VfGH vom 03.03.1980, B280/77
Sammlungsnummer
8766
Leitsatz
Oö. Grundverkehrsgesetz 1975; keine Bedenken gegen § 4 Abs 1 und 3 und § 6 litd; keine denkunmögliche Gesetzesanwendung; keine Willkür; kein Eingriff in die Liegenschaftserwerbsfreiheit
Spruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1. Mit dem Bescheid der Bezirksgrundverkehrskommission Steyr vom , Z GV-4073/1, wurde der im Kaufvertrag vom vorgesehenen Übertragung des Eigentums an den Grundstücken Nr. 1270/2 Wald im Ausmaß von 2580 Quadratmeter und Nr. 1271/1 Acker im Ausmaß von 2682 Quadratmeter aus dem Gutsbestand der Liegenschaft in EZ 83 KG L. (Eigentümer M. M.) auf den Beschwerdeführer die grundverkehrsbehördliche Genehmigung gem. § 4 Abs 1 und § 6 lita und d des Oberösterreichischen Grundverkehrsgesetzes 1975 - Oö. GVG 1975, LGBl. 53/1975, versagt.
Der gegen diesen Bescheid vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung wurde mit dem Bescheid der Landesgrundverkehrskommission beim Amt der Oö. Landesregierung vom , Z Agrar-100203-5950/1-2, keine Folge gegeben.
2. Gegen diesen Bescheid der Landesgrundverkehrskommission richtet sich die unter Berufung auf Art 144 B-VG erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer behauptet, durch den angefochtenen Bescheid in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unverletzlichkeit des Eigentums (Art5 StGG), auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 B-VG), auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG) und auf Freiheit des Liegenschaftserwerbes (Art6 StGG) verletzt worden zu sein. Er stellt den Antrag, den angefochtenen Bescheid kostenpflichtig aufzuheben.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Gegen den Bescheid der Landesgrundverkehrskommission ist eine Berufung nicht zulässig (§18 Abs 2 Oö. GVG 1975). Der Instanzenzug ist erschöpft. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, ist die Beschwerde zulässig.
2. a) Der Beschwerdeführer behauptet durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden zu sein. Er begründet diese Behauptung mit dem Hinweis, daß dem von ihm erworbenen Grundstück seiner Beschaffenheit nach nicht die Eigenschaft eines land- oder forstwirtschaftlichen Grundstückes zukomme. Es sei seit nahezu zehn Jahren weder ganz noch teilweise land- oder forstwirtschaftlich genutzt worden.
b) Wäre die Zustimmung zur Übertragung des Eigentums an dem Grundstück, dessen Erwerb vom Beschwerdeführer angestrebt wurde (im folgenden als Kaufgrundstück bezeichnet), von der belangten Behörde versagt worden, obwohl es sich dabei nicht um ein der land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung gewidmetes Grundstück handelt, so hätte sie eine Zuständigkeit in Anspruch genommen, die ihr nach dem Gesetz, nach dem nur die Übertragung des Eigentums an einem ganz oder teilweise der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung gewidmetem Grundstück durch Rechtsgeschäft unter Lebenden der Genehmigung bedarf, nicht zukommt. Der Beschwerdeführer wäre dadurch im Sinne der ständigen Rechtsprechung des VfGH im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.
c) Die Behauptungen des Beschwerdeführers treffen nicht zu. Die belangte Behörde hat die Feststellung, daß das Kaufgrundstück ein der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung gewidmetes Grundstück ist, im besonderen auf das Gutachten der Bezirksbauernkammer Steyr und auf die Ergebnisse des von ihr vorgenommenen Lokalaugenscheines stützen können. Danach wurde für das Kaufgrundstück im Jahre 1967 eine Rodungsbewilligung erteilt. Nach der Rodung ist einmal oder zweimal eine landwirtschaftliche Nutzung erfolgt. Seither liegen die Flächen brach. Weiters wurde festgestellt, daß die Bonität der Grundstücke, obwohl sie ursprünglich Wald waren, "nicht anders ..." (als die Bonität der) "... umliegenden landwirtschaftlich genutzten Grundstücke sein" dürfte; da die Fläche von zwei Seiten von Wald umgeben und nur zirka ein Joch groß sei, sei "der landwirtschaftliche Wert nicht besonders groß". Darüber hinaus ist festgehalten worden, daß die Grundstücke inmitten rein land- oder forstwirtschaftlich genutzter Grundstücke liegen.
Aufgrund dieses Ergebnisses ist nicht zu bezweifeln, daß es sich beim Kaufgrundstück um ein dem landwirtschaftlichen Betrieb des Verkäufers gewidmetes Grundstück handelt. Der Umstand, daß es brachliegt, bewirkt nicht, daß es nun nicht mehr der landwirtschaftlichen Nutzung gewidmet wäre. Eine solche Annahme ist nämlich schon im Hinblick auf eine dadurch allenfalls ermöglichte Umgehung des Grundverkehrsgesetzes ausgeschlossen.
Die Übertragung des Eigentums an diesem Grundstück bedarf daher der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung nach dem Oö. GVG 1975.
Durch die im angefochtenen Bescheid ausgesprochene Versagung dieser Genehmigung hat demnach die belangte Behörde nicht eine Zuständigkeit in Anspruch genommen, die ihr nach dem Gesetz nicht zugekommen wäre.
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht verletzt worden.
3. a) Durch die Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Kaufvertrages wird der Käufer in der Ausübung des durch den Kaufvertrag begründeten privaten Rechtes auf Erwerb des Eigentums an dem Grundstück beschränkt. Ein solcher Bescheid bewirkt einen Eingriff in das Eigentumsrecht (vgl. VfSlg. 8309/1978). Dieses Recht wäre durch diesen Eingriff nur verletzt worden, wenn sich der Bescheid auf ein verfassungswidriges Gesetz stützte, wenn der Bescheid gesetzlos wäre oder wenn die Behörde das Gesetz denkunmöglich angewendet hätte (vgl. VfSlg. 8095/1977).
b) Der angefochtene Bescheid stützt sich auf die Bestimmungen des § 4 Abs 1 und Abs 3 und des § 6 litd Oö. GVG 1975. Nach § 4 Abs 1 müssen Rechtsgeschäfte den öffentlichen Interessen an der Schaffung und Erhaltung land- oder forstwirtschaftlicher Nutzflächen und an der Erhaltung und Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes oder an der Erhaltung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden mittleren und kleinen landwirtschaftlichen Grundbesitzes entsprechen.
Nach Abs 3 dürfen Rechtsgeschäfte, von denen anzunehmen ist, daß sie für gewerbliche, industrielle oder bergbauliche Zwecke oder für Zwecke der Baulandbeschaffung abgeschlossen wurden, der land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung nicht mehr Grund und Boden als notwendig entziehen und die land- oder forstwirtschaftliche Nutzung der verbleibenden Grundstücke nicht erheblich erschweren oder unmöglich machen.
Nach § 6 litd sind die Voraussetzungen für die Genehmigung eines Rechtsgeschäftes insb. nicht gegeben, wenn zu besorgen ist, daß sonst Grundstücke ohne zureichenden Grund der land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung entzogen werden.
Gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmungen hat der Beschwerdeführer keine Bedenken vorgebracht. Auch beim VfGH sind im gegebenen Zusammenhang solche nicht entstanden (vgl. die bereits zitierten Erk. VfSlg. 8095/1977, 8309/1978).
c) Die belangte Behörde hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides nach dem Hinweis auf die Ergebnisse des Lokalaugenscheines über die Lage des Grundstückes inmitten eines rein landwirtschaftlichen Gebietes und gestützt auf die Auskunft der Gemeinde W., wonach keine Aussicht bestehe, für eine auf dem Kaufgrundstück zu errichtende Baulichkeit eine Baubewilligung zu erhalten, ausgeführt, daß die in einem früheren Verfahren erfolgte Genehmigung des Abverkaufes einer Teilfläche aus der Liegenschaft EZ 83 KG L. an die damalige Erwerberin nicht der Vorschrift des § 4 Abs 3 Oö. GVG 1975 entsprochen habe; dies deshalb, weil "durch die Errichtung eines Bauwerkes die Bewirtschaftung der umliegenden land- und forstwirtschaftlich genutzten Grundflächen, durch die Ver- und Entsorgung mit Licht und Wasser, Kleintierhaltung, Einzäunung und alle übrigen, von einem verbauten Grundstück ausgehenden Immissionen erheblich erschwert" werde. In Anbetracht dessen, daß der Beschwerdeführer keine Baubewilligung erhalten hätte, sei die Genehmigung des Kaufvertrages zu versagen gewesen, da anders das Grundstück der Widmung zur land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung ohne zureichenden Grund entzogen worden wäre. Daran ändere auch nichts, daß die Bonität des gegenständlichen Grundstückes nicht überdurchschnittlich sei, sondern eher unter dem Durchschnitt liege. Auch aus der seinerzeitigen Genehmigung eines Kaufvertrages betreffend die Liegenschaft EZ 83 könne nichts gewonnen werden, da - wie dargestellt - diese Grundstückstransaktion höchst unzweckmäßig gewesen und eine Fortsetzung dieser Entwicklung nicht gerechtfertigt sei.
d) Der VfGH ist der Auffassung, daß diese Ansicht der belangten Behörde durchaus in den angeführten Bestimmungen des Oö. GVG 1975 gedeckt ist. Der Begründung des angefochtenen Bescheides liegt demnach keine denkunmögliche Gesetzesanwendung zugrunde. Demnach ist der Beschwerdeführer durch den angefochten Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nicht verletzt worden.
4. Im Gleichheitsrecht könnte der Beschwerdeführer bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angeführten Bestimmungen des Oö. GVG 1975 nur verletzt worden sein, wenn die belangte Behörde diesen Bestimmungen fälschlich einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie Willkür geübt hätte.
Der Vorwurf eines willkürlichen Vorgehens der belangten Behörde wird in der Beschwerde erhoben, wenn der Beschwerdeführer behauptet, daß die Gleichheitsverletzung durch den angefochtenen Bescheid dadurch bewirkt worden sei, daß das seiner Erlassung vorausgegangene "Verfahren derart qualifiziert mangelhaft" sei, daß nicht nur einfachgesetzliche Verfahrensvorschriften verletzt worden seien. Die belangte Behörde habe, von unzutreffenden Überlegungen ausgehend, jegliche Ermittlungstätigkeit in den entscheidenden Punkten unterlassen.
Daß diese Behauptungen des Beschwerdeführers nicht zutreffen, ergibt sich allein schon daraus, daß die belangte Behörde sowohl ein Gutachten der Bezirksbauernkammer Steyr eingeholt als auch einen Lokalaugenschein vorgenommen hat. Die Entscheidung wurde aufgrund des Ergebnisses dieser Ermittlungen gefällt. Im Verwaltungsakt ist über die Durchführung des Lokalaugenscheines ausdrücklich festgehalten, daß der Beschwerdeführer persönlich anwesend war und im wesentlichen seine bereits aktenkundigen Angaben wiederholt hat; bei diesem Lokalaugenschein wurden die für die Entscheidung wesentlichen Grundlagen erörtert.
Es kann demnach keine Rede davon sein, daß der angefochtene Bescheid ohne Durchführung jeglichen Ermittlungsverfahrens oder ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens in den entscheidenden Punkten erlassen worden ist.
Sofern - wie der Beschwerdeführer behauptet - von der belangten Behörde die Vorschriften des § 45 AVG, im besonderen die Bestimmungen über das Parteiengehör nicht eingehalten worden sein sollten, könnte allenfalls eine vom VfGH nicht zu prüfende Verletzung einfachgesetzlicher Verfahrensvorschriften vorliegen, durch die aber eine Verletzung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes nicht bewirkt worden sein könnte (vgl. VfSlg. 8309/1978).
Der VfGH findet keinen Anhaltspunkt für die Annahme, daß durch das Verhalten der belangten Behörde eine Gleichheitsverletzung des Beschwerdeführers bewirkt worden sein könnte. Der Beschwerdeführer ist im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nicht verletzt worden.
5. a) Der Beschwerdeführer behauptet, durch den angefochtenen Bescheid in dem durch Art 6 StGG verfassungsgesetzlich gewährleisteten "Recht auf den Erwerb von Liegenschaften aller Art" verletzt worden zu sein. Ein Landwirt mit einem größeren Grundbesitz würde nämlich nach den Gesetzen der Rentabilität unproduktive Flächen einfach brachliegen lassen, wo hingegen ein Erwerber kleinerer Grundflächen diese sicherlich nicht brachliegen lasse, sondern sie zumindest als Garten nutze; deshalb würde auch im Fall der Annahme, daß es sich hier um "landwirtschaftliche Grundflächen" handelt, eine unsachliche Unterscheidung zwischen Landwirten und Nichtlandwirten vorgenommen. Wie der VfGH in VfSlg. 5683/1968 ausgeführt habe, verbiete es Art 6 StGG, eine bevorrechtete Klasse der Landwirte dadurch zu schaffen, daß diesen - ohne Rücksicht darauf, ob es die nach dem Gesetz zu schützenden Grundverkehrsinteressen erfordern - nur deswegen, weil sie bereits Landwirte sind, gegenüber Personen, auf die dieses Kriterium nicht zutrifft, das vorzugsweise (oder gar ausschließliche) Recht eingeräumt wird, landwirtschaftlichen Grundbesitz zu erwerben.
b) Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH sind durch Art 6 StGG allgemeine Einschränkungen des Liegenschaftserwerbes, wie sie in den Grundverkehrsgesetzen der Länder enthalten sind, nicht ausgeschlossen (vgl. VfSlg. 8309/1978). Soweit nun vom Beschwerdeführer unter Hinweis auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes vorgebracht wird, daß es Art 6 StGG verbiete, eine bevorrechtete Klasse der Landwirte zu schaffen, ist darauf hinzuweisen, daß im angefochtenen Bescheid die grundverkehrsbehördliche Genehmigung ausschließlich mit Rücksicht auf die grundverkehrsrechtlichen Interessen (§4 Abs 1 und 3, § 6 litd Oö. GVG 1975) und nicht mit Rücksicht auf eine Person, die bereits Landwirt ist, oder auf eine Person, der diese Eigenschaft nicht zukommt, die aber landwirtschaftlichen Grundbesitz zu erwerben beabsichtigt, versagt wurde.
Der Beschwerdeführer ist in dem durch Art 6 StGG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit des Liegenschaftserwerbes nicht verletzt worden.
6. Die belangte Behörde hat die Bestimmungen des § 4 Abs 1 und 3 sowie des § 6 litd Oö. GVG 1975 denkmöglich angewendet. Entgegen den Behauptungen des Beschwerdeführers hat sich die belangte Behörde auf die Bestimmung des § 6 lita, wonach die Voraussetzungen für die Genehmigung eines Rechtsgeschäftes insbesondere dann nicht gegeben sind, wenn zu besorgen ist, daß der Erwerber das Grundstück zu dem Zwecke erwirbt, um es als Ganzes oder zum Teil mit Gewinn (vgl. VfSlg. 8095/1977) weiter zu veräußern, nicht berufen.
7. Im Verfahren vor dem VfGH ist nicht hervorgekommen, daß eine vom Beschwerdeführer nicht behauptete Verletzung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes stattgefunden hätte.
Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides ist der Beschwerdeführer auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.