zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
OGH vom 07.06.2001, 9ObA126/01x

OGH vom 07.06.2001, 9ObA126/01x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter MR Mag. Norbert Riedl und Mag. Albert Ullmer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Arbeiterbetriebsrat der W*****GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Dr. Peter Keul und Dr. Alexander Burkowski, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei W*****GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Saxinger, Baumann & Partner, Rechtsanwälte in Linz, wegen Feststellung gemäß § 54 Abs 1 ASGG, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 11 Ra 6/01h-15, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 8 Cga 139/00d-10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 6.086,40 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.014,40 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte stellt eine Tageszeitung her, die an insgesamt 6 Tagen erscheint, wobei es keine Sonntagsausgabe gibt.

Das Verfahren betrifft die Expeditarbeiter der Beklagten. Deren wöchentliche Gesamtarbeitszeit beträgt 36 Stunden, die sich auf folgende Arbeitszeiten verteilen:

Sonntag 20.45 Uhr bis Montag 02.45 Uhr

Montag 20.30 Uhr bis Dienstag 02.15 Uhr

Dienstag 20.30 Uhr bis Mittwoch 02.30 Uhr

Donnerstag 20.30 Uhr bis Freitag 02.15 Uhr und

Freitag 20.00 Uhr bis Samstag 02.30 Uhr

Die Expeditarbeiter und die Aushilfsexpeditarbeiter erhalten für die am Sonntag bis 24.00 Uhr geleistete Arbeit einen Zuschlag von 25 % des Gesamtstundenlohnes.

Auf die Arbeitsverhältnisse der Expeditarbeiter ist der Kollektivvertrag für Expeditarbeiter, Redaktions- und Verwaltungsgehilfen, Zusteller und Austräger (in der Folge: KollV) anzuwenden, der in seinem § 6 ("Sonn- und Feiertagsarbeit") folgenden Wortlaut hat:

"1. Unter Sonn- und Feiertagsarbeit ist jede Arbeit zu verstehen, die an einem Sonntag oder Feiertag in der Zeit zwischen 0 und 24 Uhr geleistet wird.

2. Für die bei täglich erscheinenden Tageszeitungen beschäftigten Expeditarbeiter, deren Arbeitszeit in den Nachtstunden liegt, beginnt der Sonntag oder Feiertag um 6 Uhr früh und endet am darauffolgenden Werktag um 6 Uhr früh, soweit nicht besondere Bedürfnisse des Unternehmens (zum Beispiel Transport von Tageszeitungen über Land) einen späteren Arbeitsschluss bedingen.

3. Die Sonntagsarbeit ist mit 100 Prozent Aufschlag auf den Gesamtstundenlohn (ohne Montagblattvergütung) zu vergüten.

Außerdem sind dem Dienstnehmer so viele Stunden bezahlter Freizeit in ununterbrochener Folge zu geben, als er am Sonntag gearbeitet hat. Die Mindestentschädigung beträgt zwei Stunden.

...............

10. In Unternehmungen, die an Stelle von Sonntags- und Feiertagsausgaben ihrer Blätter Montagausgaben bzw. Ausgaben nach Feiertagen herausbringen, wird unter dem Zwange der Verhältnisse die Sonntagsruhe von 0 bis 24 Uhr festgelegt.

Für die in diese Zeit fallenden Arbeitsstunden ist ein 25 prozentiger Sonntagszuschlag vom Gesamtstundenlohn (inklusive Nachtzuschlag) zu bezahlen."

Die klagende Partei begehrt die Feststellung, dass Expeditarbeiter und Aushilfsexpeditarbeiter für Sonntagsarbeit einen 100 %igen Aufschlag auf den Gesamtstundenlohn (ohne Montagblattvergütung) erhalten und ihnen so viele Stunden bezahlter Freizeit in ununterbrochener Folge zu geben sind, als sie am Sonntag gearbeitet haben. Hilfsweise wird die Feststellung begehrt, dass den genannten Arbeitnehmern für Sonntagsarbeit ein 100 % - Aufschlag auf den Gesamtstundenlohn abzüglich den bezahlten Zuschlag von 25 % zusteht und ihnen so viele Stunden bezahlte Freizeit in ununterbrochener Folge zu geben sind, als sie am Sonntag gearbeitet haben.

Das Erstgericht wies beide Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung im Sinne der Stattgebung des Klagehauptbegehrens ab. Es vertrat folgende Rechtsauffassung:

§ 6 Z 1 des KollV definiere, was grundsätzlich unter Sonn- und Feiertagsarbeit zu verstehen sei (Arbeit, die an einem Sonntag oder Feiertag zwischen 00.00 Uhr und 24.00 geleistet wird). § 6 Z 2 des KollV ändere diese Definition dahin, dass für die bei täglich erscheinenden Tageszeitungen beschäftigten Expeditarbeiter, deren Arbeitszeit in den Nachtstunden liege, als Sonn- und Feiertagsarbeit die Arbeit verstanden werde, die am Sonntag oder Feiertag um 6.00 Uhr beginne und am darauf folgenden Werktag um 6.00 Uhr ende. Es werde daher ua auch die Zeit zwischen Montag 00.00 Uhr bis Montag 6.00 Uhr als Sonntagsarbeit bezeichnet. § 6 Z 3 des KollV regle die Vergütung der Sonntagsarbeit mit einem 100 %igen Aufschlag auf den Gesamtstundenlohn und der Gewährung von bezahlter Freizeit entsprechend der verrichteten Sonntagsstunden. Damit hätten die Kollektivvertragsparteien die Absicht verfolgt, Arbeitnehmern, denen aufgrund dieser Tätigkeit keine Wochenendruhe iS des § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 1 ARG gewährt werden könne, die Arbeitsstunden von Montag 00.00 Uhr bis Montag 6.00 Uhr mit einem entsprechend höheren Entgelt, nämlich wie Sonntagsarbeit, zu vergüten. § 6 Z 10 des KollV lege in seinem ersten Satz die Sonntagsruhe in Unternehmungen, die anstelle von Sonn- und Feiertagsausgaben Montagsausgaben bzw Ausgaben nach Feiertagen herausbringen, mit 00.00 Uhr bis 24.00 Uhr fest. Arbeitnehmer der Beklagten hätten daher für die Arbeitszeit ab Montag 00.00 Uhr keinen 100 %igen Aufschlag auf den Gesamtstundenlohn und keine bezahlte Freizeit zu erhalten. Für die in die Zeit der Sonntagsruhe von 00.00 Uhr bis 24.00 Uhr fallenden Arbeitsstunden werde aber (zusätzlich) ein 25 %iger Sonntagszuschlag vom Gesamtstundenlohn gewährt. Arbeitnehmer, die in Unternehmungen nach § 6 Z 10 des KollV tätig seien, hätten am Samstag (weil am Sonntag keine Zeitung erscheine) keine Arbeit zu verrichten. Da diese Arbeitnehmer aber am Sonntag Abend bereits wieder für die Montagsausgabe arbeiten müssten, könne auch ihnen keine Wochenendruhe iS des § 3 Abs 1 ARG gewährt werden, sodass es eine nicht zu rechtfertigende Schlechterstellung bedeuten würde, ihnen nicht ebenfalls den Sonntagszuschlag und eine entsprechend bezahlte Freizeit iS des § 6 Z 3 KollV zu gewähren. Die gegenteilige Auslegung des KollV durch die Beklagte würde einem gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen der Arbeitnehmer widersprechen. Bei täglich erscheinenden Tageszeitungen beschäftigte Arbeitnehmer hätten daher für die Arbeit von etwa Sonntag 20.00 Uhr bis Montag 02.00 Uhr (zusätzlich zum Nachtzuschlag gemäß § 4 Z 3 KollV) einen Anspruch auf einen 100 %igen Sonntagszuschlag sowie auf 6 Stunden bezahlter Freizeit. Arbeitnehmer, die bei Unternehmen beschäftigt seien, die sonntags keine Zeitung heraus bringen, hätten hingegen für die Arbeitszeit zwischen Sonntag 20.00 Uhr und Sonntag 24.00 Uhr Anspruch auf einen Zuschlag von 125 % plus 4 Stunden bezahlter Freizeit, während für die Zeit von Montag 00.00 Uhr bis Montag 02.00 Uhr (mit Ausnahme des Nachtzuschlags) kein weiterer Zuschlag gebühre.

Diese Rechtsauffassung ist zutreffend, sodass es ausreicht, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Ergänzend ist den Revisionsausführungen entgegenzuhalten:

Rechtliche Beurteilung

Der Versuch der Revisionswerberin, die Unbilligkeit (und daher Unrichtigkeit) der Auslegung des Berufungsgerichtes durch die Abhandlung verschiedener, je nach Erscheinungsweise einer Tageszeitung unterschiedlicher Varianten zu dokumentieren, überzeugt nicht.

Zu einem nicht unerheblichen Teil baut die Revisionswerberin ihre Argumentation auf die Annahme eines Typs von Tageszeitungen auf, die zwar nicht täglich erscheinen, trotzdem aber Sonntags- und Montagsausgaben haben. Ein solcher Tageszeitungstyp wurde im bisherigen Verfahren von keiner der Parteien ins Treffen geführt. Die Existenz von Tageszeitungen, die in dieser Weise erscheinen, ist nicht gerichtsbekannt und wurde auch durch eine Anfrage beim Verband der Österreichischen Zeitungsherausgeber und Zeitungsverleger nicht bestätigt. Es wäre daher Sache der Beklagten gewesen, die allfällige Existenz solcher Tageszeitungen schlüssig zu behaupten und zu beweisen. Mangels eines derartigen Nachweis ist auf die für diese Erscheinensweise angestellten Überlegungen nicht einzugehen.

Im Zusammenhang mit dem Vergleich der Arbeitnehmer von täglich erscheinenden Tageszeitungen und den Arbeitnehmern von Zeitungen, die anstelle von Sonntagsausgaben Montagsausgaben herausbringen, weist die Revisionswerberin darauf hin, dass Arbeitnehmer der täglich erscheinenden Tageszeitungen durch die Verschiebung der als Sonntagsarbeit zu wertenden Arbeitszeit in § 6 Z 2 des KollV für die (im Zusammenhang mit der Auslieferung der Samstagarbeit) zwar am Sonntag, jedoch vor 6.00 früh geleistete Arbeit keinen Zuschlag für Sonntagsarbeit erhielten. Darin liege eine Benachteiligung, die den im Zusammenhang mit der Auslieferung der Sonntagauflage durch § 6 Z 2 eingeräumten Vorteil aufwiege, sodass die Überlegungen des Berufungsgerichtes widerlegt seien, wonach der zuletzt genannte Vorteil für die Arbeitnehmer von Tageszeitungen, die anstelle von Sonntagsausgaben Montagsausgaben herausbringen, durch die Gewährung eines 125 %igen Zuschlags für die Sonntagsarbeit ausgeglichen werde. Diese Überlegungen kommen allerdings von vornherein nur dann zum Tragen, wenn Arbeitnehmer einer täglich erscheinenden Zeitung sowohl für die Auslieferung der Sonntags- als auch für die Auslieferung der Montagsausgabe eingesetzt werden, was keineswegs zwingend ist. Vergleicht man hingegen nur die Honorierung der Auslieferung der Montagsausgabe, treffen die Überlegungen des Berufungsgerichtes vollinhaltlich zu. Vor allem bleibt aber in jedem Fall der Umstand, dass die von der Beklagten gewünschte Auslegung eine in diesem Umfang nicht zu rechtfertigende Schlechterstellung der Arbeitnehmer von Tageszeitungen, die anstelle von Sonntagsausgaben Montagsausgaben herausbringen, bedeuten würde, weil diese Arbeitnehmer - obwohl sie Sonntagsarbeit leisten - für diese Arbeit weder den in § 6 Z 3 des KollV normierten 100 % Zuschlag noch die dort normierte bezahlte Freizeit erhalten würden, was durch die Gewährung eines nur 25 %igen Lohnzuschlags in keiner Weise ausgeglichen werden kann.

Überlegungen im Zusammenhang mit den Bestimmungen des ARG über die Wochenend- bzw. Wochenruhe tragen in Wahrheit zur Auslegung der interessierenden Bestimmung des KollV nichts bei. Die Revisionswerberin selbst führt dazu aus, dass die Kollektivvertragsregelung aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des ARG stammt. Soweit die Beklagte dessenungeachtet mit Bestimmungen des ARG argumentiert und dabei ausschließlich darauf abstellt, dass die Wochenruhe 36 Stunden zu betragen habe, ist ihr entgegenzuhalten, dass die Wochenruhe nach § 4 letzter Satz ARG einen ganzen Wochentag einzuschließen hat. Dies trifft aber im von der Beklagten angeführten Beispiel für beide in Rede stehenden Arbeitnehmergruppen nicht zu, sodass daraus kein gewichtiges Argument für die von der Beklagten behauptete Schlechterstellung der Arbeitnehmer von Tageszeitungen, die statt Sonntagsausgaben Montagsausgaben herausbringen, abzuleiten ist.

Vor allem aber hat schon das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt, dass Kollektivverträge in ihrem normativen Teil nach den Regeln für die Auslegung von Gesetzen auszulegen sind und dass daher in erster Linie der Wortsinn - auch im Zusammenhang mit den übrigen Regelungen - zu erforschen und die sich aus dem Text des Kollektivvertrages ergebende Absicht der Kollektivvertragsparteien zu berücksichtigen ist (siehe dazu die bereits vom Berufungsgericht zitierten Belegstellen). Im Gegensatz zur Meinung der Revisionswerberin spricht aber Wortlaut und Systematik der hier interessierenden Bestimmung eindeutig für das vom Berufungsgericht erzielte Auslegungsergebnis.

§ 6 Z 3 des KollV (100 %iger Zuschlag zum Stundenlohn und Ersatzfreizeit für Sonntagsarbeit) ist unzweifelhaft eine allgemeine Bestimmung, die sich nicht nur auf die Arbeitnehmer täglich erscheinender Tageszeitungen bezieht. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Regelung, vor allem aber auch aus dem Umstand, dass andernfalls die Regelung in die (für die Arbeitnehmer täglich erscheinender Tageszeitungen geltende) Bestimmung des § 6 Z 2 des KollV aufgenommen worden wäre. Den Kollektivvertragsparteien, denen - wie schon das Berufungsgericht ausgeführt hat - zu unterstellen ist, dass sie eine vernünftige zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen wollten, kann daher nicht zugesonnen werden, sie hätten Ausnahmen von dieser generellen Anordnung nicht als solche gekennzeichnet (etwa durch die Aufnahme eines Vorbehaltes in § 6 Z 3 oder durch eine Klarstellung in § 6 Z 10), sondern eine von ihnen gewünschte Ausnahmeregelung durch ein nicht als solches gekennzeichnetes System einander verdrängender Regelungen innerhalb ein- und derselben Bestimmung zum Ausdruck bringen wollen.

Der Oberste Gerichtshof geht daher mit dem Berufungsgericht davon aus, dass § 6 des KollV dahin zu interpretieren ist, dass die darin enthaltene Regelung über die Honorierung der Sonntagsarbeit durch die Z 2 und 10 für die jeweils betroffenen Arbeitnehmergruppen im Sinne der Verschiebung des als Sonntagsarbeit zu wertenden Zeitraums (Z 2) bzw durch Normierung eines zusätzlichen Zuschlags von 25 % (Z 10) ergänzt bzw modifiziert wird.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.