OGH vom 28.10.2014, 14Os118/14f
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin MMag. Spunda als Schriftführerin in der Strafvollzugssache des Patrick E*****, AZ 188 BE 24/09p des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluss dieses Gerichts vom (ON 76) ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Janda, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Vollzugsgericht vom , GZ 188 BE 24/09p 76, verletzt § 162 Abs 3 StVG.
Dieser Beschluss wird aufgehoben und dem Landesgericht für Strafsachen Wien als Vollzugsgericht aufgetragen, in einem Senat von drei Richtern neuerlich über den Antrag der Staatsanwaltschaft Wien auf Widerruf der bedingten Entlassung des Patrick E***** aus einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher zu entscheiden.
Text
Gründe:
Patrick E***** wurde mit Urteil des Landesgerichts Steyr vom , GZ 10 Hv 83/06p 31, mehrerer Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB und mehrerer Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 und 2 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Zugleich wurde er gemäß § 21 Abs 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.
Mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Vollzugsgericht vom , GZ 188 BE 24/09p 25, wurde Patrick E***** mit Wirkung vom gemäß § 47 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von fünf Jahren aus dieser vorbeugenden Maßnahme bedingt entlassen. Gleichzeitig ordnete das Vollzugsgericht Bewährungshilfe an und erteilte (zwischenzeitig aufgehobene) Weisungen.
Über Antrag der Staatsanwaltschaft widerrief die Einzelrichterin des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Vollzugsgericht die bedingte Entlassung mit (unbekämpft gebliebenem) Beschluss vom , GZ 188 BE 24/09p 76, weil sich der Verurteilte beharrlich dem Einfluss des Bewährungshelfers entzogen habe und seine Gefährlichkeit, gegen die sich die vorbeugende Maßnahme gerichtet habe, „wieder aufgelebt sei“.
Patrick E***** wurde in weiterer Folge festgenommen und ist seither gemäß § 21 Abs 2 StGB untergebracht.
Dieser Beschluss steht wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 162 Abs 3 StVG entscheidet das Vollzugsgericht über den Widerruf einer bedingten Entlassung aus einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher in einem Senat von drei Richtern. Die Einzelrichterin war demnach für den Widerrufsbeschluss funktionell nicht zuständig ( Pieber in WK² StVG § 162 Rz 42).
Da eine für den Verurteilten nachteilige Wirkung dieser Gesetzesverletzung nicht auszuschließen war, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, deren Feststellungen gemäß § 292 letzter Satz StPO auf die im Spruch ersichtliche Weise mit konkreter Wirkung zu verknüpfen.
Bei der neuerlichen Beschlussfassung wird das Vollzugsgericht auf eine ausreichende Sachverhaltsgrundlage für die rechtliche Beurteilung der materiellen Voraussetzungen eines Widerrufs der bedingten Entlassung aus einer vorbeugenden Maßnahme (vgl Ratz in WK² StGB § 54 Rz 3 und 6 ff sowie Jerabek in WK² StGB § 53 Rz 11) zu achten haben.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2014:0140OS00118.14F.1028.000