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OGH vom 15.10.1997, 10ObS192/97a

OGH vom 15.10.1997, 10ObS192/97a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Ehmayr und Dr.Steinbauer als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Reinhard Drössler (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Wilhelm Hackl (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Hannelore R*****, ohne Beschäftigungsangabe, ***** vertreten durch Dr.Johannes Grund und Dr.Wolf D. Polte, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei Land Oberösterreich, 4020 Linz, Klosterstraße 7, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Pflegegeldes, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 12 Rs 16/97b-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom , GZ 6 Cgs 140/95x-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist die Witwe nach dem am verstorbenen emeritierten Universitätsprofessor Dr.Ernst R*****. Dieser erlitt in den Jahren 1994 und 1995 Schlaganfälle und war in der rechten Hälfte spastisch gelähmt. Seit Oktober 1995 war er praktisch bewegungsunfähig. Er erhielt vom Bundesrechenamt einen als "Pension" bezeichneten Emeritierungsbezug. Sein Antrag vom auf Gewährung eines Pflegegeldes nach dem OÖPGG wurde mit Bescheid des Amtes der oö Landesregierung vom abgelehnt, weil er nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis gehöre. Gegenstand des Revisionsverfahrens bildet nur noch das Begehren der fortsetzungsberechtigten Witwe auf Pflegegeld in höchstmöglichem Ausmaß für die Zeit vom bis zum Tod am .

Das beklagte Land Oberösterreich beantragte die Abweisung dieses Begehrens mit der Begründung, ein emeritierter ordentlicher Universitätsprofessor habe schon aus kompetenzrechtlichen Gründen keinen Pflegegeldanspruch gegen das Land; darüber hinaus zähle er seit nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis des OÖPGG, da sein Emeritierungsbezug Pflegegeld aufgrund landesgesetzlicher Vorschriften ausschließe.

Das Erstgericht wies das noch strittige Klagebegehren ab und führte in rechtlicher Hinsicht folgendes aus:

Der Emeritierungsbezug stelle einen Bezug eigener Art dar und sei daher nicht als Pension oder "andere Leistung" gemäß dem § 3 Abs 2 Z 2 OÖPGG zu verstehen. Dafür spreche schon einmal die Tatsache, daß für einen ordentlichen Universitätsprofessor wahlweise die Emeritierung oder die Versetzung in den Ruhestand möglich sei (§ 164 iVm §§ 14, 15 BDG). Im Falle der Emeritierung könne der Emeritus seine Forschungstätigkeiten und seine Lehrtätigkeiten weiter ausüben. Für die Dauer der Emeritierung erhalte er einen im § 163 Abs 4 BDG geregelten Emeritierungsbezug und keinen Ruhegenuß. Emeritierte ordentliche Universitätsprofessoren hätten keine Aufnahme in den anspruchsberechtigten Personenkreis des § 3 BPGG gefunden. Abs 4 lit k dieser Bestimmung nehme lediglich auf die Angehörigen und auf die Hinterbliebenen des Emeritus bezug, nicht jedoch auf diesen selbst. Nach § 3 Abs 1 Z 5 OÖPGG werde Pflegegeld nur an Personen gewährt, die nicht eine der im BPGG angeführten Leistungen geltend machen können. Gemäß § 3 Abs 2 Z 2 OÖPGG idF BGBl 1993/64, gültig bis , sei aus dem Kreis der pflegegeldbezugsberechtigten Personen ausgenommen gewesen, wer einen Anspruch auf eine Pension, einen Ruhe(Versorgungs)genuß oder eine gleichartige Leistung aufgrund einer privatrechtlichen Vereinbarung hatte oder geltend machen konnte. Die zuletzt genannte Bestimmung in der ab gültigen Fassung stelle hingegen nicht nur auf Leistungen aufgrund einer privatrechtlichen Vereinbarung ab, sondern auch auf Leistungen aufgrund bundesrechtlicher Vorschriften. Daher zähle ein emeritierter Universitätsprofessor für die Zeit ab gemäß § 3 Abs 2 Z 2 OÖPGG nicht zum Kreis der anspruchsberechtigten Personen.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und führte im wesentlichen aus:

Die Formulierung des Anspruchsausschlusses in § 3 Abs 2 Z 2 OÖPGG, wonach Personen ausgenommen sind, die eine Pension .... aufgrund bundesgesetzlicher Vorschriften haben oder geltend machen können, sei sicher nur auf tatsächlich zustehende Pensionsleistungen zugeschnitten, nicht aber auf mögliche, noch nicht aktualisierte Pensionsansprüche. Damit sei aber für die Klägerin nichts gewonnen. Ihr Argument, ein emeritierter Universitätsprofessor müsse, da er von Pflegegeldleistungen des Bundes ausgeschlossen sei, jedenfalls Ansprüche nach dem Landespflegegeldgesetz haben, sei nicht stichhältig. Zwar hätten Bundes- und Landesgesetzgeber eine umfassende Vorsorge für pflegebedürftige Personen beabsichtigt, doch habe die Vereinbarung nach Art 15 a B-VG bezweckt, daß Bund und Länder jeweils in ihrem Kompetenzbereich für den Zugang zum Pflegegeld zu sorgen hätten. Die Erweiterung des Ausschlusses des anspruchsberechtigten Personenkreises nach § 3 Abs 2 Z 2 OÖPGG auf Personen mit bundesgesetzlich geregelten Pensionsansprüchen durch die OÖPGG-Nov LGBl 1995/54 habe nach den Materialien diesen Zweck der Vereinbarung nach Art 15 a B-VG Rechnung tragen sollen (AB Blg 596/1995 oö Landtag 24. GP). Daraus sei zwar grundsätzlich das Konzept eines geschlossenen Pflegegeldsystems abzuleiten, doch habe der Gesetzgeber gewisse Versorgungslücken bewußt in Kauf genommen. Die in der zitierten Vereinbarung übernommene Verpflichtung, ein Pflegeleistungssystem zu schaffen, sei ausschließlich auf den jeweiligen Kompetenzbereich beschränkt. Damit scheide der emeritierte Universitätsprofessor, der in allen Belangen dem Bundesrecht unterliege, aus dem Zuständigkeitsbereich der Länder aus. Dafür spreche auch die bereits zitierte Bestimmung des § 3 Abs 2 Z 2 OÖPGG:

Auch wenn der Emeritierungsbezug keine Pension im eigentlichen Sinne sei, könne er doch unter den Begriff des "gleichartigen Bezuges nach bundesgesetzlichen Vorschriften" subsumiert werden.

Die Revision der Klägerin ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Aufgrund der Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art 15 a B-VG über gemeinsame Maßnahmen des Bundes und der Länder für pflegebedürftige Personen (BGBl 1993/866) haben sich die Vertragsparteien unter anderem verpflichtet, im Rahmen der ihnen verfassungsrechtlich zugeordneten Kompetenzbereiche ein umfassendes Pflegeleistungssystem an Geld- und Sachleistungen zu schaffen. Nicht bei allen Personen, die keine Grundleistung im Sinn des § 3 Abs 1 BPGG beziehen und auch sonst nicht ausdrücklich vom BPGG erfaßt sind, liegt die Zuständigkeit zur Gewährung von Pflegegeld automatisch bei den Ländern. Eine Zuständigkeit der Länder scheidet etwa im Hinblick auf Personen aus, die zwar von § 3 BPGG sei es unmittelbar, sei es erst durch entsprechende Verordnung, nicht erfaßt sind, für die aber die Gewährung pflegebezogener Geldleistungen auf Grundlage anderer Bundeskompetenzen in Betracht käme. Die Verfassungsbestimmung des Art 1 BPGG vermag nämlich nichts an der diesbezüglichen Regelungsbefugnis auf Grundlage der Tatbestände "Sozialversicherungswesen" oder "Dienstrecht" zu ändern (Pfeil, BPGG 32). Hinsichtlich der Hinterbliebenen nach einem Freiberufler hat der Senat ausgeführt, daß die Regelung der Gewährung von Grundleistungen im Sinn des § 3 Abs 1 BPGG an diese Personen in der Kompetenz des Bundes liegt und daß deshalb Hinterbliebene von Selbständigen, die weder in die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung noch in den Geltungsbereich des BPGG einbezogen waren, derzeit weder einen Anspruch auf Bundes- noch auf Landespflegegeld haben (10 ObS 2189/96a betreffend Pflegegeldansprüche der Witwe eines Ziviltechnikers; vgl auch 10 ObS 198/97h betreffend Pflegegeldansprüche eines emeritierten Rechtsanwaltes).

Anders als deren Hinterbliebene (§ 3 Abs 1 lit k BPGG) sind emeritierte Universitäts(Hochschul)professoren nicht dem personellen Geltungsbereich des BPGG unterstellt, offenbar weil sie auch vor dessen Geltung keinen Anspruch auf eine pflegebezogene Geldleistung (insbesondere nach § 27 PG) hatten. Ein emeritierter Professor wird nämlich lediglich von seinen Dienstpflichten (insbesondere in der Lehre) auf Dauer entbunden, ist aber befugt, seine Forschungs- und Lehrtätigkeit auch nach der - grundsätzlich im 68. Lebensjahr erfolgenden - Emeritierung fortzusetzen (§ 163 Abs 1 BDG). Er erhält deshalb auch keinen Ruhegenuß nach dem PG, sondern einen höheren Emeritierungsbezug (§ 163 Abs 4 BDG in der hier geltenden Fassung). Er gilt aber dennoch nicht mehr als Beamter des Dienststandes (§ 163 Abs 3 erster Satz BDG).

Dem Berufungsgericht ist beizupflichten, daß weder der Aspekt der allenfalls noch ausgeübten Berufstätigkeit noch jener des "geschlossenen Systems" eine Landeszuständigkeit für emeritierte Professoren begründen kann. Die Regelung der Rechtsstellung von Universitäts(Hochschul)professoren und ihrer Ansprüche auch im Falle einer Emeritierung gehört ausschließlich zum "Dienstrecht der Bundesbediensteten" im Sinn des Art 10 Abs 1 Z 16 B-VG; für die Annahme einer Länderkompetenz nach Art 15 Abs 1 B-VG besteht daher bloß deshalb, weil der Bund seine Befugnisse vielleicht nicht voll ausgeschöpft hat, kein Raum. Ein emeritierter Professor hat daher schon aufgrund einer verfassungs- und vereinbarungskonformen Interpretation der landesgesetzlichen Regelungen keinen Anspruch auf Landespflegegeld; um ein lückenloses Pflegegeldsystem auch im Hinblick auf diese Personengruppe zu gewährleisten, müßte bei geltender Verfassungslage der Bund tätig werden (so bereits Pfeil aaO 60 f).

In diesem Sinne ist insbesondere die Bestimmung des § 3 Abs 2 Z 2 OÖPGG auszulegen, wonach Personen, die einen Anspruch auf eine Pension, einen Ruhe(Versorgungs)genuß oder eine gleichartige Leistung aufgrund bundesgesetzlicher Vorschriften haben oder geltend machen können, nicht zum Kreis der anspruchsberechtigten Personen nach diesem Landesgesetz gehören. Berücksichtigt man, daß der Universitätsprofessor aufgrund der Emeritierung von der Erfüllung aller Dienstpflichten, insbesonderer der Lehrverpflichtung auf Dauer entbunden ist, wenngleich er zur Fortsetzung seiner Forschungstätigkeit oder Ausübung seiner Lehrbefugnis zur Benützung der Universitätseinrichtungen berechtigt ist, berücksichtigt man weiter, daß er nach ausdrücklicher Anordnung des Gesetzes nicht als Beamter des Dienststandes gilt, dann ist der Emeritierungsbezug eine der Pension oder dem Ruhe(Versorgungs)genuß "gleichartige Leistung aufgrund einer bundesgesetzlichen Vorschrift" anzusehen. Damit scheidet aber der emeritierte Professor auch aufgrund des § 3 Abs 2 Z 2 OÖPGG aus dem Kreis der anspruchsberechtigten Personen aus.

Der Einwand der Revisionswerberin, auch ein aktiver Bundesbeamter habe im Falle der Pflegebedürftigkeit keinen Anspruch nach dem BPGG, sondern einen solchen nach den Landespflegegeldgesetzen, ist nicht stichhältig. Abgesehen davon, daß der emeritierte Professor nicht als Beamter des Dienststandes gilt, hat er Anspruch auf den Emeritierungsbezug, der - wie oben ausgeführt - in Wahrheit einer Pension oder einem Ruhe(Versorgungs)genuß entspricht.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.