OGH vom 28.03.2002, 8ObA239/01g
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Claus Bauer und Mag. Dr. Walter Zeiler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds beim Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, 1010 Wien, Stubenring 1, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19, wider die beklagte Partei Dr. Gerhard Schilcher, Rechtsanwalt in Wien als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der J*****, GesmbH *****, wegen EUR 4.959,63 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 9 Ra 216/01b-11, womit das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 29 Cga 4/01x-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Ersturteil wieder hergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 460,89 (darin EUR 78,12 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit EUR 930,27 (darin EUR 66,63 USt und EUR 530,51 Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Beschluss des zuständigen Gerichtshofes vom wurde über das Vermögen einer GesmbH der Ausgleich eröffnet. Dieser "mündete" in einen Anschlusskonkurs, der mit Beschluss vom eröffnet wurde. Der Beklagte wurde zum Masseverwalter bestellt. Während der Dauer des Ausgleichsverfahrens stellte der Beklagte eine Dienstnehmerin der Schuldnerin ein. Nach Eröffnung des Anschlusskonkurses wurde dieses Dienstverhältnis von der Arbeitnehmerin am durch vorzeitigen Austritt unter Einhaltung der in § 25 KO normierten Voraussetzungen beendet. Auf Grund Antrages vom erhielt die Dienstnehmerin mit Bescheiden von August und September 1998 ATS 50.169,- und ATS 61.767,- an Insolvenzausfallgeld "für Masseforderungen" zuerkannt. Mit Schreiben vom teilte das Bundessozialamt seine Rechtsansicht mit, die auf die Klägerin übergegangenen Ansprüche seien abweichend vom Anerkenntnis des Beklagten nicht als Konkurssondern als Masseforderung zu qualifizieren.
Mit ihrer am beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte die Klägerin nach Einschränkung, den Beklagten zur Zahlung von ATS 68.246,- sA schuldig zu erkennen. Die geltend gemachten, auf die Klägerin gemäß § 11 IESG übergegangenen, Beendigungsansprüche der Dienstnehmerin seien als Masseforderungen zu qualifizieren und vom Beklagten bei Zureichen der Masse sofort und vollständig zu befriedigen.
Der Beklagte, der den Anspruch der Höhe nach außer Streit stellte, wendete ein, das auf eine Auflösung gemäß § 25 KO zurückzuführende Begehren stelle gemäß § 51 Abs 2 Z 2 lit a KO eine Konkursforderung dar.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf eingangs wiedergegebene Feststellungen und führte zur rechtlichen Beurteilung aus, Konkursforderungen seien gemäß § 51 Abs 2 Z 2 KO idF IRÄG 1997 unter anderem Ansprüche aus der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nach § 25 KO. Als Masseforderungen seien gemäß § 46 Abs 1 Z 3 lit a KO unter anderem nur jene Beendigungsansprüche zu qualifizieren, die nicht auf § 25 KO zurückzuführen seien. § 46 Abs 2 KO, wonach im Fall des Anschlusskonkurses Forderungen nach § 23 AO (hier: Dienstverhältnis wurde nach Ausgleichseröffnung vom Schuldner oder dem für ihn handelnden Ausgleichsverwalter eingegangen) Masseforderungen seien, komme nicht zur Anwendung, weil die Beendigungsansprüche nicht während des Ausgleichs entstanden seien.
Das Gericht zweiter Instanz änderte dieses Urteil dahin ab, dass es dem Klagebegehren stattgab. Es sprach aus, dass die Revision zulässig sei. Gemäß § 46 Abs 2 KO seien die in Abs 1 (hier:
Beschäftigungsverhältnis wurde vom Masseverwalter während des Konkursverfahrens neu eingetragen) sowie die in § 23 Abs 1 AO bezeichneten Forderungen Masseforderungen. Nach überwiegender Lehre gelte dies unabhängig von der Beendigungsart, somit auch im Fall der Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses gemäß § 25 KO. Seien die Beendigungsansprüche von Arbeitnehmern, deren Dienstverhältnis erst im Insolvenzverfahren begründet worden sei, Masseforderungen, könne es keinen Unterschied machen, ob die Ansprüche noch im Ausgleichsverfahren oder erst im anschließenden Konkursverfahren entstanden seien.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen erhobene Revision des Beklagten ist berechtigt. Gemäß § 11 Abs 1 IESG gehen die diesem Bundesgesetz unterliegenden Ansprüche spätestens mit Zahlung des mit Bescheid zuerkannten Insolvenz-Ausfallgeldes auf die Klägerin über. Die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte für die Klage der Legalzessionarin gründet sich auf §§ 52 Z 2, 50 Abs 1 Z 1 ASGG. Mit dem Übergang ist unbeschadet § 47 Abs 2 KO keine Änderung des Rechtsgrundes, des Ranges oder der Bevorrechtung der Forderung verbunden (§ 11 Abs 1 vorl. Satz IESG). Inwieweit derartige Forderungen Masseforderungen sind, richtet sich nach der Einordnung der Arbeitnehmerforderung (§ 23 Abs 1 Z 2 letzter Satz AO;§ 46 Abs 1 Z 2 letzter Satz KO).
Gemäß Art XII Abs 6 des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes 1997 (IRÄG 1997, BGBl I Nr. 114/1997) sind unter anderem die hier maßgeblichen Änderungen der Bestimmungen der Ausgleichsordnung und der Konkursordnung auf Verfahren (Konkurs, Anschlusskonkurs, Ausgleichsverfahren) anzuwenden, die nach dem eröffnet werden. Es ist daher vorerst zu untersuchen, welche Bedeutung dem Umstand zukommt, dass das Ausgleichsverfahren vor dem genannten Stichtag, nämlich am , eröffnet wurde, der Anschlusskonkurs jedoch danach, am .
Das Rechtsinstitut des Anschlusskonkurses soll verhindern, dass den Gläubigern durch das Hinausschieben der Konkurseröffnung, welche durch den Ausgleichsantrag des Schuldners bewirkt wurde, Nachteile entstehen. Für die Fristen, die von der Einbringung des Konkursantrages oder von der Eröffnung des Konkursverfahrens an zu berechnen sind, ist im Anschlusskonkurs der Tag der Einbringung des Ausgleichsanstrages bzw Vorverfahrensantrags oder der Tag der Ausgleichsverfahreneröffnung bzw Vorverfahrenseröffnung gemäß § 2 Abs 2 KO maßgeblich. Die Bestimmung des § 2 Abs 2 KO gilt nur nicht für jene Fristen, die vom Tage der Konkurseröffnung zu laufen beginnen und deren Einhaltung vorher darum gar nicht möglich ist (Bartsch/Pollak I 45 Schubert in Konecny/Schubert, Komm z Insolvenzgesetzen, § 2 KO Rz 18; 9 ObA 10/98f). Grundsätzlich sind auch Stichtage der KO auf den Tag der Eröffnung des Ausgleichsverfahrens zurückzubeziehen; nur Stichtage, die konkursspezifische Wirkungen auslösen, wie etwa die Verfügungsbeschränkungen des Gemeinschuldners gemäß § 3 KO sind nicht zurückzubeziehen (Schubert aaO, Rz 21 mwH). Die vom Gesetzgeber angestrebte einheitliche Betrachtungsweise vom Ausgleich und amtswegigen Anschlusskonkurs gebietet es, auch die Wirkung insolvenzrechtlicher Novellen für beide Verfahren einheitlich zu sehen und deren Anwendbarkeit in beiden Verfahren mit dem Tag der Eröffnung des Ausgleichsverfahrens zu prüfen. Liegt der sich aus den Übergangsbestimmungen ergebende Stichtag - wie hier im Falle des IRÄG 1997 - nach dem Tag der Ausgleichseröffnung, ist die novellierte Fassung sowohl vom Ausgleichs- als auch Konkursordnung insgesamt nicht anwendbar. Für den hier zu beurteilenden Fall sind daher die gesetzlichen Bestimmungen in der Fassung des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes 1994 (IRÄG 1994, BGBl 153/1994) anzuwenden.
Wie der Oberste Gerichtshof in den Entscheidungen 9 ObA 134/95; 9 ObA 2276/96p und 8 ObA 298/98a ausgesprochen hat, war es Hauptziel des IRÄG 1994, die Unternehmensfortführung durch Verschiebung des Austrittsrechtes des Arbeitnehmers und des begünstigten Kündigungsrechtes des Masseverwalters auf den dritten Monat nach Konkurseröffnung zu erleichtern und eine Entlassung des Insolvenzausfallgeldfonds durch Qualifikation von laufenden Entgelten nach Konkurseröffnung als Masseforderung im Zusammenhang mit den Regelungen des IESG zu bewirken (RV 1384 BlgNr 18. GP, 8). Dadurch sollte eine Unternehmensfortführung auf Kosten des Insolvenzausfallgeldfonds vermieden werden, aber an der bisherigen Qualifikation der Beendigungsansprüche als Konkursforderungen - sofern das Arbeitsverhältnis wegen der Insolvenz gelöst wurde - nichts geändert werden (AB 1475 BlgNr 18. GP, 1; Sabine Bauer, Arbeitnehmeransprüche: Konkurs- oder Masseforderungen? ZIK 1995, 42 ff [46]; Grießer, Wie sind Beendigungsansprüche im Ausgleich und Konkurs aufgrund nicht begünstigter Kündigung zu behandeln?, RdW 1995, 186 ff [188]; derselbe, Beendigungsansprüche aufgrund nicht begünstigter Auflösung des Arbeitsverhältnisses im Konkurs - erste OGH-Entscheidung, RdW 1996, 268 ff [269]). Daher hat, der Oberste Gerichtshof mehrfach (etwa 9 ObA 134/95, 9 ObA 157/95 und 9 ObA 200/95) dargelegt, die Regelung des § 25 Abs 1 letzter Satz KO, wonach die Ansprüche aus der Beendigung des Arbeitsverhältnisses Konkursforderungen sind, sei nicht nur auf die begünstigte Lösung von Arbeitsverhältnissen nach § 25 KO zu beschränken, sondern auch auf einen Austritt des Arbeitnehmers aus anderen Gründen anzuwenden, sofern nicht die Ausnahmetatbestände des § 46 Abs 1 Z 4 KO (Arbeitsverhältnisse, in die der Masseverwalter mangels Lösung nach § 25 Abs 1 KO eingetreten ist) und des § 46 Abs 1 Z 5 KO (Arbeitsverhältnisse, die der Masseverwalter nach Konkurseröffnung begründet hat) gegeben sind. Erfolge dabei der Austritt des Arbeitnehmers während der Frist des § 25 Abs 1 KO, könne der Masseverwalter nicht als in den Vertrag eingetreten angesehen werden und sei der Arbeitnehmer so zu behandeln, als wäre das Arbeitsverhältnis durch den Masseverwalter gemäß § 25 Abs 1 KO gelöst worden, was zur Einordnung der Beendigungsansprüche als Konkursforderung führen müsse (8 ObA 298/98a ua). Es kann daher nicht zweifelhaft sein, dass allein unter dem Aspekt der Auflösung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 25 KO die daraus resultierenden Ansprüche der Dienstnehmerin Konkursforderungen sind. Allerdings haben bereits die Vorinstanzen - wenngleich mit unterschiedlichen Ergebnissen - zu Recht dem Umstand Beachtung geschenkt, dass das Dienstverhältnis während des Ausgleichsverfahrens begründet wurde. Zwar enthielt § 46 KO idF IRÄG 1994 keine ausdrückliche Bestimmung im Sinne des § 46 Abs 1 Z 3a lit b KO idF IRÄG 1997, wonach Beendigungsansprüche dann Masseforderungen sind, wenn das Beschäftigungsverhältnis während des Konkursverfahrens vom Masseverwalter neu eingegangen wurde, jedoch wurde § 46 Abs 1 Z 5 KO idF IRÄG 1994, wonach Masseforderungen alle Ansprüche aus Rechtshandlungen des Masseverwalters sind, in diesem Sinn ausgelegt (9 ObA 134/95; 8 ObA 298/98a). In letztgenannter Entscheidung wurde auch darauf hingewiesen, dass § 23 AO idF IRÄG 1994 eine insoweit korrespondierende Bestimmung nicht kennt. Durch die Novelle 1994 wurde nämlich die bis dahin gültige Bestimmung des § 23 Abs 1 Z 3 lit b AO, die als bevorrechtete Forderung jene aus einem Beschäftigungsverhältnis, das während des Ausgleichsverfahrens durch den Schuldner oder den für ihn handelnden Ausgleichsverwalter neu eingegangen wird, nennt, beseitigt und durch die nur mehr dem laufenden Entgelt ab Ausgleichseröffnung ein Vorrecht einräumende Z 3 ersetzt. Erst das IRÄG 1997 kehrte im Wesentlichen wieder zur Vorgängerbestimmung zurück.
Der auch in der Fassung des IRÄG 1994 in Geltung gestandene § 46 Abs 2 KO, wonach im Falle des Anschlusskonkurses Masseforderungen unter anderem die in Abs 1 sowie die in § 23 Abs 1 AO bezeichneten Forderungen seien, kann daher für den hier maßgeblichen Zeitraum nicht zum Erfolg der Klage führen, weil auch im Ausgleich Beendigungsansprüche neu begründeter Dienstverhältnisse nicht die Qualifikation bevorrechteter Forderungen hatten.
Da somit das Erstgericht das Klagebegehren im Ergebnis zutreffend abgewiesen hat, ist der Revision Folge zu geben und das Ersturteil wiederherzustellen.