OGH vom 26.05.2014, 8ObA24/14h

OGH vom 26.05.2014, 8ObA24/14h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte Hon. Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer, und die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Werner Hallas und Mag. Thomas Kallab als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. P***** B*****, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, *****, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17 19, wegen Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses (Streitwert: 21.800 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 9 Ra 99/13i 40, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung wird gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO abgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Ob der Dienstgeber die Entlassung eines Vertragsbediensteten rechtzeitig oder verspätet vornahm, lässt sich nur nach den konkreten Umständen des Einzelfalls beurteilen. Dieser Frage kommt von Fällen krasser Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz abgesehen keine erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zu (RIS Justiz RS0031571). Richtig ist, dass mit dem Ausspruch der Entlassung auch bei juristischen Personen, deren Willensbildung umständlicher ist als bei physischen Personen (RIS Justiz RS0029328), nicht ohne in den besonderen Umständen des Falls liegende sachliche Gründe zugewartet werden darf (RIS Justiz RS0029273). Damit ist aber für den Kläger nichts gewonnen:

Hier steht fest, dass der Kläger am , weniger als zwei Stunden nach dem ihm vorgeworfenen Fehlverhalten, mündlich entlassen wurde. Er wurde aufgefordert, seine persönlichen Sachen mitzunehmen und den Arbeitsplatz zu verlassen, über ihn wurde ein Hausverbot verhängt. Der Kläger focht zwar in einem Vorverfahren diese erste Entlassung erfolgreich an, weil die Beklagte vor ihrem Ausspruch nicht die Zustimmung des Dienststellenausschusses eingeholt hatte (§ 10 Abs 9 PVG). Die Beklagte bestritt jedoch nach der am an sie erfolgten Zustellung der Klage in diesem Vorverfahren die behauptete Rechtsunwirksamkeit der Entlassung und sprach nunmehr unstrittig nach rechtzeitiger Befassung des Dienststellenausschusses am eine neuerliche Entlassung für den Fall der Rechtsunwirksamkeit der ersten Entlassung aus.

Das Berufungsgericht hat die maßgebende Rechtsprechung zur Frage der Unverzüglichkeit der Entlassung ausführlich und zutreffend wiedergegeben und in jedenfalls vertretbarer Weise auf den eben dargestellten Sachverhalt angewendet. Es hat zurecht darauf verwiesen, dass der Unverzüglichkeitsgrundsatz sicherstellen soll, dass der Dienstnehmer, dem ein pflichtwidriges Verhalten vorgeworfen wird, nicht ungebührlich lange über sein weiteres dienstrechtliches Schicksal im Unklaren gelassen werden darf (RIS Justiz RS0031799). Gerade davon kann aber im hier zu beurteilenden überhaupt keine Rede sein, zumal der Kläger angesichts der unverzüglich nach dem Vorfall ausgesprochenen mündlichen Entlassung und dem Festhalten des Dienstgebers an der Beendigung des Dienstverhältnisses auch im folgenden Prozess am unbedingten Willen des Dienstgebers, das Dienstverhältnis zu beenden, nie auch nur den geringsten Zweifel haben konnte. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass auch die zweite Entlassung unter diesen besonders gelagerten Umständen des hier zu beurteilenden Einzelfalls noch rechtzeitig war, ist jedenfalls nicht unvertretbar und vermag daher die Zulässigkeit der Revision nicht zu rechtfertigen.

2. Die Beklagte hat in ihrer Berufung (auch) eine Rechtsrüge und zwar auch zur Frage der Berechtigung der Entlassung gesetzmäßig ausgeführt und sich überdies ausdrücklich auf die vom Erstgericht zum behaupteten Fehlverhalten des Klägers getroffenen Feststellungen bezogen. In einem solchen Fall muss gemäß § 468 Abs 2 ZPO die in erster Instanz siegreich gebliebene Partei in der Berufungsbeantwortung die ihr nachteiligen Feststellungen bekämpfen, will sie im weiteren Verfahren daran nicht gebunden sein (5 Ob 249/11; RS0112020). Dies ist hier nicht geschehen, sodass das Berufungsgericht, da auch die Beklagte in der Berufung keine Beweisrüge ausgeführt hat, mängelfrei vom festgestellten Sachverhalt ausgegangen ist.

Die Beurteilung, ob der vom Berufungsgericht bejahte Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit hier nach § 34 Abs 2 lit b VBG 1948 verwirklicht ist, ist eine Frage des Einzelfalls, die regelmäßig die Zulässigkeit der Revision nicht rechtfertigen kann (RIS Justiz RS0103201; RS0105955; RS0029733 ua). Für die Beurteilung ist entscheidend, ob das Fehlverhalten des Dienstnehmers als so schwerwiegend angesehen werden muss, dass das Vertrauen des Dienstgebers, hier aufgrund einer objektiven Gefährdung seiner Interessen, derart heftig erschüttert wird, dass ihm unter Bedachtnahme auf das Gesamtverhalten des Dienstnehmers eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann (RIS Justiz RS0029323; RS0029833). Im Anlassfall beugte sich der Kläger, der kräftig und größer als seine ca 1,60 m große und 48 kg schwere Vorgesetzte ist, von hinten über die am Schreibtisch sitzende Vorgesetzte und stützte seine Hände links und rechts von ihr so ab, dass sie sich nicht bewegen konnte und sich nach vorn über die Tischfläche beugen musste. Derart erklärte er ihr lautstark sein Anliegen, dass sie einen von ihm beantragten Urlaub genehmigen solle, widrigenfalls er sie „auf Stornogebühren wegen des bereits gebuchten Urlaubs“ klagen würde. Dass das Berufungsgericht ausgehend davon die Entlassung des Klägers als objektiv gerechtfertigt ansah, weil der Beklagten seine Weiterbeschäftigung infolge dieses bedrohenden und stark einschüchternden Verhaltens gegenüber einer Vorgesetzten nicht zumutbar sei, stellt keine unvertretbare, die Rechtssicherheit gefährdende Fehlbeurteilung dar.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2014:008OBA00024.14H.0526.000