OGH vom 15.12.2004, 9ObA108/04d

OGH vom 15.12.2004, 9ObA108/04d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Univ. Doz. Dr. Bydlinski sowie durch die fachkundigen Laienrichter Univ. Prof. Dr. Walter Schrammel und Dipl. Ing. Walter Holzer als weitere Richter in den verbundenen Arbeitsrechtssachen der klagenden Parteien 1) Herbert G*****, 2) Helmut Walter G*****, beide vertreten durch Dr. Georg Grießer ua, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei E***** AG, *****, vertreten durch Schreiner, Lackner & Partner, Rechtsanwälte in Eisenstadt, wegen Feststellung, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Ra 118/04p-12, mit dem das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 17 Cga 144/03x-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie zu lauten haben:

"Es wird festgestellt, dass bei Ermittlung des den klagenden Parteien gebührenden Ruhegenusses die von ihnen bezogene Überstundenpauschale in gleicher Weise zu berücksichtigen ist wie bei öffentlichen Beamten *****."

Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei je EUR 228,40 (darin jeweils EUR 38,07 an USt) an Verfahrenskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger waren bei der beklagten Partei beschäftigt, seit unkündbar gestellt und bezogen ab ein Überstundenpauschale auf der Basis von 10 Überstunden pro Monat. Auf ihr Dienstverhältnis ist die Betriebsvereinbarung der beklagten Partei vom zum Kollektivvertrag für die Angestellten der österreichischen Landes-Hypothekenbanken anzuwenden, die in § 16/1 unter dem Titel Ruhe- und Versorgungsgenüsse ua folgende Bestimmungen enthält:

"Für Dienstnehmer, die per in einem unkündbaren Dienstverhältnis stehen und sich dadurch eine Pensionszusage erworben haben, gelten folgende Bestimmungen für die Ermittlung der Ruhe- und Versorgungsgenüsse:

1) Den Dienstnehmern im unkündbaren Dienstverhältnis gebühren bei Versetzung in den Ruhestand Ruhegenüsse und ihren Hinterbliebenen Versorgungsgenüsse gleich einem öffentlichen Beamten des Landes mit den aus den Abs 2) bis (8) sich ergebenden Abweichungen.

2) Die von den Banken im Sinne des § 8 Abs 3) KV zur Auszahlung gelangende Bankenzulage stellt eine für die Pension anrechenbare Zulage dar. Die Erhöhungen aufgrund des Familienstandes gebühren nur, solange die Voraussetzungen des § 8 Abs 3) KV gegeben sind. Andere Zulagen sind nur dann pensionsfähig, wenn sie vom Vorstand ausdrücklich als pensionsfähig erklärt werden...."

Die Kläger stellten das aus dem Spruch dieser Entscheidung ersichtliche - vom Revisionsgericht aus Klarstellungsgründen geringfügig umformulierte - Feststellungsbegehren und brachten im Wesentlichen vor, dass das bezogene Überstundenpauschale ebenso wie bei ***** Landesbeamten in die Berechnung des Ruhegenusses einzubeziehen sei. Es handle sich bei diesem Einkommensbestandteil um Arbeitsentgelt und nicht um eine Zulage im Sinne des § 16/1 Abs 2 der Betriebsvereinbarung.

Die beklagte Partei wandte im Wesentlichen ein, die Überstundenpauschale stelle eine Zulage, nämlich eine Nebengebührenzulage zum Ruhegenuss dar, welche nur dann für die Pensionsberechnung Bedeutung hätte, wenn sie vom Vorstand als pensionsfähig erklärt worden wäre, was nicht geschehen sei.

Das Erstgericht wies die Klagebegehren ab und stellte über den eingangs dargestellten Sachverhalt hinaus fest, dass die Überstundenpauschalen bei der Berechnung der Pensionsbeiträge nicht berücksichtigt wurden. Landesbeamten, die Überstundenpauschalien bezogen hätten, würde gemäß § 4 Abs 1 NGZG eine monatliche Nebengebührenzulage zum Ruhegenuss zustehen. Für die Kläger wäre eine solche Nebengebührenzulage nach § 16/1 Abs 2 der Betriebsvereinbarung allerdings nur dann "pensionsfähig", wenn sie vom Vorstand ausdrücklich als pensionsfähig erklärt worden wäre. Da Derartiges nicht geschehen sei, hätten die Kläger keinen Anspruch auf Einbeziehung in den Ruhegenuss.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig. Die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts sei zutreffend. Die pensionsrechtliche Relevanz der Überstundenpauschale sei nicht nach allgemeinen arbeitsrechtlichen Kriterien, sondern nach Maßgabe des Begriffsverständnisses des Beamtenrechts zu beurteilen. In einer vergleichbaren Entscheidung habe der Oberste Gerichtshof - dort zum Bundestheaterpensionsgesetz - festgehalten, dass sich der Gesetzgeber bei der Bezeichnung der die Grundlage der Pensionsbemessung bildenden Aktivbezüge nicht der Terminologie des einschlägigen Kollektivvertrags sondern der des Gehaltsgesetzes und des Pensionsgesetzes bedient habe. Zum ruhegenussfähigen Monatsbezug nach § 5 Abs 1 des Pensionsgesetzes gehöre aber nicht ein Bezug, der vielmehr eine anspruchsbegründende Nebengebühr darstelle; eine solche Nebengebühr im Sinne des § 15 des Gehaltsgesetzes sei unter anderem auch ein Überstundenpauschale, welches demnach nicht in den die Ruhegenussbemessungsgrundlage bildenden "vollen Dienstbezug" falle. Die in § 502 Abs 1 ZPO normierten Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Revision lägen nicht vor.

Die dagegen erhobene Revision der Kläger ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Vorweg ist festzuhalten, dass für die Lösung der vorliegenden Rechtsfrage aus der vom Berufungsgericht herangezogenen Entscheidung zu 9 ObA 185/95 nichts zu gewinnen ist, weil der im § 5 aF BundestheaterpensionsG enthaltene Begriff des "vollen Dienstbezuges" im vorliegenden Zusammenhang nicht vorkommt. Ebenso geht der Hinweis in der Revisionsbeantwortung auf die in § 16/2 der Betriebsvereinbarung (unrichtig als § 16 "Abs" 2 bezeichnet) verwendete Formulierung "ruhegenußfähiger Monatsbezug" ins Leere, weil für die Kläger nicht obige Bestimmung, sondern vielmehr § 16/1 gilt. Bestimmungen des LBBG 2001 können für die Auslegung der 1993 in Kraft getretenen Betriebsvereinbarung nicht herangezogen werden.

Zutreffend zieht auch die beklagte Partei nicht in Zweifel, dass die Kläger gemäß § 16/1 Abs 1 der Betriebsvereinbarung im Hinblick auf die ihnen gebührenden Ruhegenüsse grundsätzlich ebenso zu behandeln sind wie öffentliche Beamte des Landes, soweit sich aus den folgenden Absätzen der genannten Bestimmung keine Abweichungen ergeben, und dass Landesbeamte nach den § 2 Abs 1 bgld Landesbeamtengesetz 1985, § 2 Abs 1 Z 1 NebengebührenzulagenG und § 15 Abs 1 Z 1 GehaltsG 1956 Anspruch auf eine entsprechende "Nebengebührenzulage" zum Ruhegenuss haben.

Entgegen der Auffassung der Revisionsgegnerin stellt eine (auch pauschalierte) Überstundenvergütung weder nach der Terminologie des Beamtenrechts noch nach jener der Betriebsvereinbarung eine "Zulage" dar, die gemäß § 16/1 Abs 2 der Betriebsvereinbarung nur bei entsprechender Erklärung durch den Vorstand für die Ruhegenussansprüche der Kläger Bedeutung hätte. Nach § 2 Abs 1 NebengebührenzulagenG sind Überstundenvergütungen "Nebengebühren" und nicht etwa Zulagen. Dass deren Bezug während der aktiven Dienstzeit dazu führt, dass dadurch ein Anspruch auf eine "Nebengebührenzulage zum Ruhegenuss" begründet wird, kann schon deshalb keine Bedeutung haben, weil sich die entsprechende Regelung in der Betriebsvereinbarung eindeutig nur auf Zulagen bezieht, die während der Aktivzeit bezogen werden. Unzutreffend ist insoweit auch die Formulierung in dem von der beklagten Partei vorgelegten Rechtsgutachten, wonach nach den beamtenrechtlichen Bestimmungen "pauschale Überstundenvergütungen einen Anspruch auf Zulage begründeten"; richtigerweise begründet vielmehr eine entsprechende Pauschalierungsvereinbarung einen Anspruch auf (anspruchsbegründende) Nebengebühren in Gestalt von Überstundenvergütungen.

Geht man davon aus, dass in § 16/1 der Betriebsvereinbarung eine möglichst weitgehende Gleichstellung der Dienstnehmer der beklagten Partei mit öffentlichen Landesbeamten angestrebt wird, so ist kein sachlicher Grund dafür erkennbar, die Bankmitarbeiter gerade im Hinblick auf die Berechnung des Ruhegenusses schlechter zu stellen bzw deren Gleichbehandlung von der Willensbildung im Vorstand der beklagten Partei abhängig zu machen. Ebensowenig gibt es Anhaltspunkte dafür, dass die Betriebsparteien den in § 16/1 Abs 2 der Betriebsvereinbarung verwendeten Begriff der "anderen Zulagen" auch auf Überstundenvergütungen ausdehnen wollten. Es liegt vielmehr nahe, die verwendete Formulierung als Verweis auf die in § 12 Abs 2 der Betriebsvereinbarung ausdrücklich angeführten Zulagen zu beziehen, unter denen Überstundenvergütungen (naheliegender Weise) nicht aufgezählt sind.

Ob die Kläger allenfalls zur Nachzahlung von Pensionsbeiträgen verpflichtet sind, ist hier nicht zu prüfen. Fehler der beklagten Partei bei der Berechnung der Pensionsbeiträge können jedenfalls nicht zu einer Verringerung ihrer Verbindlichkeiten aus der Pensionszusage führen.

Infolge der Abänderung ist über die Verfahrenskosten aller Instanzen abzusprechen (§ 50 Abs 1 ZPO): In erster Instanz hat die beklagte Partei überwiegend obsiegt, da die Kläger ihre Zahlungsbegehren - unmittelbar vor Schluss der Verhandlung - fallen ließen und nur mit den niedriger bewerteten Feststellungsbegehren erfolgreich waren. Unter Berücksichtigung der jeweiligen Teilstreitwerte steht einem Obsiegen mit rund 69 % ein Unterliegen von 31 % gegenüber, sodass die beklagte Partei Anspruch auf Ersatz von 38 %, bzw von 19 % je Kläger, ihrer richtig (wenn auch ohne Streitgenossenzuschlag) verzeichneten Vertretungskosten von (netto) EUR 2.131,09 hat, was EUR 404,91 pro Kläger ergibt. Die Kläger haben die Pauschalgebühren für die Klagen selbst zu tragen, weil diese Kosten nicht angefallen wären, wenn sie nur das (erfolgreiche) Feststellungsbegehren erhoben hätten (TP 1 Anm 8 GGG). Angesichts des überwiegenden Unterliegens ist auch der für die Vertretung der Kläger verzeichnete Aufwandersatz nicht - auch nicht anteilig - zuzusprechen (§ 58a Abs 4 ASGG,§ 43 Abs 1 ZPO). Dagegen steht den Klägern je zur Hälfte der Ersatz der Kosten ihrer gemeinsamen Revisionsschrift von (netto) EUR 429,16 zu. Entgegen dem Kostenverzeichnis ist eine Pauschalgebühr nicht angefallen (TP 3 Anm 5 iVm § 16 Abs 1 Z 1 lit a GGG); das für die Bemessung der Anwaltskosten maßgebliche Revisionsinteresse (= Summe der beiden von den Kläger bewerteten Feststellungsbegehren), beträgt (nur) EUR 5.670. Eine Saldierung der wechselseitigen Kostenersatzansprüche ergibt eine Differenz von jeweils netto EUR 190,33 zugunsten der beklagten Partei, sodass jeder Kläger einschließlich der darauf entfallenden Umsatzsteuer EUR 228,40 zu ersetzen hat.