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VfGH vom 28.11.1994, B270/94

VfGH vom 28.11.1994, B270/94

Sammlungsnummer

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Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Liegenschaftserwerbs mangels Selbstbewirtschaftung

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Kaufvertrag vom erwarb der Beschwerdeführer einen geschlossenen Hof in Kössen im Ausmaß von 6,83 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche und 7,52 ha Wald aus einer Verlassenschaft. Diesem Rechtserwerb versagte die Grundverkehrsbehörde Kössen mit Bescheid vom unter Berufung auf § 4 Abs 1 iVm. § 6 Abs 1 litc, dritter Tatbestand, des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1983, Anlage zur Kundmachung der Landesregierung vom über die Wiederverlautbarung des Grundverkehrsgesetzes 1970, LGBl. für Tirol 69/1983, idF der Kundmachungen LGBl. für Tirol 44/1984 und 45/1988 - für den vor dem Verfassungsgerichtshof bekämpften Bescheid ist auch die Novelle LGBl. für Tirol 74/1991 beachtlich - (im folgenden: GVG 1983), die grundverkehrsbehördliche Zustimmung.

2. Die dagegen vom Beschwerdeführer rechtzeitig erhobene Berufung wurde nach einem ergänzend durchgeführten Ermittlungsverfahren mit Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung vom als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde stützte ihre Entscheidung darauf, daß gemäß dem GVG 1983 eine Prognoseentscheidung darüber zu fällen sei, ob es zu einer Selbstbewirtschaftung des geschlossenen Hofes durch den Erwerber kommen werde. Ihrer Ansicht nach seien aber im gesamten grundverkehrsbehördlichen Verfahren keine dafür sprechenden Umstände hervorgekommen. Vielmehr sei der I. Instanz darin beizupflichten, daß angesichts der beruflichen Beanspruchung des Käufers, der gemeinsam mit seiner Familie zwei Hotels (mit insgesamt 243 Betten) samt Tennisplätzen, Tennis- und Reithalle in Kössen betreibe, eine dem GVG 1983 entsprechende Selbstbewirtschaftung nicht gewährleistet erscheine. Daran vermöge die Unterstützung des Beschwerdeführers durch Familienangehörige ebensowenig zu ändern wie das vorgelegte Privatgutachten eines gerichtlich beeideten Sachverständigen.

3. Gegen diesen Berufungsbescheid richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in welcher die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums, auf Freiheit des Liegenschaftserwerbs und der Erwerbsausübung sowie auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt wird. Dazu wird im wesentlichen ausgeführt, daß die belangte Behörde in denkunmöglicher Weise davon ausgegangen sei, es sei im Verwaltungsverfahren nichts hervorgekommen, was dafür sprechen würde, daß der bereits seit längerem im (Mit-)Eigentum des Beschwerdeführers stehende Stammhof von ihm selbst bewirtschaftet würde: "... vielmehr könnte eine Versagung der Zustimmung umgekehrt nur darauf gegründet werden, dass Anlass zur Sorge besteht, der Erwerber würde die erworbenen Grundstücke nicht selbst im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes bewirtschaften."

Außerdem verschweige die belangte Behörde in willkürlicher Weise, daß der Beschwerdeführer in den vier Jahren, die seit dem Rechtserwerb vergangen seien, den geschlossenen Hof sowie seinen Stammhof "ordnungsgemäss nach ortsüblichen Grundsätzen selbst und ohne Anstand landwirtschaftlich" bewirtschaftet habe. Dadurch werde auch "zumindest unterschwellig" ein bestimmter konkurrierender Landwirt bevorzugt.

4. Die Landes-Grundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung als belangte Behörde (s. §§28 und 40 des inzwischen in Kraft getretenen Tiroler Grundverkehrsgesetzes, LGBl. für Tirol 82/1993) hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie den bekämpften Bescheid verteidigt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Es ist unbestritten, daß die den Gegenstand des vorliegenden Kaufvertrages bildenden Grundstücke als land- und forstwirtschaftliche im Sinne des § 1 Abs 1 Z 1 GVG 1983 zu qualifizieren sind und demnach den Bestimmungen dieses Gesetzes unterliegen. Der durch den Kaufvertrag bewirkte Eigentumserwerb bedarf deshalb zu seiner Wirksamkeit der Zustimmung der Grundverkehrsbehörde gemäß § 3 Abs 1 lita leg.cit. Eine solche Zustimmung darf gemäß § 4 Abs 1 GVG 1983 nur erteilt werden, wenn der Rechtserwerb weder dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung oder Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes noch dem öffentlichen Interesse an der Schaffung oder Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes widerspricht. Der nur allgemein formulierte Inhalt des § 4 Abs 1 GVG 1983 wird durch § 6 Abs 1 GVG 1983 näher konkretisiert, in dem einzelne Tatbestände angeführt werden, bei deren Vorliegen einem Rechtserwerb im Sinne des § 3 Abs 1 leg.cit. insbesondere nicht zuzustimmen ist. Liegt einer der in § 6 Abs 1 GVG 1983 - demonstrativ - genannten Fälle vor, bedarf es im einzelnen Fall keiner näheren Prüfung der Interessenlage, weil ein Widerspruch zu den durch § 4 Abs 1 leg.cit. geschützten Interessen von Gesetzes wegen angenommen wird und zur Versagung der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung führen muß (vgl. VfSlg. 13101/1992, ).

2.1. Der angefochtene Bescheid stützt sich vor allem auf § 4 Abs 1 und § 6 Abs 1 litc, dritter Tatbestand, GVG 1983, wonach einem Rechtserwerb im Sinne des § 3 Abs 1 leg.cit. insbesondere nicht zuzustimmen ist, wenn zu besorgen ist, daß Grundstücke jemandem zur land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung überlassen werden, der sie nicht selbst im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes bewirtschaften wird. Gegen diese Bestimmungen bringt die Beschwerde keine verfassungsrechtlichen Bedenken vor; auch beim Verfassungsgerichtshof sind solche aus Anlaß dieser Beschwerde nicht entstanden (vgl. zuletzt etwa VfSlg. 12984/1992, 13101/1992).

2.2. Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften ist es ausgeschlossen, daß der Beschwerdeführer wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt wurde.

3.1.1. Die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz könnte diesfalls nur vorliegen, wenn die belangte Behörde bei Erlassung des bekämpften Bescheides den angewendeten Rechtsvorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder Willkür geübt hätte.

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt ua. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 und die dort angeführte Rechtsprechung; VfSlg. 10338/1985, 11213/1987).

3.1.2. Im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides könnte der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nur dann verletzt worden sein, wenn die belangte Behörde das Gesetz denkunmöglich angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellenden Fehler begangen hätte (vgl. etwa VfSlg. 10370/1985, 10482/1985, 11470/1987, 11635/1988). Auch eine denkunmögliche Würdigung des Sachverhaltes ist einer derartigen Gesetzlosigkeit gleichzuhalten (s. VfSlg. 12901/1991).

3.2. Das ist hier nicht der Fall:

3.2.1. Zutreffend geht die belangte Behörde davon aus, daß sie auf Grundlage des dritten Tatbestandes des § 6 Abs 1 litc GVG 1983 eine Prognoseentscheidung darüber zu fällen hat, ob der Erwerber einer land- oder forstwirtschaftlichen Liegenschaft diese selbst bewirtschaften werde. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist es verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn zur Selbstbewirtschaftung im Sinne dieser Bestimmung eine persönliche Anwesenheit des Erwerbers für erforderlich gehalten wird, weil nur so die für die Bewirtschaftung eines Hofes notwendigen Arbeiten und Anordnungen vom Hofbetreiber persönlich getroffen werden können, und er nur so deren Einhaltung auch selbst überwachen kann, wofür ein nahezu täglicher Aufenthalt am Hof erforderlich ist (vgl. etwa VfSlg. 12983/1992, 13165/1992)

3.2.2. Im Verwaltungsverfahren wie auch in der Beschwerde blieb das wesentliche Argument der belangten Behörde, nämlich die berufliche Tätigkeit des Beschwerdeführers als Betreiber zweier Hotels beachtlicher Größe samt angeschlossener Fremdenverkehrseinrichtungen unbekämpft. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers hat aber die belangte Behörde dem § 6 Abs 1 litc, dritter Tatbestand, GVG 1983 weder einen denkunmöglichen noch einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder den Sachverhalt denkunmöglicherweise gewürdigt, wenn sie aus der zweifellos enormen und ganzjährig gegebenen beruflichen Belastung des Beschwerdeführers ableitete, daß eine Selbstbewirtschaftung des geschlossenen Hofes durch ihn nicht gesichert sei (vgl. VfSlg. 13165/1992, ).

3.2.3. Doch auch der Vorwurf, die belangte Behörde habe Willkür geübt, ist nicht gerechtfertigt, ist doch der Erlassung des angefochtenen Bescheides ein aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstandendes Ermittlungsverfahren vorausgegangen und vermag sich die darin getroffene Prognose auch auf das Parteivorbringen zu stützen. Über Sachverhalt und Akteninhalt bestehen zwischen belangter Behörde und Beschwerdeführer im wesentlichen kaum Divergenzen, vielmehr beziehen sich diese auf die rechtliche Würdigung des Sachverhaltes. Daß dieses Ergebnis aus der Sicht des Beschwerdeführers unbefriedigend sein mag, indiziert noch nicht ein willkürliches Verhalten der belangten Behörde.

3.3. Der Beschwerdeführer wurde somit nicht in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.

4.1. Dem Beschwerdevorwurf der Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Freiheit des Liegenschaftserwerbs ist entgegenzuhalten, daß sich das durch Art 6 StGG verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht, Liegenschaften zu erwerben und über diese frei zu verfügen, wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung betont hat (vgl. zuletzt etwa VfSlg. 10896/1986, 12984/1992, 12985/1992), nur gegen jene historischen Beschränkungen richtet, die ehemals zugunsten bestimmter bevorrechteter Kreise bestanden haben. Art 6 StGG verbietet es, eine bevorrechtete Klasse der Landwirte dadurch zu schaffen, daß ihnen ohne Rücksicht darauf, ob es die nach dem Gesetz zu schützenden Grundverkehrsinteressen erfordern, nur deswegen, weil sie bereits Landwirte sind, gegenüber Personen, auf die dieses Kriterium nicht zutrifft, das vorzugsweise oder gar ausschließliche Recht eingeräumt wird, landwirtschaftlichen Grundbesitz zu erwerben (vgl. VfSlg. 11411/1987, 11516/1987, 12984/1992).

Allgemeine Einschränkungen des Liegenschaftsverkehrs, wie sie die Grundverkehrsgesetze enthalten, werden dadurch nicht ausgeschlossen (vgl. etwa VfSlg. 10744/1986, 10902/1986, 12985/1992).

4.2. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Entscheidung, daß der Rechtserwerb § 6 Abs 1 litc, dritter Tatbestand, GVG 1983 widerspreche, nicht getroffen, um den Erwerb der in Rede stehenden landwirtschaftlichen Grundstücke durch den Beschwerdeführer zugunsten eines Landwirtes, der diese Grundstücke zu erwerben beabsichtigt, zu verhindern. Vielmehr erfolgte diese Entscheidung unter dem Gesichtspunkt grundverkehrsbehördlicher Interessen deshalb, weil nach Ansicht der belangten Behörde die in den genannten Regelungen des GVG 1983 umschriebenen Voraussetzungen nicht vorlagen.

4.3. Der Beschwerdeführer wurde deshalb nicht im bezogenen Grundrecht verletzt.

5.1. Was schließlich den Beschwerdevorwurf der Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Freiheit der Erwerbsausübung betrifft, ist diesem zu erwidern, daß dieses nur verletzt werden kann, wenn die Behörde den Antritt oder die Ausübung einer bestimmten Erwerbstätigkeit gesetzlos (in denkunmöglicher Anwendung eines Gesetzes) oder auf Grund eines verfassungswidrigen Gesetzes untersagt. Art 6 StGG gewährt jedoch keinen Schutz gegen Amtshandlungen, die die Erwerbstätigkeit nicht unmittelbar betreffen, mögen auch die Nebenwirkungen mittelbar die Erwerbstätigkeit verhindern; die Erwerbsfreiheit wird sohin nicht verletzt, wenn der Verwaltungsakt die Realisierung einer bestimmten Erwerbsbetätigung lediglich faktisch verhindert (vgl. VfSlg. 11516/1987, 11705/1988, ).

5.2. Die im angefochtenen Bescheid vorgenommene Versagung der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung zum Rechtsgeschäft war - was die Beschwerde gar nicht behauptet - offenkundig nicht unmittelbar gegen die Erwerbsbetätigung des Beschwerdeführers gerichtet.

5.3. Er ist daher im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf freie Erwerbsausübung nicht verletzt worden.

6. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in einem von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden wäre.

7. Die Beschwerde war deshalb als unbegründet abzuweisen.

III. Diese Entscheidung konnte

gemäß § 19 Abs 4, erster Satz, und Z 2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.