OGH vom 19.11.2003, 9ObA123/03h
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Helmut Brandl und Mag. Gabriele Jarosch als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Marianne R*****, Heimhelferin, ***** vertreten durch Klein, Wuntschek & Partner, Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei Ana S*****, Inhaberin eines Altenpflegeheims, ***** vertreten durch Weidacher, Imre & Imre, Rechtsanwaltspartnerschaft OEG in Gleisdorf, wegen EUR 2.587,65 sA, über die Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse EUR 1.761,85 sA) gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Ra 47/03y-18, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 35 Cga 111/02t-14, hinsichtlich des Zuspruches eines Betrages von EUR 1.761,85 brutto bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Der durch das Teilurteil bestätigte Teil des Ersturteils und das Teilurteil des Berufungsgerichtes werden aufgehoben.
Die Arbeitsrechtssache wird in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Die Klägerin war bei der Beklagten, die ein Altenpflegeheim betreibt, unter Vereinbarung eines Angestelltenverhältnisses mit einer 40-Stundenwoche zu einem monatlichen Bruttoentgelt von EUR 944,75 beschäftigt. Das Dienstverhältnis endete einvernehmlich per .
Die Klägerin begehrt den Zuspruch von EUR 2.587,65 brutto sA, welcher sich wie folgt zusammensetzt: Aliquote Sonderzahlungen (Urlaubszahlung und Weihnachtsremuneration) vom bis in Höhe von EUR 1.417,13; aliquote Sonderzahlungen vom bis in Höhe von EUR 236,19, EUR 885,80 an offenen Überstunden, EUR 136,26 an Urlaubsersatzleistung für drei nicht konsumierte Urlaubstage; davon seien EUR 23,19 für eine Handybenützung und EUR 4,54 an Benzinkosten abzuziehen, sodass der Klagebetrag von EUR 2.587,65 verbleibe. Der Anspruch auf Zahlung von Sonderzahlungen wurde sowohl auf Vereinbarung als auch auf die zwingenden Bestimmungen des Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetzes (§ 9 Abs 2) gestützt.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Hinsichtlich der Überstundenleistungen sei Zeitausgleich vereinbart worden, welcher von der Klägerin auch konsumiert worden sei. Desgleichen sei der gesamte zustehende Erholungsurlaub konsumiert worden.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt. Es traf noch folgende wesentliche Feststellungen:
Die Klägerin war vom bis einschließlich geringfügig bei der beklagten Partei beschäftigt, ab dann voll. Die Klägerin hatte im Altenheim der beklagten Partei folgende Aufgaben zu erledigen: Beheizung der Räume, Reinigung der Räume, Betreuung der Haustiere (Katzen), Abstechen und Kochen von Hasen, Verantwortung für die Bettwäsche der Heiminsassen, Hilfe bei der Körperpflege sowie beim An- und Auskleiden der Heiminsassen, Servieren der Mahlzeiten und Unterstützung der Heiminsassen beim Essen, Beschäftigung mit den Heiminsassen sowie Wickeln derselben. Neben der beklagten Partei gab es eine eigene Pflegedienstleiterin, welche auch Vorgesetzte der Klägerin war.
Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, dass es sich bei den Insassen des Altersheimes um "Mitglieder des Hausstandes des Dienstgebers" im Sinne des § 1 Abs 1 Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz handle. Demnach habe die Klägerin gemäß § 9 Abs 2 Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz Anspruch auf Sonderzahlungen.
Das Berufungsgericht bestätigte mit Teilurteil den Zuspruch von Sonderzahlung und der (unter Einbeziehung von Sonderzahlungen errechneten) Urlaubsersatzleistung. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass § 1 Abs 3 Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz so zu interpretieren sei, dass hauswirtschaftliche Tätigkeiten im Sinne des genannten Gesetzes auch dann vorliegen, wenn die Hauswirtschaft von einer physischen Person für dritte Personen geführt werde. Die Klägerin habe solche Tätigkeiten verrichtet, sodass es nicht darauf ankomme, dass die Tätigkeit nicht im Haushalt der Beklagten, sondern in dem von ihr geführten Altersheim für die dort wohnenden Insassen erbracht worden seien. Soweit mit dem Ersturteil über den Zuspruch von Überstunden erkannt wurde, hob das Berufungsgericht dieses - unangefochten - auf. Es sprach aus, dass die Revision gegen das Teilurteil zulässig sei, weil es keine gesicherte Rechtsprechung zur Frage der Auslegung des § 1 Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz in Bezug auf Arbeitsverhältnisse bei physischen Personen gebe, welche Pflegeheime und somit "Hauswirtschaften" für Dritte betrieben.
Gegen das Teilurteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Teilurteil dahin abzuändern, dass das Klagebegehren hinsichtlich eines Betrages von EUR 1.761,85 sA abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die klagende Partei beantragte, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig; sie ist im Umfang des Aufhebungsantrages auch berechtigt.
Gemäß § 1 Abs 1 Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz gelten die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes für das Dienstverhältnis von Dienstnehmern, die Dienste für die Hauswirtschaft des Dienstgebers oder für Mitglieder seines Hausstandes zu leisten haben, gleichgültig, ob sie in die Hausgemeinschaft aufgenommen sind oder nicht. Gemäß Abs 3 leg cit macht es bei Anwendung des Gesetzes keinen Unterschied, ob die Hauswirtschaft von einer physischen Person oder von einer juristischen Person für deren Mitglieder oder dritte Personen geführt wird. Das Gesetz findet weiters keine Anwendung auf das Dienstverhältnis von Dienstnehmern juristischer Personen, wenn dieses durch Kollektivvertrag geregelt ist (Abs 3 zweiter Satz leg cit).
Vom Obersten Gerichtshof wurde bereits ausgesprochen (9 ObA 24/88 = SZ 61/36 ua), dass mit § 1 Abs 3 Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz 1962 der Anwendungsbereich - gegenüber dem vorher geltenden Hausgehilfengesetz 1920 - auch auf Hauswirtschaften ausgedehnt werden sollte, die von juristischen Personen für ihre Mitglieder oder dritte Personen geführt werden . Dadurch sollten die bei juristischen Personen beschäftigten Arbeitnehmer, welche dort gleiche Arbeiten verrichteten wie bei natürlichen Personen beschäftigte Hausgehilfen, diesen gleichgestellt werden (zB pädagogischer und Freizeitbetreuer in einem von einem Verein geführten Kinderdorf: 4 Ob 90/84 = SZ 57/190; Bedienerin in einem von einem Verein geführten Studentenheim: 9 ObA 24/88 = SZ 61/36). Insbesondere aus der Wortfolge "für deren Mitglieder ..." wird klar, dass sich der letzte Teil des ersten Satzes des § 1 Abs 3 Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz nur auf juristische Personen bezieht, da natürliche Personen keine "Mitglieder" haben. In 9 ObA 95/91 (Ablehnung der Anwendung des Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetzes auf eine von einer juristischen Person geführte Behinderteneinrichtung) wurde bekräftigt, dass eine Anwendung dieses Gesetzes bedinge, dass typische Erscheinungsformen der Hauswirtschaft vorliegen. Daraus wird klar, dass Abs 3 des § 1 Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetzes, was die Dienste für natürliche Personen anlangt, keine Erweiterung des Abs 1 leg cit mit sich bringt.
Betreibt daher jemand, wie die beklagte Partei, als natürliche Person gewerbsmäßig ein Altenheim und ist Gegenstand des Arbeitsvertrages die Beschäftigung in diesem Altenheim, so handelt es sich dabei weder um Dienste für die Hauswirtschaft des Dienstgebers, noch sind die Insassen des Alters- und Pflegeheims Mitglieders eines Hausstandes. Ohne dass es eines Eingehens darauf bedürfte, ob nicht auch die Ausnahmebestimmung des § 1 Abs 4 lit c Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz eingreift (- für eine solche Beurteilung reichen die Feststellungen nicht hin -), steht jedenfalls fest, dass die Tätigkeiten der Klägerin nicht vom § 1 Abs 1 Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz umfasst sind. Damit scheidet ein ex-lege-Anspruch der Klägerin auf Sonderzahlungen nach § 9 Abs 2 Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz aus. Dies macht weitere Feststellungen des Erstgerichtes zu der von der Klägerin ebenfalls behaupteten Sonderzahlungsvereinbarung notwendig. Da in der begehrten Urlaubsersatzleistung ebenfalls Sonderzahlungen enthalten sind, war auch der diesbezügliche Zuspruch aufzuheben. Im fortgesetzten Verfahren wird überdies mit der Klägerin zu erörtern sein, ob es sich bei den von ihr selbst vorgenommenen Abzügen um Brutto- oder Nettoabzüge handelt.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.