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OGH vom 24.05.2019, 8ObA24/19s

OGH vom 24.05.2019, 8ObA24/19s

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Helmut Purker (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Thomas Kallab (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Z***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Edmund Pointinger, Rechtsanwalt in Bad Hall, gegen die beklagte Partei P*****, vertreten durch Mag. Martin Wakolbinger, Rechtsanwalt in Enns, wegen Herausgabe, Unterlassung und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 11 Ra 11/19w-45, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Beklagte, der privat über mehrere Jahre hinweg eine SCADA-Software entwickelt hatte, war vom bis (zur Arbeitnehmerkündigung per) als technischer Angestellter bei der Klägerin beschäftigt. In seinen Aufgabenbereich fielen sowohl die Projektabwicklung als auch Engineering, Kundenbetreuung und Verkauf. Bei drei Projekten, mit denen der Beklagte im Zuge seines Arbeitsverhältnisses betraut war, setzte er die von ihm entwickelte SCADA-Software ein. Prämisse war die Gründung einer gemeinsamen Firma zu deren Vertrieb. Es kam zu geringfügigen Änderungen an der Ursprungsversion der Software. Ein Tausch der Software ist technisch möglich.

Die begehrte unter anderem die Herausgabe der gesamten Software einschließlich der Eingriff- und Quellcodes für diese drei Projekte in der aktuell letztgültigen Version zum Stichtag sowie die Feststellung der Haftung des Beklagten für sämtliche Schäden „aus der Entfernung“ der zu diesen drei und zwei weiteren Projekten verwendeten Software, die letztlich nicht festgestellt wurde.

Rechtliche Beurteilung

Das bestätigte die Abweisung dieser Begehren durch das Erstgericht.

In ihrer dagegen erhobenen zeigt die Klägerin keine Rechtsfragen von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf.

1. § 40b UrhG bestimmt, dass dem Dienstgeber an einem von einem Dienstnehmer in Erfüllung seiner dienstlichen Obliegenheiten geschaffenen Computerprogramm ein unbeschränktes Werknutzungsrecht zusteht, wenn er mit dem Urheber nichts anderes vereinbart hat.

Die Regelung des § 40b UrhG betrifft allerdings nur Computerprogramme, die der Dienstnehmer während des Bestehens des Dienstverhältnisses geschaffen hat. An Computerprogrammen, die der Dienstnehmer vor Beginn des Dienstverhältnisses geschaffen hat, erwirbt sein gegenwärtiger Dienstgeber ebenso wenig (Nutzungs)Rechte wie an Computerprogrammen, die er erst nach Beendigung seines Dienstverhältnisses schafft (Ciresa in Ciresa, Österreichisches Urheberrecht, § 40b UrhG Rz 24; Thiele, Übertragung von Urheberrechten auf den Arbeitgeber, RdW 2002, 537; vgl auch Wiebe in Kucsko/Handig, urheber.recht² § 40b UrhG Rz 5).

2.1 Spätere Anpassungen oder Weiterentwicklungen von Computerprogrammen können zwar – wie das Berufungsgericht ausführt – gemäß § 5 Abs 1 UrhG als Bearbeitung geschützt sein (Wiebe aaO Rz 3; Schumacher in Kucsko/Handig, urheber.recht² § 5 UrhG Rz 14). Ein Nutzungsrecht der Klägerin nach § 40b UrhG an der angepassten Software (vgl Ciresa in Ciresa, Österreichisches Urheberrecht, zu § 5 UrhG Rz 10) lässt sich hier jedoch nicht auf ein derartiges „Bearbeiterurheberrecht“ stützen.

2.2 Computerprogramme werden im Sinne des § 5 Abs 1 UrhG bearbeitet, wenn sie an besondere Gegebenheiten beim Anwender angepasst oder weiter entwickelt werden. Geringfügige Änderungen oder Umgestaltungen des Originals sind keine Bearbeitungen im Rechtssinn, ebenso wenig reine Fehlerbeseitigungen, Anpassungen an geänderte Hardware und Aktualisierungen infolge Änderungen im Anwenderunternehmen oder gesetzlicher Bestimmungen (4 Ob 45/05d mwN). Kriterien, die Rückschlüsse auf die Individualität einer bestimmten Bearbeitung eines Computerprogramms zulassen, können seine Länge, die Anzahl der Programmschritte, die Eigenart der visuellen Gestaltung, Zeit- und (Kosten-)Aufwand für die Entwicklung, die kreative Auswahl aus zur Verfügung stehenden Variationsmöglichkeiten sowie die Verfügbarkeit und der Einsatz von vorhandenen Bausteinen und Entwicklungstools sein. Auch hier kommt es auf eine bestimmte Werkhöhe zwar nicht an, von einer urheberrechtlichen Schutzfähigkeit der Bearbeitung eines Computerprogramms kann aber nur dann ausgegangen werden, wenn diese eine gewisse Komplexität aufweist (RIS-Justiz RS0120097).

2.3 Nach den Feststellungen machten die vom Beklagten im Rahmen seiner Tätigkeit für die Klägerin vorgenommenen geringfügigen Änderungen an der Ursprungsversion seiner Software nur 3 % aus.

Schon das Erstgericht hat diese Änderungen als nicht ausreichend gewichtig erachtet, um ein Werknutzungsrecht der Klägerin an der angepassten Software zu begründen.

Dagegen hat die Klägerin in ihrer Berufung nichts Stichhältiges ins Treffen geführt, zumal sie keine konkreten Anhaltspunkte dafür nennt, warum die Änderungen der Ursprungssoftware trotz ihrer festgestellten Geringfügigkeit die von der Rechtsprechung für die urheberrechtliche Schutzfähigkeit der Bearbeitung geforderten Kriterien erfüllen sollten.

3.1 Die Klägerin meint unter Verweis auf die Treuepflicht des Arbeitnehmers, der Beklagte habe ihrer Nutzung der geänderten Software konkludent zugestimmt.

3.2 Die Frage, ob eine konkludente Willenserklärung vorliegt und welchen Inhalt sie gegebenenfalls hat, ist regelmäßig einzelfallbezogen und begründet daher keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (RS0043253; RS0042936 [T36, T 47]), es sei denn, es läge eine gravierende Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen vor, die im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen werden müsste (RS0043253 [T7, T 8]).

3.3 Nach den (teilweise dislozierten) Feststellungen trafen die Parteien keine Vereinbarung über die Beistellung bzw Bereitstellung der vom Beklagten entwickelten Software zugunsten der Klägerin. Vielmehr erfolgte die Verwendung der SCADA-Software durch den Beklagten bei den drei Projekten nur wegen der geplanten, letztlich aber nicht zustande gekommenen Zusammenarbeit der Parteien beim Vertrieb dieser Software im Wege einer neu zu gründenden Gesellschaft.

Die Beurteilung der Vorinstanzen, die vor diesem Hintergrund eine schlüssige Zustimmung des Beklagten zur Weiterverwendung seiner Software durch die Klägerin auch nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses und Scheitern der ins Auge gefassten Kooperation verneinten, hält sich im Rahmen der Rechtsprechung. Dass der Klägerin eine Wartung bei den drei Projekten unmöglich wäre, ergibt sich aus den Feststellungen nicht, steht doch fest, dass ein Austausch der SCADA-Software – wenngleich mit zusätzlichen Kosten verbunden – technisch möglich ist.

Der von der Klägerin gewünschte Rückgriff auf die zu § 24, 26 UrhG ergangene Rechtsprechung, wonach dann, wenn ein Werk im Auftrag eines anderen geschaffen wird, damit schlüssig das Recht eingeräumt wird, das Werk zu dem Zweck zu verwenden, zu dem es in Auftrag gegeben wurde (RS0077654), verbietet sich schon deshalb, weil es hier an einem im Auftrag der Klägerin geschaffenen Werk fehlt (siehe auch Punkt 2.3). Es begründet daher schon mangels Relevanz keinen Verfahrensfehler, dass das Berufungsgericht auf dieses Vorbringen nicht näher eingegangen ist.

4. Das Erstgericht traf eine Negativfeststellung zu der Frage, ob der Beklagte bei Beendigung seines Arbeitsverhältnisses die Software für zwei weitere Projekte vom Rechner der Klägerin entfernte. Der begehrten Feststellung der Haftung des Beklagten für der Klägerin „aus der Entfernung“ entstehende Schäden ist damit der Boden entzogen.

5. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:008OBA00024.19S.0524.000

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