VfGH vom 24.02.1997, B2874/96
Sammlungsnummer
14731
Leitsatz
Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter infolge aufgrund Mitwirkung ausgeschlossener Mitglieder gesetzwidriger Zusammensetzung des Disziplinarrates bei Verhängung einer Disziplinarstrafe; keine Wahrnehmung dieses Mangels durch die letztinstanzliche Behörde; sinngemäße Anwendung der Ausschließungsgründe der StPO auch im Disziplinarverfahren für Rechtsanwälte
Spruch
Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid, soweit ihre Verurteilung durch den Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer von Kärnten vom bestätigt wurde, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.
Der angefochtene Bescheid wird daher insoweit als verfassungswidrig aufgehoben.
Die Rechtsanwaltskammer für Kärnten ist schuldig, der Beschwerdeführerin die mit S 15.900,-- bestimmten Kosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. Die Beschwerdeführerin ist Rechtsanwältin in Klagenfurt. Mit Erkenntnis des Disziplinarrates der Rechtsanwaltskammer für Kärnten vom , dem eine in ihrer Abwesenheit durchgeführte nichtöffentliche Verhandlung zugrundelag, wurde sie für schuldig erkannt, durch näher bezeichnete Handlungen die Bestimmungen der §§16, 18 und 43 der Richtlinien für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes, für die Überwachung der Pflichten des Rechtsanwaltes und für die Ausbildung der Rechtsanwaltsanwärter (im folgenden: RL-BA) sowie der §§9 und 12 RAO verletzt und hiedurch die Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und eines die Ehre und das Ansehen des Standes beeinträchtigenden Verhaltens begangen zu haben. Sie wurde hiefür nach § 16 Abs 1 Z 3 DSt mit der Disziplinarstrafe der Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft auf die Dauer von 7 Monaten sowie zum Kostenersatz verurteilt.
Gegen diesen Beschluß hat die Beschwerdeführerin gemäß § 35 DSt Einspruch an die Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (im folgenden: OBDK) erhoben. Mit Erkenntnis der OBDK vom wurde dem Einspruch Folge gegeben, das angefochtene Erkenntnis aufgehoben und dem Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer Kärnten eine neuerliche Entscheidung nach Anberaumung einer neuerlichen mündlichen Disziplinarverhandlung aufgetragen. Begründet wurde dies im wesentlichen damit, daß eine Verhandlung in Abwesenheit der Beschuldigten nur unter den Voraussetzungen des § 35 DSt durchgeführt hätte werden dürfen. Das Ergebnis der vom Disziplinarrat durchgeführten Erhebungen reiche aber nicht aus, um die in der Vertagungsbitte der Beschwerdeführerin aufgestellte, durch ein ärztliches Zeugnis bescheinigte Behauptung, erkrankt zu sein, zu widerlegen.
1.2. Mit dem im zweiten Rechtsgang ergangenen Erkenntnis des Disziplinarrates der Rechtsanwaltskammer für Kärnten vom wurde die Beschwerdeführerin neuerlich wegen Verletzung der Bestimmungen der §§16, 18 und 43 RL-BA und des § 12 RAO und der hiedurch begangenen Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und eines die Ehre und Ansehen des Standes beeinträchtigenden Verhaltens verurteilt. Der - in derselben Besetzung wie beim aufgehobenen Vorerkenntnis zusammengesetzte - Disziplinarrat erkannte, daß die Beschwerdeführerin
"1)a) Die am übernommene Treuhandverpflichtung, die Darlehensforderung der Bausparkasse W gegenüber G und M R binnen 12 Monaten grundbücherlich sicherzustellen, bis Anfang 1994 nicht erfüllt und den Treuhandbetrag von S 280.000,-- auch über Aufforderung nicht an die Bausparkasse W zurückgestellt und den Originalschuldschein G R der Bausparkasse bis nicht übermittelt (hat),
b) die Schreiben der Bausparkasse W, in welchen die Erledigung der Treuhandsache urgiert wurde, vom , , und unbeantwortet gelassen (hat), (und)
2. in der Kaufvertragssache K L-S - Ehegatten Dipl.Ing. J und
M B die Schreiben des Rechtsanwaltes Dr. W K, 8020 Graz, vom und erst am beantwortet, sowie die Schreiben des Rechtsanwaltes Dr. W B, 9020 Klagenfurt, vom und unbeantwortet gelassen (hat)."
Sie wurde hiefür gemäß § 16 Abs 1 Z 2 DSt zur Disziplinarstrafe der Geldbuße in Höhe von S 90.000,-- sowie zum Ersatz der Verfahrenskosten verurteilt. Von weiteren gegen sie erhobenen Anschuldigungen wurde die Beschwerdeführerin freigesprochen.
Gegen diesen Bescheid wurde sowohl von der Beschwerdeführerin als auch vom Kammeranwalt Berufung an die OBDK erhoben. Mit Erkenntnis vom wurde von der OBDK ihrer Berufung teilweise Folge gegeben und das angefochtene Erkenntnis im Schuldspruch zu Punkt 1a und im Punkt 2 und demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben. Die OBDK erkannte im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst und sprach die Beschwerdeführerin von beiden Anschuldigungen frei. Für die ihr nach dem aufrecht gebliebenen Teil des Schuldspruches zur Last fallenden Disziplinarvergehen wurde sie nach § 16 Abs 1 Z 2 DSt zur Disziplinarstrafe der Geldbuße in Höhe S 75.000,-- sowie zum Ersatz der Kosten verurteilt. Zur Strafhöhe wurde ausgeführt, daß auf die bisher erfolgten mehrfachen einschlägigen Disziplinarverurteilungen Bedacht zu nehmen war.
Zur von der Beschwerdeführerin in der Berufung vertretenen Ansicht, daß die Mitglieder des Disziplinarrates, die das Erkenntnis im ersten Rechtsgang gefällt haben, gemäß § 68 Abs 2 StPO ausgeschlossen seien, führte die OBDK aus:
"Die Ansicht der Beschuldigten, die Mitglieder des Diszipliarrates, die das Erkenntnis im ersten Rechtsgang gefällt hätten, seien gemäß § 68 Abs 2 StPO ausgeschlossen, kann nicht geteilt werden. § 26 DSt legt fest, in welchen Fällen Mitglieder des Disziplinarrates ausgeschlossen sind. Eine Bestimmung, die der des § 68 Abs 2 zweiter Satz entspricht, ist dort nicht enthalten. Gemäß § 77 Abs 3 DSt sind zwar die Bestimmungen der Strafprozeßordnung im Disziplinarverfahren auch insoweit sinngemäß anzuwenden, als sich aus diesem Bundesgesetz nichts anderes ergibt und die Anwendung der Bestimmungen der Strafprozeßordnung mit den Grundsätzen und Eigenheiten des Disziplinarverfahrens vereinbar ist. Eine sinngemäße Anwendung des § 68 StPO hat jedoch nicht zu erfolgen, weil das Disziplinarstatut eine eigene Regelung über die Ausschließungsgründe enthält (vgl. auch Jahoda in AnwBl. 1975, 489 f).
Die Disziplinarbeschuldigte macht in ihrer Berufung auch keine stichhältigen Gründe gegen die Beschlüsse des Disziplinarrates, mit welchen ihren Ablehnungsanträgen nicht Folge gegeben wurde, geltend. ... Die von der Disziplinarbeschuldigten angeführten Gründe vermögen eine Befangenheit des Vorsitzenden des Disziplinarrates nicht zu begründen, sodaß der Disziplinarrat den Ablehnungsantrag mit Recht abwies. Daß der Disziplinarrat darüber, ob seine Mitglieder befangen sind, selbst entschied, entsprach ... dem Gesetz."
2.1. Gegen den die Beschwerdeführerin verurteilenden Teilausspruch des Bescheides der OBDK vom wendet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des durch Art 6 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein faires Verfahren sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Rechtsnorm, nämlich des § 77 Abs 3 DSt, geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, soweit mit ihm der Berufung der Beschwerdeführerin gegen das Erkenntnis des Disziplinarrates der Rechtsanwaltskammer Kärnten vom nicht Folge gegeben wurde, begehrt wird.
Die Beschwerdeführerin führt im wesentlichen aus:
"Einen ... Kernbereich des Art 6 MRK betrifft das jedermann verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht der Unschuldsvermutung.
...
Evident ist ..., daß ein Disziplinarsenat, welcher in einem Verfahren eine Disziplinarbeschuldigte einmal schuldig gesprochen hat, noch dazu wie im gegenständlichen Fall aufgrund von für die Disziplinarbeschuldigte von Vornherein negativen Annahmen, sicher nicht von einer Unschuldsvermutung für die Disziplinarbeschuldigte im selben Verfahren nach Aufhebung des bereits gefällten Erkenntnisses ausgeht.
Die Problematik der Nichtanwendung des § 68 (2), letzter Satz StPO erkennt auch schon Dr. Ernst Jahoda in seinem Aufsatz aus dem Jahre 1975, Anwaltsblatt 12/1975.
Letztendlich aufgrund des Erfordernisses einer generellen Änderung des Disziplinarstatutes für den Fall der analogen Anwendung des § 68 (2), letzter Satz StPO im Disziplinarverfahren kommt Dr. Ernst Jahoda in seinem Aufsatz zum unrichtigen Schluß, daß die Verhandlung des selben Senates in einem erneuten Disziplinarverfahren unbedenklich sei, da Mitglieder des Disziplinarsenates nach dem § 35 DSt (jetzt § 25 und § 26 DSt) abgelehnt werden könnten.
Diese Argumentation kann keinesfalls zielführend sein.
Gerade im gegenständlichen Fall zeigt sich, daß in der Praxis Ablehnungsanträge, über welche der 'Befangene' des Senats selbst zur Entscheidung berufen ist, selten bis gar nicht erfolgreich sein können.
Darüber hinaus ist evident und geht dies auch aus den §§25, 26 DSt hervor, daß die Fällung eines Schuldspruches im Erstverfahren kein Ablehnungsgrund in einem Zweitverfahren ist.
Es hat daher ein Disziplinarbeschuldigter in einem erneuerten Verfahren keine Möglichkeit, den durch den Schuldspruch befangenen Senat in irgendeiner Weise loszuwerden.
Durch den hat sich ein Senat jedoch schon präjudiziert.
Nachdem jedoch einem Disziplinarbeschuldigten, insbesondere auch der Beschwerdeführerin, nach dem Art 6 MRK die Unschuldsvermutung zusteht und garantiert ist, verstößt der angefochtene Bescheid und das abgeführte Verfahrten im nunmehr bekämpften Umfang gegen den Art 6 MRK.
Darüber hinaus darf als allgemeine Regel gelten, daß bei der Beurteilung des 'fair trial' der äußere Anschein von Bedeutung ist.
Der äußere Anschein bedeutet nichts anderes, daß für einen objektiven außenstehenden Beobachter über ein abgeführtes Verfahren der Eindruck entstehen muß, daß die Sache des Beschuldigten in billiger Art und Weise gehört wird.
Der klassische Fall des Verstoßes gegen das Gebot des 'fair trial' ist ein Verstoß gegen die Waffengleichheit zwischen Anklage und Verteidigung.
Darüber hinaus ist jedoch für einen objektiven außenstehenden Beobachter der Eindruck des 'fair trial' zweifellos auch dann nicht mehr gegeben, wenn ein Senat den Beschuldigten einmal aburteilt, das Urteil gehoben wird, die Rechtsache zur neuerlichen Verhandlung rückverwiesen wird und derselbe Senat im zu erneuernden Rechtsgang neuerlich zur Urteilsfindung berufen ist. Diese im abgeführten Verfahren handgehabte Vorgangsweise verstößt daher gegen das im Art 6 MRK normierte Gebot des 'fair trial'.
...
... Zur Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes:
...
Die Regelung im Disziplinarstatut 1990 und zwar im § 77 (3) DSt, wonach im übrigen die Bestimmungen der StPO im Disziplinarverfahren auch insoweit sinngemäß anzuwenden seien, als sich aus diesem Bundesgesetz nichts anderes ergäbe und die Anwendungen der Bestimmungen der StPO mit den Grundsätzen und Eigenheiten des Disziplinarverfahrens vereinbar sei - womit die analoge Anwendung des § 68 StPO im Disziplinarverfahren ausgeschlossen wird - widerspricht als einfach gesetzliche Norm dem im Verfassungsrang stehenden Art 6 und dessen Verfahrensgarantien, wobei wiederum auf die oben gemachten Ausführungen zum Art 6 MRK verwiesen wird.
...
Dieser Verstoß gegen den Art 6 läßt sich aber auch nicht mit gegenüber dem gerichtlichen Strafverfahren bestehenden Grundsätzen und Eigenheiten des Disziplinarverfahrens begründen. Die Eigenheiten des Disziplinarverfahrens bestehen im wesentlichen darin, daß sich das Disziplinarstatut materiell zum Großteil auf verfestigte Standesauffassungen bezieht.
Es ist jedoch kein Grund ersichtlich, wieso im Rahmen des Disziplinarstatutes in einem erneuerten Verfahren unbedingt wieder der selbe Senat wie im ersten Verfahren absprechen muß. Eine solche Eigenheit des Disziplinarverfahrens besteht nicht."
Anschließend regt die Beschwerdeführerin an, der Verfassungsgerichtshof wolle im Hinblick auf die dargelegten Ausführungen ein Gesetzesprüfungsverfahren einleiten und zumindest die Wortfolge "als sich aus diesem Bundesgesetz nichts anderes ergibt" des § 77 Abs 3 DSt als verfassungswidrig aufheben.
2.2. Die OBDK als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift jedoch abgesehen.
3. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
Die Beschwerde ist im Ergebnis im Recht.
3.1. Der bei der OBDK Bescheid wurde als (Ersatz-)Bescheid erlassen, weil der Bescheid des Disziplinarrates der Rechtsanwaltskammer für Kärnten vom über Einspruch der Beschwerdeführerin von der OBDK aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an den Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer für Kärnten zurückverwiesen worden war.
Die Beschwerdeführerin hat in dem Verfahren, das teilweise zu einem Freispruch, teilweise zu einer neuerlichen Verurteilung führte, die Befangenheit der Mitglieder des den erstinstanzlichen Bescheid erlassenden Disziplinarrates geltend gemacht, weil dieser Bescheid in gleicher Besetzung wie das aufgehobene Erkenntnis vom erlassen wurde. Sie meint, daß diese Vorgangsweise auch mit Art 6 EMRK unvereinbar sei und regt die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens an.
3.2. Soweit eine Gesetzesprüfung angeregt wird, erübrigt es sich jedoch aus nachfolgenden Gründen, auf die Beschwerdebehauptungen weiter einzugehen:
Nach § 26 Abs 1 DSt ist von der Teilnahme am Disziplinarverfahren ein Mitglied des Disziplinarrates ausgeschlossen, wenn
1. das Mitglied durch das Disziplinarverfahren selbst betroffen oder Anzeiger oder
2. Rechtsfreund oder gesetzlicher Vertreter des Betroffenen oder des Anzeigers ist oder
3. der Beschuldigte, der Anzeiger oder der Betroffene Angehöriger des Mitglieds im Sinn des § 152 Abs 1 Z 1 StPO ist.
Nach § 26 Abs 2 DSt ist der Untersuchungskommissär von der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung und Entscheidung ausgeschlossen.
Über das Vorliegen dieser Ausschließungsgründe hat gemäß Abs 5 leg.cit. der Präsident des Disziplinarrates, falls dieser aber selbst betroffen ist, der Präsident der OBDK, zu entscheiden.
§ 77 Abs 3 DSt ordnet an, daß auch die Bestimmungen der StPO im Disziplinarverfahren insoweit sinngemäß anzuwenden sind, als sich aus dem DSt nichts anderes ergibt und die Anwendung der Bestimmungen der StPO mit den Grundsätzen und Eigenheiten des Disziplinarverfahrens vereinbar ist.
Da § 68 StPO Ausschließungsgründe aufzählt, die in § 26 DSt nicht enthalten sind, ist zu prüfen, ob mit der Regelung des § 26 DSt die Ausgeschlossenheit von der Teilnahme an Disziplinarverfahren für Mitglieder des Disziplinarsenates abschließend festgelegt ist und ob verneinendenfalls die Grundsätze und Eigenheiten des Disziplinarverfahrens einer Anwendung von Ausschließungsgründen, die in § 68 StPO, nicht aber in § 26 DSt genannt sind, entgegenstehen.
Zunächst ist darauf zu verweisen, daß gemäß § 68 Abs 1 Z 1 StPO als Richter eines Strafverfahrens ausgeschlossen ist, "wer außerhalb seiner Dienstverrichtungen Zeuge der in Frage stehenden Handlung gewesen oder in der Sache selbst als Zeuge oder Sachverständiger vernommen worden ist oder vernommen werden soll". Gemäß § 68 Abs 1 Z 3 StPO ist weiters im Strafverfahren als Richter ausgeschlossen, "wer aus dem Freispruch oder aus der Verurteilung des Beschuldigten einen Nutzen oder Schaden zu erwarten hat." Der Umstand, daß in § 26 DSt solche - in einem rechtsstaatlichen Verfahren geradezu selbstverständliche - Ausschließungsgründe nicht genannt werden, erhellt, daß § 26 DSt lediglich einige spezifische Tatbestände nennt, aber der Ergänzung durch die wiedergegebenen Ausschließungsgründe der StPO bedarf, zumal nicht erkennbar ist, warum diese Bestimmungen der StPO mit den Grundsätzen und Eigenheiten des Disziplinarverfahrens nicht vereinbar wären.
Durch § 68 Abs 2 zweiter Satz StPO wird ausdrücklich weiters festgelegt:
"Muß eine Hauptverhandlung infolge einer Berufung oder Nichtigkeitsbeschwerde wiederholt werden, so sind von der neuen Hauptverhandlung die Richter ausgeschlossen, die an der ersten teilgenommen haben."
§ 26 DSt sagt hiezu nichts aus.
Der Verfassungsgerichtshof ist der Auffassung, daß auch § 68 Abs 2 zweiter Satz StPO mit den Grundsätzen und Eigenheiten des Disziplinarverfahrens vereinbar ist. Damit ist diese Regelung aber gemäß § 77 Abs 3 DSt auch im Disziplinarverfahren "sinngemäß anzuwenden".
Nach § 77 Abs 3 DSt iVm § 68 Abs 2 zweiter Satz StPO waren daher die Mitglieder des Disziplinarrates, die an der aufgehobenen Entscheidung vom mitgewirkt haben, von der Mitwirkung im Wiederholungsverfahren, das zu dem Erkenntnis vom führte, ausgeschlossen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. zB VfSlg. 10022/1984 und 13756/1994) wird das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter auch dann verletzt, wenn eine an sich zuständige, aber nicht dem Gesetz entsprechend zusammengesetzte Kollegialbehörde entschieden hat; dies auch dann, wenn der Mangel der unrichtigen Zusammensetzung, falls er bei einer Kollegialbehörde unterer Instanz vorliegt, von der in letzter Instanz zur Entscheidung berufenen Behörde nicht wahrgenommen wird (vgl. zB VfSlg. 8729/1980, 9116/1981, 9802/1983 und 11350/1987). Im vorliegenden Fall war, wie dargetan, der Disziplinarrat bei Erlassung seines Erkenntnisses nicht dem Gesetz entsprechend zusammengesetzt. Die OBDK hat diesen Mangel bei Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht wahrgenommen. Die Beschwerdeführerin ist daher durch den angefochtenen Bescheidteil im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.
Der angefochtene Bescheidteil ist daher aufzuheben.
Auf die weiteren Beschwerdevorwürfe war bei diesem Ergebnis nicht weiter einzugehen. Ebenso erübrigt es sich, auf die Meinung von Jahoda, Ist § 68 Abs 2 letzter Satz StPO im Disziplinarverfahren sinngemäß anzuwenden?, AnwBl 1975, 489, auf die der angefochtene Bescheid Bezug nimmt, einzugehen, weil den darin enthaltenen Ausführungen die Rechtslage nach dem DSt 1872 zugrunde lag, in dem keine dem § 77 Abs 3 DSt (1990) vergleichbare Anordnung enthalten war.
3.3. Dies konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 88 VerfGG. In den zuerkannten Kosten sind S 2.650,-- an Umsatzsteuer enthalten.