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OGH vom 04.04.2017, 14Os121/16z

OGH vom 04.04.2017, 14Os121/16z

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Melounek als Schriftführerin wegen Übernahme des Patrick G***** zur Strafvollstreckung, AZ 21 Ns 80/13p des Landesgerichts Linz, über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluss dieses Gerichts vom , GZ 21 Ns 80/13p-14, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Erster Generalanwalt Mag. Bauer, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Beschluss des Landesgerichts Linz vom , GZ 21 Ns 80/13p-14, verletzt Art 11 Abs 1 lit a des Übereinkommens über die Überstellung verurteilter Personen vom (BGBl 1986/524).

Dieser Beschluss, der im Übrigen unberührt bleibt, wird in der Festsetzung der im Inland zu vollstreckenden Strafe samt Vorhaftanrechnung aufgehoben und im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Die im Inland zu vollstreckende Strafe der nach dem unberührt bleibenden Teil des Beschlusses zur Vollstreckung in Österreich übernommenen, mit Urteil des Landesgerichts Chiba (Japan), StrafsachenAbteilung 1, vom , AZ 537/2011, über Patrick G***** verhängten Sanktion wird mit vier Jahren Freiheitsstrafe bestimmt.

Die Anrechnung der Vorhaft wird dem Erstgericht überlassen.

Text

Gründe:

Der österreichische Staatsbürger Patrick G***** wurde mit (rechtskräftigem) Urteil des Landesgerichts Chiba (Japan), Strafsachen-Abteilung 1, vom (richtig:) , AZ 537/2011, wegen (am begangener) „Einfuhr von Stimulans in Bereicherungsabsicht“ nach § 60 (japanisches) Strafgesetz, § 41 Abs 2, Abs 1 (japanisches) StimulansKontrollgesetz und wegen „versuchter Einfuhr von mit Importverbot belegten Artikeln“ nach § 60 (japanisches) Strafgesetz, §§ 109 Abs 3, 69–11 Abs 1–1 (japanisches) Zollgesetz zu einer Freiheitsstrafe („mit Arbeitspflicht“) im Ausmaß von acht Jahren sowie zu einer Geldstrafe in der Höhe von 3.500.000 Yen verurteilt (ON 14 S 1 f; ON 1 S 87 ff).

Aufgrund eines, auf das Übereinkommen über die Überstellung verurteilter Personen vom (BGBl 1986/524; im Folgenden: Überstellungs-übereinkommen) bezogenen entsprechenden Ersuchens des japanischen Justizministeriums, Correction Bureau, vom (ON 1 S 12 iVm S 7) entschied das Landesgericht Linz gemäß Art 9 Abs 1 lit b iVm Art 11 Überstellungsübereinkommen („Umwandlung der Sanktion“) mit (rechtskräftigem) Beschluss vom , GZ 21 Ns 80/13p-14, dass die weitere Vollstreckung der mit dem genannten Urteil verhängten Freiheitsstrafe übernommen werde und setzte die im Inland zu vollziehende Strafe – unter Vorhaftanrechnung (§§ 38, 66 StGB) – mit vier Jahren Freiheitsstrafe fest.

In der Begründung stellte der Senat auf Basis der Konstatierungen im ausländischen Urteil und einer ergänzenden Information „der japanischen Justiz“ fest, dass dem Schuldspruch der Schmuggel von etwa 1,98 kg einer als „Ephedrin“ bekannten Substanz zugrunde lag, welche nach österreichischem Recht nicht als Suchtmittel, sondern als „Drogenausgangsstoff zur Erzeugung von NMethylamphetamin“ einzustufen sei, wobei vorliegend „gesichert davon ausgegangen werden“ könne, dass der Vorsatz des Verurteilten auf die Verwendung des eingeführten Drogenausgangsstoffs zur vorschriftswidrigen Erzeugung von Suchtmittel in einer die Grenzmenge – „also konkret 10 Gramm Methamphetamin“ – übersteigenden Quantität gerichtet war. Auf Grundlage der angeführten Beschlussannahmen vertrat das Landesgericht rechtsrichtig (vgl § 4 SMG iVm Anhang 1 der Verordnung [EG] Nr 273/2004, ABl Nr L 47, Anhang der Verordnung [EG] Nr 111/2005, ABl Nr L 22, sowie Anhang IV zur SV und Punkt 3 im Anhang zur SGV; Schwaighofer in WK2 SMG § 32 Rz 8) die Ansicht, dass die Tat – nach

österreichischem Recht beurteilt – dem Verbrechen des unerlaubten Umgangs mit Drogenausgangsstoffen nach § 32 Abs 3 SMG zu subsumieren sei und erachtete – neben der damit bejahten beiderseitigen Strafbarkeit – auch die übrigen Voraussetzungen für eine Vollstreckungsübernahme als gegeben (BS 2 f).

Zur Straffestsetzung führte es aus, dass bei einem Strafrahmen bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe (§ 32 Abs 3 SMG) „nach Maßgabe der Strafzumessungsgründe des Strafgerichts Chiba und unter Berücksichtigung der weiteren besonderen erschwerenden Umstände der mehrfachen einschlägigen Vorstrafen und des äußerst raschen Rückfalls (nach der Haftentlassung in Österreich am !) die Verhängung einer Freiheitsstrafe von 4 (vier) Jahren tat- und schuldangemessen“ sei (BS 3).

Wie die Generalprokuratur in ihrer dagegen erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt, steht dieser Beschluss mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Rechtliche Beurteilung

Der Zweck des im Zuge der Vollstreckungsübernahme nach Art 9 Abs 1 lit b und Art 11 des Überstellungsübereinkommens vorgesehenen Exequatur-verfahrens ist darin gelegen, die Vollstreckung ausländischer strafgerichtlicher Entscheidungen im Inland auch bei jeweils unterschiedlichen Strafen(-systemen) durch eine Umwandlung der – hier zudem das in Österreich vorgesehene Höchstmaß übersteigenden – Sanktion nach Maßgabe des hier geltenden Sanktionensystems einschließlich der Strafbemessungs-grundsätze zu ermöglichen (Linke/Epp/Dokoupil/Felsenstein, Internationales Strafrecht 83). In dem in Rede stehenden Verfahren soll somit bloß die im Ausland verhängte Sanktion in der an das inländische Recht angepassten Form für vollstreckbar erklärt werden. Solcherart ist die in Österreich zu vollstreckende Strafe unter weitestgehender (vgl dazu Art 2 Abs 1 des Überstellungsübereinkommens) Bedachtnahme auf die im Urteilsstaat verhängte Sanktion zu bestimmen (§ 65 Abs 1 ARHG); dies unter – eigenständige zusätzliche Konstatierungen des österreichischen Gerichts zu Strafzumessungstatsachen ausschließender (Werkusch, Die Vollstreckung ausländischer Straferkenntnisse, 132, 137, 140; Martetschläger in WK2 ARHG § 65 Rz 1; aM mit Beziehung auf das ARHG Schwaighofer, Auslieferung und Internationales Strafrecht [1988], 221) – Bindung an die Sachverhaltsfeststellungen im Erkenntnis des Urteilsstaats (Art 11 Abs 1 lit a des Überstellungsübereinkommens) sowie unter Berücksichtigung des Schlechterstellungsverbots (Art 11 Abs 1 lit d des Überstellungsübereinkommens; vgl auch § 65 Abs 2 ARHG). Daraus ergibt sich somit insgesamt, dass im Anpassungsverfahren eine autonome Strafbemessung nach österreichischem Recht nicht stattzufinden hat (vgl zur vergleichbaren Bestimmung des § 42 EU-JZG auch: EBRV, 370 BlgNR 22. GP, 18; zum Ganzen RIS-Justiz RS0122319).

Vorliegend verhängten die japanischen Tatrichter wegen des Verstoßes gegen „zwei Strafbestimmungen“ eine „härtere Strafe wegen des Verstoßes gegen das Stimulans-Kontrollgesetz“ und berücksichtigten bei der Strafzumessung zudem als erschwerend, dass die Menge des geschmuggelten „Stimulans“ im Fall dessen Verbreitung einen beträchtlichen Einfluss auf die japanische Gesellschaft ausüben hätte können, dass der Angeklagte den Auftrag von einem Mitglied einer Drogenorganisation, das er im Gefängnis in seinem Heimatstaat kennengelernt hatte, gegen Entgelt übernahm, obwohl er wusste, dass er illegale Substanzen zu transportieren hatte, und die Straftat demnach aus einem „kurzschlüssigen und selbstsüchtigen Motiv“ beging. Demgegenüber verwiesen sie darauf, dass die Ermittlungsbehörde aufgrund der Auskunft des Angeklagten nach seiner Verhaftung einen Mittäter verhaften und das „Stimulans“ in dessen Besitz beschlagnahmt werden konnte, und werteten die Mitwirkung des Angeklagten an der Ermittlung, den Umstand, dass er „auf Anweisung jener Organisation“ handelte, „wenigstens bezüglich der Einfuhr von Stimulans seine Verantwortung anerkennt und seine Tat bereut“, erst 25 Jahre alt war und „im Heimatstaat einen kleinen Sohn hat“, als mildernd (ON 1 S 89 f).

Neben der angeführten Erwähnung eines Gefängnisaufenthalts finden sich keine weiteren Feststellungen zum (kriminellen) Vorleben des Verurteilten (ON 1 S 87 ff).

Indem das Landesgericht Linz die „Strafzumessungsgründe des Strafgerichts Chiba“ um „weitere“ – im japanischen Urteil demnach nicht berücksichtigte (siehe auch BS 2) – Umstände (mehrfache, im Übrigen nicht näher konkretisierte „einschlägige Vorstrafen“ sowie den äußerst raschen Rückfall des Betroffenen nach seiner Haftentlassung in Österreich) ergänzt und diese als „besonderen erschwerend“ herangezogen hat (BS 3), wurde (Art 11 Abs 1 lit a des Überstellungsübereinkommens) in der darin normierten Bindung des österreichischen Gerichts an die in der ausländischen Entscheidung festgestellten Strafzumessungstatsachen verletzt.

Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich dieser Rechtsfehler zum Nachteil des von der Entscheidung Betroffenen auswirkt, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, dessen Feststellung mit konkreter Wirkung zu verbinden und den angefochten Beschluss im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang aufzuheben (§ 292 letzter Satz StPO).

Bei der damit notwendig gewordenen Neubestimmung der im Inland zu vollstreckenden Strafe waren auf Basis der Feststellungen des japanischen Erkenntnisses – nach österreichischen Strafbemessungs-grundsätzen beurteilt – das Zusammentreffen zweier strafbarer Handlungen (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB) als aggravierend sowie das hohe Gefährdungspotential der eingeführten Substanz, die Tatbegehung im Auftrag einer Drogenorganisation und aus selbstsüchtigem Gewinnstreben (§ 32 StGB) als schuldsteigernd zu werten, das (teilweise) reumütige Geständnis und der wesentliche Beitrag zur Wahrheitsfindung (§ 34 Abs 1 Z 17 StGB), die Sicherstellung der geschmuggelten Substanz aufgrund der Angaben des Verurteilten (§ 34 Abs 1 Z 15 StGB) und die Tatbegehung unter Einwirkung Dritter (§ 34 Abs 1 Z 4 StGB) als mildernd zu werten und das relativ geringe Alter des Verurteilten und seine familiären Verhältnisse (§ 32 Abs 2 StGB) zu berücksichtigen.

Davon ausgehend war nach den oben dargelegten Grundsätzen bei einem Strafrahmen von bis zu fünf Jahren (§ 32 Abs 3 SMG) und unter Bedachtnahme auf die im Ausland ausgesprochene Sanktion die im Inland zu vollstreckende Freiheitsstrafe mit vier Jahren festzusetzen (vgl auch Martetschläger in WK² ARHG § 65 Rz 1 mwN).

Die Vorhaftanrechnung kommt in sinngemäßer Anwendung des § 400 Abs 1 StPO (§ 9 Abs 1 StPO) dem Erstgericht zu.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0140OS00121.16Z.0404.000
Schlagworte:
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