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VfGH vom 11.06.1982, B284/78

VfGH vom 11.06.1982, B284/78

Sammlungsnummer

9382

Leitsatz

VStG 1950; Verlängerung der Verjährungsfrist durch Bundesgesetz BGBl. 101/1977; vor dem Tag des Inkrafttretens noch nicht verjährte Tat; kein Entzug des gesetzlichen Richters; keine Verletzung des Eigentumsrechtes

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Auf Grund einer Anzeige des Gendarmeriepostenkommandos Tragwein vom erließ die Bezirkshauptmannschaft Freistadt gegen die Beschwerdeführerin eine mit datierte, am abgefertigte und am zugestellte Strafverfügung, mit der die Beschwerdeführerin schuldig erkannt wurde, am , 0,40 Uhr, auf der Königswiesener Bundesstraße das Haltezeichen eines Verkehrspostens mißachtet und dadurch eine Übertretung nach § 97 Abs 5 StVO 1960 begangen zu haben. Über die Beschwerdeführerin wurden eine Geldstrafe und eine Ersatzarreststrafe verhängt.

Gegen diese Strafverfügung erhob die Beschwerdeführerin Einspruch. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt leitete sohin das ordentliche Verwaltungsstrafverfahren ein und erließ am gegen die Beschwerdeführerin ein Straferkenntnis, in der sie wegen der am begangenen Tat wiederum der Verwaltungsübertretung nach § 97 Abs 5 StVO 1960 schuldig erkannt und bestraft wurde.

Die Oö. Landesregierung gab mit Bescheid vom der dagegen von der Beschwerdeführerin eingebrachten Berufung teilweise - nämlich in Ansehung des Strafausmaßes - statt.

2. Gegen diesen Berufungsbescheid wendet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt wird.

3. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie begehrt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Die Beschwerde wird ausschließlich damit begründet, daß die Beschwerdeführerin bestraft wurde, obgleich Verfolgungsverjährung eingetreten sei. Zwar habe das BG BGBl. 101/1977 die Verjährungsfrist von drei auf sechs Monate verlängert; diese - zuungunsten der Beschuldigten - eingetretene Gesetzesänderung sei aber hier nicht anzuwenden gewesen; es komme nämlich auf die zum Zeitpunkt der Tat () geltende Verjährungsfrist (drei Monate) an.

2. Nach der ständigen Judikatur des VfGH (vgl. zB VfSlg. 8092/1977) wird das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter ua. dann verletzt, wenn der Verwaltungsbehörde die Zuständigkeit zur Strafverfolgung deshalb fehlt, weil Verfolgungsverjährung eingetreten ist.

Der VwGH hat im Erk. vom , Z 523, 525/79, ausgeführt:

"...

Das Bundesgesetz vom 2. Feber 1977, BGBl. 101, mit dem ua. § 31 Abs 2 VStG 1950 dahin geändert wurde, daß die Verfolgungsverjährungsfrist - von hier nicht maßgebenden Fällen abgesehen - sechs Monate beträgt, trat bezüglich dieser Bestimmung am in Kraft. Ab diesem Zeitpunkt verlängerte sich die Verjährungsfrist, die bis dahin drei Monate betragen hatte, um drei weitere Monate, und zwar, da eine entsprechende Übergangsbestimmung fehlt, in den Fällen, in denen die Verjährungsfrist nach der früheren Rechtslage an diesem Tag oder später geendet hätte. Nur hinsichtlich jener Taten, die bereits vor dem auf Grund des Ablaufes der bis dahin geltenden Dreimonatefrist verjährt waren, konnte eine Verlängerung der Verjährungsfrist nicht mehr eintreten." ... (Hinweis auf Vorjudikatur des VwGH) "Dem Eintritt der Verlängerung der Verjährungsfrist auf sechs Monate für Taten, die zwar vor dem begangen, aber am mangels Ablaufes der früher geltenden dreimonatigen Verjährungsfrist noch nicht verjährt waren, steht auch die Bestimmung des § 1 Abs 2 VStG 1950 nicht entgegen, zumal sich diese nur auf die Strafe bezieht, nicht aber auf Verjährungsregelungen. ..."

Der VfGH schließt sich dieser Judikatur des VwGH an.

Die - von der Beschwerdeführerin im übrigen gar nicht bestrittene - Verwaltungsübertretung wurde am begangen. Daher war die dreimonatige Verjährungsfrist am noch nicht abgelaufen, sodaß sie sich auf sechs Monate verlängerte. Damit wurde die mit datierte, am abgefertigte und der Beschwerdeführerin am zugestellte Strafverfügung (die erste gegen die Beschwerdeführerin gerichtete Verfolgungshandlung iS des § 32 Abs 2 VStG 1950) innerhalb der Verjährungsfrist erlassen.

Die Beschwerdeführerin wurde sohin offenkundig nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.

2. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides würde dieser das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nur verletzen, wenn die Behörde das Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (vgl. zB VfSlg. 8866/1980).

Davon kann aber keine Rede sein. Der von der Beschwerdeführerin behauptete Fehler - nämlich Bestrafung trotz eingetretener Verfolgungsverjährung - liegt - wie soeben dargetan - nicht vor. Das Verfahren hat aber auch nicht ergeben, daß der Behörde andere, in die Verfassungssphäre reichende Fehler unterlaufen wären.

Es liegt daher offenkundig auch keine Verletzung des Eigentumsrechtes vor.

3. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat nicht ergeben, daß die Beschwerdeführerin in von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Rechtsnorm in einem Recht verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.