OGH vom 25.06.2018, 8ObA24/18i

OGH vom 25.06.2018, 8ObA24/18i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Claudia Gründel (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Manuela Majeranowski-Laufer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei I*****, vertreten durch Kraft Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei I***** GmbH, *****, vertreten durch PHH Prochaska Havranek Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, wegen 57.315,30 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 24.656,99 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 10 Ra 89/17g-32, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass die Parteien im schriftlichen Dienstvertrag des Klägers vom die Geltung des (Rahmen)Kollektivvertrags für Angestellte im Handwerk und Gewerbe, in der Dienstleistung, Information und Consulting vereinbarten (vgl zur Abgrenzung von einer bloßen Willenserklärung Hofer; Neumayr in Reissner/Neumayr, ZellHB AVKlauseln Besonderer Teil, 4. Klausel Rz 4.04), zieht die Beklagte in ihrer Revision nicht (mehr) in Zweifel. Sie vertritt allerdings weiterhin die Ansicht, die Anwendbarkeit des Kollektivvertrags sei gemäß dessen § 2 Abs 2 lit c mit der Bestellung des Klägers zum Vorstandsvorsitzenden der tschechischen Aktiengesellschaft I***** a.s. am erloschen, sodass den auf diesem Kollektivvertrag basierenden Ansprüchen des Klägers die Grundlage entzogen sei.

2.1 Wie der Inhalt einer einzelvertraglichen Verweisung auf kollektivvertragliche Regelungen zu verstehen ist, ist durch Auslegung nach §§ 914 f ABGB zu ermitteln (Hofer; Neumayr in Reissner/Neumayr, ZellHB AVKlauseln Besonderer Teil, 4. Klausel Rz 4.06 f). Ob eine Vereinbarung im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RISJustiz RS0042936; RS0044358).

Eine solch auffallende Fehlbeurteilung bringt die Beklagte hier nicht zur Darstellung. Nach den Feststellungen hatte der Arbeitsvertrag des Klägers mit der Beklagten die Gründung einer Gesellschaft und den Lizenzerwerb für diese in der Tschechischen Republik als wesentliche Aufgabenstellungen zum Inhalt. Im Vertrag nahmen die Parteien ausdrücklich die Übertragung des Arbeitsverhältnisses „unmittelbar nach Gründung der tschechischen Tochtergesellschaft des Arbeitgebers auf diese neue tschechische Gesellschaft“ unter Abschluss eines neuen Dienstvertrags in Aussicht. Vor diesem Hintergrund ist die Auffassung des Berufungsgerichts, dass der Kollektivvertrag (trotz Bestellung des Klägers zum Vorstandsvorsitzenden der tschechischen Gesellschaft) bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwischen dem Kläger und der Beklagten gelten sollte, nicht unvertretbar. Die Parteien planten ja gerade nach Abschluss der Gesellschaftsgründung eine Vertragsänderung, insbesondere einen Wechsel des Arbeitgebers. Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien die Unanwendbarkeit des vereinbarten Kollektivvertrags bereits bei der Bestellung des Klägers zum Vorstandsvorsitzenden der tschechischen Gesellschaft wollten, zeigt die Beklagte nicht auf, zumal nicht ersichtlich ist, warum mit diesem – im Rahmen der Erbringung der Arbeitsleistung erfolgten – Formalakt eine finanzielle Schlechterstellung des Klägers bei sonst unverändertem Arbeitsvertrag mit der Beklagten verbunden sein sollte.

2.2 Ein entsprechender übereinstimmender Parteiwille ergibt sich letztlich nicht einmal aus der von der Beklagten vermissten Negativfeststellung, es könne nicht festgestellt werden, dass die Parteien vereinbart hätten, der Kollektivvertrag solle auch nach der Bestellung des Klägers zum Vorstandsvorsitzenden der tschechischen Aktiengesellschaft weiterhin anwendbar sein.

2.3 Im Unterschied zu dem der Entscheidung 9 ObA 134/92 zugrundeliegenden Sachverhalt gelangt der Kollektivvertrag hier schon kraft Einzelvereinbarung zur Anwendung.

3. Mangels erheblicher Rechtsfrage ist die außerordentliche Revision zurückzuweisen.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2018:008OBA00024.18I.0625.000

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