründen die von Ing.M***** verlangte Unterschrift des Johann P***** nicht beibringen konnte, bekämpft der Kläger in der Revisionsbeantwortung in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung durch das Berufungsgericht, das ihm in dieser Frage die Glaubwürdigkeit abgesprochen hat (AS 241). Eine Beibringung dieser Unterschrift kam überhaupt nicht in Betracht, weil mit Johann P***** keine Geldprovisionsvereinbarung getroffen worden war. Es handelte sich daher um eine bewußte Fälschung, die nur den Zweck haben konnte, daß der Kläger die "Fremdprovision" für sich behalten wollte, wozu es infolge seiner Entlassung nicht mehr gekommen ist. Darauf deutet auch seine Äußerung hin, "er werde schon zu seinem Geld kommen und es werde halt dann bei jedem Geschäft einen Provisionszettel geben". Wenn die Tatsacheninstanzen aus der vorsätzlichen Pflichtverletzung durch den Kläger diesen (naheliegenden) Schluß nicht gezogen haben (und daher Untreue nicht erwiesen ist), so begründete die Vereitelung des Wunsches des Dienstgebers, daß die Provisionsanforderung bei "Fremdprovisionen" vom Empfänger zu unterzeichnen ist, im Zusammenhang mit der Entdeckung, daß mit Johann P***** gar keine Provisionsvereinbarung bestanden hatte, immerhin die objektiv gerechtfertigte Befürchtung, daß die Interessen und Belange der Beklagten durch den Kläger gefährdet sind (Martinek-M.Schwarz-W.Schwarz7, AngG 609 f mwH). Der Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit ist daher jedenfalls verwirklicht.
Der Ansicht des Berufungsgerichtes, daß dieser Entlassungsgrund nicht rechtzeitig geltend gemacht wurde, ist allerdings nicht zu folgen.
Der Dienstgeber kann sich im Prozeß auch auf Entlassungsgründe berufen, die er erst nach dem Ausspruch der Entlassung erfahren hat. Der Entlassungsgrund muß nur im Zeitpunkt der Entlassungserklärung gegeben und das Entlassungsrecht zu diesem Zeitpunkt nicht untergegangen gewesen sein (Arb 9492; 10.535 [bezüglich Austritt]; DRdA 1989/3). Der Dienstgeber darf daher insofern weitere Entlassungsgründe "nachschieben". Der Grundsatz der Unverzüglichkeit gilt nur für den Ausspruch der Entlassung, nicht aber für die Geltendmachung der hiefür maßgebenden Gründe (Kuderna, Entlassungsrecht 16; Arb 10.535; 4 Ob 87/85, 4 Ob 122/85). Daher kommt es nicht darauf an, wann der Dienstgeber den Entlassungsgrund verifiziert hat, wenn er nur im Zeitpunkt der Entlassungserklärung vorlag.
Vom Entlassungsrecht ist unverzüglich Gebrauch zu machen, sobald dem Dienstgeber die für das Vorliegen eines Entlassungsgrundes wesentlichen Einzelheiten zur Kenntnis gelangt sind, widrigenfalls das Entlassungsrecht erlischt (DRdA 1984/10; Arb 10.445; 10.785). Verzicht und Verwirkung müssen demnach zum Zeitpunkt der Entlassungserklärung vorliegen. Der Grundsatz der Unverzüglichkeit beruht auf dem Gedanken, daß ein Arbeitgeber, der eine ihm bekanntgewordene Verfehlung seines Arbeitnehmers nicht sofort mit Entlassung beantwortet, dessen Weiterbeschäftigung nicht als unzumutbar ansieht und auf die Ausübung des Entlassungsrechtes im konkreten Fall verzichtet (Arb 10.445 ua). Der Grundsatz der Unverzüglichkeit darf aber nicht überspannt werden (ecolex 1991,194 ua). Bei einem zweifelhaften Sachverhalt ist der Dienstgeber verpflichtet, die zur Feststellung des Sachverhaltes erforderlichen und zumutbaren Erhebungen ohne Verzögerung durchzuführen (Kuderna aaO 16; 9 Ob 48/89). Die Verpflichtung zur Nachforschung nach einem Entlassungsgrund besteht aber nur dann, wenn dem Dienstgeber konkrete Umstände zur Kenntnis gelangt sind, die die Annahme rechtfertigen, daß das Verhalten des Dienstnehmers eine Entlassung rechtfertigt (9 Ob A 48/89). Bloße Verdachtsmomente reichen zur Begründung der Nachforschungsverpflichtung nicht aus (9 Ob A 271/92).
Ing. M*****, der für Personalentscheidungen hinsichtlich der Verkäufer nicht zuständig war, wurde Anfang April 1990 durch seine Sekretärin aufmerksam gemacht, daß die Unterschrift auf dem Provisionsanforderungszettel (Beilage 10) wegen der Ähnlichkeit des Schriftbildes der Unterschrift des Johann P***** mit dem vom Kläger ausgefüllten Teil des Formulars bedenklich sei.
Ein konkreter Tatverdacht, dem die Beklagte zur Wahrung ihres Entlassungsrechtes hätte nachgehen müssen, ist aber mit dieser Ähnlichkeit des Schriftbildes nicht erweckt worden, zumal eine Auszahlung der "Fremdprovision" an den Kläger damals gar nicht aktuell war, sollte doch die Fälligkeit der "Provision" üblicherweise erst mit der Auslieferung des LKWs im Mai 1990 eintreten. Ing.M***** hatte dennoch die Absicht, den Sachverhalt am zu klären. Daß es dazu nicht mehr kam, weil Ing.M***** zuerst Terminprobleme hatte und dann infolge der aus anderen Gründen ausgesprochenen Entlassung die Klärung des Sachverhaltes auf sich beruhen ließ, führte nicht zum Verlust des Entlassungsrechtes durch die Beklagte, da sich der Verdacht gegen den Kläger erst Monate später verdichtete, als im Unternehmen auffiel, daß sich niemand mehr wegen der Provision von S 10.000 meldete. Daraufhin hat aber die Beklagte ohnehin weitere Erhebungen geführt, die schließlich die Unterschriftsfälschung durch den Kläger ergaben. Wenn der Kläger demgegenüber in der Revisionsbeantwortung ausführt, daß Ing.M***** noch am bei der Firma A***** war, entfernt er sich von den Feststellungen der Vorinstanzen. Damit ist aber die Geltendmachung dieses Entlassungsgrundes in der Streitverhandlung am als rechtzeitig anzusehen. Es war dann nur erforderlich, daß der Beweis für das Vorliegen dieses Entlassungsgrundes im Zeitpunkt der Entlassungserklärung gelang. Dies ist der Fall.
Der Revision der Beklagten ist daher Folge zu geben und das Ersturteil wieder herzustellen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:1993:009OBA00126.93.0602.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
TAAAD-94508