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OGH vom 31.01.2007, 8Ob160/06x

OGH vom 31.01.2007, 8Ob160/06x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Kuras und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Dr. Leonore S*****, vertreten durch Dr. Peter Hauser, Rechtsanwalt in Salzburg, wider den Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei Dipl. Ing. Dr. Gerhard S*****, vertreten durch Mag. Egon Stöger, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen einstweiligen Unterhaltes, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Beklagten und Gegners der klagenden und gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgericht vom , GZ 21 R 314/06g-16, womit über Rekurs des Beklagten und Gegners der gefährdeten Partei der Beschluss des Bezirksgerichtes Hallein vom , GZ 3 C 171/05f-12, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird, soweit er sich gegen die Auferlegung eines einstweilen zu leistenden Unterhaltes von 2.408 EUR monatlich ab richtet, nicht Folge gegeben.

Im Übrigen, somit im Umfang der Auferlegung eines einstweilen zu leistenden Unterhaltes von 2.408 EUR monatlich für den Zeitraum bis wird dem Revisionsrekurs Folge gegeben. Die Beschlüsse der Vorinstanzen, die im Umfang der Auferlegung eines Prozesskostenvorschusses und im Umfang der Abweisung eines Mehrbegehrens der Klägerin und gefährdeten Partei als unbekämpft unberührt bleiben, werden in diesem Umfang und im Umfang der Kostenentscheidung aufgehoben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Kosten des Provisorialverfahrens.

Text

Begründung:

Die Klägerin und gefährdete Partei (in der Folge immer: Klägerin) beantragte in ihrer am beim Erstgericht eingelangten Unterhalts- und Scheidungsklage, dem Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei (in der Folge immer: Beklagter) ab „bis zur Rechtskraft des Verfahrens" gemäß § 382 Abs 1 Z 8 lit a die Leistung eines einstweiligen Unterhaltes von 5.000 EUR monatlich aufzutragen und dem Beklagten einen Prozesskostenvorschuss von 7.000 EUR aufzuerlegen.

Das Erstgericht verpflichtete den Antragsgegner zur Leistung eines einstweiligen Unterhaltes von monatlich 2.408 EUR monatlich ab , und zwar die bis zur Erlassung des Beschlusses fällig gewordenen Beträge binnen 14 Tagen, die künftig fällig werdenden Beträge am Ersten eines jeden Monats, dies neben den geleisteten Aufwendungen für das Haus S*****, den Einkäufen der Klägerin beim Lagerhaus E*****, der vom Beklagten für die Klägerin bezahlten Krankenzusatzversicherung und den sonstigen bisher erbrachten Naturalleistungen (Punkt 1). Im Übrigen verpflichtete das Erstgericht den Beklagten, der Klägerin einen Prozesskostenvorschuss von 7.000 EUR zu bezahlen und Kostenersatz zu leisten (Punkt 2 und 3).

Das Erstgericht nahm folgenden Sachverhalt als bescheinigt an:

Die am geborene Klägerin und der am geborene Beklagte schlossen am die Ehe. Der Ehe entstammen vier (selbsterhaltungsfähige) Kinder. Der derzeitige gewöhnliche Aufenthalt der Streitteile ist in S*****.

Die Klägerin übte ihren Beruf als Ärztin nach der Geburt der Kinder nicht aus. Sie war zuletzt bei einer Akademie als Vortragende beschäftigt, erzielt jedoch aufgrund von Zahlungsschwierigkeiten der Akademie keine Honorare.

Der Beklagte war in seiner beruflichen Entwicklung erfolgreich. Er gründete Firmen in den USA und unterhält vor allem dort Aktivitäten. Er beschäftigt zumindest 11 Mitarbeiter. Er ist als Zivilingenieur unter anderem im Tunnelbau tätig. Er verfügt über ein durchschnittliches Monatsnettoeinkommen von 9.000 EUR. Wenn die Aktivitäten seiner diversen Unternehmungen, wie es derzeit der Fall ist, dieses Einkommen nicht ermöglichen, so entsprechen seine Privateinnahmen dennoch 9.000 EUR monatlich.

Der Beklagte hatte die Klägerin als geringfügig Beschäftigte mit 350 EUR monatlich zuzüglich Weihnachts- und Urlaubsgeld angestellt. Das ergab in den letzten Jahren ein monatliches Durchschnittseinkommen der Klägerin von 408 EUR. Gleichzeitig wurden von der Klägerin dafür keine Leistungen erwartet. Vielmehr war es so, dass in Absprache mit der Klägerin diese Zahlungen lediglich zu Absicherungszwecken der Klägerin und als Unterhaltsleistungen für diese verstanden wurden. Dieses „Dienstverhältnis" kündigte der Beklagte zum . Ab Anfang November 2005 bezahlte der Beklagte neben dem Gehalt monatlich 1.800 EUR Unterhalt an die Klägerin. Zuvor hatte er 2.000 EUR monatlich geleistet. Den Abzug von 2.000 EUR auf 1.800 EUR machte der Beklagte mit der Begründung geltend, dass sich die Klägerin diesen Abzug „für nicht erbrachte Leistungen" gefallen lassen müsse. Nach Klageeinbringung und nach der ersten Verhandlung erhöhte der Beklagte diesen Betrag wieder auf 2.000 EUR monatlich. Im Haus in S***** befindet sich die Ehewohnung der Parteien und ein vom Beklagten betriebenes Büro. Dieses nimmt etwa 2/7 der gesamten Wohnnutzfläche ein.

Der Beklagte zahlt sämtliche das Haus betreffende Betriebskosten. Die Klägerin kann darüber hinaus im Lagerhaus in E***** Einkäufe tätigen, welche dem Beklagten über Lieferschein verrechnet werden. Außerdem bezahlt der Beklagte ein Zeitungsabonnement und Versicherungsprämien für die Klägerin. Diese Aufwendungen machen insgesamt, also inklusive des auf die Klägerin entfallenden Betriebskostenanteils für das Haus, monatlich etwa 600 EUR aus.

Anfang November 2005 bohrte die Klägerin eine Schlüsselkassette auf, welche sich im für die Klägerin frei zugänglichen Büro des Beklagten befand. Sie entnahm daraus einen Schlüssel für eine ebenfalls auf der Liegenschaft befindlichen Garconniere und den darin verwahrten Zentralschlüssel für die Liegenschaft. Ferner entnahm sie zwei im Büro deponierte Sparbücher mit einem Einlagestand von annähernd 100.000 EUR und einen im Büro deponierten Bargeldbetrag von ca 4.000

EUR.

4.000 EUR hinterlegte die Klägerin zur Sicherung für das Aufteilungsverfahren. Die beiden Sparbücher gab sie dem Beklagten zurück. Die Beilagen /A bis /OO hatte die Klägerin, soweit es sich um Urkunden des Beklagten handelte, aus dem Büro des Beklagten genommen, kopiert und wieder zurückgegeben, um für das Scheidungs-, Unterhalts- und Aufteilungsverfahren über Unterlagen zu verfügen. Der Beklagte seinerseits hatte mit der Klägerin über die tatsächliche finanzielle Gebarung und seine finanziellen Möglichkeiten aufgrund des konkreten Geschäftsganges nicht gesprochen.

Bis Ende Oktober 2005 verfügte die Klägerin über eine Zeichnungsberechtigung für ein Konto des Beklagten. Davon behob sie in den letzten Jahren monatlich zwischen 2.000 EUR und 3.000 EUR. Ende Oktober 2005 ließ der Beklagte dieses Konto für die Klägerin sperren.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den von ihm als bescheinigt angenommenen Sachverhalt dahin, dass der Klägerin infolge ihrer Einkommenslosigkeit 33 % des Einkommens des Beklagten zustünde, also 3.000 EUR monatlich. Der Beklagte habe seine Unterhaltsverpflichtung verletzt, weil er - auch unter Berücksichtigung der Naturalleistungen und der als verdeckte Unterhaltsvereinbarung zu beurteilenden „Lohnzahlung" - in der Vergangenheit die geschuldete Unterhaltsleistung nicht voll erbracht habe.

Das Aufbohren der Schlüsselkassette bewirke keine Verwirkung des Unterhaltsanspruches der Klägerin. Eine solche Verwirkung sei nur bei besonders schweren Eheverfehlungen anzunehmen.

Das Rekursgericht änderte über Rekurs des Antragsgegners den erstgerichtlichen Beschluss dahin ab, dass es einstweiligen Unterhalt erst ab zusprach. Im Übrigen bestätigte das Rekursgericht den Beschluss des Erstgerichtes und sprach aus, dass der Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Es erachtete rechtlich, dass einstweiliger Unterhalt für die Vergangenheit nicht zugesprochen werden könne. Im Übrigen billigte das Rekursgericht die Rechtsauffassung des Erstgerichtes. Das Erstgericht habe ohnedies die vom Beklagten erbrachten Naturalleistungen in Abzug gebracht. Der Beklagte könne sich nicht dadurch beschwert erachten, dass das Erstgericht die Naturalleistungen bei Festlegung des geschuldeten Geldunterhaltes berücksichtigt habe. Das vom Erstgericht festgestellte Motiv für das Aufbohren der Schlüsselkassette durch die Klägerin führe zur Beurteilung, dass das Verhalten der Klägerin zwar nicht zu billigen sei, allerdings keine besonders schwere Eheverfehlung darstelle. Der dagegen erhobene außerordentliche Revisionsrekurs des Beklagten ist zulässig und im Sinne seines Eventualantrages auf Aufhebung auch teilweise berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Vorauszuschicken ist, dass infolge teilweise rechtskräftiger Erledigung des Antrages der Klägerin Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens nur noch ein Begehren der Klägerin auf Zahlung eines einstweiligen Unterhaltes von 2.408 EUR monatlich beginnend ab ist.

Die im Revisionsrekurs gerügte Nichtigkeit liegt ebensowenig vor wie die behauptete Aktenwidrigkeit. Das Erstgericht nahm - und zwar ohne Anwendung des § 273 ZPO - ausdrücklich als bescheinigt an, dass der Beklagte über ein durchschnittliches Nettoeinkommen von 9.000 EUR monatlich verfügt. Die wiederholte Behauptung im Revisionsrekurs, die Beweiswürdigung des Erstgerichtes sei mangelhaft, zielt ausschließlich auf eine unzulässige Bekämpfung der Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes.

Das Verfahren zur Erlassung sogenannter „Regelungsverfügungen" nach § 382 Z 8 EO richtet sich immer nach den Bestimmungen der EO (Kodek in Angst § 382 EO Rz 28 mwN). Das Rekursgericht hat in diesem Zusammenhang zutreffend auf die ständige Rechtsprechung verwiesen, wonach die Überprüfung der Beweiswürdigung des erkennenden Richters durch das Rekursgericht auch im Provisorialverfahren insoweit ausgeschlossen ist, als dieser - wie hier - den Sachverhalt auf Grund vor ihm abgelegter Zeugen- oder Parteiaussagen als bescheinigt angenommen hat (RIS-Justiz RS0012391; zuletzt 9 Ob 116/06h). Der behauptete Nichtigkeitsgrund der mangelhaften bzw widersprüchlichen Begründung ist nicht verwirklicht: Davon, dass die Entscheidung des Rekursgerichtes gar nicht oder so unzureichend begründet ist, dass sie sich nicht überprüfen lässt (RIS-Justiz RS0007484), kann keine Rede sein.

Die Vorinstanzen sind auch zutreffend davon ausgegangen, dass der Beklagte jedenfalls in jenen Monaten, in denen er - neben den erbrachten Naturalleistungen und „Gehaltszahlungen" - nur 1800 EUR monatlich zahlte, seine Unterhaltspflicht verletzte. Das gilt im Übrigen auch ab jenem Zeitpunkt, ab dem der Beklagte zwar 2000 EUR zahlte, aber keinen „Gehalt" mehr leistete.

Berechtigt ist allerdings der Vorwurf, dass sich das Rekursgericht über die ständige Rechtsprechung hinwegsetzte, wonach eine Verurteilung des Beklagten zur Leistung der bis zum Schluss der Verhandlung erster Instanz aufgelaufenen Unterhaltsbeträge nicht den Erfordernissen des § 7 EO entspricht. Vielmehr hat der Beklagte im Hinblick auf § 35 EO Anspruch darauf, dass die zum Grund des Anspruchs gehörende Frage geklärt wird, in welchem Ausmaß der Unterhaltsschuldner die ihm auferlegte Leistung bereits erbracht hat und ob bestimmte Zahlungen als Erfüllung der auferlegten Unterhaltsverpflichtung zu berücksichtigen sind. Wenn Zahlungen vor Schaffung des Titels geleistet wurden, hat der Schuldner Anspruch darauf, dass ihm keine höhere Unterhaltsverpflichtung auferlegt wird als sich unter Berücksichtigung dieser Zahlungen ergibt, zumal im Exekutionsverfahren gemäß § 35 Abs 1 EO diese in der Vergangenheit geleisteten Zahlungen nicht mit Einwendungen gegen den Anspruch geltend gemacht werden können (RIS-Justiz RS0000588; 2 Ob 47/04g; 5 Ob 38/99w).

Dem Beklagten wurde aufgetragen, ab (Einlangung der Scheidungs- und Unterhaltsklage und des Antrages auf Auferlegung eines vorläufigen Unterhaltes) bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das Unterhaltsbegehren einen vorläufigen Unterhaltsbeitrag von

2.408 EUR monatlich zu leisten, und zwar am Ersten eines jeden Monats, dies neben geleisteten Aufwendungen für das Haus, den Einkäufen der Klägerin beim Lagerhaus, der vom Beklagten für die Klägerin bezahlten Versicherungen und den sonstigen bisher erbrachten Naturalleistungen. Dagegen, dass die Vorinstanzen bereits bei Festsetzung des monatlichen einstweiligen Unterhaltes die vom Beklagten bisher erbrachten Naturalleistungen in Abzug brachten, hat sich die Klägerin nicht gewendet. Ein näheres Eingehen darauf erübrigt sich daher. Ebenfalls nicht strittig ist, dass der bis zur „Kündigung" geleistete Betrag von durchschnittlich 408 EUR monatlich als verdeckte Unterhaltsvereinbarung zu qualifizieren ist. Diese Leistung erbrachte der Beklagte nur bis zur Kündigung des „Dienstverhältnisses" per . Ebenfalls steht fest, dass der Beklagte ab Anfang November monatlich 1.800 EUR (zuzüglich Naturalleistungen und der „Gehaltszahlungen" bis ) leistete und dass er diesen Betrag nach Klageeinbringung und nach der ersten Verhandlung auf 2.000 EUR monatlich erhöhte. Es steht somit fest, dass der Beklagte im maßgeblichen Zeitraum ab Antragstellung bis zur Entscheidung des Erstgerichtes Unterhaltsleistungen erbrachte. Die bis zum Entscheidungszeitpunkt des Erstgerichtes tatsächlich erbrachten Leistungen wären daher im Spruch im Sinne der zitierten Rechtsprechung ziffernmäßig zu berücksichtigen gewesen. Eine Abänderung durch den OGH kommt in diesem Umfang deshalb nicht in Betracht, weil nicht ausreichend feststeht, für welche Monate der Beklagte welche Leistungen erbrachte: Es ist nicht geklärt, ob die Formulierung „nach Klageeinbringung" bzw „nach der ersten Verhandlung" so zu verstehen ist, dass bereits für den Monat, in dem dieses Ereignis liegt (Februar 2006) der erhöhte Betrag bezahlt wurde. Es steht auch nicht fest, ob und welche „Gehaltszahlungen" der Beklagte im März 2006 erbrachte.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen sind daher im Umfang der Auferlegung eines einstweilen zu leistenden Unterhalts ab bis einschließlich April 2006 (Entscheidungszeitpunkt des Erstgerichtes ) aufzuheben: Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren ergänzende Feststellungen zu treffen haben, die eine Beurteilung ermöglichen, welche konkreten Zahlungen der Beklagte ab Antragszeitpunkt bis leistete. Diese Leistungen sind im Spruch zu berücksichtigen.

Die im Revisionsrekurs ebenfalls angesprochene Frage der Unterhaltsverwirkung haben die Vorinstanzen zutreffend gelöst: Die Behauptung im Revisionsrekurs, die Klägerin habe 4.000 EUR Bargeld und Sparbücher gestohlen, setzt sich über die erstgerichtliche Feststellung hinweg, dass die Klägerin 4.000 EUR zur Sicherung für das Aufteilungsverfahren hinterlegte und die beiden Sparbücher an den Beklagten zurückgab. Eine im Sinne der Rechtsprechung besonders krasse Verfehlung der Klägerin, die die Unterhaltsverwirkung als berechtigt erscheinen ließe, liegt daher nicht vor (RIS-Justiz RS0009759; RS0005919).

Im Umfang der Auferlegung eines einstweilen zu leistenden Unterhaltes ab war dem Revisionsrekurs somit ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 52 Abs 1 ZPO.