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VfGH vom 26.06.1998, B2630/96

VfGH vom 26.06.1998, B2630/96

Sammlungsnummer

15236

Leitsatz

Keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Zurückweisung von Anträgen auf Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens vor sowie nach Zuschlagserteilung und auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung durch das Bundesvergabeamt; keine Zuständigkeit des Bundesvergabeamtes aufgrund der damaligen Fassung des Bundesvergabegesetzes sowie aufgrund der nicht unmittelbaren Anwendbarkeit der Allgemeinen Rechtsmittelrichtlinie des Rates; keine Vorlagepflicht an den EuGH aufgrund damaliger Rechtslage

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Teil des Bescheides weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer hat sich als befugter Ziviltechniker an einem vom Bundesminister für Inneres, vertreten durch den Bezirkshauptmann von Wiener Neustadt, durchgeführten nicht offenen Verfahren zur Vergabe des Auftrags der örtlichen Bauaufsicht bei der zwangsweisen Räumung einer Mülldeponie beteiligt; der Ausschreibung war eine öffentliche Erkundung des Bewerberkreises (Veröffentlichung im ABl. zur Wr. Zeitung vom ) vorangegangen.

Am brachte der nunmehrige Beschwerdeführer beim Bundesvergabeamt (im folgenden: BVA) einen Antrag auf Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens (vor Zuschlagserteilung) gemäß § 91 Abs 2 des Bundesvergabegesetzes, BGBl. 462/1993, idF vor der Novelle BGBl. 776/1996 (im folgenden: BVergG) sowie einen Antrag auf Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens (nach Zuschlagserteilung) gemäß § 91 Abs 3 BVergG betreffend dieses Vergabeverfahren ein; am 5. Juli beantragte er weiters die Erlassung einer einstweiligen Verfügung gemäß § 91 Abs 2 Z 1 BVergG.

Mit Bescheid vom wies das BVA den Antrag auf Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens vor Zuschlagserteilung und jenen auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ab sowie den Antrag auf Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens nach Zuschlagserteilung zurück.

2. a) Die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof richtet sich ausdrücklich nur gegen jenen Teil des Bescheides, mit dem der Antrag auf Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens nach Zuschlagserteilung zurückgewiesen wird. Sie rügt die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie eine Rechtsverletzung wegen Anwendung einer für verfassungswidrig erachteten Gesetzesbestimmung, nämlich des § 1 BVergG, und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

b) Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten, die vergebende Stelle die "relevanten Aktenteile aus dem Verwaltungsexekutionsverfahren ...-Deponie" vorgelegt; eine Gegenschrift oder Äußerung wurde nicht erstattet.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige (vgl. VfSlg. 14390/1995) - Beschwerde erwogen:

1. a) Bei seiner Entscheidung ging das BVA von der Annahme aus, daß es sich beim Gegenstand des beeinspruchten Vergabeverfahrens um eine Dienstleistung iSd Anhanges IA der Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge, ABl. L 209/1992, 1, (im folgenden Dienstleistungsrichtlinie), handle, für die gemäß Art 8 dieser Richtlinie deren Abschnitte III bis VI gelten, und erachtete sich vor dem Hintergrund, daß diese Richtlinie weder zum Zeitpunkt der Ausschreibung noch auch zum Zeitpunkt seiner Entscheidung für den Bereich des Bundes innerstaatlich umgesetzt war (das BVergG in der hier maßgeblichen Stammfassung (vgl. §§1-4, § 6) erfaßte die Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge nicht), zur Entscheidung über einen Antrag auf Nachprüfung nach Zuschlagserteilung mit folgender Begründung für unzuständig:

"Im vorliegenden Fall beruft sich ein Antragsteller vor dem Bundesvergabeamt auf die unmittelbare Wirkung einer nicht umgesetzten Richtlinie des Gemeinschaftsrechts, nämlich der Dienstleistungsrichtlinie. ...

Im gegenständlichen Vergabeverfahren fand die öffentliche Erkundung des Bewerberkreises am statt (Veröffentlichung im Amtsblatt zur Wiener Zeitung). Ein Sachverhalt, der sich nach dem ereignet hat, ist in vollem Umfang am Prüfmaßstab des Gemeinschaftsrechts zum messen.

...

Art 2 Abs 6 der Rechtsmittelrichtlinie (i.e. Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge idF des Art 41 der Dienstleistungsrichtlinie) stellt es einem Mitgliedstaat frei, vorzusehen, daß nach dem Vertragsschluß im Anschluß an die Zuschlagserteilung die Befugnisse der Nachprüfungsinstanz darauf beschränkt werden, einer durch einen Rechtsverstoß geschädigten Person Schadenersatz zuzuerkennen. Für den Fall eines privatrechtlich ausgestalteten Vergabeverfahrens wie in Österreich, in dem der Zuschlag gleichzeitig den Vertragsabschluß bedeutet (siehe Punkt 4.7.2 der ÖNORM A 2050 vom ), ergibt dies, daß - entsprechend den Bestimmungen der Rechtsmittelrichtlinie - nach erfolgter Zuschlagserteilung einem übergangenen Bewerber oder Bieter jedenfalls die Möglichkeit der Geltendmachung von Schadenersatz eingeräumt werden muß.

Die Entscheidung über zivilrechtliche Ansprüche ist aufgrund der innerstaatlichen Kompetenzverteilung regelmäßig den ordentlichen Gerichten (im Sinne des nationalen Rechts) vorbehalten. Für die Zuerkennung von Schadenersatz ist das Bundesvergabeamt als Verwaltungsbehörde daher nicht die sachlich in Betracht kommende Instanz. Dies ergibt sich schon daraus, daß das Bundesvergabegesetz für Liefer-, Bau- und Baukonzessionsaufträge - in Übereinstimmung mit Art 2 Abs 2 der Rechtsmittelrichtlinie - eine eindeutige Kompetenzaufteilung zwischen dem Bundesvergabeamt und den ordentlichen Gerichten vorgenommen hat (§91 Abs 1 und § 102 Abs 1 BVergG).

Ein übergangener Bewerber oder Bieter hat die Möglichkeit, Schadenersatzklagen in Vergabesachen bei den ordentlichen Gerichten einzubringen. Das Erfordernis der zwingenden Durchführung eines Feststellungsverfahrens vor dem Bundesvergabeamt gemäß § 91 Abs 3 BVergG als Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Schadenersatzklage (§102 Abs 2 BVergG) ist derzeit nur für Liefer-, Bau- und Baukonzessionsaufträge vorgesehen und wäre daher im Falle eines Dienstleistungsauftrages vom angerufenen Gericht nicht zu beachten. Bei Dienstleistungsaufträgen besteht für ein derartiges Feststellungsverfahren durch das Bundesvergabeamt derzeit weder eine innerstaatliche noch eine gemeinschaftsrechtliche Grundlage."

b) Dieser Ansicht des BVA ist im Ergebnis zuzustimmen.

Der bekämpfte Bescheid steht im Einklang mit der zwischenzeitig ergangenen Entscheidung des , Dorsch Consult. In dieser Entscheidung hat der EuGH ausgesprochen, daß es auf Basis der Vorgaben der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge (sog. Allgemeine Rechtsmittelrichtlinie) idF des Art 41 der Dienstleistungsrichtlinie und des Erfordernisses eines effektiven Schutzes der Rechte des einzelnen Sache des nationalen Gerichts ist zu prüfen, ob es für derartige Nachprüfungsverfahren zuständig ist. Aus der genannten Entscheidung des EuGH, der der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , G450/97, gefolgt ist, ergibt sich, daß die Allgemeine Rechtsmittelrichtlinie keine unmittelbar anwendbare Rechtsvorschrift darstellt. Es ist also dem EG-Recht nicht zu entnehmen, welches innerstaatliche Organ zur Kontrolle von Vergaben im Dienstleistungsbereich zuständig ist, vielmehr ist die Frage der Zuständigkeit nach den Vorschriften des nationalen Rechts zu ermitteln. Da dem BVA zum fraglichen Zeitpunkt eine Zuständigkeit zur Kontrolle in Angelegenheiten der Vergabe von Dienstleistungen nicht eingeräumt war, hat es den Antrag zu Recht zurückgewiesen.

Daß die einschlägigen Bestimmungen des BVergG in der damals geltenden Fassung eine diesbezügliche Zuständigkeit nicht vorgesehen hatten, ist - wie sich aus der zitierten Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom , G450/97, ergibt - weder aus der Sicht des Rechtsstaatsprinzips noch unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes verfassungsrechtlich zu beanstanden.

Angesichts der zitierten Entscheidung des EuGH in der Rs Dorsch Consult ist es aber aus heutiger Sicht - anders als im Fall, der zur Entscheidung VfSlg. 14607/1996 geführt hat; damals war die zuletzt zitierte Entscheidung des EuGH noch nicht ergangen - auch nicht zu beanstanden, daß das BVA die seiner Entscheidung zugrunde liegende Frage nicht dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt hat. Es ist daher dem BVA auch unter dem Gesichtspunkt des Grundrechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht entgegenzutreten, wenn es seine Zuständigkeit zur Entscheidung des Antrages als nicht gegeben angenommen hat.

Die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter hat sohin nicht stattgefunden.

Da die Behörde eine richtige Entscheidung getroffen hat, ist es angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der die Zurückweisung tragenden Rechtsvorschriften damit auch ausgeschlossen, daß der Beschwerdeführer in anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden wäre (vgl. zB VfSlg. 10374/1985, 14024/1995).

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

2. Dies konnte, da die für die Entscheidung maßgeblichen Rechtsfragen durch die bisherige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes bereits genügend klargestellt sind, gemäß § 19 Abs 4 Z 2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.