VfGH vom 14.10.1998, B2870/97
Sammlungsnummer
******
Leitsatz
Anlaßfallwirkung der Aufhebung einer Wendung im § 8 Abs 6 Sbg SozialhilfeG mit E v , G117/98.
Spruch
Die beschwerdeführenden Parteien sind durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.
Die Bescheide werden aufgehoben.
Das Land Salzburg ist schuldig, den beschwerdeführenden Parteien je zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit jeweils S 18.000,-- bestimmten Prozeßkosten (insgesamt sohin S 1,260.000,--) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1. Die beschwerdeführenden Parteien, die jeweils ein Taschengeld nach dem Bundespflegegeldgesetz beziehen, werden unter Kostenbeteiligung des Landes Salzburg als Sozialhilfeträger untergebracht und betreut. Die Salzburger Landesregierung bestätigte die Bescheide erster Instanz, mit welchen den beschwerdeführenden Parteien ab einem näher bezeichneten Zeitpunkt bis auf weiteres die Kosten der Unterbringung und Betreuung aus Sozialhilfemitteln abzüglich einer (ziffernmäßig bestimmten) Eigenleistung unter - gemäß § 8 Abs 5 und 6 des Salzburger Sozialhilfegesetzes erfolgender - Anrechnung von 80 % des ihnen gemäß § 13 Abs 1 des Bundespflegegeldgesetzes jeweils zufließenden Pflegegeldtaschengeldes als Einkommen zugesprochen worden waren, mit den genannten Bescheiden.
2.1. Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden, auf Art 144 B-VG gestützten Beschwerden, in welchen jeweils die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz infolge der Anwendung des als verfassungswidrig erachteten § 8 Abs 6 SSHG behauptet und mit näherer Begründung die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide begehrt wird.
2.2. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und Gegenschriften erstattet.
3. Mit Erkenntnis vom , G117/98, hob der Verfassungsgerichtshof aus Anlaß eines anderen Beschwerdeverfahrens die Wendung "bundes- oder" in § 8 Abs 6 des Salzburger Sozialhilfegesetzes, LGBl. für Salzburg Nr. 19/1975 idF LGBl. Nr. 49/1996, als verfassungswidrig auf.
4. Gemäß Art 140 Abs 7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundegelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.
Dem in Art 140 Abs 7 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (VfSlg. 10616/1985, 11711/1988).
Die nichtöffentliche Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren fand am statt. Die vorliegenden Beschwerden sind beim Verfassungsgerichtshof vor diesem Zeitpunkt eingelangt und waren daher zum Zeitpunkt des Beginns der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig; der ihnen jeweils zugrundeliegende Fall ist somit einem Anlaßfall gleichzuhalten.
Die belangte Behörde wendete bei Erlassung der angefochtenen Bescheide die als verfassungswidrig aufgehobene Gesetzesbestimmung an. Es ist nach Lage der Fälle offenkundig, daß diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung der beschwerdeführenden Parteien nachteilig war. Die beschwerdeführenden Parteien wurden somit wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt.
Die Bescheide sind daher aufzuheben.
5. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 19 Abs 4 Z 3 VerfGG abgesehen.
6. Die Kostenentscheidungen gründen sich auf § 88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist jeweils 20 % USt (S 3.000,--) enthalten.
Fundstelle(n):
ZAAAD-94305