OGH vom 21.02.2013, 9ObA123/12x

OGH vom 21.02.2013, 9ObA123/12x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kuras und Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter KR Mag. Paul Kunsky und Mag. Manuela Majeranowski als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei H***** G*****, vertreten durch Dr. Roland Gerlach ua, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei V***** AG , *****, vertreten durch Dr. Andreas Grundei, Rechtsanwalt in Wien, wegen 2.308,40 EUR und Feststellung (Streitwert 9.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom , GZ 8 Ra 50/12z 29, womit das Urteil des Arbeits und Sozialgerichts Wien vom , GZ 19 Cga 28/10s 24, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Der Kläger bezieht als ehemaliger Dienstnehmer der Beklagten seit eine Zusatzpension, die ihre Grundlage in der Betriebsvereinbarung über die Einbeziehung von Pensionsvertragsinhabern in die Verbundpensionskasse und die Änderung der Betriebsvereinbarung Zuschusspension für die Inhaber von Pensionsverträgen (Kurzbezeichnung: BV PKI) vom hat. § 29 dieser Betriebsvereinbarung lautet:

„Valorisierung von Zuschusspensionen

Die ZP werden gemäß § 18 BV ZP 1983 mit dem PAG Faktor valorisiert. Werden die Sozialpensionen nicht einheitlich um den gleichen Prozentsatz, sondern durch Einmal oder Mindestbeträge etc valorisiert, erfolgt die Valorisierung der ZP nach der Entwicklung der ASVG Höchstpensionen.“

Die in der aus dem Jahr 1983 stammenden Betriebsvereinbarung enthaltene Valorisierungsbestimmung (§ 18 Abs 1 BV ZP) lautete:

„Die Valorisierung der Zuschusspension erfolgt jeweils zum Stichtag um den Pensionsanpassungsfaktor (PAG Faktor) gemäß sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften.“

Zwischen den Parteien herrscht Uneinigkeit über die Auslegung des § 29 BV PKI. Der Kläger meint, seine Zuschusspension sei jeweils um den Prozentsatz zu erhöhen, um den sich seine ASVG Pension erhöhe. Die Beklagte vertritt die Ansicht, die Zuschusspension des Klägers sei (nur) um dem Prozentsatz zu erhöhen, um den sich die ASVG Höchstpensionen erhöhten.

Das Berufungsgericht wies das auf Pensionsnachzahlung und Feststellung gerichtete Klagebegehren in Abänderung der erstgerichtlichen Entscheidung ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass die primär nach dem Wortsinn vorzunehmende Auslegung des § 29 Satz 2 BV PKI ergebe, dass (bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen dieser Bestimmung) die „ASVG Höchstpension“ und nicht die jeweilige konkrete ASVG Pension des Pensionsberechtigten heranzuziehen sei. Nicht nur aus der Formulierung in § 29 BV PKI „Werden die Sozialpensionen nicht einheitlich und im gleichen Prozentsatz, sondern durch Einmal oder Mindestbeträge etc. valorisiert, ...“, sondern auch aus weiteren in Abschnitt III der BV PKI 1995 unter dem Titel „Zuschusspension für Pensionsvertragsinhaber“ enthaltenen Regelungen sei erkennbar, dass die Betriebsparteien bei Abschluss der BV PKI 1995 im Gegensatz zur BV ZP 1983 an mögliche Veränderungen in der Valorisierungsgebarung des Gesetzgebers gedacht und für diese Fälle eine Regelung getroffen hätten. So werde in § 19 BV PKI 1995 festgehalten, dass den Pensionsvertragsinhabern die Zuschusspensionen nach der BV ZP 1983 „unter Berücksichtigung der in dieser Betriebsvereinbarung vereinbarten Änderungen und Ergänzungen “ gewährt werden und in § 21 Abs 4 BV PKI 1995 werde für bestimmte Pensionsbezieher von einer möglichen Verschlechterung der Sozialpensionen durch gesetzlich mögliche Entwicklungen gesprochen. § 10 BPG, der die Wertanpassung von direkten Leistungszusagen des Arbeitgebers regle, sei nicht anzuwenden, weil die Betriebsparteien eine ausdrückliche Regelung über die Wertanpassung der betrieblichen Versorgungsleistung getroffen hätten. Auch das Auszehrungsverbot des § 16 Abs 2 BPG greife nicht, weil sich der Kläger nicht auf eine ihm zugesagte Gesamtpensionsversorgung gestützt habe.

Eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts vermag der Kläger in seiner außerordentlichen Revision nicht darzustellen. Die Auslegung des Berufungsgerichts, die sich auf die von der dargestellten Lehre und Judikatur des Obersten Gerichtshofs entwickelten Auslegungsgrundsätze stützt, ist nicht „derart fehlerhaft“, sondern vertretbar. Danach ist der normative Teil von Betriebsvereinbarungen wie jener von Kollektivverträgen nach den für die Interpretation von Gesetzen geltenden Regeln (§§ 6, 7 ABGB) auszulegen (RIS Justiz RS0050963). In erster Linie ist bei der Auslegung einer Betriebsvereinbarung der Wortsinn auch im Zusammenhang mit den übrigen Regelungen zu erforschen und die sich aus dem Text der Betriebsvereinbarung ergebende Absicht der Betriebsparteien zu berücksichtigen (vgl RIS Justiz RS0010089, zuletzt 9 ObA 129/12d). Bei der Auslegung muss zumindest im Zweifel unterstellt werden, dass die Parteien eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen und daher eine Ungleichbehandlung der Normadressaten vermeiden wollten (8 ObA 8/05t; 9 ObA 69/01i ua; vgl RIS Justiz RS0008897; RS0008828). Dabei steckt der äußerst mögliche Wortsinn die Grenze jeglicher Auslegung ab (10 ObS 50/12v; 9 ObA 347/00w mwN; RIS Justiz RS0008796).

Bei Abschluss der Betriebsvereinbarung BV PKI war den Betriebsparteien erkennbar bewusst, dass der Gesetzgeber in der Zukunft Pensionen nicht mehr nur nach einem mathematisch festgesetzten Anpassungsfaktor (§§ 108f, 108h ASVG), sondern unter Umständen auch durch oder in Verbindung mit Einmal oder Mindestbeträgen, etc erhöhen könnte, weil sie darauf in der Valorisierungsbestimmung des § 29 BV PKI ausdrücklich abgestellt haben. Dass der Sozialrechtsgesetzgeber erstmals mit dem Budgetbegleitgesetz 2003, BGBl I 2003/71, bestimmte Pensionen nur mit einem Fixbetrag erhöht hat (§ 607 Abs 3a Z 2 ASVG), widerspricht dieser aus dem Wortlaut der Valorisierungsbestimmung erkennbaren Absicht der Betriebsparteien keineswegs. Eine Korrekturbedürftigkeit der Entscheidung des Berufungsgerichts zeigt der Kläger auch mit seinem Verweis auf die Entscheidung 9 ObA 42/06a nicht auf, weil diese eine ergänzende Auslegung des § 18 BV ZP 1983 zum Gegenstand hatte, diese Bestimmung eben noch nicht auf Erhöhung der Sozialpensionen um Einmal oder Mindestbeträge Bedacht genommen hatte.

Schließlich zeigt der Revisionswerber auch mit seinen Überlegungen, nur eine auf den Zweck des Pensionszuschusses, die langfristige Sicherung des Lebensstandards der Versicherten zu erwirken, abgestellte Auslegung, werde den Intentionen der Betriebsparteien, die Relation zwischen der konkreten ASVG Pension und der Betriebspension in jedem Fall zu wahren, gerecht, keine korrekturbedürftige Fehlentscheidung des Berufungsgerichts auf. Für den Fall, dass die Sozialpensionen nicht einheitlich und im gleichen Prozentsatz valorisiert werden, haben die Betriebsparteien eine von der allgemeinen Regel des § 29 erster Satz BV PKI abweichende Regelung getroffen (§ 29 zweiter Satz BV PKI), die nicht „unvernünftig“ ist, sondern ebenfalls die Wertbeständigkeit des Pensionszuschusses in einem bestimmten Ausmaß sicherstellen soll. Auch wenn bei einer Anhebung der Sozialpensionen mit unterschiedlichen Faktoren die dem Kläger ungünstiger erscheinende Variante zur Anwendung kommt, so ist dieses Auslegungsergebnis angesichts des auch von dieser Variante verfolgten Zwecks einer Betriebspension, einen gehobenen Lebensstandard für die gesamte Dauer des Ruhestands zu sichern (9 ObA 83/98s; 9 ObA 314/92; vgl auch Resch in ZellKomm 2 Rz 2a zu §§ 1, 2 BPG), keinesfalls unvertretbar.

Mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).