OGH 16.01.1997, 8ObA2360/96h
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Langer und Dr.Adamovic sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Manfred Gründler und ADir.Winfried Kmenta in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Betriebsrat *****, vertreten durch seinen Vorsitzenden Günther H*****, dieser vertreten durch Dr.Herbert Stegmüller, Rechtsschutzsekretär der Gewerkschaft Kunst, Medien und freie Berufe, Wien 9, Maria-Theresien-Straße 11, dieser vertreten durch Dr.Ruth Hütthaler-Brandauer, Rechtsanwältin in Wien, sowie des Nebenintervenienten auf Seite der klagenden Partei Peter S*****, Requisiteur, ***** vertreten durch Dr.Ruth Hütthaler-Brandauer, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei Republik Österreich, Österreichischer Bundestheaterverband, Wien 1, Goethegasse 1, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17-19, wegen Unwirksamkeit einer Entlassung gemäß §§ 105 Abs 3 und 106 ArbVG, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom , GZ 8 Ra 243/96f-59, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 27 Cga 214/94a-50, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei und dem Nebenintervenienten die mit S 4.464,76 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 744,12 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der 1944 geborene Kläger ist seit bei der beklagten Partei als Requisiteur beschäftigt. Vom bis zu seiner am erfolgten Entlassung war er durchgehend in ärztlicher Behandlung und im Krankenstand. Am befolgte der Nebenintervenient die Aufforderung, seinen Dienst als Portier anzutreten, nicht, sondern er legte erneut eine ärztliche Bestätigung seiner ihn behandelnden Internistin vor, wonach er wegen der bei ihm festgestellten und gegenüber einer vorausgehenden, von der beklagten Partei veranlaßten Untersuchung verschlechterten Beschwerden weiterhin arbeitsunfähig sei. Der klagende Betriebsrat hat die Entlassung aus dem Grunde des § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG wegen Sozialwidrigkeit angefochten.
Rechtliche Beurteilung
Das Berufungsgericht hat zutreffend die Entlassung des Nebenintervenienten wegen seiner festgestellten Arbeitsunfähigkeit und wegen Sozialwidrigkeit als rechtsunwirksam erklärt (§ 48 ASGG).
Ergänzend ist den Revisionsausführungen entgegenzuhalten:
Die gerügte Aktenwidrigkeit, das Berufungsgericht habe unberechtigt angenommen, der Nebenintervenient habe auf die Richtigkeit des ärztlichen Attests vertrauen dürfen, liegt nicht vor. Vielmehr widersprechen die Ausführungen im Rechtsmittel, daß das ärztliche Attest "im Kulanzwege" erstellt worden wäre, den Feststellungen. Soweit die Revisionswerberin von der Unrichtigkeit des ärztlichen Attests und der Krankenstandsbestätigung des Nebenintervenienten ausgeht, ist der Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung nicht gesetzmäßig ausgeführt. Die beklagte Partei hat nicht vorgebracht, daß der Nebenintervenient seine behandelnde Ärztin getäuscht oder ihr gegenüber seine Beschwerden aggraviert habe (vgl Zur Arbeitsunfähigkeitsbestätigung E , 8 ObA 2302/96d).
Weiters rügt die Revisionswerberin die Unvollständigkeit der Feststellungen (sekundäre Mangelhaftigkeit) zur Sozialwidrigkeit der Entlassung und verweist dabei auf die Entscheidung 9 ObA 55/92, wonach ein Arbeitnehmer auch gewisse Einschränkungen seiner Einkommenslage hinnehmen müsse. Diese Entscheidung, veröffentlicht in DRdA 1992/53, 460 (Mosler) = ecolex 1992, 434 = WBl 1992, 232 = ZAS 1994/4, 59 (Pircher) = SZ 65/43; vgl auch die Erwähnung in Tomandl,
Die sozialwidrige Kündigung (1994) als Entscheidung 15, Seiten 9 und 36, bei FN 46) betrifft einen anderen, mit dem des Nebenintervenienten nicht vergleichbaren Fall der Kündigung eines 60-jährigen Arbeitnehmers mit über 30 Dienstjahren, der einen Anspruch auf Frühpension im Ausmaß der Höchstpension (79,5 % der Bemessungsgrundlage) und einer zusätzlichen Betriebspension für die Differenz auf 80 % seines letzten - über der Höchstbeitragsgrundlage liegenden - Bruttobezuges hatte. Demgegenüber ist es geradezu offensichtlich (§ 269 ZPO), daß der im Zeitpunkt der Entlassung 50 Jahre alte Nebenintervenient größte Schwierigkeiten hätte, einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Diesen Schwierigkeiten versucht der Gesetzgeber ab BGBl 315/1994, 417/96 entgegenzutreten (vgl §§ 5a und 5b AMPFG BGBl 315/1994 idF BGBl 417/1996; vgl auch jüngst § 34a AMSG - Besondere Eingliederungsbeihilfe idF von Art X des 2. SRÄG 1996, BGBl 764/1996 mit Wirkung ). Weiters hat der Nebenintervenient die Voraussetzungen für eine vorzeitige Alterspension nicht erfüllt, ebensowenig hat er Anspruch auf eine Firmenzusatzpension. Zusätzlich wäre er der weiteren Sicherung nach dem Bundestheaterpensionsgesetz (BGBl 159/1958) verlustig gegangen. Insoweit ist - entgegen den Ausführungen der Revisionswerberin - kein Feststellungsmangel gegeben, der ergänzende Feststellungen zur Sozialwidrigkeit der Entlassung des Nebenintervenienten im Sinne des § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG erforderte.
Die Frage der Weiterbeschäftigungsmöglichkeit des Nebenintervenienten im Betrieb der beklagten Partei in seiner früheren Funktion als Requisiteur oder unter Berücksichtigung der sozialen Gestaltungspflicht als Portier (vgl Tomandl aaO 52 ff), bedarf wegen der zunächst ausgesprochenen Entlassung keiner weiteren Erörterung. Es ist daher das Ausmaß der restlichen Arbeitsfähigkeit des Nebenintervenienten - mag sie für einen Requisiteur nicht mehr gegeben sein, so könnte sie für die Tätigkeit als Portier ausreichen - nicht zu prüfen (vgl 8 ObA 2302/96d), zumal die weitergehende, auch die Tätigkeit als Portier umfassende Arbeitsunfähigkeit am Entlassungstag festgestellt ist.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO iVm § 58 Abs 1 ASGG.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:1997:008OBA02360.96H.0116.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
XAAAD-93351