OGH vom 27.05.2020, 8ObA26/20m
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. TarmannPrentner und Mag. WesselyKristöfel als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Bianca Hammer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Wolfgang Jelinek (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei T*****, vertreten durch FREIMÜLLER/OBEREDER/PILZ RECHTSANWÄLT_INNEN GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Gemeinde *****, vertreten durch Dr. Andreas Joklik, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung der richtigen Einstufung, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 9 Ra 100/19w18, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom , GZ 32 Cga 91/18p14, Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.489,86 EUR (darin enthalten 248,31 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Der Kläger ist bei der Beklagten seit als Vertragsbediensteter beschäftigt. Auf das Dienstverhältnis ist die VBO 1995 anwendbar. Der Kläger besetzt seit einen Dienstposten der Dienstklasse IV, eingestuft ist er ins Schema IV, Dienstklasse III, Verwendungsgruppe C. Seit bezieht er eine Ausgleichszulage im Ausmaß von 100 %, sodass er derzeit keine Einkommenseinbußen und Entgeltdifferenzen aufweist. Der Kläger wurde für den Beurteilungszeitraum bis mit der Gesamtbeurteilung sehr gut beschrieben. Er wies 2014 vier Tage, 2015 39 Tage, 2016 82 Tage, 2017 69 Tage, 2018 190 Tage und 2019 zum Stichtag 59 Tage an Krankenständen auf. Mit Bescheid des Bundessozialamts vom wurde festgestellt, dass der Kläger aufgrund seines Antrags vom ab diesem Tag dem Kreis der begünstigten Behinderten angehört. Der Grad der Behinderung beträgt 60 %.
Der Kläger ersuchte im Oktober 2016 um die Beförderung in die nächsthöhere Dienstklasse IV mit Wirksamkeit ab . Von der Dienststelle wurde ein Beförderungsantrag hinsichtlich des Klägers „aufgrund der überdurchschnittlichen Krankenstandstage“ letztlich nicht gestellt.
Der begehrt die Feststellung, dass er seit , in eventu seit , in Schema IV, Dienstklasse IV, Gehaltsstufe 3 VBO 1995 einzustufen sei. Durch das Abstellen auf überdurchschnittliche Krankenstände verletze die Beklagte den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Weiters stützte sich der Kläger auf eine Diskriminierung aufgrund seiner Behinderung.
Das Erstgericht gab dem Klagehauptbegehren statt, weil im Hinblick auf die Entscheidung 9 ObA 9/13h eine Verletzung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes vorliege.
Das Berufungsgericht hob dieses Urteil über Berufung der Beklagten auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurück.
Soweit der Kläger sein Klagebegehren auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz stütze, sei die Klage nicht berechtigt, weil zwischen einer Beförderung, bei der es um die Erlangung eines höherwertigen Arbeitsplatzes gehe, und einer Überstellung zu unterscheiden sei. Für die hier zu beurteilende Beförderung sehe das Wiener Landesrecht keine Kriterien vor. Die „Richtlinienbeförderungen“ stellten – anders als die gesetzlichen Vorschriften betreffend die Überstellung – auch auf das Ausmaß der Absenzen ab. Das Abstellen auf das Ausmaß zu erwartender Krankenstände sei bei der Beförderung ein sachliches Kriterium, unabhängig davon, ob die Krankenstände in die Dienstbeurteilung eingeflossen seien oder nicht.
In Betracht komme allerdings eine mittelbare Diskriminierung wegen der Behinderung des Klägers unter der (noch zu klärenden) Voraussetzung, dass die Krankenstände des Klägers zumindest teilweise behinderungsbedingt waren. Ein behinderter Arbeitnehmer mit der Prognose überdurchschnittlicher Krankenstände müsse zwar nicht befördert werden. Angesichts der besonderen Fürsorgepflicht sei jedoch nicht der selbe Maßstab wie für nicht behinderte Arbeitnehmer anzulegen, sondern sei der Dienstgeber zur Ergreifung zumutbarer Maßnahmen zur Abfederung der höheren Krankenstände verpflichtet. Hier bestehe noch Erörterungsbedarf mit den Parteien. Zu beachten sei, dass die vom Kläger begehrte Feststellung der Einstufung auf Dauer, wie wenn er befördert worden wäre, auch bei Bejahung eines unbegrenzten Schadenersatzanspruchs aus der Diskriminierung als Behinderter nicht möglich wäre, weil es bei Diskriminierung beim beruflichen Aufstieg keinen Erfüllungsanspruch gebe, aber einen Schadenersatzanspruch bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses. Insoweit wäre die Fassung des Klagebegehrens mit dem Kläger im fortgesetzten Verfahren auch noch zu erörtern.
Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof ließ das Berufungsgericht zu, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zu folgenden Fragen fehle: Krankenstandsprognose als Differenzierungskriterium bei der Beförderung nach der VBO 1995; mittelbare Diskriminierung bei der Beförderung behinderter Arbeitnehmer wegen überdurchschnittlicher Krankenstände; Kriterien für angemessene Vorkehrungen zum Ausgleich behinderungsbedingter Krankenstände und Zumutbarkeit dieser Vorkehrungen für den Arbeitgeber; Höhe des Schadenersatzanspruchs bei Beförderungsdiskriminierung begünstigt Behinderter.
Der ist entgegen diesem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 526 Abs 2 ZPO) nicht zulässig.
Die Zurückweisung eines Rekurses wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 528a iVm § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).
Rechtliche Beurteilung
1. Der Rekurs wendet sich in erster Linie gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass ein Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nicht vorliege.
2.1 Grundsätzlich hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, mehrere Arbeitnehmer bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen innerhalb der gesetzlichen, kollektiven oder vertraglichen Bedingungen verschieden zu behandeln. Der auch für Vertragsbedienstete anwendbare (RIS-Justiz RS0031488; RS0031453) arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz schränkt das Ermessen des Arbeitgebers nicht ein (RS0016822 [T5]). Er verpflichtet aber den Arbeitgeber, einzelne Arbeitnehmer nicht willkürlich, also ohne sachliche Rechtfertigung, schlechter zu behandeln als die übrigen (RS0060204). Insbesondere kann auch die Verweigerung der gleichen Einstufung eines Arbeitnehmers bei gleicher Tätigkeit ein Willkürakt des Arbeitgebers sein und den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verletzen (RS0016817). Bei der Handhabung dieses Ermessens im Zusammenhang mit der Überstellung eines Vertragsbediensteten in die nächsthöhere Verwendungsgruppe darf die Beklagte die gesetzlichen Bestimmungen und die von ihr angewandten Kriterien, die diesen entsprechen müssen, nicht im Einzelfall willkürlich und ohne sachlichen Grund verlassen und einem einzelnen Vertragsbediensteten etwas vorenthalten, was sie den anderen zubilligt (vgl RS0016829; RS0016815; RS0028240).
2.2 Richtig ist, dass der Oberste Gerichtshof zu 9 ObA 9/13h zu dem Ergebnis gelangt ist, dass dort die Entscheidung der Beklagten gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstieß, eine Überstellung des Klägers in eine Verwendungsgruppe, die mit keiner Änderung der Arbeitstätigkeit oder Verantwortung verbunden gewesen wäre, ausschließlich deshalb nicht vorzunehmen, weil der Kläger zu hohe Krankenstandszeiten aufwies, obwohl er sowohl die gesetzlich vorgesehene Mindestverwendungsdauer absolviert als auch stets sehr gute Dienstbeschreibungen vorzuweisen hatte. Dem lag zugrunde, dass bei der Beurteilung der Dienstleistung eines Vertragsbediensteten im Rahmen einer Dienstbeschreibung iSd § 39a BO 1994 – wie sich aus § 39a zweiter Satz BO 1994 ergibt – auch das Ausmaß von Krankenständen beachtlich ist (RS0129006).
3. Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass die Entscheidung 9 ObA 9/13h hier nicht einschlägig ist, weil sich im Unterschied zu einer Überstellung nach § 18 Abs 1 BO 1994 die Voraussetzungen für eine Beförderung nach § 17 Abs 1 BO 1994 nicht aus dem Gesetz ergeben, ist nicht zu beanstanden. Als Richtschnur, wann und unter welchen Voraussetzungen Beförderungen vorgenommen werden können, dienen bei der Beklagten (bloß) die (vom Berufungsgericht auszugsweise festgestellten) Förderrichtlinien (vgl Hutterer/Rath, Dienst- und Besoldungsrecht der Wiener Gemeindebediensteten3, § 17 BO 1994 Anm 2), die – wie das Berufungsgericht hervorgehoben hat – auch auf das Ausmaß der Krankenstandstage abstellen. Für Überstellungen in die jeweils nächsthöhere Verwendungsgruppe ist demgegenüber nach dem Gesetz ausschließlich das Verstreichen einer bestimmten (Mindest)Verwendungsdauer sowie das Vorliegen einer zumindest sehr guten Dienstleistung erforderlich (9 ObA 9/13h, Pkt 2). Es wurde davon ausgegangen, dass die Dienstbeschreibung iSd § 39a BO 1994 maßgeblich ist. Unter dieser Prämisse war dort entscheidend, dass der Kläger, der die im Gesetz festgelegten Voraussetzungen erfüllte, gegenüber allen anderen Vertragsbediensteten der Beklagten, deren jährliche Dienstbeschreibungen wie seine auf „sehr gut“ lauteten, in sachlich nicht gerechtfertigter Weise dadurch ungleich behandelt wurde, dass er – anders als alle anderen Vertragsbediensteten, die die gesetzlichen Voraussetzungen unter Berücksichtigung von § 39a BO 1994 erfüllten – nur infolge überhöhter Krankenstände nicht in die nächsthöhere Verwendungsgruppe überstellt wurde.
Im vorliegenden Fall ist jedoch entscheidend, dass die Beklagte von Anfang an vorgebracht hat, dass die sich aus den Förderrichtlinien ergebende Vorgangsweise bei sämtlichen Dienstnehmern gleich angewendet werde und krankheitsbedingte Absenzen bei Beförderungen eine wesentliche Rolle spielten. Dem ist der Kläger nie entgegengetreten. Damit hat der Kläger aber einen Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nicht dargetan, wurde er doch nicht anders behandelt, als alle anderen Dienstnehmer mit überhöhten Krankenständen auch und verstößt dieses Kriterium auch nicht gegen eine gesetzliche Regelung zu den für die Beförderung maßgeblichen Kriterien.
4.1 Das Vorbringen des Klägers in seinem Rekurs, dass nicht nur eine Diskriminierung im Zusammenhang mit dem beruflichen Aufstieg, sondern auch eine Diskriminierung im Zusammenhang mit der Bezahlung des Entgelts für gleiche oder gleichwertige Tätigkeiten vorliege, woraus ein Erfüllungsanspruch des Klägers resultiere, verstößt gegen das Neuerungsverbot.
4.2 Nach herrschender Rechtsprechung ist ein Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof nur dann zulässig, wenn der Rechtsmittelwerber die für die Entscheidung maßgeblichen erheblichen Rechtsfragen auch in seinen Rechtsmittelausführungen aufgreift. Er muss somit wenigstens in Ansätzen versuchen, eine erhebliche Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts aufzuwerfen, bei deren Beurteilung er von der Rechtsansicht der zweiten Instanz abweicht (RS0102059 [T13]). Das gelingt dem Kläger hier schon deshalb nicht, weil er sich im Übrigen hinsichtlich der im Zulassungsausspruch genannten Rechtsfragen – soweit er dazu überhaupt Ausführungen tätigt – der Rechtsansicht des Berufungsgerichts anschließt.
5. Der Rekurs ist daher als unzulässig zurückzuweisen.
6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die § 41, 46 Abs 1 und 50 ZPO (RS0123222). Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2020:008OBA00026.20M.0527.000 |
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