OGH vom 19.06.1986, 8Ob16/86
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel, Dr.Kropfitsch, Dr.Zehetner und Dr.Huber als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ingrid H***, Hausfrau, Pürgschachen 39, 8904 Ardning, vertreten durch Dr.Roger Haarmann, Rechtsanwalt in Liezen, wider die beklagte Partei V*** DER V*** Ö***, Schwarzenbergplatz 7, 1030 Wien, vertreten durch Dr.Rudolf und Dr.Gunter Griss, Rechtsanwälte in Graz, und den Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei Firma B*** EN DE B*** B.V., Autobus en Touringcarbedrüt, Reisebureau, Smidse 9 Postbus 16, NL-1960 Heemskerk, vertreten durch Dr.Gerhard Delpin, Rechtsanwalt in Leoben, wegen S 76.519,60 s.A. (Revisionsstreitwert S 19.261,07 hinsichtlich der klagenden und S 38.522,15 hinsichtlich der beklagten Partei), infolge Revision der klagenden und der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom , GZ 6 R 168/85-35, womit infolge Berufung der klagenden Partei, der beklagten Partei und des Nebenintervenienten das Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom , GZ 3 Cg 291/84-23, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:
Spruch
Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen. Der Revision der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei an Kosten des Revisionsverfahrens den Betrag von S 393,52 (darin Barauslagen von S 28,18 und Umsatzsteuer von S 33,22) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am ereignete sich gegen 13 Uhr auf der Salzkammergutbundesstraße 145 bei Km 100,8 (Koglerkreuzung) ein Verkehrsunfall, an dem Bernhard G*** als Halter und Lenker des Motorrades mit dem Kennzeichen St 36.341 und Nicolaas V*** E*** als Lenker des Omnibusses mit dem Kennzeichen BJ-79-KT (NL) beteiligt waren. Die Beklagte haftet im Sinne des § 62 KFG für die beim Betrieb des letztgenannten Fahrzeuges entstandenen Schäden; der Nebenintervenient auf Seiten der Beklagten ist der Eigentümer und Halter dieses Omnibusses. Der Omnibuslenker fuhr in Richtung Bad Aussee und wollte mit diesem Fahrzeug nach rechts in eine Gemeindestraße abbiegen, wobei er zunächst nach links ausscheren mußte; G*** versuchte den Omnibus mit seinem Motorrad rechts zu überholen. Dabei kam es zur Kollision der beiden Fahrzeuge, bei der G*** getötet wurde. Ein wegen dieses Verkehrsunfalles zu 16 Vr 772/84 des Kreisgerichtes Leoben gegen den Omnibuslenker eingeleitetes Strafverfahren wurde gemäß § 90 StPO eingestellt. Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte die Klägerin aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes aus diesem Verkehrsunfall die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von S 76.519,60 s.A. im wesentlichen mit der Begründung, daß den Omnibuslenker ein zumindest mit 50 % zu bewertendes Verschulden treffe, weil er mit seinem Fahrzeug vor seinem Rechtsabbiegemanöver zur Gänze auf die linke Fahrbahnhälfte ausgeschert und dann, ohne auf den nachfolgenden Verkehr zu achten, plötzlich und überraschend nach rechts abgebogen sei. Die gesamten Schadenersatzansprüche im Zusammenhang mit diesem Verkehrsunfall würden von der Klägerin, der Schwester des Getöteten, geltend gemacht. Sie seien teilweise der Klägerin entstanden; teilweise seien sie ihr von den Eltern abgetreten worden. Im einzelnen handle es sich um folgende Ansprüche:
Begräbniskosten S 36.119,20
Kosten der Grabstätte S 49.440,--
Fahrzeugschaden S 45.000,--
Abmeldespesen S 480,--
Schaden an Kleidung und Armbanduhr S 12.000,--
Verdienstentgang und Spesen des Vaters
des Verunglückten und des Gatten der
Klägerin im Zusammenhang mit der Aus-
richtung des Begräbnisses S 10.000,--
S 153.039,20
davon 50 % S 76.519,60.
Die Beklagte wendete dem Grunde nach im wesentlichen ein, daß den Verunglückten das Alleinverschulden an diesem Unfall treffe, weil er den korrekt und unter Betätigung des rechten Blinkers nach rechts abbiegenden Omnibus unzulässigerweise rechts überholt habe (ON 2). Der Klägerin fehle die Klagslegitimation (ON 19 S 81). Der Höhe nach steht der geltend gemachte Schaden an Kleidung und Armbanduhr mit S 7.500 außer Streit (ON 19 S 78). Die übrigen Ansprüche wurden der Höhe nach bestritten (ON 2). Bei dem angeblichen Verdienstentgang des Vaters und des Gatten der Klägerin handle es sich um einen "indirekten" Schaden, der nicht zu ersetzen sei (ON 2).
Der Nebenintervenient auf Seiten der Beklagten wendete seine behaupteten Schadenersatzansprüche aus diesem Verkehrsunfall in der Höhe von S 164.383,-- (Fahrzeugschaden, Überstellungskosten, Wertminderung und Verdienstentgang) aufrechnungsweise bis zur Höhe der Klagsforderung gegen diese ein (ON 8, ON 11 S 53). In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom legte der Beklagtenvertreter unter Beilage 1 eine Abtretungsvereinbarung zwischen dem Nebenintervenienten und der Beklagten vor, aus der sich ergibt, daß der Nebenintervenient seine behaupteten Schadenersatzansprüche aus diesem Verkehrsunfall in der Höhe von S 164.383,-- der Beklagten zur aufrechnungsweisen Geltendmachung, sohin zum Inkasso, abgetreten hat. Irgendein Vorbringen wurde nach dem Akteninhalt in diesem Zusammenhang von der Beklagten nicht erstattet (ON 19 S 81).
Das Erstgericht entschied, daß die Klagsforderung mit S 57.783,22 s.A. und die Gegenforderung der Beklagten mindestens bis zur Höhe der Klagsforderung zu Recht bestehe; es wies daher das Klagebegehren ab.
Das Erstgericht stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:
Die Unfallstelle befindet sich auf der Salzkammergutbundesstraße 145, Umfahrungsstraße Bad Mitterndorf, bei Km 100,8 (Koglerkreuzung) im Gemeindegebiet von Bad Mitterndorf. Als Bezugslinie wurde eine Normale über die Bundesstraße 26 m östlich des Km 100,8 festgelegt.
Die Bundesstraße verläuft im Unfallsbereich in einer weitgezogenen übersichtlichen Rechtskurve annähernd in Ost-West-Richtung mit einem Gefälle von 2 %. Die Straße ist 7,7 m breit, in mittelgutem Zustand asphaltiert und beidseits mit Randlinien versehen. Die Fahrbahnbreite zwischen den Randlinien beträgt 7 m. Im Anschluß an die Asphaltdecke befinden sich beidseits 60 cm breite gepflasterte Bordüren. Auf den Unfall bezughabende Verkehrszeichen sind nicht vorhanden.
28 m östlich von Km 100,8 befindet sich am nördlichen Fahrbahnrand das östliche Ende des Einmündungstrichters einer in Richtung Norden nach Bad Mitterndorf führenden Gemeindestraße. Der Trichter hat eine Breite von 11 m und verjüngt sich sodann in der Gemeindestraße auf eine Fahrbahnbreite von durchschnittlich 3 m, wobei die Straße nur teilweise mit löchrigem Asphalt versehen und im übrigen makadamisiert ist. Ein Wegweiser oder Vorwegweiser hinsichtlich dieser Einmündung ist nicht vorhanden. Aus östlicher Richtung kommend kann man den Einmündungstrichter als solchen von einer Position 100 m östlich der Bezugslinie sehen, nicht aber den weiteren Verlauf der Gemeindestraße. Diese ist nämlich durch eine ansteigende Wiesenböschung verdeckt. Aus einer Position 50 m östlich der Bezugslinie kann man den Einmündungstrichter und dessen Bedeutung erkennen. Die Unfallstelle ist aus östlicher Richtung kommend auf rund 500 m frei einsehbar.
Zur Unfallszeit lenkte Nicolaas V*** E*** den mit ca. 30 Personen besetzten Omnibus (Marke Scania, Baujahr 1984) auf der Bundesstraße 145 von Osten nach Westen, das ist aus Richtung Tauplitz kommend in Richtung Bad Aussee. Die Fahrbahn war trocken, der Himmel bewölkt, die Sicht unbehindert. Der Omnibuslenker hatte die Absicht, auf Höhe des Einmündungstrichters von der Bundesstraße nach rechts in die Gemeindestraße abzubiegen, um über diese nach Bad Mitterndorf zu fahren. Zu diesem Zweck setzte er etwa 45 m östlich der Bezugslinie den rechten Blinker und blickte etwa gleichzeitig auch in den linken Außenspiegel, wobei er kein nachfolgendes Fahrzeug wahrnahm. Seine Fahrgeschwindigkeit betrug zu dieser Zeit nur rund 25 km/h, weil ihm die Abbiegestelle nicht bekannt war und er sie nicht übersehen wollte. Nachdem der Omnibuslenker die Einfahrt gesehen und dabei festgestellt hatte, daß sie rechtwinkelig abzweigt, lenkte er etwa 23 m östlich der Bezugslinie den Omnibus über die Leitlinie zur Gänze auf den südlichen Fahrstreifen aus. Etwa gleichzeitig blickte er in den rechten Außenspiegel, sah aber kein Folgefahrzeug. Den letzten Blick in den rechten Außenspiegel machte er etwa 11 m östlich der Bezugslinie. Auch zu diesem Zeitpunkt sah er keine Fahrzeuge hinter sich. Anschließend setzte er mit einer Geschwindigkeit von etwa 15 km/h vom linken (südlichen) Fahrstreifen zum eigentlichen Rechtsabbiegemanöver an. Zur gleichen Zeit lenkte Bernhard G*** hinter dem Omnibus sein Motorrad (Marke Suzuki GS X 1100, Baujahr 1981) in die nämliche Richtung. Er hielt eine Fahrgeschwindigkeit von etwa 120 km/h ein und schloß im Unfallsbereich auf den Omnibus auf. Da dieser wesentlich langsamer fuhr, trug er sich offenkundig mit dem Gedanken, den Omnibus zu überholen. Er setzte den linken Blinker und scherte über die Leitlinie aus. Zu der Zeit, als der Omnibus etwa 45 m östlich der Bezugslinie den linken (richtig: rechten) Blinker gesetzt hatte, befand sich G*** etwa 166 m dahinter. Zu dem Zeitpunkt, als der Omnibus etwa 23 m östlich der Bezugslinie auf den südlichen Fahrstreifen ausschwenkte, war das Motorrad etwa 100 m dahinter; es wäre für den Omnibuslenker in einem der Rückspiegel erkennbar gewesen. Als G*** wahrnahm, daß der Omnibus im Zuge seines Linksauslenkens die südliche Fahrbahnhälfte mehr oder weniger für eine Durchfahrt blockierte, lenkte er wieder nach rechts zurück in der Absicht, den Omnibus rechts zu überholen. Etwa gleichzeitig lenkte auch V*** E*** den Omnibus nach rechts, um in die Gemeindestraße abzubiegen. Dabei kam es etwa 2 m westlich der Bezugslinie zu einer harten Streifung zwischen Motorrad und linker (richtig: rechter) Omnibusflanke im Bereich der vorderen Türsäule. Dadurch kam das Motorrad zu Sturz. G*** erlitt tödliche Verletzungen, sein Motorrad Totalschaden. Der Fahrzeugschaden am Motorrad betrug S 43.000. Die Begräbnisauslagen betrugen S 36.119,20 und bewegen sich in dieser Höhe im Rahmen des üblichen. Die Kosten für die Errichtung der Grabstätte betrugen S 15.987,24. Sie entsprechen dem Ortsgebrauch sowie dem Stand und dem Vermögen des Verunglückten, der zuletzt Vertragsbediensteter bei den ÖBB war. Das gleiche gilt für die Auslagen für ein geschmiedetes Grabdenkmal im Betrag von S 12.480. Die Abmeldespesen für das Motorrad betrugen S 480.
Die unfallsbedingten Reparaturkosten am Omnibus betrugen S 75.789. Die unfallsbedingte merkantile Wertminderung dieses Fahrzeuges betrug S 45.000. Dem Nebenintervenienten sind darüber hinaus weitere Auslagen von mindestens S 10.000 dadurch entstanden, daß er einen Ersatzomnibus mit Fahrer nach Österreich schicken mußte. Der Nebenintervenient hat seine Ansprüche der Beklagten zum Inkasso abgetreten.
Die Klägerin ist nicht Erbin des Verunglückten und hat auch die Todfalls- und Begräbniskosten nicht getragen. Es wurden ihr aber von ihren Eltern die auf sie im Erbweg übergegangenen Ansprüche abgetreten.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß es dem Omnibuslenker fahrtechnisch nicht möglich gewesen sei, vom rechten Fahrstreifen aus (§ 12 Abs. 2 StVO) in kurzem Bogen (§ 13 Abs. 1 StVO) nach rechts einzubiegen. Er sei vielmehr genötigt gewesen, zumindest unter teilweiser Inanspruchnahme des südlichen Fahrstreifens sein Rechtseinbiegemanöver von der linken Fahrbahnhälfte aus durchzuführen. Hiebei sei jedoch eine unklare und gefährliche Verkehrssituation gegeben gewesen, weil V*** E*** sich vor dem Einbiegen so weit vom rechten Fahrbahnrand eingeordnet habe, daß rechts von ihm ein Fahrstreife frei geblieben sei. V*** E*** hätte deshalb wegen der damit für den nachkommenden Verkehr verbundenen Gefahren ganz besondere Vorsicht und Aufmerksamkeit anwenden müssen. Die bloße Anzeige der beabsichtigten Fahrtrichtungsänderung habe hier nicht genügt. Bei entsprechend umsichtiger Beobachtung hätte der Omnibuslenker bereits bei Beginn der Blinkerbetätigung, aber auch später beim Ausschwenken in Richtung zur Leitlinie und insbesondere auch im Zuge des eigentlichen Rechtseinbiegemanövers den Motorradfahrer G*** hinter sich sehen können. Dem Omnibusfahrer sei daher ein gravierender Aufmerksamkeitsfehler anzulasten. Er hätte nicht ohne nochmaligen Rückblick sein Rechtsabbiegemanöver durchführen dürfen. Diesem Erfordernis habe er nicht entsprochen.
Für den Motorradfahrer G*** sei eine äußerst bedenkliche Verkehrslage gegeben gewesen. Anstatt dieser entsprechend Rechnung zu tragen, habe er unter Überschreiten der im Unfallsbereich zulässigen Höchstgeschwindigkeit ein unzuläsiges Überholmanöver (§ 16 Abs. 1 lit a StVO) durchzuführen versucht. Es treffe ihn daher ein erhebliches Mitverschulden am Zustandekommen des Unfalles. Es erscheine unter diesen Umständen eine Verschuldensteilung im Verhältnis von 1 : 1 gerechtfertigt.
Die geltend gemachten Klagsansprüche seien mit S 115.566,44 berechtigt (Fahrzeugschaden S 43.000, Begräbniskosten S 36.119,20, Kosten für die Errichtung der Grabstätte S 15.987,24 und für ein Grabdenkmal S 12.480, Schaden an Kleidung und Armbanduhr S 7.500 und Abmeldespesen S 480). Bei dem Betrag von S 10.000, den die Klägerin für verschiedene Verrichtungen ihres Ehegatten und ihres Vaters im Zusammenhang mit der Ausrichtung des Begräbnisses geltend mache, handle es sich um einen nicht ersatzfähigen mittelbaren Schaden. Die Legitimation der Klägerin sei zu bejahen, weil ihr die geltend gemachten Ansprüche von den Eltern, auf die sie im Erbweg übergegangen seien, abgetreten worden seien.
Die behaupteten Gegenforderungen, die dem Nebenintervenienten entstanden seien, hätten ohne Berücksichtigung eines allfälligen Verdienstentganges eine Höhe von S 130.789. Der Nebenintervenient habe seine Ansprüche der Beklagten zu Inkasso abgetreten und es könne eine konkludente Aufrechnungserklärung der Beklagten angenommen werden.
Da die berechtigten Gegenforderungen die berechtigten Klagsansprüche überstiegen, sei das Klagebegehren abzuweisen. Diese Entscheidung wurde von beiden Streitteilen und vom Nebenintervenienten mit Berufung bekämpft.
Das Berufungsgericht gab mit dem angefochtenen Urteil allen Berufungen teilweise Folge und änderte die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß es die Beklagte schuldig erkannte, der Klägerin S 38.522,12 s.A. zu bezahlen und das auf Zahlung eines weiteren Betrages von S 37.997,45 s.A. gerichtete Mehrbegehren abwies. Die Aufrechnungseinrede des Nebenintervenienten wies es ab. Das Berufungsgericht sprach aus, daß die Revision gemäß § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO zulässig sei.
Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes (mit Ausnahme jener über die Höhe der Wertminderung am Autobus) als unbedenklich und führte rechtlich im wesentlichen folgendes aus:
Könne sich der Lenker eines Fahrzeuges auf Grund der Beschaffenheit desselben oder wegen der Beschaffenheit der Einfahrt, in die eingebogen werden solle, nicht vorschriftsgemäß im rechten Fahrbahnstreifen einordnen, so schaffe er eine unklare und gefährliche Situation, bei der er besondere Vorsicht und Aufmerksamkeit zu entfalten habe. Für ihn genüge die bloße Anzeige der beabsichtigten Fahrtrichtungsänderung nicht; er habe sich zu vergewissern, daß das Ausschwenken nach links und das Einbiegen im Hinblick auf den nachfolgenden Verkehr gefahrlos möglich sei. Daß der Omnibuslenker diese Vorsicht und Aufmerksamkeit nicht aufgewendet habe, falle der Beklagten zur Last.
Die den Motorradfahrer belastenden Mitverschuldenskomponenten seien aber deutlich schwerwiegender. Er habe sich unter Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 20 % in den Gefahrenbereich begeben und seine Geschwindigkeit nicht vermindert, obwohl er noch aus einer Entfernung von ungefähr 100 m das Ausschwenken nach links wahrnehmen und unfallverhütend reagieren hätte können. Er habe in unvermindertem Tempo versucht, rechts zu überholen, obwohl die Abbiegeabsicht in diese Richtung vom Omnibusfahrer angezeigt worden sei. Diese Umstände rechtfertigten eine Verschuldensteilung im Verhältnis von 1 : 2 zu Lasten des Motorradfahrers.
Gegen die Klagslegitimation der Klägerin bestünden keine Bedenken.
Der einfache Nebenintervenient sei nicht Prozeßpartei und könne daher eigene Forderungen der Klagsforderung gegenüber nicht aufrechnungsweise einwenden. Bei der im vorliegenden Fall vom Nebenintervenienten erhobenen Aufrechnungseinrede handle es sich um eine prozessuale Aufrechnungseinrede.
Daß die Absicht bestanden haben möge, die vom Nebenintervenienten der Beklagten abgetretene Gegenforderung aufrechnungsweise einzuwenden, könne der Urkunde Beilage 1 entnommen werden. Aus dieser Urkunde könne wohl die Tatsache entnommen werden, daß der Nebenintervenient seine bei diesem Unfall entstandenen Schadenersatzforderungen der Beklagten zur aufrechnungsweisen Geltendmachung in diesem Verfahren, sohin zum Inkasso, abgetreten habe. Die Prozeßaufrechnung sei ein Eventualbegehren des Beklagten, der damit eine Gegenforderung gegen de Kläger einwende, über die jedoch nur für den Fall zu entscheiden sei, daß die Klagsforderung zu Recht bestehe. Dieses Begehren müsse aber ausdrücklich gestellt werden. Eine solche Einrede habe die Beklagte nicht erhoben. Stillschweigende Prozeßhandlungen kenne die Zivilprozeßordnung nicht. Auf allfällige Gegenforderungen der Beklagten könne daher nicht eingegangen werden; die Kompensandoeinwendung des Nebenintervenienten, der nicht Prozeßpartei sei, müsse abgewiesen werden.
Das angefochtene Urteil sei daher entsprechend abzuändern. Seinen Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision begründete das Berufungsgericht damit, daß eine gesicherte Rechtsprechung hinsichtlich der hier zu lösenden Rechtsfrage bezüglich der Gegenforderung nicht vorliege und dieser Rechtsfrage allgemeine Bedeutung zukommt.
Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes richten sich die Revisionen der Klägerin und der Beklagten. Die Klägerin bekämpft es im Umfang der Abweisung ihres Begehrens mit einem Betrag von S 19.261,07 s.A. aus dem Revisionsgrund der "unrichtigen rechtlichen Beurteilung" mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß die Beklagte schuldig erkannt werde, der Klägerin einen Betrag von S 57.783,22 s.A. zu bezahlen. Die Beklagte bekämpft die Entscheidung des Berufungsgerichtes insoweit, als nicht ihre Gegenforderung bis zur Höhe der als berechtigt erkannten Klagsforderung als zu Recht bestehend erkannt und daher das Klagebegehren abgewiesen wurde, aus den Revisionsgründen der "Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens" und der "unrichtigen rechtlichen Beurteilung" mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, "daß die Klagsforderung mit S 38.522,15 s.A. und die Gegenforderung mindestens bis zur Höhe dieser Klagsforderung zu Recht erkannt und das Klagebegehren daher abgewiesen wird"; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.
Die Klägerin und die Beklagte haben Revisionsbeantwortungen erstattet. Die Klägerin beantragt, der Revision der Beklagten keine Folge zu geben. Die Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin als unzulässig zurückzuweisen, allenfalls ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
I) Zur Revision der Klägerin:
Dieses Rechtsmittel ist unzulässig.
Gemäß § 502 Abs. 2 Z 2 ZPO ist gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes ein weiteres Rechtsmittel unzulässig, soweit der Beschwerdegegenstand an Geld oder Geldeswert S 15.000 nicht übersteigt.
Für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision sind nach Lehre und ständiger Rechtsprechung mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche unter der Voraussetzung des § 55 Abs. 1 Z 1 JN zusammenzurechnen, wenn sie also in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen (Fasching, Kommentar IV 282 und Zivilprozeßrecht Rdz. 1831; Jud. 56 neu = SZ 24/335 uva). Trifft dies nicht zu, dann muß die Revisionszulässigkeit hinsichtlich jedes einzelnen Anspruches gesondert beurteilt werden. Dabei reicht nicht jede Verknüpfung zweier Sachverhaltsbilder schlechthin aus, um die Zusammenrechnung von Ansprüchen nach § 55 JN zu bewirken. Während der rechtliche Zusammenhang von Ansprüchen dann zu bejahen ist, wenn sie aus einem einheitlichen Vertrag oder einer einheitlichen Rechtsvorschrift abgeleitet werden, ist der tatsächliche Zusammenhang zu bejahen, wenn die Ansprüche zwar nach verschiedenen rechtlichen Kriterien, aber aus ein und demselben Sachverhalt ableitbar sind, ohne daß noch ein ergänzendes Sachvorbringen erforderlich wäre (siehe dazu Fasching, Kommentar I 344 ff;
EvBl. 1969/163; 1 Ob 103/70; 1 Ob 554/81; 2 Ob 64/84; 8 Ob540/85
ua). Nach ständiger Rechtsprechung sind Ansprüche mehrerer
Geschädigter aus demselben Unfallereignis nicht zusammenzurechnen,
weil es sich bei ihnen nur um formelle Streitgenossen im Sinne des
§ 11 Z 2 ZPO handelt (ZVR 1972/135; ZVR 1973/194 uva). Die
Neufassung des § 11 Z 1 ZPO durch die ZVN 1983 hat daran nichts
geändert. Auch wenn nicht zusammenzurechnende Ansprüche mehrerer
Geschädigter aus demselben Unfallsereignis durch Zession auf einen
Kläger übergehen, sind sie nicht zusammenzurechnen (zuletzt
JBl. 1985, 111 mit weiteren Nachweisen).
Im vorliegenden Fall macht die Klägerin im Zessionsweg auf sie
übergegangene Schadenersatzansprüche verschiedener Art geltend,
nämlich im wesentlichen im Erbweg auf ihre Eltern übergegangene
eigene Schadenersatzansprüche des Getöteten und eigene
Ersatzansprüche der Eltern im Sinne des § 1327 ABGB. Eine
Zusammenrechnung der solcherart verschiedenen Ersatzansprüche kommt
nicht in Betracht, weil diesbezüglich weder ein rechtlicher noch ein
tatsächlicher Zusammenhang besteht. Denn der Umstand, daß
Schadenersatzansprüche des Verunglückten im Wege der Universalsukzession auf seine Eltern übergegangen sind, bewirkt nicht, daß zwischen diesen Ansprüchen und den eigenen Ersatzansprüchen der Eltern ein tatsächlicher Zusammenhang entsteht. Abgesehen davon, daß die rechtserzeugenden Tatsachen nicht einheitlich sind, reicht das Sachvorbringen für den Schadenersatzanspruch kraft eigenen Rechtes nicht aus, um auch über die im Erbweg übergegangenen Ansprüche entscheiden zu können, weil hiefür noch ein ergänzendes Sachvorbringen hinsichtlich der Rechtsnachfolge erforderlich ist (SZ 42/47; 8 Ob 64/78; 8 Ob 268/81; 8 Ob 288/81 ua).
Im vorliegende Fall hat das Erstgericht im Zessionsweg auf die Klägerin übergegangene Schadenersatzansprüche des Getöteten im Betrag von S 50.980 und im Zessionsweg auf die Klägerin übergegangene Schadenersatzansprüche ihrer Eltern im Sinne des § 1327 ABGB im Betrag von S 64.586,44, insgesamt einen Betrag von S 115.566,44, für berechtigt erkannt, den es im Sinne der von ihm für gerechtfertigt erachteten Verschuldensteilung um die Hälfte auf den Betrag von S 57.783,22 kürzte. Das Berufungsgericht kürzte im Sinne der von ihm vorgenommenen Schadensteilung diesen Betrag auf S 38.522,15. Die Differenz dieser Beträge von S 19.261,07, deren zusätzlichen Zuspruch die Klägerin im Revisionsverfahren anstrebt, setzt sich somit aus einem Betrag von S 8.497,98 an Schadenersatzansprüchen des Verunglückten und aus einem Betrag von S 10.763,09 an Schadenersatzansprüchen der Eltern im Sinne des § 1327 ABGB zusammen. Da diese Beträge nach obigen Rechtsausführungen für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht zusammengerechnet werde können, ergibt sich in Ansehung jedes dieser beiden unter S 15.000 liegenden Beträge die Unzulässigkeit der Revision der Klägerin im Sinne des § 502 Abs. 2 Z 2 ZPO. Dieses Rechtsmittel war daher zurückzuweisen.
II) Zur Revision der Beklagten:
Dieses Rechtsmittel ist zulässig, weil zu der Frage, ob die bloße Vorlage einer Urkunde zur Geltendmachung einer prozessualen Aufrechnungseinrede genügt, soweit überschaubar, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht vorliegt. Es handelt sich hier um eine Rechtsfrage des Verfahrensrechtes im Sinne des § 502 Abs. 4 Z 1
In der Sache selbst ist die Revision der Beklagten aber nicht berechtigt.
Soweit sie versucht, in Ausführung des Revisionsgrundes der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens darzutun, daß sie (vom Erstgericht) in Anwendung der Bestimmung des § 182 Abs. 1 ZPO zur ausdrücklichen Geltendmachung einer prozessualen Aufrechnungseinrede anzuleiten gewesen wäre, ist ihr zu entgegnen, daß das Ausmaß der materiellen Prozeßleitungspflicht nach dieser Gesetzesstelle jedenfalls nicht so weit geht, daß rechtsfreundlich vertretene Personen bezüglich möglicher Aufrechnungseinreden zu befragen wären (6 Ob 510/82 ua).
Im übrigen bestreitet die Beklagte in ihrem Rechtsmittel nicht die Richtigkeit der zutreffenden Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß es dem Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei infolge seiner prozessualen Stellung verwehrt ist, kraft eigenen Rechtes eine prozessuale Aufrechnungseinrede gegen die gegenüber der beklagten Partei geltend gemachte Klagsforderung zu erheben (siehe dazu Fasching, Zivilprozeßrecht, Rdz. 404 und 410; SZ 48/67). Sie macht in Ausführung des Revisionsgrundes der unrichtigen rechtlichen Beurteilung nur geltend, daß sie durch Vorlage der Abtretungsurkunde Beilage 1 selbst die prozessuale Aufrechnungseinrede hinsichtlich der ihr vom Nebenintervenienten abgetretenen Schadenersatzforderungen geltend gemacht habe. Inhaltlich wird damit dem Berufungsgericht kein Verstoß gegen materielle Rechtsvorschriften vorgeworfen, sondern die unrichtige Anwendung prozessualer Bestimmungen mit dem Ergebnis, daß es zu Unrecht davon ausgegangen wäre, die Beklagte habe keine prozessuale Aufrechnungseinrede geltend gemacht.
Dem kann aber nicht gefolgt werden.
Nach ständiger Rechtsprechung (EvBl. 1955/215; JBl. 1971, 206; EvBl. 1979/171 ua) ist für die Geltendmachung der prozessualen Aufrechnungseinrede eine bestimmte Form nicht vorgeschrieben. Sie setzt aber jedenfalls voraus, daß aus dem Vorbringen der betreffenden Partei ein Aufrechnungswille eindeutig zu entnehmen ist (8 Ob 222/81). Die Vorlage einer Urkunde an das Gericht im Sinne der Bestimmungen der §§ 298 ff ZPO dient der Führung eines Beweises über beweisbedürftige Behauptungen, ist aber keinesfalls dazu bestimmt oder geeignet, ein prozeßbestimmendes Vorbringen einer Partei zu ersetzen. Faktische Handlungen, aus denen eine auf die Entwicklung des Prozesses gerichtete Willensbetätigung des Handelnden nicht abzuleiten ist, können nicht als Prozeßhandlungen beurteilt werden (vgl. Fasching, Zivilprozeßrecht, Rdz. 747). Es mag zulässig sein, aus einem bestimmten Vorbringen einer Partei die Geltendmachung einer nicht an eine bestimmte Form gebundenen prozessualen Aufrechnungseinrede abzuleiten. Erstattet die Partei aber wie im vorliegenden Fall überhaupt kein Vorbringen in dieser Richtung, dann ist dies nicht möglich. Aus dem Inhalt einer vorgelegten Urkunde allein kann jedenfalls die Geltendmachung einer prozessualen Aufrechnungseinrede nicht abgeleitet werden, weil damit vernachlässigt würde, daß dies eine Willensbetätigung der Partei voraussetzt, deren Vorliegen nur auf Grund der im Rahmen des Prozeßrechtes abgegebenen Erklärungen, nicht aber auf Grund einer Tätigkeit der Partei im Rahmen der Vorlage von Beweismitteln beurteilt werden kann.
Mit Recht ist unter diesen Umständen das Berufungsgericht im vorliegenden Fall davon ausgegangen, daß eine prozessuale Aufrechnungseinwendung der Beklagten nicht erhoben wurde. Der Revision der Beklagten mußte daher ein Erfolg versagt bleiben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Kosten ihrer unzulässigen bzw. erfolglosen Rechtsmittel haben die Parteien selbst zu tragen. Der Klägerin gebührt der Ersatz der Differenz der Kosten der erstatteten Revisionsbeantwortungen. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung zutreffend geltend gemacht, daß die Revision der Klägerin unzulässig ist.