OGH vom 21.02.2017, 10ObS2/17t
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Werner Hallas und Dr. Bernhard Kirchl (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Reif und Partner Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84–86, wegen Witwenpension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 9 Rs 110/16m-18, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Im Revisionsverfahren steht die Frage im Vordergrund, ob der Begriff „Pension“ in § 145 Abs 1 Z 3 GSVG auch anteilige Sonderzahlungen enthält.
1.1 Nach § 145 Abs 1 GSVG ergibt sich das Ausmaß der Witwenpension aus einem Hundertsatz der Pension des (der) Versicherten. Wenn der (die) Versicherte im Zeitpunkt seines/ihres Todes Anspruch auf Erwerbsunfähigkeits-(Alters-)pension hatte, ohne nach dem Stichtag weitere Beitragszeiten der Pflichtversicherung erworben zu haben, gilt diese Pension als Pension, auf die dann der Hundertsatz anzuwenden ist (§ 145 Abs 1 Z 3 GSVG).
1.2 Grundlage für die Höhe der Witwenpension der Klägerin ist demnach die Alterspension, die der verstorbene Ehegatte zum Zeitpunkt seines Todes bezogen hat (Gründler,Die Pension4 [2003], 227). Die Höhe dieser Alterspension steht unstrittig mit 2.752,95 EUR zuzüglich 7,20 EUR Höherversicherung fest.
2.1 Die Höhe der Witwer-(Witwen-)pension beträgt zwischen 0 % und 60 % der Pension des verstorbenen Versicherten. Maßgebend für die Höhe des jeweiligen Prozentsatzes ist die Relation der Einkommen des Verstorbenen und des überlebenden Ehepartners in den letzten zwei (vier) Kalenderjahren vor dem Zeitpunkt des Todes des Versicherten. Dabei ist für die Berechnungsgrundlage der sogenannte Hundertsatz entsprechend der Pensionsberechnungsformel nach § 145 Abs 2 GSVG zu ermitteln (RIS-Justiz RS0128792 zur inhaltsgleichen Regelung des § 264 ASVG).
2.2 Auch der im vorliegenden Fall ermittelte Hundertsatz von 52,509 wird von der Revisionswerberin nicht in Zweifel gezogen.
2.3 Die Revisionswerberin nimmt aber den Standpunkt ein, als „Pension“ iSd § 145 Abs 1 Z 3 GSVG sei nicht die zuletzt an den Verstorbenen ausgezahlte Pension von 2.752,95 EUR heranzuziehen, sondern eine um die anteiligen Pensionssonderzahlungen erhöhte Pension (2.752,95 EUR x 14 : 12 = 3.211,77 EUR). Noch konsequenter wäre es nach Ansicht der Klägerin, das durchschnittliche Monatseinkommen der letzten beiden vollen Kalenderjahre vor dem Tod heranzuziehen.
Damit wird keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aufgezeigt:
3. Entscheidend ist die Auslegung der Wortfolge „diese Pension“ in § 145 Abs 1 Z 3 GSVG. Der Begriff der „Pension“ wird zwar im GSVG – ebenso wie in den Parallelgesetzen – häufig verwendet, jedoch nicht unmittelbar definiert.
3.1 Landläufig wird der Begriff der „Pension“ als die monatlich zukommende Geldleistung verstanden; dazu kommen in zwei Monaten des Kalenderjahres „Sonderzahlungen“. Auch die Rechtsprechung verstand bisher – wenn auch in einem anderen Kontext – unter der Pension die „Direktpension“, die der Versicherte vor seinem Tod tatsächlich bezog (10 ObS 62/93, SSV-NF 7/85). Dies lässt den Schluss zu, dass die Sonderzahlungen nicht anteilig in den Pensionsbegriff einzubeziehen sind.
3.2 „Pensionssonderzahlungen“ gebühren nach § 73 Abs 1 GSVG zu den in den Monaten April bzw Oktober bezogenen „Pensionen“. In dieser Bestimmung wird der Begriff „Pension“ jedenfalls so verstanden, dass er keine anteiligen Sonderzahlungen enthält. Würde nämlich der hier verwendete Begriff der „Pension“ bereits auch anteilige Sonderzahlungen enthalten, bedürfte es – um den Zweck der Sonderzahlung zu erreichen – keiner (weiteren) Sonderzahlung in den Monaten April und Oktober mehr. Im Gegenteil würde dann, wenn der Begriff „Pension“ auch anteilige Sonderzahlungen enthielte, eine unendliche, die „Pension“ mittels laufender Einberechnung von sich ebenfalls erhöhenden Sonderzahlungen in Gang gesetzt.
3.3 Die Argumentation der Klägerin läuft letztlich darauf hinaus, dass der Begriff „Pension“ in § 145 Abs 1 Z 3 GSVG anders zu verstehen ist als an anderen Stellen im Gesetz. Dabei lässt sie jedoch außer Acht, dass es dann zu einer Bevorzugung von Hinter-bliebenenpensionsbeziehern käme: Nach Ansicht der Klägerin hätten Hinterbliebenenpension laut § 145 Abs 1 Z 1 – 5 GSVG bereits ein um die anteiligen Sonderzahlungen zur Pension des verstorbenen Versicherten erhöhtes Ausmaß. Zusätzlich hätten die Hinterbliebenenpensionsberechtigten in der Folge (nach § 73 Abs 1 GSVG) auch noch einen Anspruch auf Sonderzahlungen zur Hinterbliebenenpension, wodurch sich eine doppelte Berücksichtigung von Sonderzahlungen ergebe. Ein gesetzlicher Anhaltspunkt für diese doppelte Berücksichtigung von Sonderzahlungen ist nicht erkennbar – im Gegenteil beziehen Selbständige in ihrem aktiven Erwerbsleben ja gerade keine Sonderzahlungen, sondern erst Sonderzahlungen zur Pension.
3.4 Das von der Klägerin als „konsequent“ erachtete, vom Durchschnittseinkommen des verstorbenen Versicherten in den letzten zwei vollen Kalenderjahren vor seinem Tod ausgehende Ausmaß der Witwen-(Witwer-)pension widerspricht sowohl dem Wortlaut als auch der Konzeption des § 145 Abs 1 ASVG.
4. Dazu kommt, dass § 73 GSVG vom Stichtags- und nicht vom Anwartschaftsprinzip ausgeht, sodass im GSVG eine Aliquotierung der Sonderzahlungen nicht vorgesehen ist. Ein Anspruch auf anteilige Sonderzahlungen besteht – anders als etwa in arbeitsrechtlichen Bestimmungen (§ 16 AngG) – grundsätzlich nicht (RIS-Justiz RS0083651; Sonntag, GSVG5§ 73 Rz 1 ff; Fellinger in SV-Komm [132. Lfg] § 105 ASVG Rz 1 ff). Dagegen bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken (RIS-Justiz RS0053933). Sonderzahlungen gebühren nur dann, wenn der Pensionsberechtigte im April bzw Oktober eine Pension bezieht (mit Ausnahme der mit dem BudgetbegleitG 2011 BGBl I 2010/111 eingeführten Aliquotierung der erstmaligen Sonderzahlung nach Pensionsbeginn nach § 73 Abs 3a GSVG, die aber für Hinterbliebenenpensionen nicht gilt [§ 73 Abs 3a letzter Satz GSVG]). Das Stichtagsprinzip lässt eine anteilige Einbeziehung der Sonderzahlungen in den Begriff der „Pension“ nicht zu.
5. Eine von der zweiten Instanz bereits verneinte angebliche Nichtigkeit des Verfahrens durch das Berufungsgericht ist unanfechtbar (RIS-Justiz RS0042981).
6. Entscheidungen des Gerichts zweiter Instanz über den Kostenpunkt können auch in Sozialrechtssachen nicht mehr beim Obersten Gerichtshof bekämpft werden (RIS-Justiz RS0085813).
Die Revision ist daher zurückzuweisen.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2017:010OBS00002.17T.0221.000 |
Schlagworte: | Sozialrecht |
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