VfGH vom 09.03.1994, B278/93
Sammlungsnummer
13718
Leitsatz
Keine Gleichheitswidrigkeit der Mineralölsteuerbefreiung für biogene Kraftstoffe aus überwiegend der Selbstversorgung dienenden Anlagen landwirtschaftlicher Betriebe; keine Bedenken gegen die im übrigen für sämtliche als Treibstoff für Kraftfahrzeuge dienende Kraftstoffe einschließlich biogener Stoffe geltende Steuerpflicht
Spruch
Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch die angefochtenen Bescheide weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerden werden daher abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit den im Instanzenzug ergangenen Bescheiden der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom , Z 759/1-2/T-1992, wurde der beschwerdeführenden Gesellschaft für die Abgabe von biogenen Kraftstoffen aus ihrem Betrieb in den Monaten Mai bis Juli 1992 Mineralölsteuer vorgeschrieben. In den auf Art 144 B-VG gestützten Beschwerden erachtet sich die beschwerdeführende Gesellschaft durch die angefochtenen Bescheide in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unverletzlichkeit des Eigentums und auf Gleichheit vor dem Gesetz sowie in ihren Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes, nämlich des § 7 Z 11 Mineralölsteuergesetz 1981, BGBl. 597 idF BGBl. 695/1991, (MinStG 1981), verletzt.
Die beschwerdeführende Gesellschaft erblickt die Gleichheitswidrigkeit der derzeitigen Rechtslage darin, daß gemäß § 7 Z 11 MinStG 1981 zwar Kraftstoffe von der Mineralölsteuer befreit sind, "die aus biogenen Stoffen in Anlagen hergestellt werden, welche überwiegend der Selbstversorgung landwirtschaftlicher Betriebe dienen, soweit die Kraftstoffe ausschließlich in landwirtschaftlichen Betrieben verwendet werden", nicht aber von anderen Erzeugern hergestellte Produkte, obwohl diese denselben Kundenkreis belieferten. Die im § 7 Z 11 MinStG 1981 gewählte Methode, Kraftstoffe aus bestimmten Herstellungsbetrieben von der Mineralölsteuer zu befreien, stelle daher eine unsachliche Benachteiligung der anderen Herstellungsbetriebe dar.
Der vom Gesetzgeber offenbar angestrebte Zweck, "den Umweltschutz durch den Einsatz von biogenen Kraftstoffen im Bereich der Landwirtschaft zu fördern", hätte nach Meinung der beschwerdeführenden Gesellschaft auch durch eine umfassende, nicht nach Herstellern differenzierende Mineralölsteuerpflicht verwirklicht werden können. Als Beispiel führt die beschwerdeführende Gesellschaft § 7 Z 10 MinStG 1981 an, wonach Flüssiggas bei einer bestimmten Verwendung generell von der Mineralölsteuerpflicht befreit werde.
Die vom Gesetzgeber in den Materialien für die Differenzierung herangezogene Begründung, daß der Verwaltungsaufwand zur Überprüfung der Mineralölsteuerpflicht in den durch § 7 Z 11 MinStG 1981 ausgenommenen Betrieben in keinem Verhältnis zu den zu erwartenden Erträgen stünde, sei zwar grundsätzlich zulässig, aber nur so lange, als damit nicht eine andere Verfassungswidrigkeit verwirklicht werde. Dies umso mehr, als das vom Gesetzgeber gewünschte Ergebnis auch auf andere Weise verwirklicht werden könnte.
Die beschwerdeführende Gesellschaft erblickt den Sitz der Verfassungswidrigkeit in der Wortfolge "in Anlagen ..., welche überwiegend der Selbstversorgung landwirtschaftlicher Betriebe dienen" in § 7 Z 11 MinStG 1981 und regt daher an, ein amtswegiges Gesetzesprüfungsverfahren hinsichtlich dieser Wortfolge einzuleiten und diese Bestimmung, in eventu aber § 7 Z 11 MinStG 1981 zur Gänze als verfassungwidrig aufzuheben. In eventu wird die Aufhebung des § 3 Abs 5 MinStG 1981 angeregt, der die Steuerpflicht für biogene Stoffe festlegt.
3. Die belangte Behörde verweist in ihren Gegenschriften zunächst darauf, daß auch bei der beschwerdeführenden Gesellschaft nur solche biogene Stoffe der Mineralölsteuer unterliegen, die als Kraftstoffe für Fahrzeuge iSd § 1 Kraftfahrgesetz 1967 verwendet werden, nicht jedoch solche, die etwa als Treibstoffe für landwirtschaftliche Maschinen verbraucht werden.
Die belangte Behörde vertritt des weiteren die Ansicht, daß der Gesetzgeber bei der Einführung der nach Meinung der beschwerdeführenden Gesellschaft verfassungswidrigen Bestimmungen den ihm zukommenden rechtspolitischen Gestaltungsspielraum nicht überschritten hat und verweist auf das "Arbeitsübereinkommen über die Bildung einer gemeinsamen Bundesregierung für die Dauer der XVIII. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates" und auf den Bericht des Finanzausschusses, 351 BlgNR 18. GP, wonach die mit der Steuerreform 1991 verfolgten rechtspolitischen Ziele in einer verstärkten umweltorientierten Steuerpolitik, in der Förderung zusätzlicher Erwerbs- und Einkommensmöglichkeiten für die Land- und Forstwirtschaft sowie in der Budgetkonsolidierung zu suchen sind. Zur Verbesserung des Budgetsaldos seien im Zuge dieser Reform auch "aus Gründen der Steuergerechtigkeit und zur Sicherung des Verbrauchsteueraufkommens alle Erzeugnisse, die bereits jetzt oder in Zukunft zum Antrieb von Kraftfahrzeugen verwendet werden, der Mineralölsteuer unterstellt" worden. "In diese Besteuerung wurden allerdings biogene Treibstoffe, die in Anlagen hergestellt werden, die überwiegend der landwirtschaftlichen Selbstversorgung dienen, nicht einbezogen, da der daraus zu erwartende Steuerertrag voraussichtlich außer Verhältnis zum Verwaltungsaufwand stünde."
Durch die im Vergleich zu anderen Kraftfahrzeugtreibstoffen niedrige Steuerbelastung von S 20,-/100 kg Eigengewicht für biogene Stoffe (der Steuersatz für Dieselöl beträgt im Vergleich dazu S 361,-/100 kg Eigengewicht) lasse der Gesetzgeber umweltpolitische Zielsetzungen stärkeren Eingang in die Steuerpolitik finden. Gleichzeitig würden aber auch landwirtschaftliche Betriebe als Produzenten heimischer, erneuerbarer Rohstoffe gefördert.
Für die Einführung der Ausnahmebestimmung des § 7 Z 11 MinStG 1981 waren insbesondere verwaltungsökonomische Gründe maßgebend. Durch sie sollte nicht der Verbrauch in der Landwirtschaft als solcher gefördert werden, sondern "für landwirtschaftliche Betriebe ein zusätzlicher Anreiz geschaffen werden, erneuerbare Rohstoffe herzustellen und selbst weiterzuverarbeiten, um sie dann im eigenen Betrieb einzusetzen". Die Ausnahme betreffe also nicht die "industrielle" Herstellung, sondern vielmehr nur "kleine" Erzeuger. Die Gewährung einer Steuerbegünstigung für den Eigenbedarf der landwirtschaftlichen Betriebe, die biogene Kraftstoffe gleichsam als Nebenprodukt in beschränktem Ausmaß herstellen, sei daher sachlich gerechtfertigt.
Die belangte Behörde beantragt aus den dargelegten Gründen die Abweisung der Beschwerden.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässigen - Beschwerden erwogen:
1. Durch die Novelle BGBl. 695/1991 zum MinStG 1981 wurden aus fiskalischen Gründen grundsätzlich alle zum Betrieb von Kraftfahrzeugen geeigneten Stoffe in die Mineralölsteuerpflicht einbezogen. Gleichzeitig wurde durch § 3 Abs 5 MinStG 1981 die Mineralölsteuer für biogene Stoffe mit dem im Vergleich für Mineralöl und sonstige Kraftstoffe geringen Steuersatz von 20 S für 100 kg Eigengewicht festgelegt. Biogene Kraftstoffe wurden schließlich gemäß § 7 Z 11 MinStG 1981 von der Mineralölsteuer überhaupt befreit, soweit die Kraftstoffe ausschließlich in landwirtschaftlichen Betrieben verwendet werden und in Anlagen hergestellt werden, welche überwiegend der Selbstversorgung landwirtschaftlicher Betriebe dienen.
Im Bericht des Finanzausschusses zur MinStG-Novelle 1991 (351
BlgNR 18. GP, S. 5/6) wurde unter Hinweis auf das
"Arbeitsübereinkommen über die Bildung einer gemeinsamen
Bundesregierung für die Dauer der XVIII. Gesetzgebungsperiode des
Nationalrates" eine Novellierung des MinStG 1981 in Aussicht
genommen, derzufolge biogene Kraftstoffe "dem jeweils niedrigsten
Mineralölsteuersatz unterliegen" sollen und "biogene Kraftstoffe
aus Anlagen, die ausschließlich der Selbstversorgung bäuerlicher
Betriebe dienen, ... mineralölsteuerfrei bleiben (sollen)". Diese
Absicht wird vom Finanzausschuß dahingehend konkretisiert, daß
"biogene Treibstoffe, die in Anlagen, welche überwiegend der
Selbstversorgung landwirtschaftlicher Betriebe dienen,
hergestellt werden, ... nicht in die Besteuerung einbezogen
werden (sollen). Der im Einzelfall zu erhebende
Mineralölsteuerbetrag stünde voraussichtlich in keinem
ökonomischen Verhältnis zum Verwaltungsaufwand."
2. Der Verfassungsgerichtshof teilt die in den Beschwerden vorgetragenen Bedenken nicht, daß die Mineralölsteuerbefreiung und damit Begünstigung biogener Kraftstoffe, die "in Anlagen hergestellt werden, welche überwiegend der Selbstversorgung landwirtschaftlicher Betriebe dienen", gegenüber den in anderen Herstellungsbetrieben produzierten biogenen Kraftstoffen dem Gleichheitssatz widerspricht. Vielmehr darf der Gesetzgeber im Rahmen seiner rechtspolitischen Gestaltungsfreiheit biogene Kraftstoffe von der aus umweltpolitischen Gründen an sich bereits niedrigen Mineralölsteuer völlig befreien, wenn diese Kraftstoffe im Rahmen landwirtschaftlicher Betriebe zur Selbstversorgung der Betreiber oder in einer Anlage erzeugt werden, die überwiegend der Selbstversorgung der Betreiber dient. Abgesehen davon, daß der auf die relativ geringfügige Kraftstoffmenge aus derartigen landwirtschaftlichen Selbstversorgungsanlagen entfallende Steuerertrag nicht einmal den Verwaltungsaufwand rechtfertigen würde, der für die Feststellung dieser Kraftstoffmenge anfallen würde, - wovon der wiedergegebene Bericht des Finanzausschusses ausgeht -, wird dadurch ein zusätzlicher Anreiz für landwirtschaftliche Betriebe geschaffen, die entsprechenden Rohstoffe herzustellen und selbst in geeigneten Anlagen weiterzuverarbeiten.
Der Verfassungsgerichtshof ist bereits bisher in seiner Judikatur (vgl. etwa VfSlg. 10713/1985) davon ausgegangen, daß die Beschränkung der Abgabenpflicht auf bestimmte Produkte unter Ausschluß anderer Produkte mit dem Gleichheitssatz vereinbar ist, wenn die von der Abgabenpflicht ausgenommenen Produkte nur in untergeordnetem Ausmaß produziert werden und der Aufwand für die Einhebung der Abgabe in keinem angemessenen Verhältnis zum Ertrag stünde. Desgleichen hielt er es (in VfSlg. 11637/1988) für sachlich, für Kleinbetriebe steuerliche Erleichterungen zu schaffen.
In Anbetracht dieser Überlegungen kann der Verfassungsgerichtshof dem Gesetzgeber vom Standpunkt des Gleichheitssatzes aus nicht entgegentreten, wenn dieser überwiegend der Selbstversorgung dienende Anlagen zur Herstellung biogener Kraftstoffe im Rahmen landwirtschaftlicher Betriebe gegenüber anderen Produktionsbetrieben für derartige Kraftstoffe begünstigte. Sowohl die im Verhältnis zum gesamten abgabepflichtigen Volumen geringfügige Menge der im Rahmen landwirtschaftlicher Betriebe (überwiegend zur Selbstversorgung) erzeugten biogenen Kraftstoffe als auch die gezielte Begünstigung - relativ - kleiner Herstellungsanlagen (im Rahmen landwirtschaftlicher Betriebe) im Vergleich zu sonstigen Produktionsbetrieben rechtfertigen die Sonderbehandlung biogener Kraftstoffe in § 7 Z 11 MinStG 1981.
3. Da der Verfassungsgerichtshof vom Standpunkt des Gleichheitssatzes gegen § 7 Z 11 MinStG 1981 keine Bedenken hegt, erübrigt sich auch eine Auseinandersetzung mit den Bedenken der beschwerdeführenden Gesellschaft gegen § 3 Abs 5 MinStG 1981. Zweifellos liegt es im Rahmen der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, sämtliche Kraftstoffe, die als Treibstoff für Kraftfahrzeuge dienen, unter Einschluß der biogenen Stoffe, einer grundsätzlichen Steuerpflicht zu unterwerfen. Gleichzeitig ist es ebenso offenkundig, daß ein begünstigender Steuersatz für derartige biogene Kraftstoffe aus umweltpolitischen Gründen von der Sache her nicht zu beanstanden ist. (Vgl. auch das Bundesverfassungsgesetz vom über den umfassenden Umweltschutz, BGBl. 491.)
4. Die beschwerdeführende Gesellschaft ist sohin nicht wegen Anwendung eines gleichheitswidrigen Gesetzes im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz verletzt worden. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die beschwerdeführende Gesellschaft in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß sie in ihren Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde. Die Beschwerden sind daher abzuweisen.
5. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.