VfGH vom 28.11.1997, B2852/96
Sammlungsnummer
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Leitsatz
(Quasi)Anlaßfallwirkung der Aufhebung der die Familienbesteuerung betreffenden Bestimmungen des EStG 1988 mit E v , G451/97 und E v , G168/96 ua.
Die belangte Behörde hat dadurch, daß sie den für die Kinder geleisteten Unterhaltszahlungen die steuerliche Anerkennung versagt hat (zur steuerlichen Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen an Ehegatten vgl. VfSlg. 13067/1992, S 567, und VfSlg. 13297/1992), Gesetzesbestimmungen angewendet, die vom Verfassungsgerichtshof mit den zitierten Erkenntnissen aufgehoben wurden. Es ist nach Lage des Falles nicht von vornherein ausgeschlossen, daß ihre Anwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war.
Spruch
Der Beschwerdeführer ist durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.
Die Bescheide werden aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seiner Rechtsvertreter die mit S 54.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1. Der Beschwerdeführer bezog in den Jahren 1993, 1994 und 1995 Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit. Im Rahmen des Jahresausgleiches für 1993 bzw. der Arbeitnehmerveranlagung für 1994 und 1995 beantragte er die Berücksichtigung von Aufwendungen, die ihm für den Kindergarten- und Schulbesuch seiner drei Kinder entstanden sind (im Jahre 1995 auch die Berücksichtigung von damit im Zusammenhang stehenden Fahrtkosten sowie von weiteren Aufwendungen für den Kinderunterhalt), als außergewöhnliche Belastung im Sinne der steuerrechtlichen Bestimmungen.
2. Mit den nunmehr vor dem Verfassungsgerichtshof gemäß Art 144 Abs 1 B-VG bekämpften, im Instanzenzug ergangenen Bescheiden der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland wurde diesen Aufwendungen die Anerkennung als außergewöhnliche Belastung unter Berufung auf § 34 Abs 7 Einkommensteuergesetz 1988 idF des Familienbesteuerungsgesetzes 1992, BGBl. 312, (für das Kalenderjahr 1993) und idF des Steuerreformgesetzes 1993, BGBl. 818, (für die Kalenderjahre 1994 und 1995) versagt.
Der Beschwerdeführer behauptet in seinen Beschwerden die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Anwendung der für verfassungswidrig erachteten Bestimmung des § 34 Abs 7 EStG 1988 und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung der Bescheide.
3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihren Gegenschriften die Abweisung der Beschwerden beantragt.
II.Die Beschwerden sind im Ergebnis begründet.
1. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis G168/96 ua. vom die Worte "und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen" in § 20 Abs 1 Z 1 EStG 1988, BGBl. 400, § 33 Abs 4 Z 3, § 34 Abs 7 Z 1 und § 57 Abs 2 Z 3 lita EStG 1988 idF BGBl. 312/1992 sowie § 33 Abs 4 Z 3 lita und § 34 Abs 7 Z 1 und 2 EStG 1988 idF BGBl. 818/1993 als verfassungswidrig aufgehoben.
Mit Erkenntnis G451/97 vom heutigen Tag hat der Verfassungsgerichtshof weiters die Bestimmungen des § 34 Abs 7 Z 2 und des § 57 Abs 2 Z 3 litb EStG 1988 idF BGBl. 312/1992 als verfassungswidrig aufgehoben.
2. Gemäß Art 140 Abs 7 B-VG ist ein vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenes Gesetz im Anlaßfall nicht mehr anzuwenden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sind einem Anlaßfall (im engeren Sinn) jene Fälle gleichzuhalten, die im Zeitpunkt des Beginns der mündlichen Verhandlung, bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in jenem des Beginns der nichtöffentlichen Beratung über eine in der Beschwerdesache präjudizielle Gesetzesstelle anhängig sind (vgl. VfSlg. 10616/1985, 11711/1988).
3. Die hg. zu B2852/96 protokollierte Beschwerde ist am , die zu B2881/96 protokollierte am und die zu B9/97 protokollierte Beschwerde am beim Verfassungsgerichtshof eingelangt. Der Zeitpunkt des Beginns der mündlichen Verhandlung im Normenprüfungsverfahren G168/96 ua. war der ; die nichtöffentliche Beratung im Normenprüfungsverfahren G451/97 begann am heutigen Tag. Die Gesetzesaufhebung (vgl. Pkt. II.1.) wirkt daher auch für sie.
Die angefochtenen Bescheide sind in Anwendung von als verfassungswidrig aufgehobenen Bestimmungen ergangen. Es ist nach Lage des Falles nicht von vornherein ausgeschlossen, daß sich ihre Anwendung für den Beschwerdeführer als nachteilig erweist. Der Beschwerdeführer ist demnach durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden. Die Bescheide waren daher aufzuheben.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 Z 3 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
5. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 88 VerfGG. Im zugesprochenen Kostenbetrag ist Umsatzsteuer in Höhe von
S 9.000,-- enthalten.