OGH 14.01.2014, 11Os169/13g
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab und Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel und Mag. Fürnkranz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Sattlberger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Magomed I***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom , GZ 58 Hv 8/13m-53, sowie über die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 4, Abs 4 StPO nach Anhörung der Generalprokurator in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Einziehungserkenntnis aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Bezirksgericht Dornbirn verwiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Magomed I***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.
Danach hat er am in D***** Erkan U***** mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, indem er ihn an der Jacke packte und am Einsteigen in sein Kfz hinderte, während er zeitgleich 100 Euro forderte und auch das Wort „Schutzgeld“ erwähnte, sowie dadurch, dass er im Anschluss zusammen mit Erkan U***** das Lokal „S*****“ betrat, ihn dort am Hemdkragen festhielt und ihn mit der flachen Hand gegen den Kopf schlug, und - als Erkan U***** ankündigte, die Polizei zu alarmieren - einen ca 14 cm langen Schraubenzieher zückte und gegen den Letztgenannten richtete, an diesen herantrat und zeitgleich forderte, er möge ihm Geld geben, worauf ihm Erkan U***** 50 Euro ausfolgte, fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz abgenötigt, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er den Raub unter Verwendung einer Waffe verübte.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 5a, 9 [lit] a und 10 StPO.
Als Aufklärungsrüge geht der Nichtigkeitsgrund der Z 5a des § 281 Abs 1 StPO dem der Z 4 leg cit nach: Wird - wie hier - behauptet, das Erstgericht habe seine Pflicht zu amtswegiger Wahrheitsforschung vernachlässigt, muss die Rüge deutlich machen, wodurch der Angeklagte an der Ausübung seines Rechts, die zusätzlichen Beweisaufnahmen in der Hauptverhandlung sachgerecht zu beantragen oder Befragungen selbst vorzunehmen, gehindert war (RIS-Justiz RS0114036, RS0115823; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 480). Eine solche Darlegung lässt der Beschwerdeführer indes vermissen.
Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen methodengerechten Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS-Justiz RS0099810, RS0116565, RS0117247, RS0099724, RS0116569, RS0118429, RS0117321; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581, 584, 588, 593, § 285d Rz 18). Ein Feststellungsmangel wird geltend gemacht, indem unter Hinweis auf einen nicht durch Feststellungen geklärten, jedoch durch Vorkommen in der Hauptverhandlung indizierten Sachverhalt eine vom Erstgericht nicht gezogene rechtliche Konsequenz angestrebt wird, weil dieses ein Tatbestandsmerkmal, einen Ausnahmesatz oder eine andere rechtliche Unterstellung bei der rechtlichen Beurteilung nicht in Anschlag gebracht hat (RIS-Justiz RS0118580; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 600).
Das spekulative Vorbringen des Beschwerdeführers (Z 9 lit a), er habe bloß ein alsbald zurückzuzahlendes Darlehen angestrebt und daher keinen Vorsatz auf unrechtmäßige Bereicherung gehabt, steht im diametralen Gegensatz zu den erstgerichtlichen Feststellungen (US 6) und vermag überdies keinerlei Indizien aus dem Prozessstoff der Hauptverhandlung für diese Variante zu nennen.
Auch das - mit dem Ziel der Subsumtion der Tat unter § 142 Abs 2 StGB erfolgende - Bestreiten der Qualifikation nach § 143 zweiter Fall StGB setzt sich in Gegensatz zum Ersturteil (US 5 f), aus dem die deliktsspezifische Verwendung des Schraubenziehers unschwer hervorgeht (aggressives Losgehen auf das Opfer mit dem mit der Spitze nach vor gehaltenen Werkzeug). Der auf ein bei Leukauf/Steininger Komm³ § 143 Rz 12 zitiertes Judikat (in dem ein 30 cm langer Schraubenzieher als Waffe im Sinne von § 143 zweiter Fall StGB eingeordnet wurde) gestützte „Umkehrschluss“, der gegenständliche Schraubenzieher mit einer Länge von 14 cm sei „nicht als Waffe zu qualifizieren“, ist keine methodisch vertretbare Ableitung des gewünschten Interpretationsergebnisses, das auch durch die Spekulation über das Maß des Herausragens des Werkzeugs aus der Faust des Angeklagten keine Stütze findet.
Der Vollständigkeit halber (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) sei auf das jüngst zu diesem Thema ergangene Erkenntnis 11 Os 40/12k (RIS-Justiz RS0127864) verwiesen.
Zufolge Vorliegens eines schweren Raubes müssen die weiteren Überlegungen des Beschwerdeführers in Richtung § 142 Abs 2 StGB dahinstehen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde musste sich der Oberste Gerichtshof jedoch von einer nicht geltend gemachten, dem Angeklagten aber zum Nachteil gereichenden Nichtigkeit hinsichtlich des Einziehungserkenntnisses überzeugen (§ 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO): Einziehung nach § 26 Abs 1 StGB setzt voraus, dass die vorbeugende Maßnahme nach der besonderen Beschaffenheit des betroffenen Gegenstands geboten erscheint, um der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen durch den Täter selbst oder durch andere Personen entgegenzuwirken. Das Wort „geboten“ spricht die Deliktstauglichkeit des Gegenstands an (RIS-Justiz RS0121298). Davon kann bei den hier von der Einziehung betroffenen Gegenständen, nämlich Schraubenziehern und einer „Gesichtsmaske“ ohne Hinzutreten besonderer Eigenschaften in der Regel nicht die Rede sein. Feststellungen als notwendige Grundlage der Gefährlichkeitsprognose hat das Erstgericht, das die Maßnahme bloß mit der Gesetzesstelle begründete (US 14), nicht getroffen.
Da der Berufung des Angeklagten lediglich ein gegen die Strafe gerichteter Anfechtungswille zu entnehmen ist, war die das Einziehungserkenntnis betreffende Nichtigkeit bereits vom Obersten Gerichtshof von Amts wegen aufzugreifen (§§ 285e erster Fall, 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO), weil dem Berufungsgericht zufolge Beschränkung auf die der Berufung unterzogenen Punkte die amtswegige Wahrnehmung der den Ausspruch über die Einziehung betreffenden Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 StPO zu Gunsten des Angeklagten verwehrt ist (vgl ua 12 Os 50/12p mwN).
Der Kostenausspruch - der sich nicht auf die amtswegige Maßnahme bezieht - beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Strafrecht |
Schlagworte | Strafrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2014:0110OS00169.13G.0114.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
AAAAD-94416