VfGH vom 13.12.1995, B282/95

VfGH vom 13.12.1995, B282/95

Sammlungsnummer

14394

Leitsatz

Aufhebung eines Bescheides der Aufsichtsbehörde hinsichtlich Vorlage von Beschlüssen der Ärztekammern wegen denkunmöglicher Gesetzesanwendung aufgrund zu weitgehender Auslegung des Aufsichtsrechtes

Spruch

Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Kärnten ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit S 18.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Schreiben vom forderte die Kärntner Landesregierung die Ärztekammer für Kärnten auf, sämtliche Beschlüsse ihrer Organe vorzulegen. Der Vorstand der Ärztekammer für Kärnten faßte daraufhin am den Beschluß, dieser Aufforderung nicht nachzukommen. Dieser Beschluß wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Kärntner Landesregierung vom in Ausübung ihres Aufsichtsrechts aufgehoben.

Dies wurde im wesentlichen wie folgt begründet:

"Die Voraussetzung jeder Staatsaufsicht über Selbstverwaltungskörper bildet die Möglichkeit der Aufsichtsbehörde, sich Kenntnis von der konkreten Besorgung der Selbstverwaltungsaufgaben durch die Kammerorgane und zwar durch sämtliche Kammerorgane zu verschaffen. Ihr Ziel ist es, die Bindung des Selbstverwaltungskörpers an den - auch für den autonomen Bereich der Selbstverwaltung gültigen - Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art18 B-VG) sicherzustellen.

Um diesem Auftrag nachkommen zu können, muß die die Aufsicht ausübende Behörde Gelegenheit haben, sich Kenntnis von den Umständen zu verschaffen, die den Gegenstand der autonomen Aufgabenbesorgung bilden. Erst wenn dies sichergestellt ist, erhält die Aufsichtsbehörde überhaupt die Gelegenheit, durch entsprechende Aufsichtsmaßnahmen einen mit den Aufsichtszielen im Einklang stehenden Rechtszustand herzustellen. Unterschieden wird innerhalb der Staatsaufsicht daher zwischen Beobachtungs- und Berichtigungsfunktion. Erst beide Funktionen gemeinsam, die in einem komplementären Verhältnis zueinander stehen, machen das Wesen der Staatsaufsicht aus und lassen sich jeweils voneinander nicht trennen.

Aus der einschlägigen Rechtsprechung sowie aus den skizzierten verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen für die Staatsaufsicht über die berufliche Selbstverwaltung folgt, daß sich die Staatsaufsicht auf das gesamte Verwaltungshandeln des Selbstverwaltungskörpers im selbständigen Wirkungsbereich erstreckt. Die Voraussetzung jeder Staatsaufsicht über Selbstverwaltungskörper bildet die Möglichkeit der Aufsichtsbehörde, sich Kenntnis von der konkreten Besorgung der Selbstverwaltungsaufgaben durch die Kammerorgane, und zwar durch sämtliche Kammerorgane, zu verschaffen.

Mit diesem Recht der Aufsichtsbehörde korrespondiert die Pflicht der Ärztekammer für Kärnten, der Aufsichtsbehörde die Beschlüsse sämtlicher Organe der Ärztekammer zur Kenntnis zu bringen.

Dem Wesen der Staatsaufsicht über Selbstverwaltungskörper entsprechend ist die Aufsichtsbehörde zu einer nachprüfenden Rechtskontrolle der Beschlüsse durch Organe der Ärztekammer für Kärnten berechtigt. ...

Mit der Ärztegesetz-Novelle 1994 wurde eine erhebliche Verschärfung der Aufsichtsmechanismen bewirkt, indem nunmehr jeder Verstoß 'gegen bestehende Vorschriften' (d.h. nicht bloß solche gegen das Ärztegesetz) als beachtlich festgelegt wird und daher solche Beschlüsse von der Aufsichtsbehörde aufzuheben sind.

Ebenfalls neu durch die Ärztegesetz-Novelle 1994 in die Bestimmung des § 104 Abs 7 leg.cit. eingefügt wurde aber auch die Regelung, daß die Ärztekammern in den Bundesländern auf Verlangen der zuständigen Aufsichtsbehörde die von ihr bezeichneten Beschlüsse vorzulegen haben. Einer ausdrücklichen Regelung diesbezüglich hätte es gar nicht bedurft, da sich - wie bereits ausgeführt - aus dem Wesen jeder Staatsaufsicht über Selbstverwaltungskörper ergibt, daß die Beschlüsse sämtlicher Organe der Ärztekammer auf Verlangen der Aufsichtsbehörde vorzulegen sind. Durch die Neuregelung des § 104 Abs 7 durch die Ärztegesetz-Novelle 1994 wurde die Möglichkeit geschaffen, Probleme, die sich im Verhältnis zwischen den Aufsichtsbehörden und den beaufsichtigten Kammern hinsichtlich der Übermittlung von Beschlüssen der Kammerorgane in der Vergangenheit ergeben haben, nunmehr durch eine ausdrückliche Regelung zu bereinigen. Der Zweck des zweiten Satzes des § 104 Abs 7 leg.cit. besteht darin, eine Verpflichtung zur Vorlage der Beschlüsse der Kammerorgane nunmehr ausdrücklich zu normieren, ungeachtet dessen, daß sich eine derartige Verpflichtung bereits aus dem Wesen der Staatsaufsicht über die Ärztekammern ergibt.

Der Beschluß des Vorstandes der Ärztekammer für Kärnten vom , nicht sämtliche Beschlüsse der Organe der Ärztekammer der Aufsichtsbehörde zu übermitteln, ist daher eindeutig gesetzeswidrig."

1.2. Dagegen wendet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes geltend gemacht und die Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt wird. Die Beschwerdeführerin bringt hiezu vor:

"1. Verletzung von verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten:

...

Bei beruflichen Selbstverwaltungskörpern ist sohin zwischen dezentralisierter Staatsverwaltung einerseits und Interessensvertretung andererseits zu unterscheiden, wobei gerade im Interessensvertretungsbereich die Aufgaben von jedem Verein besorgt werden können. Diesbezüglich kann nicht gesagt werden, daß der Staat hier Aufgaben übertragen hat, bezüglich derer eine Befehlsgewalt des Staates übertragen werden könnte und sollte (vgl VfSlg Anhang 6/1949).

Adamovich-Funk (Allgemeines Verwaltungsrecht3, Seite 351) führen aus, daß die Träger der beruflichen und wirtschaftlichen Selbstverwaltung als Träger von Aufgaben der Vollziehung tätig sind, die zum Teil dem autonomen, zum Teil auch dem übertragenen Wirkungsbereich zugewiesen sind (Vorschreibung von Beiträgen, Feststellung der Mitgliedschaft, Wahrnehmung von Prüfungs- und Disziplinarangelegenheiten), denen andererseits aber Aufgaben der Interessensvertretung zukommen, die nicht als Vollziehung im Sinne des B-VG zu qualifizieren sind, sodaß es sich nicht um Verwaltung im bundesverfassungsrechtlichen Sinn handelt.

...

Eine Aufsicht über die Organe der Selbstverwaltungskörper hinsichtlich der Rechtmäßigkeit ihrer Verwaltungsführung kann jedoch nur dort erfolgen, wo die Selbstverwaltungskörper Verwaltungsaufgaben, sohin Vollziehung im Sinne des B-VG, gesetzlich eingeräumt erhalten haben.

Da der Interessensvertretungsbereich im engeren Sinn jedoch keine Vollziehung im Sinne des B-VG darstellt, kann in diesen Bereichen auch keinerlei staatliche Aufsicht verfassungskonform zwingend vorgeschrieben sein.

...

Mit dem angefochtenen Bescheid verpflichtete uns die belangte Behörde, ihr sämtliche Beschlüsse der Kammerorgane vorzulegen. Eine aus der Bundesverfassung notwendig abzuleitende Differenzierung zwischen dezentralisierter Staatsverwaltung und Interessensvertretung im engeren Sinn wurde nicht vorgenommen. Ein solch umfassendes, totales Aufsichtsverständnis über die gesamte Tätigkeit eines Selbstverwaltungskörpers ist weder aus der Bundesverfassung noch aus dem Ärztegesetz ableitbar.

...

Die Ausdehnung des Aufsichtsrechtes auf sämtliche Beschlüsse der Ärztekammer für Kärnten, sohin auch auf Beschlüsse, die den Interessensvertretungsbereich im engeren Sinn betreffen, führt zu willkürlichen und mit den gesetzlichen Aufgaben der Ärztekammer widerstreitenden Ergebnissen.

...

Die belangte Behörde verkennt jedoch auch in krasser Weise die ihr auf Grund von § 104 Abs 7 B-VG eingeräumte Ermächtigung, uns die Vorlage von Beschlüssen aufzutragen.

Die wesentlichen, unseren hoheitlichen, aber auch unseren Privatwirtschaftsverwaltungsbereich umfassenden Beschlüsse sind schon in § 104 Abs 2 Ärztegesetz angeführt und bedürfen einer Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde. § 104 Abs 7 Ärztegesetz dient lediglich als Auffangtatbestand und bezieht sich, wie schon oben ausgeführt, nur auf unser Handeln als Verwaltungsbehörde, nicht jedoch als Interessensvertretung. Im übrigen haben wir, nach dieser Bestimmung, auf Verlangen der zuständigen Aufsichtsbehörde die von ihr bezeichneten Beschlüsse vorzulegen. Schon allein eine wörtliche Interpretation dieser Bestimmung weist auf eine denkunmögliche Gesetzesanwendung durch die belangte Behörde hin. Nach § 104 Abs 7 Ärztegesetz hat die Aufsichtsbehörde die von ihr verlangten und von uns zur Vorlage zu bringenden Beschlüsse zu bezeichnen. Die unaufgeforderte Vorlage sämtlicher Beschlüsse findet in § 104 Abs 7 Ärztegesetz keinerlei Deckung. Vielmehr wird die Aufsichtsbehörde die von ihr begehrten Beschlüsse genau zu bezeichnen haben. Eine generelle Übermittlung der Beschlüsse würde neben dem Verstoß gegen unseren, aus dem Ärztegesetz abgeleiteten Interessensvertretungsauftrag auch wesentlichen Bestimmungen des Datenschutzgesetzes widersprechen. ...

...

Die belangte Behörde hat in dem von uns bekämpften Bescheid § 104 Abs 7 Ärztegesetz in denkunmöglicher Weise angewendet. Einerseits ist auf Grund der vorliegenden Verfassungsrechtslage davon auszugehen, daß der belangten Behörde ein Aufsichtsrecht in Ansehung der von uns gefaßten Beschlüsse in der Interessensvertretung im engeren Sinne nicht zusteht. Andererseits ist das Verlangen, sämtliche Beschlüsse unaufgefordert der Aufsichtsbehörde vorzulegen, in § 104 Abs 7 Ärztegesetz in offenkundigster Weise nicht gedeckt. Der bekämpfte Bescheid steht sohin wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften im Widerspruch (vgl VfSlg 10337).

Im übrigen unterstellt die belangte Behörde § 104 Abs 7 Ärztegesetz einen Sinn, der ihm unter keinen Umständen unterstellt werden darf. Wir wurden daher durch den bekämpften Bescheid in unserem verfassungsmäßig gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.

2. Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes.

Nach der maßgeblichen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes erstreckt sich die staatliche Aufsicht über die Organe der Selbstverwaltungskörperschaften auf die Rechtmäßigkeit ihrer Verwaltungsführung (vgl VfSlG 8215 mit den dortigen Literaturverweisen).

...

Insoweit als § 104 Abs 7 Ärztegesetz Beschlüsse der Organe der Ärztekammern in den Bundesländern bzw der österreichischen Ärztekammer generell einer Vorlagepflicht an die zuständige Aufsichtsbehörde unterzieht, ohne auf die notwendige Differenzierung in Verwaltung und Interessensvertretung Bedacht zu nehmen, ist die gegenständliche Norm mit Verfassungswidrigkeit belastet. Die staatliche Aufsicht über die Organe der Selbstverwaltungskörperschaften hinsichtlich der Rechtmäßigkeit ihrer Verwaltungsführung kann sich nicht auf ihren gesamten Tätigkeitsbereich, sondern nur auf jenen Tätigkeitsbereich beziehen, in dem sie Verwaltung im Sinne des B-VG ausüben.

Da das Aufsichtsrecht als Korrektiv zum mangelnden Weisungsrecht gegenüber den Selbstverwaltungskörperschaften vom Verfassungsgesetzgeber eingerichtet wurde, kann sich dieses Aufsichtsrecht auch nur auf jene Tätigkeiten beziehen, die im Rahmen der gewöhnlichen Verwaltungstätigkeit auch mit Weisung besorgt werden.

Dies beschränkt sich jedoch lediglich auf die hoheitliche und die Privatwirtschaftsverwaltung.

Kein anderer Rechtsträger, mit Ausnahme der beruflichen und wirtschaftlichen Selbstverwaltungskörper, besorgt auch die Interessensvertretung seiner Mitglieder im engeren Sinn gegenüber den Organen der allgemeinen staatlichen Verwaltung. Gerade im Interessensvertretungsbereich ist jedoch ein weisungsmäßiger Durchgriff, aber auch eine aufsichtsbehördliche Tätigkeit begriffsnotwendigerweise ausgeschlossen und würde dem gesetzesmäßigen Interessensvertretungsauftrag vehement widersprechen."

1.3. Die Kärntner Landesregierung als belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie den bekämpften Bescheid verteidigt und den Antrag stellt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Die belangte Behörde führt dazu im wesentlichen folgendes aus:

"Ein Wesensmerkmal der Selbstverwaltung ist nach dem Konzept der österreichischen Bundesverfassung das Aufsichtsrecht des Staates über den Träger der dezentralisierten Verwaltung. Wenn der Staat die an sich ihm obliegenden Verwaltungstätigkeiten der Wahrnehmung durch andere Rechtsträger anvertraut, hat er sich ein Aufsichtsrecht über die Aufgabenbesorgung durch den Selbstverwaltungsträger vorzubehalten, um solcher Art jedenfalls ein gewisses Mindestmaß an Einheitlichkeit des Verwaltungshandels sicherzustellen. Im Erkenntnis VfSlg. 8215/1977 ('Salzburger Jägerschaft') hat der Verfassungsgerichtshof grundsätzliche Aussagen hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Grundlagen der Selbstverwaltung getroffen. ... Die Ermächtigung des Gesetzgebers zur Schaffung von Selbstverwaltungseinrichtungen ist indes keine schrankenlose. Eine dieser Schranken erblickt der Verfassungsgerichtshof im 'Gebot der staatlichen Aufsicht über die Organe der Selbstverwaltungskörperschaften hinsichtlich der Rechtmäßigkeit ihrer Verwaltungsführung'. Diese Staatsaufsicht erstreckt sich 'auf den gesamten Tätigkeitsbereich des Selbstverwaltungskörpers, der nicht durch das Rechtsinstitut der Weisung auf andere (Weise) an den Staat gebunden ist'. Dies bedeutet, daß sich diese Aufsicht auf den selbständigen Wirkungsbereich der Selbstverwaltungskörper erstreckt und dessen Überwachung zum Inhalt hat, daß der Selbstverwaltungskörper bei Besorgung des eigenen Wirkungsbereiches die Gesetze und Verordnungen nicht verletzt, insbesondere seinen Wirkungsbereich nicht überschreitet und die ihm gesetzlich obliegenden Aufgaben erfüllt. ... Die Staatsaufsicht über die Selbstverwaltungskörper ist demnach gewissermaßen die Kehrseite der staatlichen Verleihung des Selbstverwaltungsstatus an öffentlich-rechtliche Verwaltungsträger.

Die Voraussetzung jeder Staatsaufsicht über Selbstverwaltungskörper liegt darin begründet, daß die die Aufsicht ausübende Behörde Gelegenheit hat, sich Kenntnis von den Umständen zu verschaffen, die den Gegenstand der autonomen Aufgabenbesorgung - und damit der Aufsicht darüber - bilden. Erst wenn dies sichergestellt ist, erhält die Aufsichtsbehörde überhaupt die Gelegenheit, durch entsprechende Aufsichtsmaßnahmen einen mit den Aufsichtszielen im Einklang stehenden Zustand sicherzustellen.

...

Wie anders soll sich eine Aufsichtsbehörde Kenntnis über einzelne Beschlüsse der Organe der Ärztekammer verschaffen, wenn sie keinerlei Kenntnis über die Sitzungen dieser Organe bzw. über etwaige Tagesordnungen und die dabei gefaßten Beschlüsse erhält. Damit ist es der Aufsichtsbehörde aber auch unmöglich, sich einzelne, näher bezeichnete Beschlüsse vorlegen zu lassen, von deren Existenz sie keine Kenntnis erlangt, um deren Gesetzeskonformität zu überprüfen. Die Vorgangsweise der Kärntner Landesregierung ist deshalb die einzige Möglichkeit, dem Gesetzesauftrag nachzukommen."

2. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

2.1. Die Beschwerdeführerin behauptet zunächst, § 104 Abs 7 ÄrzteG idF BGBl. Nr. 100/1994 sei verfassungswidrig, weil er Beschlüsse der Organe der Ärztekammern in den Bundesländern bzw. der Österreichischen Ärztekammer generell einer Vorlagepflicht an die zuständige Aufsichtsbehörde unterziehe, ohne auf die Differenzierung in Verwaltung und Interessenvertretung Bedacht zu nehmen.

§ 104 Abs 7 ÄrzteG 1984 idF BGBl. Nr. 100/1994 - er ist am in Kraft getreten - lautet wie folgt:

"(7) Beschlüsse der Organe der Ärztekammern in den Bundesländern bzw. der Österreichischen Ärztekammer, die gegen bestehende Vorschriften verstoßen, sind von der zuständigen Aufsichtsbehörde aufzuheben. Die Ärztekammern in den Bundesländern und die Österreichische Ärztekammer haben auf Verlangen der zuständigen Aufsichtsbehörde die von ihr bezeichneten Beschlüsse vorzulegen."

Der Verfassungsgerichtshof teilt das von der Beschwerdeführerin erhobene Bedenken schon deshalb nicht, weil eine generelle Vorlagepflicht dem Gesetz offenkundig nicht zu entnehmen ist. Dies ergibt sich bereits aus der Formulierung "die von ihr bezeichneten Beschlüsse". Der Verfassungsgerichtshof sieht sich daher nicht veranlaßt, ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 104 Abs 7 ÄrzteG einzuleiten, da selbst aus der Sicht des Beschwerdevorbringens die gerügte Bestimmung verfassungskonform angewendet werden kann.

2.2. Zu den behaupteten Vollzugsfehlern:

Die Beschwerdeführerin behauptet, der angefochtene Bescheid verletze sie im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz.

Sie ist damit im Ergebnis im Recht:

Ein willkürliches Verhalten kann der Behörde unter anderem dann vorgeworfen werden, wenn sie den Beschwerdeführer aus unsachlichen Gründen benachteiligt hat oder aber, wenn der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (zB VfSlg. 10337/1985, 11436/1987).

Der Verfassungsgerichtshof hat bereits im Erkenntnis VfSlg. 3632/1959 - ihm lag die Beschwerde einer Gemeinde gegen einen in Ausübung des Aufsichtsrechts ergangenen Bescheid der Salzburger Landesregierung zugrunde - ausgesprochen, daß die Mittel der Aufsicht nur so weit zulässig sind, als sie nicht über das zur Verwirklichung der gesetzlich anerkannten Aufsichtsziele erforderliche Maß hinausgehen. Die von der belangten Behörde als gesetzliche Grundlage ihrer Vorgangsweise angegebene Norm des § 104 Abs 7 ÄrzteG geht, wie schon aus der sprachlichen Textierung klar hervorgeht, davon aus, daß eine generelle Verpflichtung zur Vorlage sämtlicher Beschlüsse nicht vorgesehen ist. Dies entspricht auch dem Wesen des Aufsichtsrechtes, wonach die Aufsichtsbehörde grundsätzlich von der Eigenständigkeit des Handelns des dem Aufsichtsrecht unterliegenden Selbstverwaltungskörpers auszugehen hat. Die Vorgangsweise der belangten Behörde deutet demgegenüber die zur effektiven Durchsetzung des Aufsichtsrechts im § 107 ÄrzteG 1984 idF BGBl. Nr. 100/1994 vorgesehene Vorlagepflicht von einzelnen Beschlüssen (arg: "auf Verlangen der zuständigen Aufsichtsbehörde die von ihr bezeichneten Beschlüsse vorzulegen") in eine allgemeine Vorlagepflicht des dem Aufsichtsrecht unterliegenden Selbstverwaltungskörpers um, wofür jedoch jegliche gesetzliche Grundlage fehlt. Es kann im vorliegenden Zusammenhang dahingestellt bleiben, wie genau die im Gesetz angeordnete Bezeichnung der Beschlüsse zu erfolgen hat. Die Anwendung des Gesetzes in dem von der Behörde vorgenommenen Sinn, daß ohne nähere Festlegung bestimmter Beschlußgattungen oder Bereiche ausnahmslos alle Beschlüsse vorzulegen seien, ist jedoch denkunmöglich, weil sie die Eigenständigkeit des Selbstverwaltungsträgers beseitigen würde. Damit ist der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit § 104 Abs 7 ÄrzteG in der zitierten Fassung im Widerspruch.

2.3.3. Die von der Beschwerdeführerin behauptete Gleichheitsverletzung hat sohin stattgefunden.

Der Bescheid war daher aufzuheben.

2.4. Dies konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

2.5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 3.000,-- enthalten.