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VfGH vom 04.12.2012, B283/10

VfGH vom 04.12.2012, B283/10

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Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Nichtaufnahme einer Arzneispezialität in den Gelben Bereich des Erstattungskodex; denkmögliche Annahme des Vorliegens eines wirkstoffgleichen Nachfolgeproduktes

Spruch

I. Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

II. Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Sachverhalt, Beschwerdevorbringen und Vorverfahren

1. Am stellte die beschwerdeführende Partei beim Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger den Antrag auf Aufnahme der Arzneispezialität Extavia 250 Mikrogramm/ml Pulver und Lösungsmittel zur Herstellung einer Injektionslösung (im Folgenden: Extavia) in den Gelben Bereich des Erstattungskodex.

1.1. Sie wies im Antrag darauf hin, dass Extavia

"völlig identisch" mit Betaferon sei, das in Österreich von der B GesmbH vertrieben werde. Extavia werde von einem Unternehmen der B-Gruppe hergestellt, aber von der beschwerdeführenden Partei vertrieben. Es handle sich daher um kein Generikum. Das Präparat werde lediglich parallel zu Betaferon im Rahmen eines sogenannten "Co-Marketings" unter einem anderen Handelsnamen in Österreich in Verkehr gebracht.

1.2. Aufgrund der vorläufigen Feststellung des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger, dass keine Aufnahme in den Gelben Bereich des Erstattungskodex erfolgen werde, äußerte sich die beschwerdeführende Partei nochmals dahingehend, dass es sich bei Extavia um kein "wirkstoffgleiches Nachfolgeprodukt bzw. Generikum" handle, sofern es im Wege des "Co-Marketings" neben Betaferon vertrieben werde.

2. Der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger lehnte die Aufnahme von Extavia in den Gelben Bereich des Erstattungskodex ab und strich die Arzneispezialität aus dem Erstattungskodex (Roter Bereich - § 31 Abs 3 Z 12 lita ASVG). Er begründete seine Entscheidung damit, dass der in der pharmakologischen Evaluation von der beschwerdeführenden Partei angegebene Innovationsgrad gemäß § 23 Abs 2 Z 4 der Verfahrensordnung zur Herausgabe des Erstattungskodex nach § 351g ASVG, im Folgenden: VO-EKO, ("neue Darreichungsform eines im Erstattungskodex angeführten Wirkstoffes oder einer im Erstattungskodex angeführten Wirkstoffkombination") nicht nachvollziehbar sei. Auch der im Rahmen der medizinisch-therapeutischen Evaluation von der beschwerdeführenden Partei angegebene zusätzliche therapeutische Nutzen für Patienten gemäß § 24 Abs 2 Z 3 VO-EKO ("zusätzlicher therapeutischer Nutzen für eine Untergruppe von Patienten/Patientinnen, welche für die Behandlung mit dem beantragten Mittel in Frage kommen") sei nicht gegeben.

2.1. Vielmehr habe die beantragte Arzneispezialität den gleichen Wirkstoff, die gleiche Wirkstoffstärke und die gleiche oder praktisch gleiche Darreichungsform wie bereits eine oder mehrere im Erstattungskodex angeführten Arzneispezialitäten (wirkstoffgleiches Nachfolgeprodukt; § 23 Abs 2 Z 1 VO-EKO). Extavia sei das idente Produkt zu Betaferon. Im Bereich der medizinisch-therapeutischen Evaluation kam der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger daher zur Beurteilung, dass Extavia keinen zusätzlichen therapeutischen Nutzen habe, weil es sich um ein wirkstoffgleiches Nachfolgeprodukt handle.

2.2. Demzufolge sei die Wirtschaftlichkeit bei dem von der beschwerdeführenden Partei begehrten Fabriks-/Depotabgabepreis (in der gleichen Höhe wie Betaferon) nicht gegeben, weil der Preis der beantragten Arzneispezialität nicht um mindestens 48 % unter dem des im Gelben Bereich des Erstattungskodex angeführten Originalprodukts liege (§25 Abs 2 Z 1 lita und Abs 5 VO-EKO iVm § 3 Abs 2 der ökonomischen Beurteilungskriterien der Heilmittel-Evaluierungskommission).

3. Die von der beschwerdeführenden Partei gegen

diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid ab: Extavia sei weder ein Generikum noch ein Biosimilar. Definitionsgemäß verstehe man unter einem Generikum ein Arzneimittel, das eine wirkstoffgleiche Kopie eines bereits am Markt befindlichen Medikaments sei. Das Generikum könne sich vom Originalpräparat in Bezug auf Hilfsstoffe und Herstellungstechnologien unterscheiden. Nach Zitierung eines Berichtes der EMEA (European Medicins Agency), wonach Extavia ident ("is the same as") mit Betaferon sei, führte die belangte Behörde ins Treffen, dass Extavia kein Generikum zu Betaferon sei und ebenso kein Biosimilar vorliege, weil es sich bei Extavia nicht um einen biotechnologisch erzeugten, protein-basierten Nachahmer-Arzneistoff handle, der nach Ablauf der Patentzeit eines Originalwirkstoffs zugelassen werde.

3.1. Die VO-EKO enthalte keine eigenen Regeln für "Co-Marketing". Das bedeute aber nicht, dass der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger nicht nachvollziehbar entschieden hätte, indem er sich an die Regeln für wirkstoffgleiche Nachfolgeprodukte gehalten habe. Extavia weise - wie unbestritten sei - den gleichen Wirkstoff, die gleiche Wirkstoffstärke und die gleiche Darreichungsform auf wie bereits eine im Erstattungskodex angeführte Arzneispezialität. Es handle sich daher um ein "wirkstoffgleiches Nachfolgeprodukt" iSd § 351c Abs 10 ASVG. Darunter fielen auch wirkstoffgleiche Produkte, die in Betreff ihrer Herstellung und der Antragstellung zur Aufnahme in den Erstattungskodex einem anderen Produkt zeitlich nachfolgen und daher vom Gesetzgeber als Nachfolgeprodukt bezeichnet werden.

3.2. Aufgrund der Feststellung, dass Extavia

verglichen mit Betaferon ein wirkstoffgleiches Nachfolgeprodukt sei, könne nur die Bestimmung des § 24 Abs 2 Z 1 VO-EKO zur Anwendung gelangen (kein zusätzlicher therapeutischer Nutzen der beantragten Arzneispezialität für Patienten im Vergleich zu den im Rahmen der pharmakologischen Evaluation festgelegten Arzneispezialität). Für die letztlich vor Aufnahme in den Erstattungskodex durchzuführende gesundheitsökonomische Evaluation sehe § 25 Abs 2 Z 1 lita VO-EKO die Wirtschaftlichkeit eines wirkstoffgleichen Nachfolgeproduktes als gegeben an, wenn der Preis um mindestens 48 % unter dem bereits im Erstattungskodex gelisteten Originalprodukt liege. Diese Vorgabe sei mit der von der beschwerdeführenden Partei beantragten Preisgleichheit von Extavia und Betaferon evident nicht erfüllt.

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die

vorliegende, eine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter, der "Freiheit der Erwerbsausübung" und des Rechts auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend machende Beschwerde. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt. Der beteiligte Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger hat eine Äußerung erstattet.

II. Rechtslage

1. Die im Beschwerdefall in Betracht zu ziehenden Bestimmungen des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes - ASVG, BGBl. 189/1955, in der hier maßgeblichen Fassung, lauten auszugsweise:

Gemäß § 31 Abs 3 Z 12 ASVG gehört zu den Aufgaben des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger:

"12. die Herausgabe eines Erstattungskodex der Sozialversicherung für die Abgabe von Arzneispezialitäten auf Rechnung eines Sozialversicherungsträgers im niedergelassenen Bereich; in dieses Verzeichnis sind jene für Österreich zugelassenen, erstattungsfähigen und gesichert lieferbaren Arzneispezialitäten aufzunehmen, die nach den Erfahrungen im In- und Ausland und nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft eine therapeutische Wirkung und einen Nutzen für Patienten und Patientinnen im Sinne der Ziele der Krankenbehandlung (§133 Abs 2) annehmen lassen. Die Arzneispezialitäten sind nach dem anatomisch-therapeutisch-chemischen Klassifikationssystem der Weltgesundheitsorganisation (ATC-Code) zu ordnen. Sie sind im Erstattungskodex jeweils einem der folgenden Bereiche zuzuordnen:

a) Roter Bereich (red box): Dieser Bereich beinhaltet zeitlich befristet jene Arzneispezialitäten, die erstmalig am österreichischen Markt lieferbar sind und für deren Aufnahme in den Erstattungskodex ein Antrag nach § 351c Abs 1 gestellt wurde. Sie unterliegen der ärztlichen Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes der Sozialversicherungsträger nach Maßgabe der Richtlinie nach § 31 Abs 5 Z 13. Zur Wahrung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit darf einem Sozialversicherungsträger für eine Arzneispezialität dieses Bereiches der ermittelte EU-Durchschnittspreis verrechnet werden.

b) Gelber Bereich (yellow box): Dieser Bereich beinhaltet jene Arzneispezialitäten, die einen wesentlichen zusätzlichen therapeutischen Nutzen für Patienten und Patientinnen aufweisen und die aus medizinischen oder gesundheitsökonomischen Gründen nicht in den grünen Bereich aufgenommen werden. Arzneispezialitäten dieses Bereiches unterliegen der ärztlichen Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes der Sozialversicherungsträger nach Maßgabe der Richtlinie nach § 31 Abs 5 Z 13. Bezieht sich die Aufnahme von Arzneispezialitäten in diesen Bereich auch auf bestimmte Verwendungen (zB Gruppen von Krankheiten, ärztliche Fachgruppen, Altersstufen von Patient(inn)en, Mengenbegrenzung oder Darreichungsform), kann die ärztliche Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes durch eine nachfolgende Kontrolle der Einhaltung der bestimmten Verwendung ersetzt werden. Zur Wahrung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit darf einem Sozialversicherungsträger für eine Arzneispezialität dieses Bereiches höchstens der ermittelte EU-Durchschnittspreis verrechnet werden.

c) Grüner Bereich (green box): Dieser Bereich

beinhaltet jene Arzneispezialitäten, deren Abgabe ohne ärztliche Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes der Sozialversicherungsträger auf Grund ärztlicher Verschreibung medizinisch und gesundheitsökonomisch sinnvoll und vertretbar ist. Die Aufnahme von Arzneispezialitäten in diesem Bereich kann sich auch auf bestimmte Verwendungen (zB Gruppen von Krankheiten, ärztliche Fachgruppen, Altersstufen von Patient(inn)en oder Darreichungsform) beziehen.

d) Die Stoffe für magistrale Zubereitungen gelten als Teil des grünen Bereiches, es sei denn, sie werden auf Grund einer Empfehlung der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission ausdrücklich im gelben Bereich angeführt.

Arzneispezialitäten und Stoffe für magistrale Zubereitungen können nur dann als Leistung der Krankenbehandlung auf Rechnung eines Sozialversicherungsträgers abgegeben werden, wenn sie im Erstattungskodex angeführt sind (§350). In begründeten Einzelfällen ist die Erstattungsfähigkeit auch dann gegeben, wenn die Arzneispezialität nicht im Erstattungskodex angeführt ist, aber die Behandlung aus zwingenden therapeutische Gründen notwendig ist und damit die Verschreibung in diesen Einzelfällen nicht mit Arzneispezialitäten aus dem Erstattungskodex durchgeführt werden kann. Diese unterliegen der ärztlichen Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes. Die nähere Organisation und das Verfahren zur Herausgabe des Erstattungskodex regelt der Hauptverband in der Verordnung nach § 351g. Er hat dazu als beratendes Gremium eine Heilmittel-Evaluierungs-Kommission einzurichten."

Die §§351c ff. ASVG lauten auszugsweise:

"Erstattungskodex

Aufnahme von Arzneispezialitäten in den Erstattungskodex

§351c. (1) Das vertriebsberechtigte Unternehmen beantragt beim Hauptverband die Aufnahme einer Arzneispezialität in den gelben oder den grünen Bereich des Erstattungskodex. Mit Einlangen des Antrages, mit dem zumindest die Zulassungsnummer und ein Preis bekannt gegeben wird und dem eine Bestätigung der Lieferfähigkeit und eine Bestätigung über die Dauer der Patentlaufzeit angeschlossen ist, wird die Arzneispezialität zeitlich befristet in den roten Bereich aufgenommen. Stellt der Hauptverband innerhalb von 90 Tagen (wird auch über den Preis entschieden, innerhalb von 180 Tagen) nach Einlangen des Antrages fest, dass die Arzneispezialität nicht in den gelben oder grünen Bereich des Erstattungskodex aufzunehmen ist, so ist sie aus dem roten Bereich des Erstattungskodex zu streichen. Der Hauptverband hat die Änderungen des Erstattungskodex monatlich im Internet kundzumachen.

(2) - (6) [...]

(7) Sonderbestimmungen für den roten Bereich (red box) des Erstattungskodex:

1. Der Preis der Arzneispezialität darf den EU-Durchschnittspreis nicht überschreiten.

2. So lange ein EU-Durchschnittspreis nicht

festgestellt werden kann, ist vorläufig der vom vertriebsberechtigten Unternehmen gemeldete Preis heranzuziehen. Die Preiskommission hat spätestens alle sechs Monate eine Preisevaluierung durchzuführen. Wird dabei festgestellt, dass der vorläufige österreichische Erstattungspreis über dem ermittelten EU-Durchschnittspreis liegt, so hat das vertriebsberechtigte Unternehmen den Differenzbetrag innerhalb von sechs Monaten ab begründeter Aufforderung an die Sozialversicherungsträger zurückzuzahlen.

(8) Sonderbestimmungen für den gelben Bereich (yellow box) des Erstattungskodex: Eine Arzneispezialität kann in den gelben Bereich aufgenommen werden, wenn die Heilmittel-Evaluierungs-Kommission (§351g) eine wesentliche therapeutische Innovation festgestellt hat.

(9) Sonderbestimmungen für den grünen Bereich (green box) des Erstattungskodex:

1. Eine Arzneispezialität wird dann in den grünen Bereich aufgenommen, wenn die Heilmittel-Evaluierungs-Kommission in ihrer Empfehlung eine gleiche oder ähnliche therapeutische Wirkung im Vergleich zu bereits im grünen Bereich vorhandenen Arzneispezialitäten festgestellt hat, und ein ausreichend großer Preisunterschied zu diesen Produkten vereinbart werden kann.

2. Wird für die beantragte Arzneispezialität ein

höherer Preis, als der für die in diesem Bereich angeführten Vergleichspräparate geltende Preis angestrebt, so muss die Heilmittel-Evaluierungs-Kommission in ihrer Empfehlung einen therapeutischen Mehrwert im Vergleich zu Arzneispezialitäten im grünen Bereich feststellen.

(10) Liegt für eine Arzneispezialität ein wirkstoffgleiches Nachfolgeprodukt (Generikum) vor, so gilt zur Wahrung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit Folgendes:

1. Der Hauptverband hat mit dem vertriebsberechtigten Unternehmen des Originalprodukts eine Preisreduktion von 30% zu vereinbaren, womit die Arzneispezialität weiter im Erstattungskodex bleibt. Für die Aufnahme des Generikums in den Erstattungskodex vereinbart der Hauptverband mit dem vertriebsberechtigten Unternehmen einen Preis, der um 25,7% unter dem abgesenkten Preis des Originalprodukts liegt. Alle weiteren Generika werden vom Hauptverband in den Erstattungskodex aufgenommen, wenn ein genügend großer Preisunterschied zum ersten Generikum besteht. Sobald durch ein Generikum eine dritte Preisreduktion erfolgt ist, kann der Hauptverband mit dem vertriebsberechtigten Unternehmen des Originalprodukts eine neuerliche Preisreduktion vereinbaren. Kann eine Einigung nicht erzielt werden, so ist die Arzneispezialität aus dem Erstattungskodex zu streichen.

2. Der Hauptverband kann bei ausgewählten Indikationsgruppen zur Förderung der Verfügbarkeit eines Generikums abweichende Regelungen zur Anwendung bringen.

3. Ist abzusehen, dass bei einer Arzneispezialität trotz rechtlicher Möglichkeit in Österreich kein Generikum vorliegen wird und der Hauptverband mit dem vertriebsberechtigten Unternehmen ab diesem Zeitpunkt keine Preisreduktion vereinbaren kann, so kann der Hauptverband ein Jahr davor den Wirkstoff oder die Wirkstoffklasse auf Empfehlung der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission ausschreiben.

Entscheidung des Hauptverbandes

§351d. (1) Der Hauptverband hat über den Antrag auf Aufnahme in den gelben oder grünen Bereich des Erstattungskodex innerhalb von 90 Tagen (wird auch über den Preis entschieden, innerhalb von 180 Tagen) ab Antragstellung auf Grundlage der Empfehlung der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission zu entscheiden. Der Fristenlauf wird gehemmt, wenn die vom vertriebsberechtigten Unternehmen vorzulegenden Unterlagen (zB Studien, Gutachten usw.) nicht, nicht vollständig oder nicht in der aktuellen Fassung vorgelegt werden. Bei der Entscheidung über die Aufnahme in den Erstattungskodex sind für alle Arzneispezialitäten dieselben Prüfmaßstäbe anzulegen.

(2) Der Hauptverband hat seine Entscheidung nur dann zu begründen, wenn dem Antrag nicht stattgegeben wird. Der Antragsteller ist über die Möglichkeit der Beschwerde an die Unabhängige Heilmittelkommission sowie über die Rechtsmittelfristen nach § 351i Abs 3 zu belehren.

(3) Ist ein Verfahren abgeschlossen, so ist der Hauptverband zur Entscheidung über einen neuerlichen Antrag hinsichtlich ein und derselben Arzneispezialität erst dann verpflichtet, wenn das vertriebsberechtigte Unternehmen dem Hauptverband das Vorliegen wesentlicher neuer Erkenntnisse nachweist."

"Streichung aus dem Erstattungskodex

§351f. (1) Der Hauptverband hat den Erstattungskodex regelmäßig daraufhin zu überprüfen, ob die angeführten Arzneispezialitäten den Prüfmaßstäben nach den §§31 Abs 3 Z 12 und 351c entsprechen. Er hat eine Arzneispezialität aus dem Erstattungskodex zu streichen, in einen anderen Bereich zu übernehmen oder die Anführung auf bestimmte Verwendungen einzuschränken, wenn die Voraussetzungen für die Aufnahme nicht oder nur mehr für bestimmte Verwendungen erfüllt sind, insbesondere weil neue pharmakologische oder medizinisch-therapeutische oder gesundheitsökonomische Umstände eingetreten sind. Der Hauptverband hat vor der Entscheidung, eine Arzneispezialität aus dem Erstattungskodex zu streichen oder in einen anderen Bereich zu übernehmen, dem vertriebsberechtigten Unternehmen Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 30 Tagen zu geben. Das vertriebsberechtigte Unternehmen legt dem Hauptverband auf Verlangen binnen 60 Tagen jene Unterlagen vor, die geeignet sind, die Zweifel aus pharmakologischer oder medizinisch-therapeutischer oder gesundheitsökonomischer Sicht auszuräumen. Allfällige Kosten für die Erstellung diesbezüglicher Gutachten oder Studien trägt das vertriebsberechtigte Unternehmen.

(2) Das Bundesministerium für Gesundheit und Frauen hat jede Aufhebung der Zulassung einer Arzneispezialität dem Hauptverband mitzuteilen. Die Arzneispezialität ist unverzüglich aus dem Erstattungskodex zu streichen."

"Verordnungsermächtigung, Werbeverbot

§351g. (1) Die nähere Organisation zur Aufnahme einer Arzneispezialität und das Verfahren zur Herausgabe des Erstattungskodex regelt der Hauptverband durch Verordnung, die der Genehmigung der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen bedarf. Vor Genehmigung hat eine Anhörung der Wirtschaftskammer Österreich zu erfolgen. Diese Verfahrensordnung hat insbesondere Zahl, Qualität und Form der vorzulegenden Unterlagen festzulegen und Regeln darüber zu enthalten, in welchen Fällen weiterführende Studien notwendig sind. Die Verordnung ist vom Hauptverband im Internet kundzumachen.

(2) In der Verordnung nach Abs 1 wird das Verfahren der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission geregelt. Dieser Kommission sind alle Anträge auf Aufnahme (einschließlich aller Änderungen) einer Arzneispezialität in den Erstattungskodex vorzulegen. Diese Kommission ist auch anzuhören, wenn der Hauptverband von sich aus eine Veränderung im Erstattungskodex beabsichtigt. Die Kommission hat dem Hauptverband insbesondere zu empfehlen,

1. ob und für welche Indikationen und Gruppen von Patienten und Patientinnen ein wesentlicher zusätzlicher therapeutischer Nutzen einer Arzneispezialität vorliegt und wie dieser ökonomisch bewertet werden kann, damit die Arzneispezialität in den gelben Bereich aufgenommen werden oder dort verbleiben kann,

2. ob und welcher therapeutische Mehrwert

(Zusatznutzen für Patienten und Patientinnen) einer Arzneispezialität vorliegt und wie dieser ökonomisch bewertet werden kann, damit die Arzneispezialität in den grünen Bereich aufgenommen werden oder dort verbleiben kann,

3. ob im Sinne einer sicheren und wirtschaftlichen Versorgung der Patienten und Patientinnen ein Vergabeverfahren für Wirkstoffe oder Wirkstoffgruppen eingeleitet werden sollte, um günstigere Bedingungen für die Heilmittelerstattung zu erreichen (zB wenn das Preisband zu breit oder keine Nachfolge durch ein Generikum möglich ist) und

4. bei welchen medizinischen Bedürfnissen und epidemiologischen Notwendigkeiten die ärztliche Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes der Sozialversicherungsträger angewendet werden sollte.

Die Empfehlungen der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission haben die Kriterien der Wissenschaft, der Transparenz und der gesundheitsökonomischen Bewertungen zu entsprechen.

(3) Der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission gehören zehn Vertreter der Sozialversicherung, drei unabhängige Vertreter der Wissenschaft aus einschlägigen Fachrichtungen (Pharmakologen und Mediziner von Universitätsinstituten), je zwei Vertreter der Wirtschaftskammer Österreich, der Bundesarbeitskammer und der Österreichischen Ärztekammer sowie ein Vertreter der Österreichischen Apothekerkammer an. Weiters gehört der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission eine Vertreterin/ein Vertreter der Bundesländer an, mit der/dem Empfehlungen, ob neue Arzneispezialitäten intra- und/oder extramural verabreicht werden können, abzustimmen sind, ohne dass sich die Mehrheitsverhältnisse in der Kommission dadurch ändern.

(4) Der Hauptverband hat durch Verordnung

pauschalierte Kostenersätze für die Kosten der Verfahren nach den §§351c Abs 1 und 351e festzusetzen. Die Höhe der pauschalierten Kostenersätze hat sich nach den Kosten eines durchschnittlichen Verfahrens zu richten, wobei jedenfalls zwischen Verfahren zur Aufnahme einer Arzneispezialität in den Erstattungskodex und Verfahren zur Änderung der Verschreibbarkeit oder zur Preiserhöhung der im Erstattungskodex angeführten Arzneispezialitäten zu unterscheiden ist. Die Antragsteller/Antragstellerinnen haben die Kostenersätze gleichzeitig mit der Antragstellung an den Hauptverband zu entrichten, anderenfalls der Antrag als unvollständig gilt. Die Verordnung ist im Internet zu veröffentlichen.

(5) Für die im Erstattungskodex angeführten Arzneispezialitäten, insbesondere für rezeptfreie Produkte, ist jegliche Werbung, die für die Verbraucher/innen bestimmt ist, zu unterlassen; ausgenommen von diesem Werbeverbot sind rezeptfreie Arzneispezialitäten, die vom Hauptverband von sich aus (§351c Abs 5) gegen den Willen des vertriebsberechtigten Unternehmens in den Erstattungskodex aufgenommen wurden."

"Einrichtung und Zusammensetzung der Unabhängigen Heilmittelkommission

§351h. (1) Zur Überprüfung der Entscheidungen des Hauptverbandes über die Aufnahme von Arzneispezialitäten in den Erstattungskodex ist beim Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen eine Unabhängige Heilmittelkommission einzurichten.

(2) Die Unabhängige Heilmittelkommission besteht aus einem Richter (einer Richterin) des Obersten Gerichtshofes oder eines Oberlandesgerichtes als Vorsitzendem (als Vorsitzender) und sieben BeisitzerInnen. Die Mitglieder werden jeweils für eine Amtsdauer von fünf Jahren bestellt. Sachverhalte, die ein Naheverhältnis zur Sozial- oder Privatversicherung oder zu Pharmaunternehmen begründen könnten, sind vor der Bestellung sowie nach ihrem Eintreten gegenüber dem Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen und den nach Abs 3 vorschlagsberechtigten Stellen offen zu legen. Wer befangen ist, hat sich im konkreten Verfahren jeglicher Tätigkeit zu enthalten.

(3) Der (die) Vorsitzende der Unabhängigen Heilmittelkommission wird vom Bundesminister für Justiz bestellt. Als Beisitzer(innen) gehören der Unabhängigen Heilmittelkommission jeweils ein(e) von den nachfolgenden Organisationen vorgeschlagene(r) Vertreter(in) an:

1. Österreichische Pharmakologische Gesellschaft,

2. Österreichische Ärztekammer,

3. Österreichische Apothekerkammer,

4. Wirtschaftskammer Österreich,

5. Gesundheit Österreich GmbH,

6. Bundesarbeitskammer,

7. Hauptverband.

Die Beisitzer(innen) sowie jeweils ein(e) Stellvertreter(in) werden von der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen bestellt und haben über die erforderlichen Zeitressourcen zur Ausübung ihres Amtes zu verfügen.

(4) Für den (die) Vorsitzende(n) und die BeisitzerInnen sind gleichzeitig mit ihrer Bestellung und auf dieselbe Weise Stellvertreter(innen) zu bestellen. Der (die) jeweilige Stellvertreter(in) hat das Mitglied der Unabhängigen Heilmittelkommission, zu dessen Vertretung er (sie) bestellt wurde, zu vertreten, wenn dieses an der Ausübung seiner Funktion in der Unabhängigen Heilmittelkommission verhindert ist.

(5) Die Mitglieder der Unabhängigen Heilmittelkommission und ihre Stellvertreter(innen) sind in Ausübung ihres Amtes unabhängig und weisungsfrei; sie sind zur Amtsverschwiegenheit verpflichtet. Entscheidungen der Unabhängigen Heilmittelkommission unterliegen weder der Aufhebung noch der Änderung im Verwaltungsweg.

(6) Ein Mitglied der Unabhängigen Heilmittelkommission ist vom bestellenden Bundesminister seines Amtes zu entheben, wenn die Bestellungsvoraussetzungen nach Abs 2 nicht mehr vorliegen oder wenn das Mitglied

1. dies beantragt oder

2. seine Pflichten nicht erfüllt oder nicht in der Lage ist, seine Pflichten zu erfüllen."

"Aufgaben der Unabhängigen Heilmittelkommission

§351i. (1) Die Unabhängige Heilmittelkommission entscheidet

1. über Beschwerden des Antragstellers,

a) dessen Antrag auf Aufnahme einer Arzneispezialität in den gelben oder grünen Bereich des Erstattungskodex (teilweise) abgelehnt wurde oder

b) über dessen Antrag nicht fristgerecht (§351d Abs 1) entschieden wurde;

2. über Beschwerden des vertriebsberechtigten Unternehmens, dessen Arzneispezialität aus dem Erstattungskodex gestrichen werden soll.

(2) Die Unabhängige Heilmittelkommission entscheidet auch über Beschwerden des vertriebsberechtigten Unternehmens gegen Entscheidungen des Hauptverbandes, mit denen Forderungen nach einer Änderung der Verschreibbarkeit oder nach einer Preiserhöhung von Arzneispezialitäten abgelehnt wurden, oder wenn über diese Forderungen nicht fristgerecht (§351d Abs 1) entschieden wurde.

(3) - (5) [...]

(6) Die Unabhängige Heilmittelkommission ist beschlussfähig, wenn der (die) Vorsitzende und mindestens vier andere Mitglieder anwesend sind. Sie trifft ihre Entscheidungen mit einfacher Stimmenmehrheit. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des (der) Vorsitzenden oder seines (ihres) Stellvertreters (ihrer/seiner Stellvertreterin) den Ausschlag."

2. §§23-25 der vom Hauptverband der Sozialversicherungsträger erlassenen Verfahrensordnung zur Herausgabe des Erstattungskodex nach § 351g ASVG - VO-EKO, Verlautbarung 106/2008, lauten auszugsweise folgendermaßen:

"Pharmakologische Evaluation

§23. (1) Ziel der pharmakologischen Evaluation ist:

1. Die Zuordnung und Bewertung der beantragten Arzneispezialität aus pharmakologischer Sicht im Kontext der verfügbaren therapeutischen Alternativen,

2. Die Festlegung der therapeutischen Alternativen und deren Dosierung als Grundlage für die medizinisch-therapeutische Evaluation. Soweit zweckmäßig sind dabei therapeutische Alternativen mit der gleichen oder praktisch gleichen Darreichungsform auf Basis der vierten Ebene des ATC-Codes festzulegen.

(2) Der Innovationsgrad der beantragten Arzneispezialität ist dabei wie folgt festzulegen:

1. Die beantragte Arzneispezialität hat den gleichen Wirkstoff, die gleiche Wirkstoffstärke und die gleiche oder praktisch gleiche Darreichungsform wie bereits eine oder mehrere im Erstattungskodex angeführte Arzneispezialitäten (wirkstoffgleiches Nachfolgeprodukt).

2. Die beantragte Arzneispezialität hat den gleichen Wirkstoff, die gleiche oder praktisch gleiche Darreichungsform wie bereits eine oder mehrere im Erstattungskodex angeführte Arzneispezialitäten, jedoch eine neue Wirkstoffstärke.

3. Die beantragte Arzneispezialität hat eine neue Kombination von Wirkstoffen, die bereits im Erstattungskodex angeführt sind.

4. Bei der beantragten Arzneispezialität handelt es sich um eine neue Darreichungsform eines im Erstattungskodex angeführten Wirkstoffes oder einer im Erstattungskodex angeführten Wirkstoffkombination.

5. Die beantragte Arzneispezialität hat einen neuen Wirkstoff einer im Erstattungskodex angeführten Wirkstoffgruppe mit einheitlich definiertem Wirkprinzip.

6. Die beantragte Arzneispezialität hat einen neuen Wirkstoff mit einem neuen Wirkprinzip zur Behandlung einer Erkrankung, zu deren Behandlung bereits Arzneispezialitäten im Erstattungskodex angeführt sind.

7. Mit der beantragten Arzneispezialität ist die erstmalige medikamentöse Behandlung einer Erkrankung möglich, welche bisher nichtmedikamentös behandelt wurde.

8. Mit der beantragten Arzneispezialität ist die erstmalige Behandlung einer Erkrankung möglich.

Medizinisch-therapeutische Evaluation

§24. (1) Ziel der medizinisch-therapeutischen

Evaluation ist:

1. Die Festlegung und Quantifizierung der Gruppen von Patienten/Patientinnen, die für die Behandlung mit der beantragten Arzneispezialität in Frage kommt,

2. Die Festlegung und Quantifizierung des Nutzens für Patienten/Patientinnen durch die Behandlung mit der beantragten Arzneispezialität im Vergleich zu den therapeutischen Alternativen (§23 Abs 1),

3. Die Überprüfung und Festlegung der Validität der medizinisch-therapeutischen Angaben bei vorgelegten pharmakoökonomischen Studien.

(2) Die beantragte Arzneispezialität ist dabei im Rahmen einer Gesamtbetrachtung einer der folgenden Gruppen zuzuordnen:

1. Die beantragte Arzneispezialität hat keinen zusätzlichen therapeutischen Nutzen für Patienten/Patientinnen im Vergleich zu den im Rahmen der pharmakologischen Evaluation festgelegten Arzneispezialitäten (§23 Abs 1), weil es sich um ein wirkstoffgleiches Nachfolgeprodukt gemäß § 23 Abs 2 Z 1 handelt.

2. Die beantragte Arzneispezialität ist eine weitere Therapieoption mit gleichem oder ähnlichem therapeutischen Nutzen für Patienten/Patientinnen im Vergleich zu den im Rahmen der pharmakologischen Evaluation festgelegten Arzneispezialitäten (§23 Abs 1).

3. Die beantragte Arzneispezialität hat einen zusätzlichen therapeutischen Nutzen für eine Untergruppe von Patienten/Patientinnen, welche für die Behandlung mit dem beantragten Mittel in Frage kommen, im Vergleich zu therapeutischen Alternativen (§23 Abs 1).

4. Die beantragte Arzneispezialität hat einen zusätzlichen therapeutischen Nutzen für die Mehrzahl der Patienten/Patientinnen, welche für die Behandlung mit dem beantragten Mittel in Frage kommen, im Vergleich zu therapeutischen Alternativen (§23 Abs 1).

5. Die beantragte Arzneispezialität hat einen wesentlichen zusätzlichen therapeutischen Nutzen für eine Untergruppe von Patienten/Patientinnen, welche für die Behandlung mit dem beantragten Mittel in Frage kommen, im Vergleich zu therapeutischen Alternativen (§23 Abs 1).

6. Die beantragte Arzneispezialität hat einen wesentlichen zusätzlichen therapeutischen Nutzen für die Mehrzahl der Patienten/Patientinnen, welche für die Behandlung mit dem beantragten Mittel in Frage kommen, im Vergleich zu therapeutischen Alternativen (§23 Abs 1).

(3) Bei der medizinisch-therapeutischen Evaluation ist auf die interne und externe Validität der Evidenz, welche den therapeutischen Nutzen für Patienten/Patientinnen belegen soll, Bedacht zu nehmen. [...]

Gesundheitsökonomische Evaluation

§25. (1) Ziel der gesundheitsökonomischen Evaluation ist die Beurteilung der beantragten Arzneispezialität im Hinblick auf eine ökonomische Krankenbehandlung im Kontext der verfügbaren therapeutischen Alternativen. Diese Evaluation basiert auf dem Ergebnis der medizinisch-therapeutischen Evaluation (§24). Dabei ist zu berücksichtigen, ob das Kosten-/Nutzenverhältnis der beantragten Arzneispezialität in Österreich gesundheitsökonomisch nachvollziehbar und vertretbar ist. Bei der Evaluation des Kosten-/Nutzenverhältnisses sind die direkten Kosten der Pflichtleistungen der Sozialversicherungsträger der Krankenbehandlung (Ärztliche Hilfe, Heilmittel, Heilbehelfe), der Anstaltspflege (auf Basis der LKF-Punkte) sowie der medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation auf Basis der tatsächlich verrechneten Preise anzusetzen, allfällige Kostenbeteiligungen der Patienten/Patientinnen (insbesondere Selbstbehalte, Rezeptgebühr oder Behandlungsbeitrag) sind außer Ansatz zu lassen.

(2) Für die Aufnahme in den Grünen Bereich des Erstattungskodex ist wie folgt von der Wirtschaftlichkeit auszugehen:

1. Bei der Fallgruppe nach § 24 Abs 2 Z 1 ist von der Wirtschaftlichkeit auszugehen, wenn die Voraussetzungen nach § 351c Abs 10 Z 1 ASVG iVm § 609 Abs 20 ASVG gegeben sind. Maßgeblich für die Feststellung der Reihenfolge ist der Zeitpunkt der Aufnahme in den Grünen Bereich; dabei sind die Anträge nach Möglichkeit in der Reihenfolge ihrer Vollständigkeit zu erledigen.

a) Die Wirtschaftlichkeit des ersten

wirkstoffgleichen Nachfolgeproduktes ist somit gegeben, wenn der Preis im Jahr 2004 um mindestens 44,0 %, im Jahr 2005 um mindestens 46,0 %, ab dem Jahr 2006 um mindestens 48,0 % unter dem Preis des im Grünen Bereich angeführten Originalproduktes liegt. Die Wirtschaftlichkeit des zweiten und jedes weiteren wirkstoffgleichen Nachfolgeproduktes ist somit gegeben, wenn ein genügend großer Preisunterschied zum jeweils zuletzt aufgenommenen Nachfolgeprodukt gegeben ist.

b) Die Wirtschaftlichkeit des im Grünen Bereich angeführten Originalproduktes ist dann gegeben, wenn der Preis spätestens drei Monate nach der Aufnahme des ersten wirkstoffgleichen Nachfolgeproduktes um mindestens 30,0 % gesenkt wird. Spätestens drei Monate nach Aufnahme des dritten wirkstoffgleichen Nachfolgeproduktes, ist der Preis des im Grünen Bereich angeführten Originalproduktes neuerlich zu senken, damit die Wirtschaftlichkeit gegeben ist. Kann eine Einigung nicht erzielt werden, so ist die Arzneispezialität aus dem Erstattungskodex zu streichen.

c) Gemäß § 351c Abs 10 Z 2 ASVG kann der Hauptverband zur Förderung der Verfügbarkeit von wirkstoffgleichen Nachfolgeprodukten auf Empfehlung der HEK für bestimmte Wirkstoffe abweichende Regelungen anwenden, um das finanzielle Gleichgewicht der sozialen Krankenversicherungsträger zu gewährleisten.

2. Bei der Fallgruppe nach § 24 Abs 2 Z 2 ist von der Wirtschaftlichkeit auszugehen, wenn die Behandlungskosten mit der beantragten Arzneispezialität ausreichend unter den vergleichbaren Behandlungskosten mit dem im Grünen Bereich angeführten günstigsten vergleichbaren Arzneispezialität liegen (§351c Abs 9 Z 1 ASVG).

3. Bei der Fallgruppe nach § 24 Abs 2 Z 3 ist von der Wirtschaftlichkeit auszugehen, wenn die Behandlungskosten mit der beantragten Arzneispezialität im geringen Ausmaß über den vergleichbaren Behandlungskosten mit der im Grünen Bereich angeführten günstigsten vergleichbaren Arzneispezialität liegen (§351c Abs 9 Z 2 ASVG).

4. Bei der Fallgruppe nach § 24 Abs 2 Z 4 ist von der Wirtschaftlichkeit auszugehen, wenn die Behandlungskosten mit der beantragten Arzneispezialität angemessen über den vergleichbaren Behandlungskosten mit der im Grünen Bereich angeführten günstigsten vergleichbaren Arzneispezialität liegen (§351c Abs 9 Z 2 ASVG).

5. Bei der Fallgruppe nach § 24 Abs 2 Z 5 und 6 ist von der Wirtschaftlichkeit auszugehen, wenn deren Abgabe ohne ärztliche Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes der Sozialversicherungsträger gesundheitsökonomisch sinnvoll und vertretbar ist, insbesondere im Hinblick auf das zu erwartende Kosten/Nutzenverhältnis für die definierte Gruppe von Patienten/Patientinnen (§351c Abs 9 Z 2 ASVG). Dies ist vom antragstellenden Unternehmen anhand einer pharmakoökonomischen Studie nachzuweisen. Der Hauptverband kann bei Offensichtlichkeit auf die Vorlage der pharmakoökonomischen Studie durch das antragstellende Unternehmen vorläufig verzichten.

(3) - (6) [...]"

III. Erwägungen

Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Die beschwerdeführende Partei wendet sich zunächst mit der Behauptung der Verletzung im Recht auf den gesetzlichen Richter gegen die kollegiale Zusammensetzung der belangten Behörde, und zwar mit der Begründung, es habe an der Entscheidung mit dem Leiter der Abteilung "EBM/HTA" ("Evidence Based Medicine" bzw. "Health Technology Assessment") des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger ein befangener Organwalter mitgewirkt.

2. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird insbesondere dann verletzt, wenn eine an sich zuständige, aber nicht dem Gesetz entsprechend zusammengesetzte Kollegialbehörde entschieden hat (zB VfSlg. 10.022/1984, 14.731/1997, 15.588/1999, 15.668/1999, 15.731/2000 und 16.572/2002). Im Hinblick auf ihr diesbezügliches Vorbringen verkennt die beschwerdeführende Partei, dass selbst die Mitwirkung eines befangenen Organwalters keine Verletzung dieses Rechts bewirken würde (s. etwa VfSlg. 16.467/2002, 16.959/2003).

Auch wenn das Beschwerdevorbringen dahin gehend

gedeutet wird, dass damit eine Verletzung der Garantien des Art 6 EMRK geltend gemacht werden sollte, so ist auch eine solche aus folgenden Erwägungen nicht zu erkennen:

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat die Unabhängige Heilmittelkommission bereits in seinem Erkenntnis VfSlg. 17.686/2005 (diesem folgend VfSlg. 17.701/2005) als Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag iSd Art 133 Z 4 B-VG und als Tribunal iSd Art 6 EMRK qualifiziert. Der Gerichtshof hält an dieser Rechtsprechung weiterhin fest.

2.2. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. zB VfSlg. 9887/1983, 11.912/1988 uva.) lässt sich allein aus der gesetzlich vorgeschriebenen Mitwirkung sogenannter Interessenvertreter an der Entscheidung eine - auch nur scheinbare - Abhängigkeit von den Streitparteien nicht ableiten: Die weisungsfreien Interessenvertreter, die in einer Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag im Sinne des Art 133 Z 4 B-VG vertreten sind, fungieren keinesfalls als persönliches Sprachrohr der einen oder anderen Partei; sie sollen vielmehr sachliche Gesichtspunkte in den Entscheidungsvorgang einbringen, die sich aus ihrer jeweiligen Berufsstellung ergeben. Ein Verstoß gegen die geforderte Unparteilichkeit könnte, wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg. 12.470/1990 mit näherer Begründung ausgesprochen hat, nur in besonderen Umständen liegen, die sich aus einer dienstlichen oder organisatorischen Abhängigkeit der bestellten Kommissionsmitglieder ergeben.

2.3. Der Verfassungsgerichtshof hat sich mit dem auch im vorliegenden Verfahren erhobenen Einwand betreffend das oben erwähnte Mitglied der belangten Behörde in seinem Erkenntnis vom , B970/09, unter Einbeziehung einschlägiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bereits eingehend auseinandergesetzt und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass allein aus der dienstrechtlichen Stellung als Abteilungsleiter des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger keine Befangenheit bei der Mitwirkung an der Rechtsfindung der belangten Behörde abzuleiten ist. Gegen die konkrete Zusammensetzung der belangten Behörde sind daher in Bezug auf Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit ihrer Mitglieder keine Bedenken entstanden.

2.4. Auch im vorliegenden Fall wird - abgesehen von der Darlegung der organisationsrechtlichen Stellung des betreffenden Mitgliedes der belangten Behörde und der daraus abgeleiteten Bedenken - kein weiterer Umstand geltend gemacht, der im vorliegenden Verfahren zu Zweifeln an der Unparteilichkeit der belangten Behörde Anlass geben könnte.

2.5. Die behauptete Rechtsverletzung liegt daher

nicht vor.

3. In der Sache greift die beschwerdeführende Partei den angefochtenen Bescheid auf zwei Argumentationsebenen an:

Sie erblickt einen Verstoß gegen das Grundrecht auf Erwerbsfreiheit darin, dass die belangte Behörde bei der Entscheidung über die Streichung aus dem Erstattungskodex den Begriff "wirkstoffgleiches Nachfolgeprodukt" - wie er in mehreren Bestimmungen der VO-EKO verwendet wird und für die Lösung des vorliegenden Falles durch die belangte Behörde maßgebend gewesen ist - im Hinblick auf § 351c Abs 10 Satz 1 ASVG gesetzwidrig interpretiert habe. Für den Fall, dass die Verordnung aber eine andere Interpretation nicht zulasse, sei sie gesetzwidrig. Einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz erblickt die beschwerdeführende Partei in ihrer zweiten Argumentationslinie darin, dass die belangte Behörde der Verordnung einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstelle, wenn sie wirkstoffgleiche Nachfolgeprodukte und Generika einerseits und "vollständig identische Arzneispezialitäten [...] erstattungsrechtlich" gleich behandle. Derartige Produkte, wie sie in Fällen des "Co-Marketings" vorkämen, seien von den Bestimmungen der Verordnung in gesetzeskonformer Auslegung nicht erfasst.

4. Die beschwerdeführende Partei ist mit ihrer Auffassung nicht im Recht:

4.1. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.413/1985, 14.842/1997, 15.326/1998 und 16.488/2002) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

4.2. Gemeinsame Prämisse beider Argumentationslinien der beschwerdeführenden Partei ist die Rechtsauffassung, dass es § 351c Abs 10 ASVG, der die gesetzliche Grundlage der hier anzuwendenden Verordnungsbestimmungen darstellt, ausschließe, ein vollkommen baugleiches Arzneimittel, das vom Hersteller und Patentinhaber des "Originals" zB aus Gründen des "Co-Marketings" unter einem anderen Markennamen auf den Markt gebracht wird, unter die Begriffe "wirkstoffgleiches Nachfolgeprodukt" bzw. "Generikum" zu subsumieren.

a) Gemäß § 1 Abs 19 Arzneimittelgesetz, BGBl. 185/1983 idF BGBl. I 146/2009, ist ein "Generikum" ein "Arzneimittel, das die gleiche qualitative und quantitative Zusammensetzung aus Wirkstoffen und die gleiche Darreichungsform wie das Referenzarzneimittel aufweist und dessen Bioäquivalenz mit dem Referenzarzneimittel durch geeignete Bioverfügbarkeitsstudien nachgewiesen wurde." Gemäß § 1 Abs 20 Arzneimittelgesetz ist "Referenzarzneimittel" eine in Österreich oder in einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zugelassene Arzneispezialität.

b) Ein Generikum erfordert also die gleiche

qualitative und quantitative Zusammensetzung aus Wirkstoffen und die gleiche Darreichungsform wie das Referenzarzneimittel und muss zu diesem bioäquivalent sein, also dieselbe medizinische Wirkung wie das Original entfalten.

4.3. Die im Gesetz und in der Verfahrensordnung

- auch in Umsetzung der Richtlinie 89/105/EWG - vorgesehenen Anforderungen für die Aufnahme einer Arzneispezialität in den Erstattungskodex dienen - gemeinsam mit anderen Preisregelungsvorschriften auf diesem Gebiet (vgl. zu diesen erneut ua.) - dem Ziel der "Gewährleistung einer adäquaten Versorgung mit Arzneimitteln zu angemessenen Kosten" sowie einer "Einschränkung der Palette der Erzeugnisse, die vom staatlichen Krankenversicherungssystem gedeckt werden" (vgl. die Erwägungsgründe der erwähnten RL) bzw. - in den verba legalia des § 25 Abs 1 der VO-EKO - dem Ziel einer ökonomischen Krankenbehandlung im Kontext der verfügbaren therapeutischen Alternativen bei Wahrung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit (vgl. § 31 Abs 12 lita und b ASVG). Mit den Vorschriften der §§351c ff. ASVG hat der Gesetzgeber unmissverständlich den für den Erstattungskodex tragenden Grundsatz zum Ausdruck gebracht, dass eine Arzneispezialität nur dann in den Erstattungskodex aufgenommen werden soll, wenn sie entweder einen medizinischen oder zumindest einen ökonomischen Zusatznutzen gegenüber anderen im Erstattungskodex angeführten Arzneispezialitäten aufweist.

4.4. Besondere Preisregelungsvorschriften (zu deren verfassungsrechtlicher Unbedenklichkeit vgl. erneut ), bei denen der ökonomische Vorteil für das System der sozialen Sicherheit als Bedingung für die Aufnahme in den Erstattungskodex im Vordergrund steht, gelten daher für Arzneispezialitäten, die nicht nur keinen therapeutischen Zusatznutzen erbringen, sondern darüber hinaus einem im Erstattungskodex befindlichen Referenzarzneimittel bioäquivalent sind, wobei es das Gesetz in § 351c Abs 10 ASVG für die Anwendung dieser schärferen Preisregelungsvorschriften genügen lässt, dass es sich um ein wirkstoffgleiches (also nicht notwendigerweise bauidentes) Nachfolgeprodukt im Sinne der arzneimittelrechtlichen Vorschriften handelt.

4.5. Es ist daher vor diesem rechtlichen Hintergrund und den vom Gesetz verfolgten Zielen nicht denkunmöglich, wenn die belangte Behörde eine Arzneispezialität, die mit einem bereits im Erstattungskodex befindlichen Arzneimittel jedenfalls wirkstoffgleich (wenngleich darüber hinaus sogar bauident) ist, ungeachtet dessen den Regelungen über wirkstoffgleiche "Nachfolgeprodukte" unterworfen hat, dass es sich um ein Nachfolgeprodukt des Patentinhabers selbst handelt. Ob auf das hier in Rede stehende Produkt auch die Bezeichnung "Generikum" im strengsten Sinne der in den einschlägigen Fachkreisen verwendeten Wortbedeutung zutrifft, kann daher dahingestellt bleiben. Denn auch die Gesetzesmaterialien zu § 351c Abs 10 idF des 2. SVÄG 2003, BGBl. I 145/2003 (316 BlgNR XXII. GP 5) bestätigen, dass der Gesetzgeber zum Zwecke einer Preisreduktion des "Originals" vor allem das Vorliegen eines wirkstoffgleichen Nachfolgeprodukts als ausreichend im Auge hatte. Im Übrigen ist zu bemerken, dass die Legaldefinition "Generikum" in § 1 Abs 19 Arzneimittelgesetz erst im Jahr 2005 (BGBl. I 153/2005) eingefügt wurde.

5. Die Prämisse der beschwerdeführenden Partei, die Verordnungsinterpretation durch die belangte Behörde oder die Verordnung selbst seien in § 351c ASVG nicht gedeckt, trifft daher nicht zu, weshalb die beschwerdeführende Partei auch nicht in ihrem Grundrecht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt wurde. Aus dem Gesagten ergibt sich ferner, dass die beschwerdeführende Partei schon deshalb auch nicht im - ebenfalls von ihr geltend gemachten - verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Erwerbsfreiheit verletzt wurde.

IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

1. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

2. Das Beschwerdeverfahren hat auch nicht ergeben, dass die beschwerdeführende Partei in einem von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden wäre; ebenso wenig entstanden - aus der Sicht dieser Beschwerdesache - verfassungsrechtliche Bedenken gegen die dem bekämpften Bescheid zugrunde liegenden Rechtsvorschriften. Die beschwerdeführende Partei wurde mithin auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt.

3. Ob der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art 133 Z 4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. zB VfSlg. 10.659/1985, 12.915/1991, 14.408/1996, 16.570/2002 und 16.795/2003).

4. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.